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Kostenentscheidung beim beschränkten Rechtsmittel, oder: Zeitpunkt der Beschränkung und Ziel des Rechtsmittels

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Die erste Entscheidung am Gebührentag ist mal wieder eine „kostenrechtliche“. Sie kommt mit dem OLG Celle, Beschl. v. 05.02.2020 – 2 Ws 35/20 – vom OLG Celle. Thematik: Kostenentscheidung beim beschränkten Rechtsmittel, also eine Problematik des § 473 Abs. 3 StPO.

Auszugehen war von folgendem Verfahrensgeschehen: Das AG hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Gegen das Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte unbeschränkt Berufung ein. Nach Zustellung des schriftlich begründeten Urteils hat der Verteidiger die Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt. Die Berufungskammer des LG hat diese Beschränkung als unwirksam angesehen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Berufung in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen hatte, änderte die Berufungskammer unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen den Rechtsfolgenausspruch des AG-Urteils dahingehend ab, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurden dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen auferlegt, die Berufungsgebühr allerdings um 1/5 ermäßigt und angeordnet, dass die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Berufungsinstanz in diesem Umfang trage. Zur Begründung der Kostenentscheidung führte das LG aus, angesichts der umfassenden Anfechtung des Urteils sei der Berufungserfolg lediglich mit 1/5 zu bemessen. Dagegen hat sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde gewandt. Die hatte überwiegend Erfolg.

Das OLG gibt seiner Entscheidung folgende Leitsätze mit auf den Weg:

1. Die Regelung des § 473 Abs. 3 StPO ist auch dann anzuwenden, wenn eine Beschränkung des Rechtsmittels auf einen bestimmten Beschwerdepunkt vom Berufungsgericht für rechtlich unwirksam erachtet wird, der Rechtsmittelführer aber von vornherein erklärt, dass er nur das beschränkte Ziel verfolgt und dieses im Ergebnis auch erreicht.

2. Gibt der Rechtsmittelführer die Erklärung über das beschränkte Ziel erst nachträglich ab, so hat er diejenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen zu tragen, die bei einer alsbald nach Rechtsmitteleinlegung abgegebenen Erklärung hierüber vermeidbar gewesen wären.

StPO III: Besetzungseinwand verfristet, oder: OLG ist/bleibt zuständig

Und als dritte Entscheidung dann der OLG Bamberg, Beschl. v. 21.01.2020 – 1 Ws 14/20 – zur Zuständigkeit des OLG nach § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO n.F. auch für einen verfristeten Besetzungseinwand.

Folgender Sachverhalt: Der Angeklagte hat am ersten Tag der Hauptverhandlung vor der Strafkammer am 07.01.2020 eine Besetzungsrüge erhoben. Das LG hat die Rüge mit Beschluss vom gleichen Tage für nicht begründet erachtet und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. In den Gründen ist ausgeführt, dass die Besetzungsrüge unzulässig, weil verspätet erhoben, sei. Innerhalb der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 StPO sei kein Einwand der vorschriftsmäßigen Besetzung erhoben worden. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumnis seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

Das OLG hat den Einwand verworfen.

„1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Entscheidung über den Besetzungsein-wand ergibt sich aus § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO. Sie besteht auch für den hier vorliegenden Fall, dass das Landgericht den Besetzungseinwand der Sache nach für unzulässig, weil ver-fristet erhoben, erachtet hat. Nach der gesetzlichen Systematik hat ein Gericht, dessen Beset-zung angegriffen wird, den Vorgang dem Rechtsmittelgericht vorzulegen, wenn es den Ein-wand vorschriftswidriger Besetzung nicht für begründet erachtet. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Gericht bereits nicht in die Sachprüfung einsteigt, weil nach seiner Ansicht die for-malen Voraussetzungen der Rüge nicht eingehalten sind. Dieses Ergebnis entspricht dem Te-los der gesetzlichen Regelung. Zweck des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens ist es, die Frage der ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung einer zeitnahen Klärung zuzufüh-ren, die für das spätere Revisionsverfahren verbindlich ist (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 35). Eine solche frühzeitige Klärung, die die Möglichkeit einer Besetzungsrüge im Revisionsverfah-ren ausschließt (vgl. § 338 Nr. 1 lit b StPO), ist jedoch nur dadurch zu erreichen, dass das Rechtsmittelgericht, dem der Einwand im Falle der Nichtabhilfe binnen 3 Tagen vorzulegen ist, gemäß § 222b Abs. 3 StPO über diesen entscheidet.

2. Der Besetzungseinwand des Angeklagten dringt nicht durch, weil er ihn nicht innerhalb von einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung geltend gemacht hat (§ 222b Abs. 1 Satz 1 StPO).

a) Der Besetzungseinwand wurde erst am 07.01.2020 erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO abgelaufen. Ausweislich der Zustellungsurkunden wurde den beiden Verteidigern des Angeklagten die Gerichtsbesetzung am 18.12.2019 bzw. 19.12.2019 zugestellt. Die Wochenfrist zur Erhebung eines Besetzungseinwands endete ge-mäß § 43 Abs. 2 StPO mit Ablauf des 27.12.2019.

b) Die Zustellung der Besetzungsmitteilung war wirksam, da sie mit Verfügung des Vorsitzen-den der Strafkammer vom 16.12.2019 angeordnet worden war. Dieser hat ausweislich seiner Verfügung angeordnet: „Gerichtsbesetzung gem. § 222a mitteilen an (vorab per Fax) Rechts-anwalt T. aus N.; Rechtsanwalt M. aus D.“ Damit ist ein Zustellungswille ausreichend doku-mentiert, nachdem die in Bezug genommene Vorschrift des § 222a Abs. 1 Satz 2 StPO zwin-gend die Zustellung der Besetzungsmitteilung vorsieht.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da § 222b StPO eine solche nicht vorsieht und das Verfahren über die Entscheidung über einen Besetzungseinwand nicht als Rechtsmittel-verfahren im Sinne des § 473 StPO ausgestaltet ist.“

So weit, so gut. Ob die Frage hinsichtlich der Kostenentscheidung richtig entschieden ist, kann man sich fragen. Das OLG Celle hatte das im OLG Celle, Beschl. v. 27.01.2020 – 3 Ws 21/20 – anders gesehen unter Hinweis auf „BT-Drucks. 19/14747, S. 32„.

Antrag nach den §§ 23 ff. EGGVG, oder: Kostenentscheidung gegen Staatskasse bleibt die Ausnahme

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Die zweite Entscheidung ist dann eine kostenrechtliche. Sie kommt mit/in dem KG, Beschl. v. 03.07.2019 – 5 VAs 6/18 – aus Berlin. Die Thematik ist etwas abgelegen bzw. mit der entschiedenen Frage hat man als Verteidiger/Rechtsanwalt nicht täglich zu tun.

Ergangen ist die Entscheidung nämlich nach Abschluß eines §§ 23 ff. EGGVG-Verfahrens, also Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der Betroffene hatte durch seinen Rechtsanwalt einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er hatte beantragt, die in einem ehemals gegen ihn geführten, inzwischen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren ergangene Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin, der Bundesrepublik Deutschland ? diese vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, dieses vertreten durch einen anderen Rechtsanwalt auf deren Antrag auf der Rechtsgrundlage von § 474 Abs. 2 bis 4 StPO ergänzende Akteneinsicht zu gewähren, aufzuheben. Ferner beantragte der Betroffene, „zu entscheiden, dass der Bundesrepublik Deutschland kein Recht auf weitere Akteneinsicht in die Verfahrensakten pp. der Staatsanwaltschaft Berlin zusteht“.

Nachdem dann der Rechtsanwalt der Bundesrepublik Deutschland den Antrag auf ergänzende Akteneinsicht für die Bundesrepublik Deutschland zurückgenommen hat, hat der Betroffene seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung für erledigt erklärt. Die GStA Berlin hat sich nach Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft der Erledigungserklärung angeschlossen und ausgeführt, dass für eine Anordnung betreffend die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen nach § 30 EGGVG kein Anlass bestehe. Der Betroffene hat hierzu nicht Stellung genommen. Das KG hat eine Erstattung der Kosten des Betroffenen aus der Landeskasse nicht angeordnet:

„Nach § 30 Satz 1 EGGVG kann das Oberlandesgericht nach billigem Ermessen bestimmen, dass die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Dies gilt nicht nur im Zusammenhang mit einer verfahrensabschließenden Entscheidung in der Sache, sondern auch in Fällen, in welchen das Verfahren ohne Sachentscheidung, namentlich durch Rücknahme des Antrags auf gerichtliche Entscheidung, Erledigung der Maßnahme ohne Antragstellung nach § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG oder – wie hier – (übereinstimmende) Erledigungserklärung beendet wird (vgl. KG, Beschluss vom 9. Januar 2015 ? 4 VAs 46/14 ?).

Dabei bleibt die Überbürdung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auf die Staatskasse auch nach der Neufassung der Kostenvorschrift in § 30 EGGVG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2013, 2586, 2704) die Ausnahme. Sie bedarf einer besonderen Rechtfertigung im Einzelfall. Hierfür genügt allein der Erfolg oder – im Falle der Erledigung vor Sachentscheidung – eine Erfolgsaussicht des Antrages nicht; denn § 30 Satz 2 EGGVG verweist ? wie bereits § 30 Abs. 2 Satz 2 EGGVG a.F. ? gerade nicht auf diejenigen Vorschriften der Zivilprozessordnung, die für die Kostentragungspflicht maßgeblich auf das Maß des Obsiegens und Unterliegens der Partei im Rechtsstreit oder die Erfolgsaussichten des Klagebegehrens abstellen (§§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91a, 92 ZPO). Vielmehr muss hinzutreten, dass der Justizbehörde ein offensichtlich oder grob fehlerhaftes oder gar willkürliches Verhalten zur Last zu legen ist (zum Ganzen vgl. KG a.a.O. m.w.N.; ferner [noch zu § 30 Abs. 2 Satz 1 EGGVG a.F.] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – I-3 Va 2/12 – juris Rdn. 15 m.w.N.; Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 30 EGGVG Rdn. 4).

Letzteres ist hier nicht der Fall und wird auch von dem Antragsteller nicht geltend gemacht. Insbesondere ist die der Gewährung der ergänzenden Akteneinsicht zugrunde liegende Auffassung der Vollstreckungsbehörde, dass der Empfänger ? soweit dieser (wie hier) eine öffentliche Stelle oder ein Rechtsanwalt ist ? die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt, im Hinblick auf die gesetzliche Regelung in § 477 Abs. 4 Satz 1 StPO ohne weiteres vertretbar und damit keinesfalls offensichtlich oder grob fehlerhaft. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers würde daher selbst dann ausscheiden, wenn man zu seinen Gunsten unterstellen wollte, sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre in vollem Umfang zulässig und begründet gewesen. „

Einstellung des Bußgeldverfahrens, oder: „Bewertung der … Sachaufklärung“ ist keine „Änderung der … Tatsachen“

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Und als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des AG Köln mit zumindest gebührenrechtlichem Einschlag. Es geht im AG Köln, Beschl. v. 22.10.2018 – 585 OWi 234/18 – nämlich um die Frage: Wer trägt die notwendigen Auslagen des Betroffenen?, nach Einstellung des Bußgeldverfahrens durch die Verwaltungsbehörde. Die Stadt Köln hatte die in ihrer Kostenentscheidung dem Betroffenen „auferlegt“. Das hat das AG anders gesehen:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war zulässig und begründet.

Es liegt kein Fall des § 109a II OWiG vor, da die Einstellungsentscheidung nicht auf verspäteten und erforderlichen Sachverhaltsangaben der Betroffenen beruht, sondern auf einer erneuten rechtlichen Prüfung durch die Behörde. Die durch den Anwalt der Betroffenen vorgetragene Einspruchsbegründung, der Tatnachweis sei nicht geführt, stellt bereits keine Angabe eines Sachverhaltes oder ein Bestreiten dar. Vielmehr ist es eine rechtliche Einschätzung des bislang dargestellten Beweisstandes, den anscheinend die Behörde übernommen hat. Es handelt sich somit nicht um eine Änderung der zu Grunde liegenden Tatsachen, sondern um eine andere Bewertung der durchgeführten Sachaufklärung.

Es liegt auch kein Fall des § 109 Abs. 1 OWiG vor, da der Betroffenen ein Bußgeld über 10 € angedroht worden ist.“

Dem Kollegen CH. Schepers aus Pulheim herzlichen Dank für die Übersendung der Entscheidung. Herzlichen Dank auch allen anderen Kollegen, die mir im Laufe des Jahres Entscheidungen zum RVG übersandt haben. Ich habe sie (fast) alle hier vorgestellt bzw. sie werden noch vorgestellt. Ich freue mich auf viele RVG-Entscheidungen im Jahr 2019. Let´s come 🙂 .

Fiktiver Teilfreispruch, oder: Kostenentscheidung ist besser, als „abgespeist“ mit § 21 GKG

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Und als zweite Entscheidung des Tages eine weitere, in der Geld stecken könnte. Es ist der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.11.2018 – 3 Ws 576/18, den mir der Kollege Urbanczyk aus Mannheim geschickt hat. Es geht um die Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO in den Fällen des fiktiven Teilfreispruchs.

Das AG hatte gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen des Vorwurfs des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erlassen, weil er am 12.12.2017 unter dem Einfluss von 8,5 ng/ml THC ein Kleinkraftrad geführt hatte, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Hierbei wurde übersehen, dass dem Angeklagten zwar durch Strafbefehl des AG vom 6.12.2017 die Fahrerlaubnis entzogen worden war, der Strafbefehl aber erst am 03.1.2018 rechtskräftig wurde, so dass sich der Angeklagte am 12.12.2017 (noch) im Besitz einer Fahrerlaubnis befunden hatte.

Nach Einspruchseinlegung hat das AG den Angeklagten deshalb vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis frei gesprochen. Es hat ihn außerdem auch wegen vermeintlich eingetretener Verfolgungsverjährung auch vom Vorwurf des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel gern. § 24a Abs. 2 StVG frei-gesprochen. Auf die von der Staatsanwaltschaft Mannheim hinsichtlich der unterbliebenen Verurteilung gemäß § 24a StVG eingelegte Berufung wurde der Angeklagte dann durch Urteil des LG wegen der genannten Ordnungswidrigkeit verurteilt. Außerdem hat das Berufungsgericht dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen auferlegt. In den Urteilsgründen hat die Berufungskammer darauf hingewiesen, dass dem Umstand, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft allein aufgrund der fehlerhaften Annahme der Verjährung der Ordnungswidrigkeit durch das erstinstanzliche Gericht beruht habe, hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens durch die Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Rechnung getragen werden könne. Die gegen die Kostenentscheidung eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten/Verteidigers hatte Erfolg:

„1. Die Kostenentscheidung des Landgerichts entspricht zwar der gesetzlichen Regelung des § 465 Abs. 1 StPO, weil der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung (wenngleich „nur“ wegen einer Ordnungswidrigkeit) verurteilt wurde. Allerdings hat die Kammer nicht bedacht, dass ein Ausnahmefall des § 465 Abs. 2 StPO vorliegt, wonach aus Billigkeitsgründen besondere Auslagen der Staatskasse und besondere notwendige Auslagen des Angeklagten ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt werden können, wenn Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind. Die Möglichkeit, eine von § 465 Abs. 1 StPO abweichende Billigkeitsentscheidung zu treffen, besteht vor allem in den Fällen des sog. fiktiven Teilfreispruchs, d. h. bei der Nichtverurteilung wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., Rdn. 7 zu § 465; BeckOK-Niesler, StPO, Stand 1.6.2018, Rdn. 8 zu § 465; OLG Düsseldorf, B. v. 18.7.1988 – 1 Ws 420/188 – bei juris). Dann können die Mehrauslagen, die bei einer von vornherein erfolgten Begrenzung des Schuldvorwurfs auf den Umfang der späteren Verurteilung nicht entstanden wären, nach Billigkeit ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt werden (OLG Stuttgart, Die Justiz 1974, 136). Ist anzunehmen, dass der Angeklagte einen Bußgeldbescheid hingenommen hätte, so können seine gesamten notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; BeckOK-Niesler, a.a.O.; BGHSt 25, 109; OLG Stuttgart, Die Justiz 1987, 160).

2. Im vorliegenden Fall ergibt sich hieraus folgendes:

Hätte die Staatsanwaltschaft bereits zutreffend erkannt, dass sich der Angeklagte am Tattag, dem 12.12.2017, im Besitz einer Fahrerlaubnis befunden hat, hätte sie keinen Strafbefehlsantrag wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gestellt, sondern die Sache an die Bußgeldbehörde abgegeben. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte die zweitinstanzliche Verurteilung zu einer Geldbuße und einmonatigem Fahrverbot akzeptiert hat, ist davon auszugehen, dass ein im Umfang der landgerichtlichen Verurteilung erlassener Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden wäre. Es wären daher lediglich Gebühren und Auslagen im Verwaltungsverfahren (u.a. Gebühr für den Erlass des Bußgeldbescheids. Kosten für Zustellungsurkunde, Entnahme und Untersuchung der Blutprobe etc.) entstanden, die der Angeklagte zu tragen hat. Die übrigen Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) sowie seine gesamten notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.“

Nur kurz dazu: Die Vorschrift des § 465 Abs. 2 StPO wird nicht selten übersehen, vor allem eben in den Fällen des sog. fiktiven Teilfreispruchs (vgl. dazu a. BGH RVGreport 2015, 199 = StRR 2015, 180). So auch hier, wo das LG den Angeklagten mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG „abgespeist“ hat. Zu Recht hat der Verteidiger sich damit nicht zufrieden gegeben, denn bei § 21 GKG handelt es sich um eine „Kannvorschrift“. Mit der vom OLG gefundenen Kostenverteilung in der Kostengrundetnscheidung steht sich der Angeklagte besser.