Und dann Gebührenfreitag. Heute mit zwei Entscheidungen.
Ich beginne mit dem schon etwas älteren LAG Sachsen, Beschl. v. 17.09.2024 – 1 Ta 142/21. Es geht um den Gebührenanspruch des Kanzleiabwicklers, der mit Auftrag der Partei handelt. Dazu sagt das LAG: Der von der RAK bestellte „Abwickler“ ist nur Vertreter des Rechtsanwalts, dessen Kanzlei er abwickelt. Demgemäß hat er keinen eigenen Gebührenanspruch:
„2. Der sofortigen Beschwerde ist jedoch kein Erfolg beschieden. Das Arbeitsgericht hat die an den Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung zu Recht auf 1.594,01 € festgesetzt. Die Auffassung des Beschwerdeführers, es seien sowohl die zu Lebzeiten des Rechtsanwalts K. angefallenen Gebühren (Verfahrens-und Terminsgebühr aus 7.281,88 €) als auch für seine Tätigkeit angefallene Gebühren (Verfahrens-, Termins- sowie Einigungsgebühr aus 23.181,88 €) festzusetzen, geht fehl, weil sie die für Kanzleiabwickler geltenden Grundsätze nicht berücksichtigt.
a) Für die Tätigkeit des als Abwickler bestellten Beschwerdeführers gilt § 55 Abs. 2 und 3 BRAO in der vor dem 1.8.2021 geltenden Fassung. Diese Vorschriften lauten:
(2) Dem Abwickler obliegt es, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln. (…)
(3) § 53 Abs. 5 Satz 3, Abs. 9 und 10 gilt entsprechend. Der Abwickler ist berechtigt, jedoch außer im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nicht verpflichtet, Kostenforderungen des verstorbenen Rechtsanwalts im eigenen Namen für Rechnung der Erben geltend zu machen.
§ 53 Abs. 9 BRAO in der bis zum 1.8.2021 geltenden Fassung lautet
(9) Der Vertreter wird in eigener Verantwortung, jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig. Die §§ 666, 667 und 670 BGB gelten entsprechend.
§ 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO in der bis zum 1.8.2021 geltenden Fassung lauten auszugsweise:
Er hat dem von Amts wegen bestellten Vertreter eine angemessene Vergütung zu zahlen, (…). Können sich die Beteiligten über die Höhe der Vergütung (…) nicht einigen, (…) setzt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Vertretenen oder des Vertreters die Vergütung fest.
Nach diesen Bestimmungen entsteht mit der öffentlich-rechtlichen Bestellung des Abwicklers durch die Rechtsanwaltskammer ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Abwickler und den Erben des Verstorbenen als vom Abwickler Vertretene. Für dieses Rechtsverhältnis gelten die Bestimmungen der §§ 666, 667 und 670 BGB entsprechend. Der Abwickler hat die zur Zeit seiner Bestellung schwebenden Verfahren abzuwickeln. Er ist darauf beschränkt, Gebührenforderungen des verstorbenen Rechtsanwalts und im Zuge der Abwicklung der Angelegenheit anfallende weitere Gebühren im eigenen Namen für Rechnung der Erben des Verstorbenen geltend zu machen. Insoweit wird dem als Abwickler bestellten Rechtsanwalt im öffentlichen Interesse ein gewisses Sonderopfer abverlangt (OLG München, Beschluss vom 6.5.1993, Az.: 11 W 2807/92, juris, Rn. 8). Der Abwickler erhält für seine Tätigkeit keinen eigenen Gebührenanspruch, sondern er wird auf eine angemessene Entschädigung durch den Vertretenen, mithin den oder die Erben des verstorbenen Rechtsanwalts, verwiesen. Im Falle der Nichteinigung mit dem Vertretenen über die Höhe der Vergütung kann diese auf Antrag durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer festgesetzt werden.
Grund dieser Regelungen ist es, im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs und zum Schutz des Mandanten die Fortführung der laufenden Angelegenheiten zu ermöglichen (OLG München a.a.O.). Anhängige Rechtsstreitigkeiten sollen möglichst ohne Zeitverlust und Mehrkosten durch die Bestellung eines Abwicklers für die Kanzlei des früheren Rechtsanwalts zu Ende geführt werden können.
Nach dem Vorstehenden tragen die Vorschriften der §§ 55, 53 BRAO einen Gebührenanspruch des Abwicklers, den dieser im eigenen Namen und im eigenen Interesse geltend machen könnte, nicht.
b) Auch aus der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zunächst für den Klageantrag zu 1 und nachfolgend für die Verteidigung gegen die Widerklage nebst Beiordnung des Beschwerdeführers folgt nicht, dass diesem ein eigener Vergütungsanspruch erwächst, den er nach Maßgabe der §§ 45, 49 RVG gegen die Staatskasse gelten machen könnte. Der Beschwerdeführer hat seine auf Beiordnung gerichteten Anträge jeweils in der Eigenschaft als Abwickler des verstorbenen Rechtsanwalts gestellt. Dies ist bei der Auslegung der Beschlüsse über die Beiordnung des Beschwerdeführers vom 23.4.2019 und 16.5.2019 zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer wurde der Klägerin nicht als im eigenen wirtschaftlichen Interesse tätiger Rechtsanwalt beigeordnet, sondern in seiner Eigenschaft als von der Rechtsanwaltskammer Sachsen bestellter Abwickler.
c) Schließlich führt auch der Rechtsgedanke des § 91 Abs. 2 Satz 2, 2.Alt. ZPO nicht dazu, dass der Beschwerdeführer in eigenem Namen und eigenem Interesse Ansprüche gegen die Staatskasse geltend machen kann.
§ 91 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. ZPO regelt, ob und in welchem Umfang die obsiegende Partei bei einem Anwaltswechsel vom unterlegenen Gegner die Erstattung von Kosten für die Vertretung durch einen Anwalt oder durch zwei Anwälte verlangen kann. Die durch die Tätigkeit von zwei Rechtsanwälten verursachten Mehrkosten hat der unterlegene Gegner insoweit zu erstatten, „als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste“.
aa) Die Bestellung des Abwicklers durch die Rechtsanwaltskammer als solche stellt indes keinen Anwaltswechsel im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. ZPO dar. Die Bestellung hat öffentlich-rechtlichen Charakter. Sie erfolgt unabhängig vom Willen der Partei. Die Partei schuldet dem Abwickler keine Vergütung, denn er ist nicht der von ihr bevollmächtigte und vertraglich gebundene Rechtsanwalt. Durch die Mandatsfortführung entstehen der Partei deshalb keine Mehrkosten, sie hat keinen neuen Auftrag erteilt wird und es liegt kein Anwaltswechsel vor (vgl. Schwärzer in Feuring/Weyland, BRAO-Kommentar, 9. Aufl. 2015, § 55 Rn. 21,22)
bb) Es ist freilich anerkannt, dass der Tod des ursprünglich beauftragten Rechtsanwalts dann einen Fall darstellt, in dem im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. ZPO ein Wechsel des Anwalts eintreten musste, wenn die Partei wegen des Todes des bisherigen Bevollmächtigten einen anderen Rechtsanwalt beauftragt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rechtsanwaltskammer einen Abwickler für die Kanzlei des Verstorbenen bestellt hat. Der Partei kann der zum Abwickler der Kanzlei bestellte Anwalt nämlich nicht als Prozessbevollmächtigter aufgezwungen werden. Ihr verbleibt vielmehr das Recht, einen anderen Anwalt ihres Vertrauens zu wählen, mit der Folge, dass die dadurch entstandenen Mehrkosten als Kosten eines notwendigen Anwaltswechsels erstattungsfähig sind (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31.1.2005, Az. 8 W 11/05, juris, Rn. 4; ferner Herget in Zöller, ZPO-Kommentar, 34. Aufl. 2022, § 91 Rn. 13.7). Soweit der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3.4.2020 geltend macht, im Zuge der Kanzleiabwicklung habe er sämtliche von Rechtsanwalt K. betreuten Mandanten gefragt, ob sie von ihm weiter betreut werden möchten, was einige, wie „der Antragsteller hier“ bejaht und Ihn also gesondert beauftragt hätten, führt dies gleichwohl nicht zum Entstehen erstattungsfähiger eigener Gebührenansprüche des Beschwerdeführers. Wenn die Partei gerade den Abwickler als neuen Prozessbevollmächtigten wählt, verbleibt es für diesen bei den Ansprüchen aus den aus den §§ 666, 667 und 670 BGB gegen die Vertretenen, bzw. bei der von der Rechtsanwaltskammer festzusetzenden Entschädigung für seine Tätigkeit als Abwickler. Erstattungsfähige Gebührenansprüche des Abwicklers entstehen nicht. In der Mandatierung des Abwicklers liegt nämlich ein Verstoß gegen den auch im Rahmen der Kostenerstattung Platz greifenden Grundsatz von Treu und Glauben. Danach sind nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder-Verteidigung notwendigen Kosten erstattungsfähig. Jede Partei ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits so gering zu halten, wie dies bei der gebotenen Wahrnehmung der eigenen Interessen zumutbar und möglich ist. Bei mehreren gleichwertigen Möglichkeiten ist die kostengünstigste zu wählen. Insoweit gilt der Rechtsgedanke des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB -Grundsatz der Schadensminderung- auch im Kostenrecht (OLG Köln, Beschluss vom 30. November 2007,17 W 160/07, juris, Rn. 10; vgl. auch OLG München, a.a.O. Rn. 8; Hanseatisches Oberlandesgericht, a.a.O. Rn. 4; Schulz in Münchner Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 91 Rn. 89). Die Partei, deren Interessen vom Abwickler ohnehin kraft Amtes vertreten werden, darf nach Treu und Glauben den Abwickler nicht gesondert als Rechtsanwalt beauftragen, weil dadurch zusätzliche, vermeidbare Gebührenansprüche begründet würden.
Nach alledem kann der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als bestellter Abwickler im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe die Festsetzung der von Rechtsanwalt K. verdienten Gebühren (Verfahrensgebühr und Terminsgebühr) gegen die Staatskasse verlangen, ferner der bei ihm als im Zuge der Abwicklung des Verfahrens angefallenen weiteren Gebühren (Vergleichsgebühr). Diese Gebühren hat die Kostenbeamtin im Beschluss vom 13.9.2019 als aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auch festgesetzt. Die Festsetzung weiterer, vermeintliche im eigenen wirtschaftlichen Interesse verdienter Gebühren hat die Kostenbeamtin und ihr folgend das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht abgelehnt.“
M.E. ist der Entscheidung nichts hinzuzufügen. Der Abwickler ist eben nach den Regelungen in der BRAO – auch nach neuem Recht – nur Vertreter des Rechtsanwalts, dessen Kanzlei er ab-wickelt. Das hat der Rechtsanwalt A. hier ja zunächst wohl auch so gesehen, das „in seiner Eigenschaft als Abwickler“ erinnert daran. Erst später hat sich dann – aus welchen Gründen auch immer – seine Auffassung geändert. Das Einzige, was an der Entscheidung somit erstaunt, ist die lange Bearbeitungszeit: Das Verfahren trägt ein Aktenzeichen aus 2021.