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(Erneute) Absage auf den Führerscheintourismus

Das BVerwG hat mit seiner PM 70/2011 v. 25.08.2011 über drei Verfahren berichtet, in denen den Klägern letztinstanzlich das Fahren mit ihren im Ausland erworbenen Fahrerlaubnissen verboten bzw. deren Nichtanerkennung durch die deutschen Behörden bestätigt worden ist. Naturgemäß liegen die Volltexte der drei Entscheidungen 3 C 25.10, 3 C 28.10 und 3 C 29.11 noch nicht vor. Wenn man sich aber die PM ansieht, können die Entscheidungen nicht überraschen. Dort heißt es:

Hier fehlte zwei Klägern die Berechtigung, von ihrer tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Gebrauch zu machen deshalb, weil sie – entgegen den Vorgaben sowohl des deutschen als auch des Unionsrechts – ihren ordentlichen Wohnsitz bei deren Erteilung nicht in der Tschechischen Republik, sondern in Deutschland hatten; das ergab sich in einem Fall aus dem dort ausgestellten Führerschein selbst, im anderen Fall aus unbestreitbaren aus der Tschechischen Republik herrührenden Informationen (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV). Im dritten Fall war dem Kläger seine tschechische Fahrerlaubnis während einer noch laufenden deutschen Sperrfrist erteilt worden (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV). Bereits aufgrund dieser Regelungen kam den Fahrerlaubnissen vom Zeitpunkt ihrer Erteilung an keine Wirksamkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu.“

Wenn ich die Rechtsprechung zur ausländischen FE richtig verstanden habe – ist m.E. ja nicht so ganz einfach -, dann bringen die BVerwG-Entscheidungen nichts Neues. In den angesprochenen Fällen war die Nichtanerkennung schon bisher gegeben.

Interessanter dürfte es werden, wenn jetzt in den nächsten Tagen – wie angekündigt – der EuGH sich nochmals meldet und zur deutschen Neuregelung Stellung nimmt. Vielleicht ist der Dauerbrenner „ausländische Fahrerlaubnis“ dann ja endgültig erledigt.

Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Köpfchen – dreimal LGs zur Pflichtverteidigung

Heute habe ich drei Entscheidungen von Kollegen übersandt bekommen, die sich mit Pflichtverteidigungsfragen beschäftigen, zwei „schöne/gute“ und eine weniger schöne.

1. Das LG Rostock hat in seinem Beschl. v. 09.07.2010 – 18 Qs 41/10 einen Pflichtverteidiger beigeordnet, wenn es in der Hauptverhandlung um die Fragen der Verwertbarkeit einer unter Missachtung des Richtervorbehalts entnommenen Blutprobe geht. Nichts Neues, aber immerhin deshalb berichtenswert, damit auch die Kollegen im hohen Norden mal was zum argumentieren haben.

2., Aber auch die im Süden sollen nicht darben. Das LG Augsburg hat mit Beschl. v. 04.06.2010 – 6 Qs 252/10 – in den Fällen des sog. Führerscheintourismus – einen Pflichtverteidiger beigeordnet.

Das waren die fürs Töpfchen.

In Kröpfchen gehört m.E. die Nr.

3. Das LG Saarbrücken hat in seinem Beschl. v. 16.06.-2010 – 3 Qs 28/10 – genau anders herum entschieden als das LG Itzehoe (vgl. hier). Es geht davon aus, dass § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO sich nur auf das Verfahren bezieht, in dem gegen einen Beschuldigten Haft vollstreckt wird; er soll nicht auch für andere Verfahren gelten, in denen gegen den inhaftierten Beschuldigten U-Haft vollstreckt wird. M.E. hat das LG Itzehoe Recht. Sinn und Zweck sprechen für seine Auslegung der neuen Vorschrift. Der Kollege Siebers würde die Entscheidung des LG Saarbrücken wahrscheinlich auch unter dem Theme: Igel in der Tasche, einordnen.

„Führerscheintourismus“ nach dem 19.01.2009 – Vorsicht

Der Führerscheintourismus“ lässt uns auch nach der 3. Führerscheinrichtlinie und den Gesetzesänderungen zum 19.01.2009 nicht los. Deshalb der Hinweis auf die Entscheidung des OLG Stuttgart v. 26.05.2010 – 2 Ss 269/10.

Eigentlich kein direkter Fall des Führerscheintourismus, aber dennoch wohl eine Entscheidung, die der Verteidiger in der Beratungspraxis im Auge haben sollte. Das OLG hat nämlich eine Verurteilung wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht beanstandet, wenn ein in Deutschland für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis gesperrter Bürger eine tschechische EU-Fahrerlaubnis (mit eingetragenem tschechischen Wohnsitz) erwirbt, um ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr in Deutschland zu führen.

Lesens- und beachtenswert.

Der Führerscheintourismus, die Pflichtverteidigung und das LG Regensburg

Der sog. Führerscheintourismus beschäftigt uns schon einige Zeit und beschäftigt uns auch immer wieder, vor allem hinsichtlich der Frage des Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die Rechtsprechung zu der Problematik ist unüberschaubar. Deshalb ist es zu begrüßen, dass nun auch das LG Regensburg in seinem Beschl. v. 15.03.2010 – 7 Qs 14/10 – die Sach- und Rechtslage als schwierig angesehen und dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren einen Pflichtverteidiger beigeordnet hat. Die Frage wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung ziemlich einheitlich gesehen. Deshalb fragt man sich schon, warum das AG nicht bereits einen Pflichtverteidiger beigeordnet hat.

BVerwG zum Führerscheintourismus: Überprüfung des Wohnsitzes bei ausländischen EU-Fahrerlaubnissen möglich/zulässig/erforderlich

Seit einigen Jahren ist der Führerscheintourismus ein verkehrsrechtlicher Dauerbrenner. Heute hat sich dann auch das BVerwG damit befasst. Es hat entschieden, dass die deutschen Fahrerlaubnisbehörden dem Inhaber eines ausländischen EU-Führerscheins das Recht entziehen können, von dieser Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, wenn Ermittlungen bei den Behörden des Ausstellermitgliedstaates von dort herrührende unbestreitbare Informationen ergeben, dass der Fahrerlaubnisinhaber zum Zeitpunkt der Erteilung dieses Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellermitgliedstaat hatte.

Den Klägern war in der Bundesrepublik Deutschland wegen Verkehrsverstößen ihre deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden. Das für die Wiedererteilung erforderliche medizinisch-psychologische Gutachten legten sie nicht vor. Stattdessen erwarben sie eine Fahrerlaubnis in Polen; in den dort ausgestellten Führerscheinen war jeweils ein Wohnsitz in Polen eingetragen. Nachdem die deutschen Fahrerlaubnisbehörden hiervon Kenntnis erhielten, forderten sie die Kläger auf, zur Beseitigung von fortbestehenden Zweifeln an ihrer Fahreignung ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Als die Kläger dieser Aufforderung nicht nachkamen, wurde ihnen die Befugnis aberkannt, von ihrer polnischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Hiergegen machten die Kläger insbesondere geltend, dass der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz, wonach die von einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis anzuerkennen sei, schon der Anforderung des Gutachtens, erst Recht aber der nachfolgenden Aberkennungsentscheidung entgegenstehe. In den Vorinstanzen blieben ihre Klagen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidungen maßgeblich darauf gestützt, es sei nach den Angaben der Kläger im Aberkennungsverfahren und den Eintragungen im deutschen Melderegister sicher, dass sie bei Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis ihren Wohnsitz nicht in Polen, sondern in Deutschland gehabt hätten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Berufungsentscheidungen aufgehoben und die Sachen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Wie der Europäische Gerichtshof mit Beschluss vom 9. Juli 2009 – Rs. C 445/08, Wierer – entschieden hat, kann die Beschränkung einer EU-Fahrerlaubnis nicht darauf gestützt werden, dass sich aus den Angaben des Betroffenen im Aberkennungsverfahren ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ergibt. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Beschluss aber anerkannt, dass die deutschen Verwaltungsbehörden und Gerichte Informationen beim Ausstellermitgliedstaat einholen können. Hierzu besteht Anlass, wenn es ernstliche Zweifel an dem ausländischen Wohnsitz gibt. Teilt der Ausstellermitgliedstaat selbst mit, dass der Führerscheininhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht dort hatte, steht das europäische Gemeinschaftsrecht einer Beschränkung der EU-Fahrerlaubnis nicht entgegen. Da das Berufungsgericht hierzu bislang keine Feststellungen getroffen hat, etwa durch Nachfrage bei polnischen Einwohnermeldebehörden, konnte über die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisbeschränkungen noch nicht abschließend entschieden werden.

BVerwG 3 C.15.09 und 16.09 – Urteile vom 25. Februar 2010

Quelle PM 12/2010 des BVerwG v. 25.02.2010