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Beleidigung I: Zur Kontrolle:“Ihr seid korrupte Beamte“, oder: Keine freie Meinungsäußerung

Und dann geht es in die 48. KW.. Allmählich beginnt der Jahresendspurt. Und den läute ich heute ein mit zwei Entscheidungen des BayObLG zur Beleidigung.

Hier dann zunächst noch einmal der BayObLG, Beschl. v. 10.06.2023 – 203 StRR 204/23, den ich ja letzte Woche schon vorgestellt hatte (s. StGB I: Zielrichtung bei der Widerstandshandlung, oder: Auf den Körper zielende Einwirkung reicht). Das BayObLG hat in der Entscheidung aber nicht nur zum Begriff des „tätlichen Angriffs“ Stellung genommen, sondern eben auch zur Beleidigung, und zwar wie folgt:

„3. Der Angeklagte hat sich auch der Beleidigung gemäß § 185 StGB schuldig gemacht.

a) Nach den Feststellungen, die insoweit von der Revision nicht angegriffen werden, betitelte der Angeklagte die drei Polizeibeamten in einer Alkoholverbotszone anlässlich einer Polizeikontrolle aus der Situation heraus als „korrupte Beamte“, um seine Missachtung der Ehre der Geschädigten kund zu tun. Ein Video zeigt den Angeklagten, wie er sich den Beamten gegenüber in überheblicher und provozierender Gestik mit einer Flasche mit alkoholischem Inhalt in der Hand in Szene setzte (Urteil S. 16, 30 und 32).

b) Der ersichtlich von Tatsachen losgelöste Vorwurf der Korruptheit ist geeignet, die Integrität und den Achtungsanspruch eines Beamten anzugreifen. Nach den Urteilsfeststellungen stellte die Formulierung eine dem Tatbestand des § 185 StGB unterfallende ehrverletzende Meinungsäußerung dar.

c) Das Verhalten des Angeklagten ist nicht nach § 193 StGB unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt.

aa) Nach gefestigter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB regelmäßig auf der Grundlage der konkreten Umstände einer Äußerung und ihrer Bedeutung eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Nur in Ausnahmefällen tritt bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 19.Mai 2020 – 1 BvR 2397/19-, juris Rn. 17).

bb) Das Landgericht hat, obwohl die Feststellungen keinen der von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle belegen (zu den Ausnahmen BayObLG, Beschluss vom 4. Juli 2022 – 202 StRR 61/22 –, juris Rn. 10 ff.), ohne weitere Begründung von einer wertenden Abwägung der betroffenen Rechtsgüter abgesehen.

cc) Der Senat kann eine vom Tatgericht rechtsfehlerhaft unterlassene Abwägung der Rechtsgüter der Meinungsfreiheit und des Ehrenschutzes nachholen und auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts die gebotene wertende Gegenüberstellung der konkreten Umstände selbst vornehmen, da sich den Urteilsgründen die Situation und die Motivation des Angeklagten hinreichend entnehmen lassen (zur Nachholung vgl. BayObLG, Beschluss vom 7. Dezember 2022 – 206 StRR 296/22 –, juris Rn. 23; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. März 2020 – (1) 53 Ss 3/20 (5/20) –, juris Rn. 21; OLG Stuttgart, Urteil vom 7. Februar 2014 – 1 Ss 599/13 -, juris). Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (siehe näher dazu BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 1094/19 -, juris Rn. 21 ff.). In die Abwägung ist einzustellen, ob die Privatsphäre des Betroffenen oder sein öffentliches Wirken Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität des Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 1999 – 1 BvR 2126/93 -, juris Rn. 31; BVerfG, Beschlüsse vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 1094/19 -, juris Rn. 23, und vom 16. Oktober 2020 – 1 BvR 1024/19 -, juris Rn. 18).

dd) Der Senat ist zu der Entscheidung gelangt, dass im vorliegenden Fall dem Schutz der personalen Würde des einzelnen Polizeibeamten der Vorrang gegenüber der Meinungsfreiheit des Angeklagten gebührt und dass der Schuldspruch wegen Beleidigung im Ergebnis zu Recht erfolgt ist. Der Senat hat bei der Abwägung berücksichtigt, dass die Äußerung spontan und in einer für den Angeklagten unangenehmen Situation einer Polizeikontrolle erfolgte. Der Senat hat in seine Erwägungen mit eingestellt, dass das Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf und sogar in polemischer Zuspitzung zu kritisieren, zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung gehört, weshalb deren Gewicht in diesen Fällen besonders hoch zu veranschlagen ist (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2019 – 1 BvR 2433/17-, juris, Rn. 17). Andererseits ist zu bedenken, dass auch die Gesichtspunkte der Machtkritik und des „Kampfs ums Recht“ in eine Abwägung eingebunden bleiben und nicht jede ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern erlauben. Gegenüber einer auf die Person abzielenden Verächtlichmachung setzt die Verfassung allen Personen gegenüber verfassungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon auch Amtsträger nicht aus (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 –, juris Rn. 32). Ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgern und Politikern liegt im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann (BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 1 BvR 2588/20-, juris Rn. 27). Eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 152, 152 <199>; BVerfG, Beschlüsse vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, juris Rn. 32, und vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 34 f.). Im Rahmen dieser Abwägung fällt besonders ins Gewicht, dass es sich bei dem vom Angeklagten verwendeten Ausdruck um einen strafrechtlich relevanten Vorwurf der Bestechlichkeit handelt und die Beamten nach den Feststellungen durch ihr Verhalten während der Kontrolle keinen Anlass zu einer Eskalation gaben. Es ist auch zu bedenken, dass der Angeklagte die – rechtmäßige – Kontrolle selbst veranlasst hatte, indem er die Flasche mit Alkohol provokativ in der Hand hielt und zur Schau stellte. Der Angriff gegen den Achtungsanspruch des betroffenen Beamten wies keinen Sachbezug auf, erfolgte nicht in einem vertraulichen Raum und ging über eine auch überspitzte oder polemische Machtkritik in einem der Situation unangemessenen Maße hinaus. Die Gewichtung dieser festgestellten Umstände ergibt, dass das Recht des Angeklagten auf freie Meinungsäußerung hinter dem personalen Achtungsanspruch der Polizeibeamten zurücktritt und dem Schuldspruch keine rechtlichen Bedenken entgegen stehen.“

Volksverhetzung I: Auslegung einer Äußerung auf FB, oder: Recht auf freie Meinungsäußerung beachten

entnommen wikimedia.org
Urheber Munhuu94 – Own work

In die neue Woche starte ich heute mit zwei Entscheidungen zum StGB-Entscheidungen. Es handelt sich um Verstöße gegen § 130 StGB – „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“.

Ich beginne mit dem OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 30.11.2022- 3 Ss 131/22. Das hatte etwa betreffend den Vorwurf „Volksverhetzung“ folgenden Sachverhalt:

Angeklagt war ein hessischer Kommunalpolitiker. Dem ist das Teilen einer Bild-Text-Collage auf Facebook vorgeworfen worden. Auf dem einen Bild waren mehrere Männer schwarzer Hautfarbe, die mit Unterhemden oder T-Shirts bekleidet waren, zu sehen, die freudig Papiere in die Kamera zu halten schienen, versehen mit der Textzeile „Wir sind EU-Bürger“. Darunter waren mehrere Löwen abgebildet mit der Textzeile „und wir sind Vegetarier“.

Das AG hat den Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung frei gesprochen. Das LG hat die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen. Die Revision hatte beim OLG keinen Erfolg:

„1. Soweit die Revision mit der Darstellungsrüge Beweiswürdigungsfehler bei der Verneinung der Voraussetzungen eines den öffentlichen Frieden zu stören geeigneten Angriffs auf die Menschenwürde einer durch ihre ethnische Herkunft bestimmten Gruppe durch Beschimpfen sowie eines der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Inhaltes (§ 11 Abs. 3 StGB), der die Menschenwürde von diesen genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft werden, gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. c StGB rügt, zeigt sie keine revisiblen Rechtsfehler auf.

a) Die Ermittlung des tatsächlichen Sinngehalts einer beanstandeten Äußerung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 40, 97, 101; BGHSt 54, 15, 18 Tz. 8 f.; BGHSt 64, 252, 259 Tz. 23).

Kommt der Tatrichter zu einem vertretbaren Ergebnis, so hat das Revisionsgericht dessen Auslegung hinzunehmen, sofern sie sich nicht als rechtsfehlerhaft erweist, mag auch ein anderes Ergebnis durchaus vertretbar sein oder aus Sicht der Rechtsmittelinstanz sogar näherliegen. Anders ist dies insbesondere dann, wenn die Erwägungen des Tatgerichts lückenhaft sind oder gegen Sprach- und Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen; die rechtliche Prüfung erstreckt sich insbesondere auch darauf, ob allgemeine Auslegungsregeln verletzt worden sind.

Kriterien der Auslegung sind neben dem Wortlaut der Äußerungen und ihrem sprachlichen Kontext auch sämtliche nach außen hervortretende Begleitumstände, namentlich etwa die erkennbare politische Grundhaltung der Zuhörer und ihr Vorverständnis, aber auch die nach dem objektiven Empfängerhorizont deutlich werdende Einstellung des sich Äußernden. Bei mehrdeutigen Äußerungen gebietet es das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG jedoch nur dann, die dem Angeklagten günstigere Deutung zugrunde zu legen, wenn diese nicht ausgeschlossen ist (zu diesen Prüfungsmaßstäben der st. Rspr. vgl. BVerfGE 82, 236, 267; BVerfG, NJW 1994, 2943; BGH, NStZ 2017, 146).

b) Nach diesen Maßstäben unter Berücksichtigung des revisionsrechtlich eingeschränkten Zugriffs auf die Darstellung in den Urteilsgründen verstoßen die getroffenen Feststellungen im Ergebnis nicht gegen Erfahrungssätze oder sind lückenhaft.

aa) Das Berufungsgericht hat mit – noch – tragfähigen Gründen eine von mehreren alternativen Deutungen der Text-Bild-Kombination dergestalt dargelegt, dass ein Zusammenhang zu Einreisen, Grenzübertritten und dem Passwesen, allgemein also eine polemisch-kritische Betrachtungsweise der Migrationspolitik besteht, da drei der abgebildeten Männer ein gelbes Dokument vorzeigen, welches mutmaßlich ein Ausweisdokument darstellen soll. Auf dieser Grundlage kommt es zu der noch vertretbaren Deutung, dass allein nach Flucht, Vertreibung, Verfolgung oder aus sonstigem Grund eingereiste, nichteuropäische dunkelhäutige Menschen, nicht zugleich oder ausschließlich auch dunkelhäutige Menschen, die bereits die Staatsangehörigkeit eines Staates der EU innehaben, gemeint sind. Dies wird damit begründet, dass hier lebende dunkelhäutige Personen mit einer Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates keine Veranlassung haben, irgendwelche Ausweispapiere kollektiv für ein Foto zu präsentieren.

Das ist tragfähig, mag auch eine andere Deutung aus der Sicht eines Tatrichters vertretbar sein. Denn die Bildunterschrift „Wir sind EU-Bürger“ stellt die Abbildung in einen gesamteuropäischen Kontext unter Hervorhebung der Freizügigkeit, die nach dem objektiven Empfängerhorizont Raum für nicht strafbare Interpretationen zulässt, während dies beispielsweise bei einer Formulierung wie „Wir sind Deutsche“ möglicherweise anders wäre. Hinzu kommt, dass es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, eigene, möglicherweise auch politisch gefärbte Deutungen an die Stelle der dem Tatgericht obliegenden rational begründeten tatsachengestützten Beweisführung zu stellen (vgl. BGH NStZ 2007, 720; BGH NStZ 2009, 468 Rn. 12). Die tatrichterlichen Schlussfolgerungen müssen nur möglich, nicht aber zwingend sein.

bb) Ein Rechtsfehler kann zwar darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerungen nicht gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen (vgl. BGH StV 2012, 711, 713 Rn. 4) oder aber andere naheliegende Möglichkeiten erst gar nicht erörtert. Das Tatgericht muss sich daher mit allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen bzw. wenn sich ihre Erörterung aufdrängt (vgl. BGH NStZ-RR 2019, 57, 58; BGH, Urt. v. 08.03.2018 – 3 StR 571/17 Rn. 6, juris).

Diese Voraussetzungen erfüllt das angegriffene Urteil jedoch, da es auf mehrere naheliegende Deutungsmöglichkeiten eingeht. So verschweigt das Urteil unter anderem nicht, dass die Abbildung vordergründig in als rassistisch interpretierbarer Weise auszudrücken vermag, dass genauso wenig wie Löwen Vegetarier seien, Männer, wie sie dort – jeder mit dunkler Hautfarbe – beispielhaft abgebildet, „EU-Bürger“ sein könnten oder dürften. Gleichwohl kommt es in vom Senat revisionsrechtlich noch hinzunehmender Weise zu der nicht völlig auszuschließenden Deutungsmöglichkeit einer kritischen Betrachtungsweise der Migrationspolitik.

2. Ohne Erfolg rügt die Staatsanwaltschaft deshalb auch das Vorhandensein revisionsrechtlich rechtsfehlerhafter Spekulationen zugunsten des Angeklagten und auch, dass die Feststellung von Äußerungsinhalten mit dem objektiven Sinngehalt und Kontext der Äußerung nicht in Übereinstimmung zu bringen seien.

3. Die Revision vermag zuletzt auch mit der Rüge fehlender Feststellungen zur subjektiven Seite nicht durchzudringen.

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts und es obliegt ihm, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGHSt 21, 149 [151]). Dem Tatgericht kann nicht vorgegeben werden, unter welchen Voraussetzungen es zu einer bestimmten Folgerung kommen muss (BGHSt 29, 18 [20]). Ein beachtlicher Rechtsfehler liegt lediglich dann vor, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, weil nicht erschöpfend ist (BGHSt 29, 18 (20); BGH, Urt. v. 21.11.2006 – 1 StR 392/06 Rn. 13, juris). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, ist auch dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen (KK-StPO/Ott, 8. Aufl. 2019, § 261 Rn. 189).

Angesichts dieses eingeschränkten Maßstabes sind entgegen der Auffassung der Revisionsführerin die Feststellungen zur subjektiven Seite tragfähig begründet. Denn ausweislich der Feststellungen hat der Angeklagte den Beitrag im ersten Impuls, ohne ihn weitergehend zu reflektieren, im Sinne „satirischer Zuspitzung“ als „witzig“ empfunden und sich gedacht, „irgendwie trifft es das“, was er mit dem von ihm kritisierten „gegenwärtigen“ Zustand der EU und der „zu Grunde liegenden deutschen Migrationspolitik“ verbunden hat. Dass das Tatgericht diese Feststellungen mit der Einlassung des Angeklagten begründet, der es Glauben schenkt, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen, und zwar auch dann, wenn Feststellungen zu der Frage, welchen Sinngehalt der Angeklagte der von ihm geteilten Text-Bild-Kombination konkret beimaß, unterblieben sind. Denn dem Senat ist es aus Gründen der Arbeitsteilung mit der Tatsacheninstanz in der Ordnung des Revisionsverfahrens verwehrt, die Beweiswürdigung durch seine eigene zu ersetzen (BGHSt 10, 208 [210]).

Soweit gerügt wird, die Kammer habe auf eine abwägende und kritische Würdigung des Wahrheitsgehaltes der Einlassung des Angeklagten verzichtet und sich im Ergebnis auf fernliegende Behauptungen des Angeklagten gestützt, so vermag dies im Ergebnis genauso wenig einen Rechtsfehler aufzudecken wie das Vorbringen, bei dem Angeklagten handele es sich um einen versierten, (parlaments-)erfahrenen und langjährigen Partei1-Politiker, bei dem sich das Tatgericht hätte gedrängt sehen müssen, zumindest kritisch zu hinterfragen, ob das von ihm behauptete völlige Verkennen des volksverhetzenden Sinngehalts der Text-Bild-Abbildung tatsächlich zutrifft.

Denn das Berufungsgericht hat sich auch mit dem politischen Engagement des Angeklagten und dessen Nachtatverhalten in vertretbarer Weise auseinandergesetzt. Letzteres wird insbesondere durch die Feststellungen deutlich, wonach der Angeklagte erst durch einen Anruf eines Journalisten auf die Kritikwürdigkeit aufmerksam gemacht wurde, er den Beitrag aus seiner Facebook-Chronik entfernt, sich öffentlich entschuldigt und versucht hat, klarzustellen, dass das Teilen des Beitrags weder rassistisch gemeint noch gegen Personen, Menschen oder Ethnien gerichtet gewesen ist, sondern die von ihm kritisierte Einwanderungspolitik mit der satirisch überzeichneten Abbildung habe darstellen sollen. Angesichts dieses Nachtatverhaltens und des dem Tatgerichts zustehenden Spielraums bei der Würdigung der Beweise rechtfertigt allein die Tatsache, dass der Angeklagte politisch langjährig erfahren ist, nicht die Annahme lückenhafter Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite. Insoweit erfolgte eine abwägende, kritische Würdigung der Vorstellungen des Angeklagten. So ist neben dem Tatzeitpunkt, – es handelte sich ausweislich der Feststellungen um den …abend des XX.XX.2019, bei dem der Angeklagte seinen Sohn im Kleinkindalter zu Bett brachte und versuchte ihn zum Schlafen zu bringen – der aus Sicht der Rechtsmittelinstanz nachvollziehbar indiziell für eine situative Unreflektiertheit spricht, zu berücksichtigen, dass das Tatgericht den Aussagegehalt kritisch gewürdigt hat, indem es u.a. zu dem Ergebnis gelangt ist, der Angeklagte habe unter dem Einfluss seiner kritischen Einstellung zur Flüchtlingspolitik kurzentschlossen und bedenkenlos einen Post mit geschmackloser Pointe, deren rassistischer Gehalt augenfällig sei, geteilt.“

Beleidigung I: „offenbar persönlich bösartig, hinterhältig, amtsmissbräuchlich und insgesamt asozial uns gegenüber“, oder: Strafbar?

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Die 30. KW. eröffne ich mit zwei Entscheidungen/Postings des BVerfG zur Beleidigung. Gerade die damit zusammenhängenden Fragen werden ja im Hinblick auf Art. 5 GG häufig erst vom BVerfG entschieden.

So auch im BVerfG, Beschl. v. 19.05.2020 – 1 BvR 362/18. Das ist es ein Rechtsanwalt wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der hatte 2015 einen Tierschutzverein vertreten, der sich der Rettung ausgesetzter Windhunde annimmt. Im Anschluss an ein vor dem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt des Kreises Viersen in NRW geführtes Erlaubnisverfahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Tierschutzgesetzes, an dessen Ende die vom Verein beantragte Erlaubnis erteilt worden war, hatte der Rechtsanwalt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Abteilungsleiter erhoben. Darin vertrat er die Ansicht, das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt habe eine unglaubliche materielle Unkenntnis, langsame Bearbeitungszeiten und eine offensichtlich vorsätzlich geführte Hinhaltetaktik in der Sache gezeigt. Nach Schilderung von aus Sicht des Beschwerdeführers kritikwürdigen Vorfällen äußerte er, nunmehr gehe es noch um die Verfahrenskosten des Vereins. Diese habe die Behörde zwar bereits formell anerkannt, es scheine aber so, als ob der zuständige Abteilungsleiter durch immer wieder neue Vorgaben vorsätzlich unnötige Arbeit bereite und letztlich die Kosten nicht erstatten möchte. Wörtlich heißt es anschließend:

StGB III: die Polizeibeamten sind „dumm“, „unfähig“, „schikanös“, „machtversessen“ und „niveaulos“, oder: Beleidigung?

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Und zum Abschluss des StGB-Tages dann noch der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.09.2018 – 1 OLG 2 Ss 31/18. Es geht mal wieder um Beleidigung von Polizeibeamten in Zusammenhang mit den Feststellungen zu einem potentiellen Verkehrsvergehen durch den beschuldigten Verkehrsteilnehmer. Die Entscheidung passt ganz gut zur sog. „Flitezpiepen-Entscheidung“ des OLG Karlsruhe (siehe dazu OLG Karlsruhe, Beschl. v.  22.05.2018 – 2 Rv 4 Ss 193/18 – und …„die zwei Flitzpiepen vor Ort“, oder: Ist das eine Beleidigung von Polizeibeamten?).

Im vom OLG Zweibrücken entschiedenen Fall hatte das AG folgende Feststellungen getrroffen:

„Am 27. Juli 2015, gegen 23:30 Uhr, befuhr der Angeklagte mit einem Fahrrad die G. Straße in Speyer. Da er ohne Licht fuhr, wurde er von den Polizeibeamten M., PHK M. und PK B. angehalten und kontrolliert. Er reagierte dabei von Anfang an aufbrausend und abweisend. Außerdem gab er an, dass er eine Flasche Schnaps getrunken habe. Ob er diese Äußerung von sich aus tätigte oder zuvor auf den Konsum von Alkohol angesprochen worden war, konnte nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Da den Polizeibeamten bei dem Angeklagten ein alkoholähnlicher Geruch, zittrige Hände und gerötete Bindehäute auffielen, boten sie ihm die Durchführung eines Atemalkoholtests an, welchen er jedoch ablehnte. Dabei blieb er trotz des Hinweises, dass er bei Verweigerung des Atemalkoholtests auf der Wache eine Blutprobe abgeben müsse. Es wurde ihm gestattet, zunächst sein Fahrrad zu Hause abzustellen, da er in der G. Straße … wohnhaft ist. Sodann nahmen die Polizeibeamten den Angeklagten mit zur Polizeiinspektion Speyer und verständigten die Ärztin Dr. G. zur Entnahme einer Blutprobe. Während die Beteiligten auf das Eintreffen der Ärztin warteten, schlief der Angeklagte auf einem Stuhl ein, was den Verdacht auf Alkohol- oder Drogenkonsum bei den Beamten weiter verstärkte. Als er wieder erwachte, begann er erneut lautstark, sich über die Behandlung durch die Polizei zu beschweren. Er steigerte sich immer mehr in seine Beschimpfungen hinein und bezeichnete die Polizeibeamten M., M. und B. u.a. als „dumm“, „unfähig“, „schikanös“, „machtversessen“ und „niveaulos“. Da er dabei aufstand und mit den Händen vor den Beamten herumfuchtelte, forderten sie ihn auf, dies zu unterlassen, und drohten ihm das Anlegen von Handschellen an. Als er sich auch daraufhin nicht beruhigte, wurde er mit Handschellen gefesselt. Anschließend wurde ihm durch die zwischenzeitlich eingetroffene Ärztin Blut entnommen und er durfte die Dienststelle verlassen. Nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung hatte der Angeklagte tatsächlich keinen Alkohol getrunken.“

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Landgericht in seiner rechtlichen Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte die Beamten jedenfalls durch die Bezeichnung „dumm“ und „unfähig“ vorsätzlich an der Ehre gekränkt und seine Miss- oder Nichtachtung im Sinne des § 185 StGB kundgegeben hat. Soweit der Angeklagte mit seinen Äußerungen nur Kritik an der nach seiner Auffassung ungerechtfertigten Behandlung durch die Polizeibeamten habe äußern wollen, sei nach Auffassung des Landgerichts zu berücksichtigen, dass die gesamte Eskalation bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen gewesen sei. Dass er, statt durch Einlenken die von ihm ausgelöste Eskalationsspirale zu stoppen, zu den verfahrensgegenständlichen Äußerungen gegriffen habe, könne ihm daher nicht als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB angerechnet werden. Auch sei angesichts seines Gesamtverhaltens nicht davon auszugehen, dass sich die Äußerungen tatsächlich nur auf die Maßnahme beziehen sollten, sondern dass sie – wie es auch die Zeugen empfunden hätten – zu deren Herabwürdigung gedacht waren.

Das OLG verweist dazu auf die (bekannte) Rechtsprechung des BVerfG zur „Schmähkritik und meint: Die Bezeichnung eines Polizeibeamten durch einen Verkehrsteilnehmer als „dumm“, „unfähig“, „schikanös“, „machtversessen“ und „niveaulos“ sei nicht zwangsläufig als – die Garantie der Meinungsfreiheit ausschließende – Schmähkritik zu verstehen, wenn es dem Verkehrsteilnehmer wohl auch um die Kritik an einer vorangegangenen polizeilichen Maßnahme gegangen ist. Ob die Eskalation auf das Verhalten des Verkehrsteilnehmers zurückzuführen gewesen ist, sei dabei ebenso wenig von Relevanz wie ob die polizeiliche Maßnahme rechtmäßig oder rechtswidrig war.

Und zur erforderlichen Abwägung:

„b) Eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Beamten und der Meinungsfreiheit des Angeklagten hat das Berufungsgericht nicht erkennbar durchgeführt. Das Revisionsgericht kann eine vom Tatgericht rechtsfehlerhaft unterlassene Abwägung der Rechtsgüter der Meinungsfreiheit und des Ehrenschutzes nachholen, wenn – wie hier – das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen zu den Tatumständen und der Motivation des Angeklagten enthält (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2014 – 1 Ss 599/13, juris Rn. 21). Diese ergibt, dass die Äußerung des Angeklagten, wenn sie keine Schmähkritik darstellt, vom Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 1 S. 1 GG gedeckt war.

Dabei ist auf Seiten der betroffenen Beamten namentlich in die Abwägung einzustellen, dass diese nach dem Wortlaut der Äußerung unmittelbar betroffen waren und ihr Vorgehen angesichts der festgestellten Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten rechtmäßig gewesen war. Auf Seiten der Meinungsfreiheit ist demgegenüber wesentlich, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Äußerungen nicht als unbeteiligter Dritter, sondern als Betroffener einer polizeilichen Maßnahme getätigt hat. Bezieht sich ein Werturteil – wie hier – auf Bedienstete staatlicher Einrichtungen und deren dienstliche Vorgehensweise, so gehört das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen – auch in überzogener Form – kritisieren zu dürfen, zum Kernbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Dies gilt unabhängig davon, ob dies der öffentlichen Meinungsäußerung dient oder im Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2003 – III-2b Ss 224/02-2/03, NStZ-RR 2003, 295, 297; KG Berlin, Beschluss vom 28.06.2010 – 1 Ss 173/10, juris Rn. 9; OLG München, Beschluss vom 06.11.2014 – 5 OLG 13 Ss 535/14, juris Rn. 8; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.05.2018 – 2 Rv 4 Ss 193/18, juris Rn. 10; vgl. hierzu auch: OLG Koblenz, Beschluss vom 07.10.2009 – 2 Ss 130/09, juris Rn. 38). Die Äußerung ist zudem von keinem unbeteiligten Dritten wahrgenommen worden und ihr Beleidigungsgehalt war eher moderat. Auch wurde sie im Rahmen einer affektiv aufgeladenen Situation aus einer „sehr aufgeheizten Stimmung“ (UA S. 5) heraus spontan getätigt. Dies führt hier zum Überwiegen der Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten, hinter der der Ehrschutz der Beamten aus Gründen des Verfassungsrechts zurücktreten muss.“

„Es wurde .. meine Wäsche durchsucht. Dieses fetischistische Verhalten…“, oder: Kampf ums Recht oder strafbare Beleidigung

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Der Ausgangspunkt des Verfahrens, das mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.12.2106 – (2) 53 Ss 64/16 (39/16 – seinen Abschluss gefunden hat, liegt im Strafvollzug.  Der Angeklagte hat  in der JVA Luckau-Duben eine Freiheitsstrafe verbüßt. Am 23.12.2013 fand eine Durchsuchung seines Haftraums statt, die von einer Justizvollzugsbediensteten vorgenommen wurde. Diese Maßnahme nahm der Angeklagte zum Anlass, am 24. Dezember 2013 ein Schreiben an das LG Cottbus, Strafvollstreckungskammer, zu verfassen. Dieses Schreiben, mit dem der Angeklagte u.a „Strafantrag“ stellt und sich über Maßnahmen des Justizvollzugs beschwert, hat u.a. folgenden Inhalt:

„(…)“  3. Am 23. Dezember wurde meine Wohnung/Zelle durchsucht im Alleingang durch die Bedienstete Frau S. Es wurde auch meine Wäsche durchsucht, was ein Verstoß gegen den § 85 des Brandenburger Justizvollzugsgesetzes darstellt.
Dieses fetischistische Verhalten zeige ich hiermit an.“ (…)“

Und – oh Wunder – oder auch nicht: Daraus wird dann ein Strafverfahren gegen den Angeklagten mit dem Vorwurf der Beleidigung (§ 185 StGB). Das AG hat dann auch entsprechend verurteilt. Dem Angeklagten sei es nicht darum gegangen, „sich lediglich kritisch über das vermeintlich rechtswidrige dienstliche Verhalten der Justizvollzugsbeamtin zu äußern, sondern (…) ihr einen über die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Handlung hinausgehenden sexuellen Bezug zu unterstellen, nämlich zu vermitteln, dass seine Unterwäsche als Stimulus der sexuellen Erregung und Befriedigung der Bediensteten gedient habe“. Durch die „Nutzung des Wortes ‚fetischistisch‘“ habe der Angeklagte „die private Person der Justizvollzugsbeamtin in den Vordergrund“ gestellt “und nicht deren Tätigkeit als Vollzugsbeamtin“.

Das OLG sieht es – m.E. zutreffend – anders:

2. Die Bewertung der festgestellten Äußerung als eine durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB nicht gerechtfertigte Beleidigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Bereits die Einordnung der Bezeichnung „fetischistisches Verhalten“ als tatbestandsmäßige Beleidigung erweist sich aufgrund der nur unzureichenden tatgerichtlichen Würdigung der Gesamtumstände als nicht tragfähig.

Eine nach § 185 StGB strafbare Beleidigung liegt vor, wenn eine Äußerung eine Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung enthält. Dies ist der Fall, wenn dem Betroffenen der ethische oder soziale Wert ganz oder teilweise abgesprochen und dadurch dessen grundsätzlich uneingeschränkter Achtungsanspruch verletzt oder gefährdet wird (Fischer, StGB 63. Aufl. § 185 Rdnr. 4 m. w. N.). Ob eine solche Missachtung oder Nichtachtung vorliegt, ist durch Auslegung des objektiven Sinngehalts der Aussage zu ermitteln, der unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände zu ermitteln ist. Maßgebend ist dabei nicht, wie der Empfänger, sondern wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht (StGB, Fischer a. a. O.).

Das Tatgericht hat sich insoweit bereits nicht rechtsfehlerfrei mit den in Betracht zu ziehenden Deutungsmöglichkeiten der schriftlichen Erklärung auseinandergesetzt. Die nicht näher begründete Annahme, der Angeklagte habe durch die Nutzung des Wortes „fetischistisch“ die private Person der Justizvollzugsbeamten in den Vordergrund gestellt und nicht deren Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt, lässt die Formulierung der Äußerung im Gesamtzusammenhang der Ausführungen unberücksichtigt. Der Angeklagte hat den Sachverhalt der Durchsuchung seines Haftraums durch die Beamtin „im Alleingang“ gegenüber der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts angezeigt und hierbei beanstandet, dass dieses Vorgehen seiner Auffassung nach vorschriftswidrig gewesen sei. Er hat sich hierbei erkennbar rechtsirrig auf eine Regelung bezogen, nach der die Durchsuchung männlicher Gefangener nur von Männern vorgenommen werden darf und das Schamgefühl zu schonen ist (§ 86 Abs. 1 BbgJVollzG). Die Textfassung seines Schreibens stellt dabei nicht die Person, sondern das Verhalten in den Vordergrund („Es wurde meine Wäsche durchsucht“, „dieses (…) Verhalten“). Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass der Angeklagte das Attribut „fetischistisch“ nicht notwendig einer bestimmten persönlichen Haltung der Bediensteten zuschreiben, sondern eine lediglich allgemeine, verhaltensbezogene Kritik an einer derartiger Durchsuchungspraxis beanstanden wollte. Darüber hinaus greift die Reduzierung auf eine allein sexuell zu verstehende Konnotation des Begriffes „fetischistsch“, die das Amtsgericht unterstellt, zu kurz. Nach allgemeinem Sprachgebrauch kommt insoweit auch ein bloß klischeehaft formulierter Hinweis auf die Zumessung einer übermächtigen Bedeutung für bestimmte Sachen ohne weiterführenden abwertenden Sachgehalt in Betracht.

Insoweit hätte es näherer Differenzierung bei der tatgerichtlichen Beurteilung bedurft, denn bei dieser Sachlage liegt es nicht auf der Hand, dass die Äußerung ihrem objektiven Sinn die Bekundung einer Missachtung der Beamtin darstellte und dem Angeklagten dies bewusst war.

b) Jedenfalls ist die Äußerung als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB nicht strafbar.

….Dem Angeklagten ging es ersichtlich darum, zum Ausdruck zu bringen, dass die Durchsuchung seiner Wäsche durch eine Frau eine Verletzung seiner Intimsphäre darstelle und dieses Verhalten gegen Vorschriften des Strafvollzugs verstoße. Auch wenn die rechtliche Bewertung des Angeklagten nicht zutraf, waren die erhobenen Vorwürfe aus seiner Sicht und mit seinem Kenntnisstand nicht völlig aus der Luft gegriffen. Ferner wäre die Ehrverletzung, wenn eine solche anzunehmen wäre, jedenfalls nicht als besonders gravierend zu bewerten.

Hinzu kommt, dass der Angeklagte mit seinem Schreiben an das Landgericht eine gerichtliche Auseinandersetzung anstrebte. Beteiligte an gerichtlichen Verfahren dürfen im Kampf um Rechtspositionen auch drastische Bewertungen von Vorgängen als persönliche Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen, selbst wenn sie objektiver Beurteilung nicht standhalten (vgl. BGH NJW 1982, 2248; BayObLG NJW 2001, 1511; KG, Urt. v. 11. Januar 2010 – 1 Ss 470/09, zit. nach Juris). Ein Beteiligter muss und darf daher Kritik üben und angebliches oder tatsächliches Fehlverhalten aufzeigen dürfen, ohne sogleich befürchten zu müssen, der Strafverfolgung ausgesetzt zu sein (vgl. BayObLG NStZ-RR 2002, 40, 42). Dies gilt im besonderen Maße insoweit, als sich das Werturteil auf staatliche Einrichtungen, deren Bedienstete und deren Vorgehensweisen bezieht. Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren, gehört zum Kernbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28. Juli 2014 ­– 1 BvR 482/13, zit. nach Juris).