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Was so alles rechtskräftig wird….AG Saarbrücken zu ESO, ES 3.0 (Software 1.002)

Manchmal ist man dann doch erstaunt, was so alles rechtskräftig wird. So ging es mir bei dem AG Saarbrücken, Urt. v. 20.09.2011,  22 OWi 367/11, 22 OWi 61 Js 188/11 (367/11). Das befasst sich mit einer Messung mir ESO ES 3.= Software 1.002 und meint: Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät der Firma ESO, ES 3.0 (Software 1.002) erfüllen, wenn sie nach den Vorgaben des Herstellers und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) auf der Grundlage der betreffenden Zulassung erfolgen, die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens, auch wenn der Hersteller nicht sämtliche technische Daten zur Messwertbildung zur Verfügung stellt und der gerichtlich beauftragte Sachverständige sich daher zu einer vollumfänglichen Bewertung der Messung außer Stande sieht.

Im Verfahren war um die Verwertbarkeit gestritten worden. Dazu das AG:

„… Der Einwand des Verteidigers und Sachverständigen, dass herstellerseitig die genaue Messwertbildung auf Grund von Betriebsgeheinmissen nicht offen gelegt wird, weshalb es aus sachverständiger Sicht auch nicht möglich sei zu überprüfen, weshalb es zu unterschiedlichen Messpositionen aufgenommener Fahrzeuge zur Fotolinie kommen kann und ob ggfls. dadurch Beeinflussungen des Messwerts vorliegen könnten, war für die Entscheidungsfindung unerheblich nach dem gerichtlichen Verständnis der Funktionsweise des Messgeräts und dessen Zulassung durch die PTB.

….

Es war auch entscheidungserheblich nicht von Belang, dass in dem vom Sachverständigen zitierten Aufsatz in der Fachzeitschrift „Verkehrsunfall- und Verkehrszeugtechnik“ von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. Roland Bladt und Dipl.-Ing. Stephan Wietschorke mögliche Abtastmessfehler bei Messungen mit dem Messgerät ES 1.0 beschrieben sind. Zum einen handelt es sich hierbei um ein anderes Messgerät. Zum anderen ist fraglich, ob in diesem Aufsatz Messfehler belegt sind oder nur vermutet werden. Darauf kam es jedoch für die Entscheidungsfindung nicht an. Voraussetzung dafür, dass sich der Tatrichter vom Vorliegen eines korrekt ermittelten Messergebnisses überzeugt, ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und damit von niemandem anzweifelbare Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen läßt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakt – theoretischen Möglichkeit gründen. Die bloße Annahme möglicher Messfehler kann jedoch nicht von vornherein die Unverwertbarkeit des Messergebnisses zur Folge haben (Brandenburgisches OLG, Entscheidung vom 03.06. 2010, Az.: 2 Ss (OWi) 110 B/10; vgl. auch OLG Frankfurt, Entsch. v. 03.03. 2010, Az.: 2 Ss – OWi 577/09).“

Also, ich hätte die Frage „zum OLG getragen“. Allerdings: Eins darf man nicht übersehen: Es stellt sich natürlich die Frage, ob das Urteil nicht selbst dann zutreffend ist, wenn die Sicht des AG vom standardisierten Messverfahren unzutreffend ist. Denn dann wird man immer untersuchen müssen, ob die in dem Fall erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum Messverfahren nicht ausreichend getroffen worden sind.

Blitzen mit Ansage – Knöllchen mit Vorankündigung?

Auch die Polizei in Münster geht neue Wege – wie wohl insgesamt in NRW. Es wird seit gestern „mit Ansage“ geblitzt = es wird vorher im Internet angekündigt, wo geblitzt wird bzw. „welche Straßen dran sind“. In anderen Städten und Bundesländern gibt es das ja schon länger, so z.B. – wenn ich mich recht erinnere – in FFM. Ein Kurzvideo zu der Sache steht hier (Vorsicht beginnt mit Werbung; aber nicht von uns :-)). Bin mal gespannt, ob diese Airklich den erhofften Rückgang an Geschwindigkeitsüberschreitungen bringt. Ich warte auch nur auf den ersten Amtsrichter, der auf der Grundlage, einen „bedingten Vorsatz“ konstruiert :-).

Sondermeldung: Erfolgreiche Aufklärungsrüge……

Ein Kollege hat mir den von ihm „erstrittenen“ OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.10.2011 -IV 4 RBs 170/11 – zukommen lassen. Der Beschluss behandelt zwei interessante Fragen, von denen die eine die Sondermeldung :-)) wert ist.

Das AG hatte den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde hat der Betroffene geltend gemacht, das AG habe zu Unrecht von der Verlesung des Messprotokolls abgesehen und durch die Nichterhebung des Beweises seine aus § 244 Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 OWiG folgende Auf­klärungspflicht verletzt. Das AG hätte die Beweiserhebung von Amts wegen auf das Messprotokoll erstrecken müssen. Die Rechtsbeschwerde dagegen hatte Erfolg.

Das OLG beanstandet, dass sich das AG nicht mit dem Messverfahren im Einzelnen auseinander gesetzt hat. Denn komme es – wie hier, wo nur drei Funktionstest ausgeführt worden waren – im konkreten Einzelfall bei einer Messung mit einem sog. standardisierten Messverfahren zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung, so handele es sich nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren. Es liegen dann konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Messfehlern vor mit der Folge, dass das Gericht, wenn es die Verurteilung auf ein solches durch den Mangel eines Verstoßes gegen die Gebrauchsanweisung belastetes Messergebnis stützen will, dessen Korrektheit individuell zu überprüfen hat. Insoweit nichts so ganz wesentlich Neues. Das haben früher auch schon andere OLG gesagt, wie z.B. KG, OLG Hamm,OLG Celle und OLG Celle.

Interessanter ist die Entscheidung wegen der Zulässigkeit der erhobenen Aufklärungsrüge. Das liest man ja nun seltener. Dazu das OLG:;

„Die Erhebung einer zulässigen Aufklärungsrüge setzt voraus, dass der Be­schwerdeführer die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Ferner sind die Umstände mitzuteilen, aufgrund derer sich der Tatrichter zu der beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen, und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten ge­wesen wäre (OLG Düsseldorf, VRS 93, 433 ff; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 244 Rdnr. 81 m.w.N.). Wird beanstandet, dass eine Urkunde nicht verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, so ist es daher in aller Regel erforderlich, dass die Re­vision den Wortlaut der Urkunde wiedergibt (Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rdnr. 368 m.w.N.); denn nur dann ist das Revisionsge­richt in der Lage zu prüfen, ob sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklä­rungspflicht zur Beweisaufnahme über den Urkundeninhalt hätte gedrängt se­hen müssen (BGH. a.a.O., zit. in. Juris, Rdnr. 10).

Danach entspricht die von dem Betroffenen erhobene Aufklärungsrüge den Anforderungen der § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer teilt die nicht ermittelte Tatsache, die nicht vollständige Ausführung des Funktionstests des Laser-Messgerätes, mit, er benennt auch das zur Ermittlung dieser Tatsache relevante Beweismittel, das Messprotokoll. Darüber hinaus teilt der Betroffene den Wortlaut der Urkunde, deren Verle­sung er vermisst, mit. Eine Überprüfung durch den Senat, ob die Verlesung überhaupt zur Sachaufklärung hätte beitragen können, ist daher möglich (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. Rdnr. 81). Der Betroffene führt ferner aus, warum sich das Gericht zu der Verlesung des Messprotokolls hätte gedrängt sehen müs­sen, und zu welchem Ergebnis die unterbliebene Beweisaufnahme geführt hätte (BI. 47 f. d. A.).“

Und: Das AG hätte sich – so das OLG – von Amts wegen mit der Messung und ihrer Verwertbarkeit befassen müssen, nicht erst auf einen Antrag des Betroffenen.

Messen durch Nachfahren ist schwer

na ja, jedenfalls scheint es für die AG schwer zu sein, wenn sie den Geschwindigkeitsverstoß im Urteil darstellen sollen/müssen. Das zeigt die verhältnismäßig hohe Anzahl von Rechtsbeschwerden, die in diesen Fällen Erfolg haben. Denn anders als bei standardisierten Messverfahren genügt bei dieser Art von Geschwindigkeitsmessung nicht, wenn nur das Messverfahren und der Toleranzwert mitgeteilt werden (vgl. zum standardisierten Verfahren Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., 2011, Rn. 1513 ff.). Vielmehr muss der Tatrichter die Messung im Einzelnen beschreiben. Und dazu gehört bei der Messung durch Nachfahren zur Nachtzeit eben auch, wie eigentlich die Messbeamten bei den bei Dunkelheit i.d.R. schlecht(eren) Sichtverhältnissen den gleichbleibenden Abstand zwischen dem Messfahrzeug und dem voraus fahrenden Fahrzeug des Betroffenen ermittelt haben. Das fehlt nicht selten, so auch hier (eingehend zu den erforderlichen Ausführungen im Urteil bei einer Messung durch Nachfahren Burhoff/Burhoff, a.a.O., Rn. 1529 ff.). Zu allem jetzt mal wieder der OLG Hamm, Beschl. v. 15. 9.2011 – III -2 RBs 108/11, der zur Rechtsbeschwerde in den Fällen „einlädt“.

Aufgepasst in Baden-Württemberg: Blitzen vor dem Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung erlaubt….

Autofahrer in Baden-Württemberg müssen jetzt aufpassen. Das OLG Stuttgart hat nämlich in OLG Stuttgart, Beschl. v.04.07.2011, 4 Ss 261/11 seine Rechtsprechung geändert.

Während es – auf der Grundlage einer früher in BW geltenden Verwaltungsvorschrift/Richtlinie – davon ausgegangen ist, dass eine Geschwindigkeitsmessung kurz vor dem Ende einer Geschwindigkeitsbegrenzung nicht zulässig ist, hat es diese Rechtsprechung – nach Aufhebung der Richtlinie – aufgegeben. In den Fällen darf der Kraftfahrer also nicht mehr von einem Richtlinienverstoß und damit nicht üblichen Verhältnissen i.S. von § 1 BKatV ausgehen. Und: Es ist auf die Fahrtrichtung des Betroffenen abzustellen, wenn es um die Zuordnung zum Verkehrsschild geht. In den Gründen heißt es:

„Geschwindigkeitsmessungen sollen grundsätzlich in einem Abstand von 150 m zu den jeweiligen beschränkenden Verkehrszeichen stattfinden. Davon kann bei gefährlichen Stellen (Unfallstellen, Gefahrenstellen) sowie im unmittelbaren Umfeld von Schulen, Kindergärten oder Baustellen abgewichen werden.“

Die Vorschrift beschreibt somit den Abstand der Messstelle zu einem Verkehrszeichen, das den Beginn einer Geschwindigkeitsbeschränkung anzeigt wie etwa der Ortseingangstafel (Zeichen 310 der Anlage 3 zur StVO i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO) oder dem Zeichen 274 der Anlage 2 zur StVO. Da vor einem solchen Verkehrszeichen die Geschwindigkeit nicht beschränkt ist, bezieht sich der Abstand von 150 m auf den Bereich nach dem Zeichen. Darüber hinaus ist von dieser Regelung nicht die Geschwindigkeitsmessung bei einem solchen Verkehrszeichen erfasst, das eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufhebt (etwa Zeichen 311 der Anlage 3 zur StVO i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO oder Zeichen 278 der Anlage 2 zur StVO).

Vorliegend wurde der Betroffene 90 m vor der Ortstafel gemessen. Zwar ist erfahrungsgemäß die Ortseingangs- mit der Ortsausgangstafel verbunden, so dass die Messung weniger als 150 m vor der Ortseingangstafel und damit entgegen der o.a. Vorschrift erfolgt sein könnte. Gleichwohl wurde das Messgerät korrekt aufgestellt, denn es ist auf die Fahrtrichtung des Betroffenen abzustellen, in der es kein beschränkendes Verkehrszeichen gab; die Ortseingangstafel hat hier außer Betracht zu bleiben.“

Das OLG hat übrigens in der Entscheidung DAR 2011, 210 gerade noch anders entschieden. Aber da hatte man wohl die Änderung/Aufhebung der Richtlinie übersehen.