Schlagwort-Archive: Gesetzesvorhaben

Entscheidungen/Nachlese/Neues aus dem Bundesrat, oder: Kinderporno, KCanG und Video in der ZPO

Bild von Thomas Ulrich auf Pixabay

Und dann hier mal wieder etwas aus Berlin, und zwar zur gestrigen Bundesratssitzung. Ich will auf drei Punkte aus der umfangreichen Tagesordnung hinweisen. Quelle sind die PM des Bundesrates.

Zunächst: Der Bundesrat hat die Strafmaß-Änderung bei Kinderpornographie gebilligt. Angepasst wird die Mindeststrafe, „um mehr Flexibilität in der Strafverfolgung zu ermöglichen und das Strafmaß besser der Schwere des individuellen Falls anzupassen. Für das Verbreiten kinderpornographischer Inhalte ist nun eine Mindeststrafe von sechs Monaten, für den Besitz und Abruf von drei Monaten Freiheitsstrafe vorgesehen. Die Höchststrafe von zehn Jahren bleibt unangetastet. Dazu gehört diese: Beschlussdrucksache: Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte.

Und dann: Der Bundesrat hat Änderungen am Konsumcannabisgesetz gebilligt, die den Länder u.a. mehr Flexibilität im Umgang mit Großanbauflächen für Cannabis zu erhalten. Das Gesetz soll es den Behörden ermöglichen, Anbauvereinigungen die erforderliche Erlaubnis zu verweigern, wenn sich deren Anbauflächen im gleichen Gebäude oder Objekt wie Anbauflächen anderer Vereinigungen oder in unmittelbarer Nähe zu solchen befinden. So sollen kommerzielle „Plantagen“ für Cannabis ausgeschlossen werden, da diese dem Zweck des Eigenanbaus zum Eigenkonsum durch die aktive Mitarbeit der Mitglieder einer Anbauvereinigung entgegenstünden. Dazu gehört Beschlussdrucksache: Gesetz zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinal-Cannabisgesetzes.

Und: Hinzuweisen ist noch auf den Beschluss, wonach – nach der Einigung im Vermittlungssausschuss –  gegen den weiteren Ausbau der Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und an den Fachgerichtsbarkeiten kein Einspruch eingelegt werden soll. Das betrifft aber nur die Zivilgerichtsbarkeit. Die Entscheidung zum Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz hat man am 12.06.2024 vertagt

 

Angenommen: Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, oder: Weisungen der StA/höhere Streitwerte geplant

Bild von megapixel.click – betexion – photos for free auf Pixabay

Und im zweiten „Bericht aus Berlin-Posting“ weise ich dann auf folgende Änderungen und Vorhaben hin, und zwar:

Zunächst:  Der Bundestag hat am 06.06.2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts (20/9471, 20/10015, 20/10131 Nr. 1.21) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (20/11661) angenommen.

In das Gesetz aufgenommen wurden weitere Tatbestände der sexualisierten Gewalt. Dazu gehören der Vorlage zufolge unter anderem die Tatbestandsalternativen des „sexuellen Übergriffes“, der „sexuellen Sklaverei“, des „Gefangenhaltens eines unter Zwang geschwängerten Menschen“ sowie des „erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs“. Mit der Anpassung wird laut Entwurf auch auf bereits vorgenommene Änderungen im Strafgesetzbuch reagiert.

Die erweiterten Tatbestandsalternativen kommen sowohl beim Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des VStGB) als auch beim Tatbestand des Kriegsverbrechens gegen Personen (§ 8 VStGB) zum Tragen. Zudem wird „die sexuelle Orientierung als unzulässiger Grund für die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft durch Entziehung oder wesentliche Einschränkung grundlegender Menschenrechte“ aufgenommen.

Und dann sind folgende Vorhaben interessant:

  • Es gibt einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft. Der geht zurück auf das EuGH, Urt. v. 27.05.2019, verbundene Rechtssachen C-508/18 und C-82/19). In dem hatte der EuGH, im Zusammenhang mit der Rolle der deutschen Staatsanwaltschaft als ausstellende Justizbehörde eines Europäischen Haftbefehls festgestellt, dass diese die Gewähr für unabhängiges Handeln unter anderem deshalb nicht biete, weil im GVG nicht näher geregelt sei, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form das Weisungsrecht ausgeübt werden könne. Mit dem Gesetzentwurf soll den Kritikpunkten begegnet und das  Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft ausdrücklich geregelt werden.
  • Und dann noch die Anhebung des Grenzstreitwertes beim Amtsgericht. Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht dazu vor, dass der in § 23 GVG vorgesehene Zuständigkeitsstreitwert der AG von bisher 5.000 EUR auf nunmehr 8.000 EUR angehoben wird. Daneben soll durch eine streitwertunabhängige Zuweisung bestimmter Sachgebiete an die AG und die LG die Spezialisierung der Justiz gefördert und eine effiziente Verfahrensführung unterstützt werden. So sollen bestimmte nachbarrechtliche Streitigkeiten streitwertunabhängig den AG zugewiesen werden. Streitigkeiten aus Heilbehandlungen, Vergabesachen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen streitwertunabhängig den LG zugewiesen werden, um so eine weitergehende Spezialisierung zu erreichen.

 

„Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“, oder: Welche Änderungen sind geplant?

Bild von megapixel.click – betexion – photos for free auf Pixabay

Die Justiz ist in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Erfordernisse der Praxis umfassend „digitalisiert“ worden. Insbesondere der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten ist ausgebaut worden. Nun hat die Bundesregierung am 06.03.2024 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der durch weitere Rechtsanpassungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung die bereits fortgeschrittene Digitalisierung in der Justiz in allen Verfahrensordnungen weiter fördern soll (vgl. BT-Drucks. 20/10943).

Ich habe über die wesentlichen geplanten Änderungen ja schon in meinen Beiträgen Regierungsentwurf zu einem „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ – Die wichtigsten geplanten Änderungen (VRR 3/2024, 13 = StRR 4/2024, 10) berichtet, will aber dennoch heute hier die Änderungen auch noch einmal vorstellen. Damit man weiß, worauf man sich einstellen muss:

Vorgesehen sind u.a. folgende allgemeine Änderungen:

  • Papierakten, die vor dem 1.1.2026 angelegt wurden, dürfen als Hybridakte derart weitergeführt werden, dass in Papier angelegte Aktenteile weiterhin in Papier geführt werden, die Weiterführung der Akte elektronisch jedoch möglich ist (vgl. dazu z.B. § 32 Abs. 1a StPO-E).
  • Bestimmten Verfahrensbeteiligten soll es in allen Verfahrensordnungen ermöglicht werden, die prozessuale Schriftform für von Naturalbeteiligten oder Dritten in Papierform unterzeichnete Anträge oder Erklärungen, z.B. Insolvenzanträge, durch elektronische Übermittlung als Scan zu wahren. Die Regelung im Straf- und Bußgeldverfahren soll auf professionelle Verfahrensbeteiligte, Verteidiger und Rechtsanwälte, beschränkt werden.

Folgende Änderungen in der StPO sind vorgesehen:

  • Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 32d Satz 2 StPO auf die Rücknahme der Berufung und der Revision sowie den Einspruch gegen den Strafbefehl und dessen Rücknahme erstreckt
  • Ersetzung von Schriftformerfordernissen bei Stellung eines Strafantrages/einer Strafanzeige.
  • Wegfall der Schriftformerfordernisse in den §§ 81f, 81g, 81h, § 114b, 424 Abs. 2 StPO
  • Audiovisuelle Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung (§ 350 StPO)

Folgende Änderungen im OWiG ist vorgesehen:

  • Erweiterung des § 110c OWiG, der auch für den durch einen Rechtsanwalt eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gelten soll.

Folgende Änderung des RVG ist beabsichtigt:

  • § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG soll so geändert werden, dass für die Vergütungsberechnung künftig die Textform genügt.

Wegen der Einzelheiten und weiterer Änderungen, die man an anderen Stelle erwarten kann/muss, verweise ich auf die BT-Drucksache und die o.a. Beiträge-

Zwei Gesetzesvorhaben sind jetzt auf dem Weg, oder: Strafen bei „Kinderpornos“ und Vertrauensleute pp.

Bild von megapixel.click – betexion – photos for free auf Pixabay

So, heute ist Samstag und damit Zeit für den „Kessel Buntes“. Und in dem ist es heute ganz bunt. Denn ich stelle jetzt zunächst zwei Gesetzesvorhaben bzw. den Stand dieser Vorhaben vor und bringe heute Nachmittag dann einige Entscheidungen mit vereinsrechtlichen Inhalt.

Hier also zunächst zwei Gesetzesvorhaben, und zwar:

Zunächst der Hinweis auf das „Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ Die Problamtik, die zu diesem Gesetzesvorhaben geführt hat, dürfte bekannt sein. Es geht um die „Reparatur“ einer Gesetzesänderung aus Sommer 2021. Da ist u.a. der Strafrahmen des § 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren auf ein Jahr bis zu zehn Jahren und der Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB auf ein Jahr bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe angehoben worden.. Alle Taten nach § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB sind damit „Verbrechen“ i.S. des § 12 Abs. 1 StGB. Damit ist keine Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153a StPO und keine Erledigung durch Strafbefehl mehr möglich.

Das hat in der Praxis vor allem in den Fällen zu Problemen geführt, in den der/die Beschuldigte „nicht aus einem eigenen sexuellen Interesse an kinderpornographischen Inhalten gehandelt hat, sondern (im Fall des § 184b Absatz 1 Satz 1 StGB) im Gegenteil, um eine andere Tat nach § 184b StGB, insbesondere eine weitere Verbreitung oder ein öffentliches Zugänglichmachen eines kinderpornographischen Inhalts, zu beenden, zu verhindern oder aufzuklären. Besonders häufig sind solche Fälle bei Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern älterer Kinder oder Jugendlicher aufgetreten, die kinderpornographisches Material bei diesen gefunden und an andere Eltern, Lehrerinnen oder Lehrer oder die Schulleitung weitergeleitet haben, um diese über den Missstand zu informieren.“

Das soll nun behoben werden. Alle Tatbestände des § 184b Abs. 1 und 3 StGB sollen durch Absenken der Mindeststrafen wieder zu Vergehen herabgestuft werden Die Erhöhung der Höchstfreiheitsstrafe auf zehn Jahre für die schwerer wiegenden Tatbestände des § 184b Abs. 1 StGB wird aber beibehalten.

Die Stimmen zu dieser (geplanten) Gesetzesänderung waren zwiespältig. ich empfehle die Lektüre der Stellungnahmen auf der Homepage des BMJ. Inzwischen gibt es den o.a. Regierungsentwurf. Wie man hört, soll der schnell im Bundestag beraten werden. Es ist (angeblich) geplant, die Gesetzesänderungen schon zum 01.04.2024 in Kraft treten zu lassen. Das ist für laufende Verfahren von Bedeutung.

Und dann der Hinweis auf den „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation. Dazu existiert, wenn ich es richtig sehe, bisher nur der Referentenentwurf des BMJ, mit dem der Einsatz von Vertrauenspersonen und der Umgang mit der Tatprovokation erstmals gesetzlich geregelt werden soll.

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Entwurf, der in etwa Folgendes vorsieht:

  • Die Anforderungen an den Einsatz von V-Personen werden gesetzlich geregelt. Es wird geregelt, welche Personen nicht als V-Personen eingesetzt werden dürfen und unter welchen Voraussetzungen Einsätze grundsätzlich zu beenden sind oder beendet werden sollen. Darüber hinaus wird geregelt unter welchen Voraussetzungen, Angaben über V-Personen geheim gehalten werden dürfen.
  • Es wird im Bereich der Zeugenvernehmung eine neue Regelung zum besseren Schutz der Identität von Zeugen eingeführt, die insbesondere auch für Verdeckte Ermittler und V-Personen relevant ist.
  • Für Einsätze von V-Personen wird ein Richtervorbehalt eingeführt und die Einsätze werden einer regelmäßigen richterlichen Kontrolle unterstellt.
  • Für Einsätze Verdeckter Ermittler und von V-Personen werden Berichtspflichten eingeführt.
  • Die Regelungen zum Kernbereichsschutz werden unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG (Beschluss vom 9. Dezember 2022 – 1 BvR 1345/21, Randnummern 100-123) für Einsätze Verdeckter Ermittler erweitert und auf V-Personen erstreckt.
  • Die Voraussetzungen eines zulässigen Verleitens zu einer Straftat werden geregelt. Die rechtsstaatswidrige Tatprovokation wird definiert und als Rechtsfolge ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis festgelegt.

Der Stand des Gesetzgebungsverfahren: Die Verbände hatten beis zum 27.01.2024 Zeit sich zu äußern. Dazu steht bisher nichts auf der Homepage des BMJ. Eine Reaktion habe ich aber schon gefunden: „Klares Nein aus Niedersachsen zu Referentenentwurf für den Einsatz Verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern und von Vertrauenspersonen – Justizministerin Dr. Wahlmann und Innenministerin Behrens erteilen Bundesjustizminister eine Absage.

Was kommt in 2024 „vielleicht“ an neuen Gesetzen, oder: Eckpunkte StGB, RVG-Erhöhung und digitale HV (?)

Bild von Wilfried Pohnke auf Pixabay

Und dann am Neujahrsnachmittag ein kleiner Ausblick auf das, was kommt bzw. kommen könnte. Ich beschränke mich dabei auf die Gesetzesvorhaben, die uns die Ampel-Koalition noch „beschert“, wenn sie es denn so weit noch schafft.

Das Wichtigste dürften da die vom BMJ mit einem „Eckpunktepapier zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs“ aus November 2023 angekündigten Änderungen sein. Das beruht auf dem Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition, der vorsieht, dass das StGB systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche überprüft werden soll. Es sollen besonders historisch überholte Straftatbestände kritisch überprüft werden, um die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz zu gewährleisten.

Das BMJ hat unter diesen Gesichtspunkten folgende Delikte vorgesehen/aufgelistet, die verändert bzw. aufgehoben werden sollen:

1. Aufzuhebende oder inhaltlich anzupassende Tatbestände

2. Änderungen bei Tatbeständen mit Bezug zum Nationalsozialismus:

3. Tatbestände, die Gegenstand anderer Vorhaben sind bzw. waren:

      • Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte – § 184b StGB
      • Ausspähen von Daten, Abfangen von Daten, Vorbereitung des Ausspähens und Abfangens von Daten – §§ 202a ff. StGB

Wegen der Einzelheiten und der Begründung für die Änderungen verweise ich auf das vollständige Eckpunkte-Papier auf der Homepage des BMJ.

Und dann haben wir ja noch die für das RVG geplanten Änderungen. Beim DAV und der BRAK ist man da ganz hoffnungsvoll, ich bin mir nicht sicher, ob die Änderungen schon in 2024 kommen oder ob sie erst in 2025 in Angriff genommen werden. Dann quasi als Vorwahlgeschenk. Zu den Änderungen gibt es aber nichts Neues, so dass ich dazu auf meinen Beitrag: Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft 2.0 – Stand September 2023 verweisen kann.

Und dann ist da noch das „Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen
Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer Vorschriften Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG), zu dem der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen hat (vgl. hier die BR-Drucks. 603/23). Der Bundesrat wünscht eine „grundlegende“ Überarbeitung.

Ich bin gespannt.