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Gegenstandswert für die Einziehung, oder: Auf die „Werthaltigkeit“ einer Forderung kommt es nicht an

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Als zweite Entscheidung hier dann der BGH, Beschl. v. 22.05.2019 – 1 StR 471/18. Der BGH nimmt zum Gegenstandswert bei der Einziehung und damit bei der Gebühr Nr. 4142 VV RVG Stellung:

„Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG auf Antrag des Verteidigers der Angeklagten K.   (§ 32 Abs. 2 RVG) festzusetzen, weil das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.000.000 € angeordnet und sich die Verteidigung des Antragstellers im Revisionsverfahren hierauf erstreckt hat (Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG).

Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Angeklagten K.    auf die Abwehr der Einziehung. Maßgeblich ist – wie bei Festsetzung der Kosten im Zivilprozess – der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Eine Verringerung des Gegenstandswerts wegen fehlender Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs ist generell weder im Streitwert- noch Kostenfestsetzungsverfahren vorgesehen. Es kommt daher nicht darauf an, dass wegen der Vermögenslosigkeit der Angeklagten K.   erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (offengelassen in BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2015 – 1 StR 245/09 Rn. 7; vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 166/07 Rn. 3 f. und vom 30. April 2014 – 1 StR 245/09 Rn. 3; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. März 2009 – 5 StR 225/06 Rn. 1).“

Auf die Entscheidung komme ich noch mal zurück, wenn ich demnächst einige (falsche) AG- und LG-Entscheidungen zur Nr. 4142 VV RVG vorstelle.

Verteidigung gegen mehrere Adhäsionsklagen, oder: Wie hoch ist der Gegenstandswert?

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Da heute Freitag ist, wie immer: Zwei Entscheidungen zu Gebühren bzw. mit gebührenrechtlichem Einschlag.

Zunächst stelle ich in dem Zusammenhang den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.03.2019 – 1 Ws 360/18 – vor.  Der behandelt die Frage der Höhe des Gegenstandswertes (für die Gebühr Nr. 4143 Vv RVG), wenn der Rechtsanwalt den Angeklagten gegen die Adhäsionsklagen mehrerer vertritt. Das OLG sagt: Die Gegenstandswerte der Adhäsionsklagen sind zusammenzurechnen, weil die Adhäsionsverfahren eine gebührenrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 22 Abs. 1 RVG bilden:

„1. Zutreffend ist der Rechtspfleger zunächst davon ausgegangen, dass der Nebenklägervertreter die Verfahrensgebühr aus Nr. 4143 VV RVG nach §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 RVG nur einmal erhält. Denn seine Tätigkeit zur Durchsetzung der Schadens- und Schmerzensgeldansprüche der drei von ihm vertretenen Nebenkläger hat er im Rahmen desselben Adhäsionsverfahrens erbracht. Er ist deshalb in derselben Angelegenheit im Sinne von §§ 7, 15 RVG tätig geworden (OLG Stuttgart NStZ-RR 2015, 128; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2009 – 2 Ws 8/09; Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage, Nr. 4143 VV RVG Rn. 7 m.w.N.).

Für die Entscheidung der Frage, ob eine oder mehrere Angelegenheiten im Sinne von §§ 7 und 15 RVG vorliegen, ist zur Vermeidung von Bewertungswidersprüchen nämlich allein auf zivilrechtliche Maßstäbe abzustellen (OLG Stuttgart, a.a.O.). Danach ist im Fall der objektiven oder subjektiven Klagehäufung, also auch dann, wenn ein Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren die Klagen mehrerer Kläger vertritt, in aller Regel nur eine Angelegenheit gegeben. Denn in diesem Fall geht die anwaltliche Tätigkeit regelmäßig auf einen einheitlichen Auftrag zurück, hält sich in demselben Rahmen, und zwischen den Handlungen des Rechtsanwalts besteht ein innerer Zusammenhang (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.). Hiervon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen, in dem die Adhäsionsanträge der drei Nebenkläger auf demselben Lebenssachverhalt beruhen.

2. Obwohl der Nebenklägervertreter in nur einer Angelegenheit tätig wurde, handelt es sich bei den Ansprüchen der drei Nebenkläger aber um drei verschiedene Gegenstände im Sinne von §§ 22 ff. RVG. Denn für den Gegenstandsbegriff ist allein auf die wirtschaftliche Identität abzustellen, die bei der Vertretung mehrerer Auftraggeber nur dann vorliegt, wenn der Rechtsanwalt für diese Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird und sie insoweit eine Rechtsgemeinschaft oder eine dieser gleichgestellte Gemeinschaft bilden (Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage, Nr. 1008 VV RVG Rn. 135). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil den Nebenklägern das von ihnen im Adhäsionsverfahren geltend gemachte Recht jeweils allein zusteht (OLG Brandenburg, a.a.O.). Zutreffend hat der Rechtspfleger daher die Gegenstandwerte für die Klagen der drei Nebenkläger nach § 22 Abs. 1 RVG addiert und die Summe zur Bemessung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG herangezogen (OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Brandenburg, a.a.O.; Burhoff/Volpert, a.a.O., Nr. 4243 VV RVG Rn. 31).

3. Die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG ist jedoch nicht angefallen. Zwar kommt diese grundsätzlich in Betracht, wenn der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber vertreten hat. Nach Abs. 1 und 2 der Anmerkung zu Nr. 1008 VV RVG ist dies bei Wertgebühren – wie bei der vorliegend in Frage stehenden Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG – im Unterschied zu Fest- und Rahmengebühren jedoch nur der Fall, wenn darüber hinaus derselbe Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt und die verschiedenen Auftraggeber daran gemeinschaftlich beteiligt sind (vgl. Burhoff/Volpert, a.a.O., Teil A, Rn. 1533). Hiervon ist vorliegend jedoch nicht auszugehen, weil – wie soeben ausgeführt – die drei Klagen der drei Nebenkläger unterschiedliche Gegenstände im Sinne des RVG darstellen, deren Werte nach § 22 Abs. 1 RVG zu addieren sind (so auch: OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.O.). Bereits hierdurch erfährt die Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG unter dem Gesichtspunkt der Vertretung mehrerer Auftraggeber in derselben Angelegenheit eine Erhöhung, so dass eine weitere Erhöhung durch Zubilligung einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG auch nicht sachgerecht erscheint.“

Gegenstandswert bei der Einziehungsgebühr, oder: Gebührenrechtlicher Unsinn

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Als zweite Entscheidung dann der AG Arnstadt, Beschl. v. 07.09.2018 – 960 Js 34942/14 1 Ds -, in dem das AG zur Höhe der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG Strellung genommen hat. Wenn man den Beschluss gelesen hat, weiß mannicht, ob man lachen oder weinen soll. Jedenfalls muss man dem AG aber raten, vielleicht doch mal einen Blick in einen Kommentar zu werfen. Denn das, was das AG da gemacht hat, ist schlicht Unsinn.

Der Pflichtverteidiger hatte beantragt den Gegenstandswert für eine Ein­ziehung auf 25.358,00 € festzusetzen. Das AG lehnt den Antrag ab und stellt fest, „dass der Gegenstandswert der Einziehung nicht niedriger als 30 € ist.„:

„Gegenstand des strafrechtlichen Verfahrens war der Tatvorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 StGB.

Für den Fall einer Verurteilung wäre in dem festzustellenden Umfange auch über die Einziehung ge­mäß § 73c StGB zu entscheiden gewesen (wegen nicht gezahlten Unterhaltes/ersparter Unterhalts­leistungen). Diese hätten unter Berücksichtigung der titulierten Unterhaltspflicht bei Feststellung ent­sprechender Leistungsfähigkeit nach dem derzeitigen Stand unter Berücksichtigung von Unterhalts­vorschussleistungen durch Dritte 25.358,00 € betragen. Dieser Betrag wäre dann gegebenenfalls einzuziehen gewesen.

Dies ist in dem Verfahren mehrfach aktenkundig dargelegt.

Das Verfahren wurde letztendlich nicht durch Urteil, sondern durch endgültige Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dem war die vorläufige Einstellung vorausgegangen, bei der gemäß § 153a Abs. 2, Abs. 1 Ziff. 4 StPO dem Angeklagten als Auflage die Zahlung der titulierten Unterhaltsschuld abzüglich etwaiger Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 3 25.358,00 € auferlegt wurde. Die Auflage wurde vollständig erfüllt.

Mit Antrag vorn 27.07.2018 hat der Pflichtverteidiger unter Verweis auf Vergütungsverzeichnis 4142 RVG die Gegenstandswertfestsetzung auf 25.358,00 € und die entsprechende Zahlung einer Verfah­rensgebühr in Höhe von 863,00 € beantragt.

Der Antrag auf Feststellung des Gegenstandswertes der Einziehung ist insoweit unbegründet, als die Festsetzung des Gegenstandswertes der Einziehung über 30 € hinaus beantragt wird.

Das Kostenrecht sieht für die jeweilig an zu fallenden Gebühren unterschiedliche Gebühren vor. Hier sind neben so genannten Pauschgebühren, der Wertgebühren, Festgebühren und Rahmengebühren vorgesehen (Kostengesetze Einleitung II. A Rn. 7ff.).

Bei den im Strafverfahren anfallenden Gebühren handelt es sich um Rahmengebühren (soweit ein Wahlverteidiger die Festsetzung der Vergütung beantragt) und für den Pflichtverteidiger quasi um Festgebühren, da hier insoweit ein Betragsrahmen durch den Gesetzgeber nicht vorgesehen wurde (vergleiche Einleitung II, A Rn. 12, Kostengesetze, RVG § 2 Rn. 2 mit ausdrücklicher Verweisung auf das Vergütungsverzeichnis 4100ff.).

Ausnahmen wie etwa aus der amtlichen Vorbemerkung 4 Abs. 5 des Vergütungsverzeichnisses sind vorliegend nicht Gegenstand der Geltendmachung bzw. der zur Entscheidung anstehenden Fragen. (Etwas anderes gilt auch, wenn im Adhäsionsverfahren ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch des Geschädigten im Wege des Adhäsionsantrages/quasi zivilrechtliche Klage geltend gemacht wird und über den dann im Strafverfahren mit entschieden wird. Da dieses Verfahren quasi den zivilrechtli­chen Verfahren angelehnt ist, neben dem Hauptanspruch über eine etwaige Kostenverteilung ein­schließlich einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung zu treffen ist, ist hier eine Streitwert­festsetzung erforderlich.)

Ausweislich des Vergütungsverzeichnisses in Strafsachen Abschnitt 1 Gebühren des Verteidigers sind bei der Festsetzung etwaiger Vergütungen die dort aufgeführten Beträge in Ansatz zu bringen, Wie bereits oben aufgeführt unterscheidet der Gesetzgeber hier zum einen für den Wahlverteidiger die so genannten Rahmengebühren und für den Pflichtverteidiger die ausgehend von § 2 in Verbindung mit dem Vermögensverzeichnis festgesetzten Festgebühren.

Im Weiteren unterscheidet das Verfahren die so genannten allgemeinen Gebühren, die Gebühren die im vorbereitenden Verfahren und die Gebühren die im 1. Rechtszug entstehen.

Ausweislich Vergütungsverzeichnis 4106 entsteht für den Pflichtverteidiger einer Verfahrensgebühr für den 1. Rechtszug vor dem Amtsgericht in Höhe von 132,00 €.

Darüber hinaus kann der jeweilige Verteidiger zusätzliche Gebühren beanspruchen,

Ausweislich Vergütungsverzeichnis 4142 entsteht bei Maßnahmen der Einziehung oder Verwandten­maßnahmen eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,0, und zwar sowohl für den Wahlverteidiger als auch für den Pflichtverteidiger.

Die Verfahrensgebühr beträgt ausweislich des Vergütungsverzeichnisses 4106 für den Wahlverteidiger als Rahmengebühren 40,00 bis 290,00 €, für den Pflichtverteidiger 132,00 €.

Die Gebühr entsteht für Tätigkeiten des Rechtsanwaltes für den Beschuldigten. Dies ist vorliegend der Fall gewesen, da eine mögliche Einziehung Entscheidungsgegenstand des Verfahrens war.

Die 1,0 Verfahrensgebühr ist auch nicht gemäß Vergütungsverzeichnis 4142 Abs. 2 wegen Geringfü­gigkeit (niedriger als 30 €) in Wegfall geraten. Insoweit war vorsorglich oben genannte Feststellung zu treffen.

Der Pflichtverteidiger hat somit Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 132,00 € gemäß Vergü­tungsverzeichnis 4142.

Eine etwaige Wertfestsetzung/Gegenstandswertsfestsetzung im Sinne des § 33 RVG scheidet in An­betracht der klaren gesetzlichen Regelung von Rahmen-/Festgebühren für das Strafverfahren aus. Der entsprechende (weitergehende) Antrag war als unbegründet zurückzuweisen.“

Wie gesagt: Schlicht Unsinn bzw. gebührenrechtlicher Blödsinn.

Gegenstandswert für die Einziehung im Bußgeldverfahren, oder: (Bewusste) Gebührenbeschneidung?

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Heute ist Gebührenfreitag. Und da weise ich zuerst auf den LG Stuttgart, Beschl. v. 30.01.2019 – 20 Qs 1/19 – hin, den mir der Kollege Marcus Röll aus Heidelberg geschickt hat.

Folgender Sachverhalt: Gegen den Mandanten des Kollegen wurde  wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 7 Abs. 4 Nr. 2, 19 Abs. 1 Nr. 6b Spieleverordnung i.V.m. § 144 Abs. 2 Nr. 1a GewO durch Betreiben eines wegen einer ungültigen Software-Version nicht mehr zugelassenen Geldspielautomaten ermittelt. Von der Einleitung eines Bußgeldverfahrens wurde aber abgesehen. Es wurde jedoch gem. § 29a Abs. 1 OWiG die Einziehung von 11.055,40 EUR angeordnet. Gegen diesen Bescheid legte der Kollege für den Betroffenen Einspruch ein. Beim AG fand dann eine Hauptverhandlung statt, in der das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt wurde. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt.

Der Kollege hat beantragt, für den Betroffenen die bei ihm entstandenen Gebühren festzusetzen. U.a. ist die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV RVG in Höhe von 604 EUR beantragt worden; bei der Berechnung der Gebühr hat er einen Gegenstandswert von 11.055,40 EUR zugrunde gelegt. Die Staatskasse ist der Höhe der Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG entgegengetreten. Mangels Festsetzung einer Geldbuße habe diese sich nach Vorbem. 5.1 Abs. 2 Satz 2 VV RVG nach dem mittleren Betrag der in der Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße zu richten. Da vorliegend in § 144 Abs. 2 GewO eine Geldbuße von bis zu 5.000 EUR vorgesehen sei, betrage der maßgebliche Wert für die 1,0 Gebühr daher 2.500 EUR, was einer Gebühr in Höhe von (nur) 201 EUR entspreche. Das AG hat bei seiner Festsetzung die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV RVG auf 201 EUR herabgesetzt. Die u.a. dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

„a) Der Beschwerdeführer wendet sich zu Recht dagegen, dass die Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG lediglich mit einem Gegenstandswert von 2.500 Euro bemessen und mithin auf 201,- Euro gekürzt wurde. Bei der Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG handelt es sich nämlich um eine Wertgebühr, die unter Zugrundelegung des Wertes des einzuziehenden Gegenstandes, hier also ganz klar 11.055,40 Euro, nach der Tabelle in § 13 RVG zu berechnen ist (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 48. Auflage 2018, W 5116, Rn. 5 f.).

Demnach berechnet sich die Gebühr wie folgt:

Für die ersten 500 Euro des Gegenstandswerts 45 Euro
Für den Bereich von 501 Euro bis 2000 Euro: 3*35 Euro 105 Euro
Für den Bereich von 2001 Euro bis 10.000 Euro: 8*51 Euro 408 Euro
Für den Bereich von 10.001 Euro bis 11.055,40 Euro 46 Euro
Summe 604 Euro

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Vertreterin der Staatskasse zur Begrün-dung ihrer Herabsetzung angeführten Kommentarfundstelle (Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage, Nr. 5116 VV, Rn. 6). Dort geht es vielmehr um die Berechnung der neben der Gebühr Nr. 5116 W anfallenden Verfahrens- und Terminsgebühren (vgl. hierzu LG Trier, Beschl. v. 08.08.2016, 1 Qs 32/16; LG Oldenburg, Beschl. v. 07.12.2012, 5 Qs 384/12; Burhoff/Volpert, RVG Straf- & Bußgeldsachen, B VV 5116, Rn. 5 m.w.N. sowie zur Gegenansicht OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.04.2012, 1 AR 70/11 und LG Koblenz, Beschl. v. 26.01.2018, 9 QS 59/17 und 9 Qs 60/19) die vom Beschwerdeführer auch entsprechend sowie ohne erkennbare Überschreitung des in § 14 RVG eingeräumten Ermessens veranschlagt worden sind.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Anzumerken ist: Man fragt sich, wie eigentlich die Staatskasse auf die Idee kommen kann, dass sich die Gebühr Nr. 5116 VV RVG nach der (drohenden) Geldbuße und nicht nach dem Gegenstandswert, der sich nach dem Wert des Betrages, der ggf. eingezogen werden soll, richtet. In Nr. 5116 VV RVG ist die Rede vom Gegenstandswert, das Wort „Geldbuße“ taucht dort nicht auf und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Gebühr aus. Auf die Idee kann man nur kommen, wenn man – worauf hier offenbar die Staatskasse abzielt – mit aller Macht anwaltliche Gebühren beschneiden will. Und dafür dann noch meine Kommentarstelle als Beleg anzuführen ist geradezu grotesk. Denn zu Recht weist das LG darauf hin, dass es an der in Bezug genommen Stelle gar nicht um die Höhe der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV RVG geht, sondern darum, ob im selbständigen Einziehungsverfahren für den Vertreter des Betroffenen neben der Nr. 5116 VV RVG auch Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr anfallen, was zu bejahen ist. Hätte sich der Vertreter der Staatskasse die Mühe gemacht und im Kommentar ein wenig weiter gelesen, dann wäre er auf die Rn 9 gestoßen und hätte dort erfahren, dass für die Gebührenhöhe bei der Nr. 5116 VV RVG „die Ausführungen bei Nr. 4142 VV Rdn 25 ff. entsprechend“ gelten. Und das bedeutet: Maßgeblich ist der Gegenstandswert des einzuziehenden Gegenstandes. Auf einen anderen Anknüpfungspunkt ist bislang – soweit ersichtlich – auch noch niemand gekommen.

Und, wenn ich schon auf den RVG-Kommentar hinweise: Bestellen kann man den hier. 🙂

Einziehung im Spiel, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren

Es ist Freitag und damit Gebührentag. Und da bringe ich zunächst den BGH, Beschl. v. 29.11.2018 – 3 StR 625/17. Der hat eine mit der Einziehung (§§ 73 ff. StGB) zusammenhängende Gebührenfrage zum Gegenstand.

Es geht mal wieder um die Nr. 4142 VV RVG, die gebührenrechtliche Folgevorschrift zu den §§ 73 ff StGB. Durch die Änderungen im Recht der Vermögensabschöpfung, die zu einem erheblichen Ansteigen von Einziehungsentscheidungen geführt haben – was ja auch beabsichtigt war – hat auch die Nr. 4142 VV RVG an Bedeutung zugenommen. Der BGh hat in seinem Beschluss, ergangen in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Diebstahls,zum Abgeltungsbereich der Nr. 4142 VV RVG im Revisionsverfahren und zum Gegenstandswert Stellung genommen, und zwar wie folgt:

„Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „besonders schweren Diebstahls“, wegen „versuchten besonders schweren Diebstahls“ sowie wegen Verabredung eines Verbrechens (besonders schwerer Raub in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen von halbautomatischen Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition) zu der Gesamtstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt sowie die Einziehung eines Betrages in Höhe von 8.116,60 € und eines weiteren Betrages in Höhe von 10.565,35 €, für die er mit einem Mitangeklagten als Gesamtschuldner haftet, angeordnet. Der Senat hat auf die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten am 22. März 2018 unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen das Verfahren teilweise eingestellt bzw. beschränkt und im Hinblick auf diese Einstellung das Urteil unter anderem im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass die Einziehung eines Betrages in Höhe von 8.116,60 € angeordnet wird.

Der Antragsteller, der im Revisionsverfahren Verteidiger des Angeklagten war und hier die allgemeine Sachrüge erhoben hatte, hat beantragt, für das Revisionsverfahren den Gegenstandswert „im Hinblick auf Nr. 4142 VV RVG bezüglich der Einziehung“ festzusetzen.

2. Der Senat setzt den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers im Revisionsverfahren auf 18.681,95 € fest.

Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beantragen. Nach Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV) fällt eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2015 – 1 StR 245/09, juris Rn. 4; vom 8. März 2018 – 3 StR 163/15, NStZ-RR 2018, 231; Mayer/Kroiß/Kroiß, RVG, 7. Aufl., VV 4141 – 4147 Rn. 16 f.; Bischof/Jungbauer/Kerber/Uher, RVG, 8. Aufl., VV 4100 – 4304 Rn. 121; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 23. Aufl., VV 4142 Rn. 6). Diese Gebühr steht dem Rechtsanwalt für jeden Rechtszug zu (vgl. Mayer/Kroiß/Kroiß aaO Rn. 16). Erfasst werden von ihr sämtliche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Einziehung erbringt und die zumindest auch einen Bezug zur Einziehung haben (Gerold/Schmidt/Burhoff aaO Rn. 10). Das ist auch bei Erhebung der allgemeinen Sachrüge der Fall, die dem Revisionsgericht das gesamte Urteil einschließlich der Einziehungsentscheidung zur Überprüfung unterbreitet.

Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse am Erfolg seiner Revision. Dem steht nicht entgegen, dass dem Verteidiger auch für die Verteidigung gegen den Tatvorwurf Gebühren zustehen. Da das Landgericht die Einziehung des Wertes des durch die Taten Erlangten auf insgesamt 18.681,95 € beziffert hat, zielte das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten auch auf das Entfallen der Anordnung der Einziehung dieses Betrages. Dieser bestimmt mithin den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit.“

Also was lernt man aus dem Beschluss? Nun: Allein die Erhebung der Sachrüge in der Revision reicht in den Verfahren, in denen Einziehung „im Spiel“ ist oder sein könnte, um die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entstehen zu lassen. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht gefallen.