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Na also, Haftbeschwerde Kachelmann hat Erfolg: Kein dringender Tatverdacht

Das OLG Karlsruhe meldet gerade in einer PM:

„Jörg Kachelmann: Haftbeschwerde hat Erfolg

Der dritte Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss vom heutigen Tage der Haftbeschwerde des vor dem Landgericht Mannheim angeklagten Meteorologen Jörg Kachelmann stattgegeben und seine umgehende Freilassung aus der Justizvollzugsanstalt Mannheim angeordnet.

Jörg Kachelmann wurde aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 25.02.2010 wegen des Vorwurfs, die Nebenklägerin in der Nacht vom 08. auf den 09.02.2010 unter Einsatz eines Messers vergewaltigt und sich deshalb der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht zu haben, am 20.03.2010 festgenommen und befand sich danach bis heute ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Mannheim am 17.05.2010 Anklage zum Landgericht Mannheim erhoben hatte, wies die dort zuständige Strafkammer am 01.07.2010 einen Antrag des Angeschuldigten auf Aufhebung des Haftbefehls zurück und ordnete die Haftfortdauer an. Der noch am selben Tag über seinen Verteidiger erhobenen Haftbeschwerde des Angeschuldigten half das Landgericht am 02.07.2010 nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung über das Rechtsmittel vor. Dieses hat Erfolg.

Vor dem Hintergrund der am 09.07.2010 erfolgten Eröffnung des Hauptverfahrens und der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung durch die zuständige Strafkammer des Landgerichts Mannheim hat der 3. Strafsenat im Rahmen der Beschwerdeentscheidung zunächst auf den Unterschied zwischen dem nach § 203 StPO für die Eröffnung des Hauptverfahrens genügenden hinreichenden Tatverdacht, der auch die besseren Aufklärungsmöglichkeiten in der Hauptverhandlung in Rechnung zu stellen habe, und dem für die Untersuchungshaft nach § 112 Absatz 1 Satz 1 StPO erforderlichen dringenden Tatverdacht hingewiesen, der einen stärkeren Verdachtsgrad erfordere.

Der 3. Strafsenat hat sodann ausgeführt, dass jedenfalls im derzeitigen Stadium des Verfahrens kein dringender Tatverdacht mehr bestehe. Zur Begründung hat der Senat insbesondere darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten und die Nebenklägerin als einzige Belastungszeugin die Fallkonstellation der „Aussage gegen Aussage“ vorliege. Die Nebenklägerin, bei der Bestrafungs- und Falschbelastungsmotive nicht ausgeschlossen werden könnten, habe zudem bei der Anzeigeerstattung und im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens zu Teilen der verfahrensgegenständlichen Vorgeschichte und des für die Beurteilung des Kerngeschehens (dem Vergewaltigungsvorwurf) bedeutsamen Randgeschehens zunächst unzutreffende Angaben gemacht. Hinsichtlich der Verletzungen der Nebenklägerin könne derzeit aufgrund der bisher durchgeführten Untersuchungen und Begutachtungen neben einer Fremdbeibringung auch eine Selbstbeibringung nicht ausgeschlossen werden.

Im Hinblick auf den aktuell nicht mehr bestehenden dringenden Tatverdacht könne ferner – so der 3. Strafsenat – dahinstehen, ob in der Person des Angeklagten derzeit noch der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) gegeben sei.

Aufgrund der zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen für die Untersuchungshaft hat der 3. Strafsenat im Ergebnis die Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts Mannheim vom 01.07.2010 sowie den ihr zugrunde liegenden Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 25.02.2010 aufgehoben und die Freilassung des Angeklagten angeordnet.“

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 29. Juli 2010 (3 Ws 225/10)“

Stellungnahme: sehr selten, dass ein OLG zum dringenden Tatverdacht Stellung nimmt.

Der „Fall Kachelmann“ und was man daran zeigen kann/sollte: Präjudiz vermeiden, auch wenn es schwer fällt

Ich will/werde mich jetzt nicht auch noch in die Diskussion im „Fall Kachelmann“ einschalten; darüber wird hier genug hin und her diskutiert. Der Fall ist allerdings exemplarisch und gibt Gelegenheit dann doch auf das ein oder andere hinzuweisen und damit das, worauf auch schon an anderer Stelle , vgl. z.B. auch hier, hingewiesen worden ist, noch einmal verstärken/bekräftigen:

  1. Mitdiskutieren über das Für und Wider der Verteidigung des Kollegen Birkenstock kann man nur, wenn man die Akten genau kennt; so im Ergebnis zutreffend der Kollege Hoenig. Und wer kennt sie denn schon?
  2. In Haftsachen gilt häufig die Devise „Weniger ist mehr“, oder „Gut Ding will Weile haben„, was meint: Ich muss mir als Verteidiger sehr genau überlegen, ob ich in die (weitere) Haftbeschwerde gehe, und eine Beschwerdeentscheidung des LG bzw. des OLG riskiere. Denn damit schaffe ich immer ein Präjudiz. All zu gern wird – vor allem auf eine oberlandesgerichtliche – Beweiswürdigung im weiteren Verfahrensablauf zurückgegriffen, auch wenn sich ggf. die Beweislage geändert bzw. das Gewicht von Beweisen verschoben hat. Dann ist es schwer davon wegzukommen. Deshalb kann es sich – so schwer es auch ist – schon lohnen, auf leisen Sohlen daher zu kommen.
  3. Besser ist m.E. häufiger der Weg über § 116 StPO und der Versuch, eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen. Mir ist – auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen (siehe dazu 1) – derzeit unerklärlich, warum der Weg vom AG nicht gegangen wird. Mal abgesehen davon, dass ich mir schon von Anfang an die Frage gestellt habe, ob eigentlich überhaupt „Fluchtgefahr“ bejaht werden kann. Aber auch das ist letztlich ein Problem/eine Frage, die man nur nach Aktenkenntnis beurteilen kann. Und die haben wir alle nicht.

Aber: Angeblich wird ja nun der Weg zum OLG Karlsruhe „beschritten“ . Von da werden wir dann demnächst, hoffentlich alsbald, Neues hören.

Wochenspiegel für die 13. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Da ist mal wieder – wegen meines Urlaubs ein wenig verspätet – eine kleine Zusammenstellung von m.E. interessanten Beiträgen aus anderen Blogs.

  1. Von „Vorermittlungen gegen einen OLG-Richter“ wird hier berichtet.
  2.  „Österreichische Halterhaftung ausgebremst“ meint der Beck-Blog.
  3. Mit der Festnahme von J. Kachelmann befasst sich (noch einmal) der Beitrag „Bemerkungen zur Festnahme von Kachelmann„; im Übrigen sind die Beiträge zu dem Thema inzwischen kaum noch zu überschauen. Dazu passt ganz „gut“ der Beitrag: „Zweierlei Maß„, der auf diesem Artikel der „Rechtsanwäldin“ beruht.
  4. „Strafprozess und anderes Ungereimtheiten“ berichtet über einen Richter, der aufklärt, und zwar hier.

Der Wochenspiegel für die 12. KW, oder: Wir schauen auch mal über den Tellerrand in andere Blogs

Hier dann ein weiterer Wochenspiegel, jetzt zur KW 12.

  1. Das Skimmen nimmt zu. Darüber wird berichtet bei Anwalt bloggt. Passt ganz gut zu dem Beitrag in StRR 2010,  89 zu „Strafbarkeit des Skimming„.
  2. Kollege Ferner berichtet unter der Überschrift: „OLG Köln zum ungebührlichen Benehmen von Anwälten vor Gericht“ über einen Beschluss des OLG Köln zur Ungebühr, allerdings: Es geht um eine angeklagte Rechtsanwältin, nicht allgemein um ungebührliches Verhalten von Rechtsanwälten vor Gericht.
  3. Natürlich war das Thema Kachelmann Top 1: Wer noch nicht genug davon hat, kann hier einiges nachlesen: Bei der Rechtsanwäldin,  oder Kachelmann – Haftprüfung gelaufen,
  4. Ein Dauerbrenner ist „Kein Fahrverbot bei durch “Mitzieheffekt” verursachtem Rotlichtverstoss„.
  5. Kollege Hoenig berichtet über schließlich dann doch eingehaltene Zusagen einer Staatsanwältin.

Viel Spaß beim (Nach)Lesen.

Jörg Kachelmann – warum eigentlich ein Interview mit dem Leiter der JVA Mannheim bei Antenne Münster?

Zum Fall Jörg Kachelmann ist ja schon einiges geschrieben und über den Ticker gelaufen. Bei den Blogs hier ist es heute sicherlich „das Thema“ (vgl. nur  Stell Dir vor es ist „Internationaler Tag der Meteorologie“ und (Jörg) „Kachelmann (ist) im Knast“ (BILD)“  oder „Verteidigung durch einen Medienrechtler„, wobei m.E. gar nicht klar ist, ob er „wirklich verteidigen will“ oder nur beigezogen ist, oder auch der Beitrag zum Leiter der JVA Mannheim „Kachelmann – „Haftgrund Vergewaltigung“ und Antrittsbesuche„.

Nachdem ich nun gerade bei Antenne Münster die aktuelle Nachrichtensendung gehört habe, frage ich mich, ob das (nicht die Blogbeiträge, sondern das Drum-Herum) wirklich sein musste: (Nochmals?) Das Interview mit dem Leiter der JVA, der haarklein beschreibt, wie groß die Zelle ist oder auch nicht, aber immerhin schon mit abgetrenntem Sanitärbereich, wie man in der JVA den Tag verbringt usw. und: Eine Vorankündigung für den morgigen Tag, an dem offenbar ein Haftprüfungstermin statt finden soll, alles schön aufbereitet, so als ob der Hörer den kleinen StPO-Schein erwerben soll. Im Übrigen: Wir füttern euch an, liebe Hörer, bleibt dran, bei uns erfahrt ihr es auch morgen aus der ersten Reihe.

Von der Unschuldsvermutung spricht kein Mensch im Radio mehr, oder: Warum eigentlich ein solches Medieninteresse bzw. warum macht man ihn kaputt. Die Mitteilung der ARD wird doch nicht mehr lange auf sich warten lassen, in der man mitteilt, dass man sich aufgrund der Vorkommnisse „im besten Einvernehmen“ getrennt hat. Was ich auch vermisse: Eine PM, dass irgendjemand aus dem JM Baden-Württemberg dem Leiter der JVA mal ganz gehörig auf die Füße getreten und einen Maulkorb verpasst hat. Aber wahrscheinlich ist es die Mischung: Promi und Vergewaltigung. Das bringt Zahlen.