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Unterhaltspflichtverletzung: Strafrecht meets Familienrecht

Eine der Schnittstellen Strafrecht/Familienrecht ist die Unterhaltspflichtverletzung (§ 170 StGB). In der Praxis ist es nicht einfach, dazu ausreichende tatsächliche Feststellungen zu treffen, mit der Folge, dass die amts- und landgerichtlichen Urteile, wenn sie mit der Revision angegriffen werden, häufig keinen Bestand haben.

Ein anschauliches Beispiel liefert der Beschl. des OLG Koblenz v. 03.11.2010 – 2 Ss 184/10, der noch einmal deutlich macht, dass bei einer Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht das Urteil eingehende Feststellungen zum Umfang der Unterhaltspflicht und zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen enthalten muss. Schon das festzustellen, ist häufig nicht einfach.

Interessant für die Praxis ist dann ein weiterer Aspekt aus dem Beschluss. Das OLG verlangt, wenn dem Unterhaltspflichtigen vorgehalten wird bzw. werden soll, er habe sich gegen eine als unberechtigt empfundene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht zur Wehr gesetzt, Feststellungen dazu, dass eine etwaige Kündigungsschutzklage aller Voraussicht nach Erfolg gehabt und der Angeklagte hierdurch seinen Arbeitsplatz behalten hätte.

Also nicht nur Strafrecht meets Familenrecht, sondern auch noch Arbeitsrecht. Das wird schwierig für die Tatrichter.

Kinderpornografische Schriften – Anforderungen an die Feststellungen

Es gibt sicherlich Besseres/Schöneres als ein Urteil abzusetzen, in dem es z.B. um den Besitz kinderpornografischer Schriften geht. Denn wer beschreibt schon gern, was man da sieht bzw. sich in der HV ansehen musste. Aber es nützt nun mal nichts. Man muss es beschreiben, wenn das Urteil aus sich heraus veständlich sein soll. Und da hilft auch der Weg über die Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht.

Das OLG Köln sagt nämlich zu den Anforderungen an die Feststellungen bei Verweisung auf kinderpornografische Abbildungen:

„Bei einer Verweisung auf Abbildungen bleibt die Schilderung des wesentlichen Aussagegehalts der Darstellung erforderlich. Zum wesentlichen Aussageinhalt einer kinderpornografischen Schrift gehört zumindest eine Beschreibung der sexuellen Handlung der Art nach und der Kriterien einer nachvollziehbaren Altersbestimmung.“

OLG Köln, Beschl. v. 01.02.2011 – III–1 RVs 18/11

Videomessung: Anlassbezogene Messung ja oder nein?

Wenn sich überhaupt noch mit der Rechtsprechung des BVerfG zur (unzulässigen) Videomessung in 2 BvR 941/08 verteidigen lässt, dann m.E. nach den beiden Entscheidungen des BVerfG aus dem Sommer 2010 nur noch hinsichtlich der Frage der Anfangsverdachts und/oder der Frage der Anlassbezogenheit der Messung. Alle anderen Fragen sind durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt, wobei dahinstehen soll, ob zutreffend oder nicht.

Für den Verteidiger bedeutet dies, dass sich das Schwergewicht der Verteidigung verlagert bzw. auch darauf geachtet werden muss, ob das tatrichterliche Urteil Feststellungen zur Anlassbezogenheit der Messung enthält. Darauf hatte auch schon das OLG Hamm hingewiesen (VA 2010, 208 = VRR 2010, 475).

In die Richtung geht auch die Entscheidung des OLG Brandenburg v. 11.01.2011 –  (1 B) 53 Ss-OWi 585/10 (341/10), wonach das Urteil, durch das der Betroffene wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer Abstandsunterschreitung verurteilt wird, deren Feststellung auf einer Videomessung beruht, Feststellungen dazu enthalten muss, ob die Messung „anlassbezogen“ durchgeführt worden ist. Und das ist durch Befragung der Messbeamten in der HV zu klären.

Immer wieder falsche Bezugnahmen

Die Bezugnahmen auf Feststellungen/Ausführungen in aufgehobenen Urteilen durch das neu entscheidende Tatgericht beschäftigen den BGH immer wieder. Gerade in dem Bereich werden auch häufig Fehler gemacht, in dem Bezug genommen wird, wo es so bzw. in dem Umfang nicht zulässig ist. Wenn man dazu in den BGH-Beschlüssen liest, ist man dann schon manchmal erstaunt, wie „sorglos“ die Tatgerichte an der Stelle doch sind. So heißt es im Beschl. des BGH v. 25.11.2010 – 3 StR 431/10:

Das Landgericht hat zur Begründung der verhängten Jugendstrafe lediglich Folgendes ausgeführt:

„Grundlage der Strafzumessung hinsichtlich des Angeklagten sind die vom Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht beanstandeten Ausführungen im Urteil des Landgerichts vom 3.3.2009 unter der dortigen Ziff. V., soweit es um die zu Ziff. II. 1 und 2 des Urteils festgestellten Taten geht…. Da bei der Strafzumessung die Tat zu Ziff. II. 3. des vorgenannten Urteils [der gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedene Vorwurf des Wohnungseinbruchsdiebstahls] nicht zu berücksichtigen ist, somit der dem Angeklagten zur Last zu liegende Unrechtsgehalt seiner Taten wesentlich geringer ist, konnte es bei der Bemessung der Einheitsjugendstrafe mit zwei Jahren sein Bewenden haben.“

Der BGH begründet die Aufhebung des Strafausspruchs:

Damit hat die Strafkammer zur Begründung der Jugendstrafe ausschließlich auf die Strafzumessungserwägungen des früheren Urteils Bezug genommen. Diese Bezugnahme ist indes unzulässig, weil der Strafausspruch jenes Urteils und damit die ihn tragenden Erwägungen – anders als die ihm zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen – durch die Entscheidung des Senats vom 25. November 2009 aufgehoben worden ist (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2004 – 4 StR 149/04). Die Strafzumessungserwägungen aus dem früheren Urteil sind deshalb nicht mehr existent und können daher auch nicht Gegenstand einer Bezugnahme sein. Damit fehlt es an einer tragfähigen Begründung der festgesetzten Jugendstrafe.

Und ergibt einen freundlichen Hinweis :-), was alles zu tun ist:

„Der neue Tatrichter wird auf der Grundlage der aufrechterhaltenen Feststellungen aus dem ersten Urteil und ergänzenden Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, die in der neuen Hauptverhandlung getroffen werden, eigenständige und neue Erwägungen zur gesamten Strafzumessung, mithin auch zur Frage der Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht (vgl. zum Verbot der Schlechterstellung Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 331 Rn. 14) anzustellen haben.“

Die Fahrerlaubnisentziehung im Nichtregelfall…

Die Entziehung der Fahrerlaubnis in den Fällen, in denen kein Regelfall nach § 69 Abs. 2 StGB vorliegt, sondern nur eine Delikt der „allgemeinen Kriminalität“ hat ja schon den Großen Senat für Strafsachen des BGH beschäftigt, der dazu in seinem Beschl. in BGHSt 50, 93 Stellung genommen hat.

Danach ist es an der „Front“ verhältnismäßig ruhig geworden. Jetzt hat der BGH vor kurzem noch einmal zu der Problematik Stellung genommen (vgl. Beschl. v. 09.11.2010 – 4 StR 509/10). Allerdings ging es nicht um neue Fragen, sondern um den Umfang der Feststellungen. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen „unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen, jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 30 weiteren Fällen und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der BGH hat u.a. die Fahrerlaubnisentziehung aufgehoben

„Aufzuheben war ferner die Maßregelanordnung der Festsetzung einer isolierten Sperre gemäß § 69 a StGB. Den Urteilsgründen ist nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, an welche rechtswidrige Tat die Maßregel anknüpft. Es bleibt letztlich offen, ob sie wegen eines Verkehrsdelikts oder wegen einer im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangenen Straftat der allgemeinen Kriminalität (Zusammenhangstat) angeordnet wurde. Wird eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB aber an Zusammenhangstaten angeknüpft, muss sich aus den Urteilsgründen die Überzeugung des Tatrichters ergeben, dass die festgestellten Umstände den konkreten Anhalt begründen, der Täter stelle eine Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs dar (BGH, Großer Senat, Beschluss vom 27. April 2005 – GSSt 2/04, BGHSt 50, 93, 105). „