Schlagwort-Archive: Geschwindigkeitsüberschreitung

Raser muss doppelt zahlen, oder: Bloß keinen Kavalierstart

comic_yellow_carBei der morgendlichen Lektüre der „Westfälischen Nachrichten“ bin ich vorhin auf einen „uneinsichtigen Raser“ gestoßen, der jetzt doppelt zur Kasse gebeten wird. Falls er sich einen Verteidiger nimmt, wird der m.E. nicht viel Papier auf die Frage verschwenden müssen, ob von dem drohenden Fahrverbot abgesehen werden soll/kann. Schneller als der Mandant kann man nicht zeigen, dass nur die Festsetzung einer Geldbuße nicht reicht. In der WN-Meldung heißt es:

„Gleich zweimal tappte ein Autofahrer am Dienstagmittag auf dem Rüschhausweg in die Radarfalle der Polizei. Nachdem die Beamten ihn das erste Mal gestoppt hatten, trat er gleich wieder zu sehr aufs Gaspedal.

Um 13.20 Uhr stoppten die Beamten den Mann aus Havixbeck, als er bei erlaubten 70 km/h mit 118 km/h unterwegs war. Das bedeutet ein Bußgeld in Höhe von 160 Euro, zwei Punkte und einen Monat Fahrverbot. Der 25-Jährige war darüber nicht erfreut. Als er mit seinem BMW gegen 13.30 Uhr den Kontrollort verließ, beschleunigte der Havixbecker seinen Wagen bis auf 99 km/h. Für die Überschreitung von 29 km/h muss er nun weitere 80 Euro bezahlen und bekommt noch einen Punkt.“

In solchen Situationen hilft nur: Keep cool. :-). Kavaliersstart bringt nur Verdruss.

Manchmal ein wenig „blumig“ beim AG, das den Betroffenen „leider …. verurteilen“ muss

entnommen openclipart.org

entnommen openclipart.org

Ich hatte am Freitag über das BGH, Urt. v. 14.08.2014 –  4 StR 163/14 – berichtet (vgl. Kleiner Grundkurs im Abfassen von Urteilsgründen: Da darf nichts “hoch kochen”…). Das Fazit daraus ist m.E., dass der BGH eine sachliche, klare und letztlich emotionslose Abfassung der Urteilsgründe anmahnt/fordert. Dazu passt dann ganz gut 🙂 das AG Lüdinghausen, Urt. v. 12.05.2014 – 19 OWi-89 Js 511/14-46/14 – mit dem ich mich am Wochenende aus ganz anderem Grund befasst hatte. Da ist dann m.E. ein wenig „blumig“ formuliert, wenn es heißt:

„Der Betroffene hat sich genau, wie vorstehend geschildert, eingelassen zur Ursache der Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Betroffene hat das Ereignis lebhaft geschildert, so dass das Gericht keinen weiteren Aufwand betrieben hat, sondern einfach der Einlassung des Betroffenen geglaubt hat. Diese Einlassung musste leider aber auch dazu führen, dass der Betroffene wegen Vorsatzes zu verurteilen war. Das Gericht hat insoweit einen rechtlichen Hinweis in der Hauptverhandlung erteilt.“

Man fragt sich: „Einfach geglaubt“ ? Ja, was denn sonst, wenn man der „lebhaft“ (?) geschilderten Einlassung des Betroffenen folgen will. Und warum „leider“ wegen Vorsatzes zu verurteilen? Wenn das Gericht von der Richtigkeit der lebhaften Einlassung des Betroffenen überzeugt ist, dann muss es ihn verurteilen. was gibt es dazu bedauern – „leider“. Den Betroffenen wird es eher verwundern, wenn er den Eindruck bekommt, dass das Gericht ihn „leider“ wegen Vorsatzes verurteilen muss, also offenbar lieber nur wegen Fahrlässigkeit verurteilt oder gar frei gesprochen hätte.

In der Sache hat das AG allerdings Recht. Der Betroffene hat aufgrund der getroffenen Feststellungen zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt.

„Der Betroffene fuhr nämlich mit weiteren Berufskollegen, die seinem Fahrzeug in einem anderen Fahrzeug folgten in Kolonne. Unmittelbar vor der Messstelle überholte der Betroffene einen Lkw. Er bemerkte dann, dass aus einer Einfahrt vor dem überholten Fahrzeug ein Fahrzeug sich auf die Gegenrichtung einordnete. Der Betroffene befürchtete einen Kollision und wollte wegen des ihm folgenden Fahrzeuges nicht bremsen und sich hinter das überholte Fahrzeug einsortieren, obgleich der hinter ihm fahrende Fahrzeugführer dies tat. Er entschied sich dann bewusst dazu Vollgas zu geben, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zu überschreiten,  die er zuvor aufgrund eines eingestellten Tempomats eingehalten hatte. So überholte er mit deutlich höherer Geschwindigkeit als 100 km/h bewusst das überholte Fahrzeug und scherte auf die rechte Fahrspur ein. Hier bremste er nicht, sondern fuhr ungebremst weiter in der Hoffnung, der Tempomat werde die Geschwindigkeit schon wieder regulieren.“

Aber: „In diesem Augenblick konnte der Betroffene glücklicherweise durch die Polizei C bei seinem vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoß mit dem genannten Messgerät „geblitzt“ werden.“ Also dann doch nicht „leider“ wegen eines vorsätzlichen Verstoßes verurteilt?

„Mama gefallen“ – das kann ggf. vor einem Fahrverbot retten

AusrufezeichenImmer wieder müssen sich die OLG auch in Bußgeldsachen mit Rechtfertigungsgründen auseinander setzen. So jetzt gerade erst wieder das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 01.10.2014 – 321 SsBs 60/14. Da war der Betroffene außerorts um 46 km/h zu schnell gefahren. Er hatte gegenüber dem Anhaltebeamten angegeben, er habe es eilig gehabt, seine Mutter sei gestürzt, sein Vater sei schon ein hundertprozentiger Pflegefall und er, der Betroffene, habe seiner Mutter zu Hilfe eilen wollen, da keine anderweitige Hilfe zur Verfügung gestanden habe. Das AG hatte das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstandes gemäß § 16 OWiG verneint, da sich der Betroffene nach seiner Einlassung zum Messzeitpunkt nur noch ca. 3 Minuten Fahrtzeit vom Hof seiner Eltern entfernt befunden habe. Das OLG fährt zweigleisig:

Es verneint ebenfalls das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes, weil nicht erkennbar/festgestellt und auch vom Betroffenen nicht vorgetragen worden sei, dass ihm kein anderes Mittel zur Abwendung der Gefahr zur Verfügung gestanden hätte. Das bedeutet: Es bleibt beim Schuldspruch.

Aber beim Fahrverbot erscheint ein „kleines Licht am Ende des Tunnels“, denn:

„2. Zum Rechtsfolgenausspruch konnte das angefochtene Urteil jedoch keinen Bestand haben. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene gegenüber dem Anhaltebeamten angegeben hat, die Geschwindigkeit überschritten zu haben, weil er seiner gestürzten Mutter habe zu Hilfe eilen wollen, da keine anderweitige Hilfe zur Verfügung gestanden habe. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dies allein nicht ausreicht, um eine Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß § 16 OWiG zu rechtfertigen, ist es doch anerkannt, dass ein mit einem Rettungswillen begangener Verkehrsverstoß dazu führen kann, dass nach einer Abwägung aller relevanten Umstände sich ergibt, dass dem Fahrzeugführer dieser Verkehrsverstoß nicht als grobe Pflichtverletzung anzulasten ist (vgl. OLG Köln, a. a. O.; KG Berlin, a. a. O.). Der von dem Betroffenen für die Geschwindigkeitsüberschreitung angeführte Grund stellt, sofern der Betroffene deshalb geglaubt haben sollte, zu der Geschwindigkeitsüberschreitung berechtigt gewesen zu sein, wozu abschließend noch keine Feststellungen getroffen worden sind, allenfalls einen vermeidbaren Verbotsirrtum dar, der den Schuldspruch wegen vorsätzlichen Verstoßes unberührt lässt (vgl. dazu OLG Köln, a. a. O.). Auch ein vermeidbarer Verbotsirrtum kann die Tat aber grundsätzlich in einem milderen Licht erscheinen lassen. Selbst bei irrtümlicher Annahme eines Notstandes durch den Betroffenen ist durch das Gericht daher zu prüfen, ob nicht ausnahmsweise von der Verhängung des Regelfahrverbotes abgesehen werden kann.

 Sollte dies der Fall gewesen sein, also der Betroffene irrig angenommen haben, er dürfe sich wegen einer Gefahrenlage über die Geschwindigkeitsbeschränkungen hinwegsetzen, dann ist die vorsätzliche Begehungsweise gerade typisch für diese Konfliktsituation und würde keine erhöhte Vorwerfbarkeit begründen (vgl. dazu OLG Köln, a. a. 0.). Es war daher die Rechtsfolge nicht nur hinsichtlich der Anordnung des Fahrverbotes, sondern auch hinsichtlich der Erhöhung der Geldbuße aufzuheben.“

„Schneeflöckchen, weiß Röckchen“…… gilt auch im Sommer

entnommen wikimedia.org Uploaded by Saperaud

entnommen wikimedia.org
Uploaded by Saperaud

„Schneeflöckchen, weiß Röckchen“. Wer kennt das Kinderlied nicht? Es passt ganz gut zum OLG Hamm, Beschl. v. 04.09.2014 – 1 RBs 125/14, der seit vorgestern ja auch schon in einigen anderen Blogs gelaufen ist. Ergangen zwar im Sommer/Herbst, aber mit winterlichem Bezug. Es geht nämlich um das Zusatzschild „Schneeflocke“ – enthalten in § 39 Abs. 8 StVO (sorry, liebes OLG, ich finde das Schild in dem von dir angeführten § 39 Abs. 7 StVO nicht 🙂 ). Der Betroffene war vom AG wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Bei dem die Geschwindigkeit beschränkenden Schild war dieses Zusatzschild „Schneeflocke“ angebracht. Der Betroffene hat geltend gemacht, dass die Fahrbahn zum Tatzeitpunkt trocken war und deshalb das Schild nicht galt. Das OLG sieht das – in einem Zusatz – anders:

Ergänzend zur Stellungnahme der GStA verweist der Senat auf die Entscheidung OLG Stuttgart NZV 1998, 422. Das eine Schneeflocke (vgl. § 39 Abs. 7 StVO) darstellende Zusatzschild i.S.v. § 39 Abs. 3 StVO zum die Geschwindigkeit begrenzenden Schild enthält bei sinn- und zweckorientierter Betrachtungsweise lediglich einen — entbehrlichen — Hinweis darauf, dass die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Gefahrenabwehr wegen möglicher winterlicher Straßenverhältnisse dient. Der Hinweis bezweckt nur die Information der Verkehrsteilnehmer über das Motiv der Straßenverkehrsbehörde für die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung. Ein zur Erhöhung der Akzeptanz eines Verkehrszeichens angegebenes Motiv – wie vorliegend – kann eine Ausnahme von der Allgemeinverbindlichkeit der Regelung eines Verkehrszeichens nicht rechtfertigen. Der Umstand, dass die Fahrbahn zum Tatzeitpunkt nach den Feststellungen trocken war, berechtigte nicht, eine höhere als die angeordnete Geschwindigkeit zu fahren. Anders als bei dem Schild „bei Nässe“ (StVO Anl. 2 lfd. Nr. 49.1.) enthält das vorliegende Zusatzschild eben gerade keine solche verbale zeitliche Einschränkung. Auch bei trockener Fahrbahn war zudem die geschwindigkeitsbeschränkende Anordnung nicht etwa nichtig und damit unbeachtlich.“

Also: Ein Unterschied zu dem in § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO vorgesehenen Zusatzschild „bei Nässe“. Dort ergibt sich die Regelung aus der Verbindung von Vorschriftszeichen, in der StVO vorgesehenem Zusatzschild und den Witterungsverhältnissen; die Anordnung geht dahin, nicht schneller als mit der angegebenen Geschwindigkeit zu fahren, so lange die Fahrbahn nass ist. Diese Anordnung gilt für alle Verkehrsteilnehmer ohne Rücksicht auf die speziellen Eigenschaften der Reifen ihres Fahrzeugs und dient der Verhinderung des Aufschwimmens der Räder (Aquaplaning). Demgegenüber enthält das Zusatzschild „Schneeflocke“ eben nur einen Hinweis auf das Motiv der Straßenverkehrsbehörde für die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung (vgl. dazu OLG Saarbrücken NZV 1989, 159 für den Zusatz „Lärmschutz“).

Vorsatz, Vorsatz? – aber nicht bei „nur“ 34 km/h mehr auf einer Bundesstraße

© lassedesignen - Fotolia.com

© lassedesignen – Fotolia.com

Die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung kann im Hinblick auf die Verhängung bzw. das Absehen von einem Fahrverbot verhängnisvoll sein. Denn im Zweifel wird wegen der Regelung in § 1 Abs. 2 BKat – „fahrlässiger Begehunsgweise“ nicht von einem Fahrverbot abgesehen werden.Auch wird im Zweifel eine höhere Geldbuße drohen. Von daher ganz interessant der OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2014 – (2 B) 53 Ss-OWi 230/14 (111/14), der zur Vorsatzfrage bei einem Geschwindigkeitsverstoß auf einer Bundesstraße Stellung nimmt. Danach kann bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Bundesstraße um 34 km/h nicht in jedem Fall allein aus dem Ausmaß der Überschreitung auf vorsätzliches Handeln geschlossen werden:

„Das Amtsgericht hat die vorsätzliche Begehungsweise darauf gestützt, dass das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Bundesstraße, auf welcher gemäß § 3 Abs. 3 StVO eine zulässige Höchstgeschwindigkeit gilt, „immer“ eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung indiziere (UA S. 7). Damit beruft sich das Amtsgericht auf einen Erfahrungssatz, den es in dieser Allgemeinheit nicht gibt.

Auf der Hand liegt, dass nicht bereits jeder Geschwindigkeitsverstoß auf einer derartigen Bundesstraße vorsätzlich begangen sein muss. Richtig ist, dass im Grundsatz ein vorsätzlicher Verstoß umso näher liegt, je höher die Geschwindigkeitsüberschreitung ist. Dabei wird regelmäßig von Vorsatz auszugehen sein, wenn in solchen Fällen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 40 km/h überschritten wird (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 11. Februar 1999, Az.: 2 Ss 4/99, zitiert nach juris), bzw. wenn sonst die zulässige Höchstgeschwindigkeit um annähernd 50 % überschritten wird (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. April 2006, Az.: 1 Ss 25/06; OLG Celle, Beschluss vom 9. August 2011, Az.: 322 SsBs 245/11, beide zitiert nach juris).

Hier hat der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 34 km/h überschritten. Bei diesem Ausmaß der Überschreitung kann nicht allein aus diesem auf vorsätzliche Begehungsweise geschlossen werden. Es hätte dazu vielmehr weiterer Indizien bedurft (vgl. Senat, Beschluss vom 18. September 2007, Az.: 2 Ss (OWi) 153 B/07; OLG Celle, Beschluss vom 28. Oktober 2013, Az.: 322 SsRs 280/13, zitiert nach juris). Dazu enthält die angefochtene Entscheidung indes keinerlei Feststellungen.