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StVollZ I: OK-Vermerk in der Gefangenenpersonalakte, oder: Besteht noch ein konkreter „OK-Verdacht“?

Ich stelle heute seit längerem mal wieder Entscheidungen aus bzw. zum Strafvollzug vor.

An der Spitze der Berichterstattung steht der KG, Beschl. v. 15.08.2025 – 5 Ws 138/25. Es geht in der Entscheidung um den sog. OK-Vermerk. Der Gefangene hatte die Löschung/Entfernung dieses Vermerks aus seiner Gefangenenpersonalakte beantragt. Der Gefangene verbüßt  eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen in der JVA des Offenen Vollzuges Berlin. Zwei Drittel-Termin ist 14.12.2025. Dieser Vermerk des Gefangenen, bei dem bereits  während der Untersuchungshaft im Jahr 2021 von der JVA Moabit eine anstaltsinterne Kenntlichmachung einer Zugehörigkeit zur Organisierten Kriminalität vorgenommenen worden war, geht zurück auf eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, in welcher eine Einbindung des Gefangenen in Strukturen Organisierter Kriminalität angenommen worden ist. In der JVA wurde der „OK-Vermerk“ dann regelmäßig im Rahmen der Vollzugsplanungen überprüft und aufrechterhalten. Gleichwohl wurde der Gefangene  am 27.03.2024 in den offenen Vollzug verlegt und dort sukzessive zu Vollzugslockerungen zugelassen. Wärend des Vollzugs ist es zu keinen weiteren Erkenntnisse gekommen.

Die StVK hat den „Entfernungsantrag“ abgelehnt. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die beim KG Erfolg hatte. Dem gefällt der Beschluss der StVK nun gar nicht:

Das KG rügt die Unvollständigkeit der Begründung. Insoweit stelle ich nur den Leitsatz vor, und zwar:

Die von den Strafvollstreckungskammern erlassenen Beschlüsse müssen grundsätzlich den Anforderungen genügen, die § 267 StPO an die Begründung strafrechtlicher Urteile stellt. Hieraus folgt, dass die Strafvollstreckungskammer die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Erwägungen so vollständig darzulegen hat, dass sie eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht.

Und das KG führt dann weiter aus:

„3. Aufgrund dieser ungenügenden Darstellung des Verfahrensgegenstandes kann der Senat nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG überprüfen (dazu sogleich unter 4.). Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zur rechtlichen Würdigung lassen unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. dazu nur Senat, Beschlüsse vom 2. Januar 2025 – 5 Ws 252/23 –, vom 10. September 2021, a. a. O., Rn. 21 f., vom 1. November 2019, a. a. O., und vom 27. Juni 2019 – 5 Ws 55/19 Vollz –, juris Rn. 33, jew. m. w. N.) besorgen, dass sie hier den Prüfungsgegenstand verkannt hat, indem sie nicht den ablehnenden Bescheid der Vollzugsbehörde vom 9. Januar 2025 überprüft hat (vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 2. Januar 2025, a. a. O. [fehlerhafte isolierte Prüfung der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft durch die Strafvollstreckungskammer]). Sie hätte bezogen auf diesen Bescheid erörtern müssen, ob die Vollzugsbehörde in eigener Verantwortung geprüft hat, ob ein konkreter Verdacht besteht, der Gefangene sei der Organisierten Kriminalität zuzurechnen, und ob aufgrund dessen die Anbringung eines „OK-Vermerks“ gerechtfertigt ist. Ein derartiger Verdacht kann sich grundsätzlich aus der entsprechenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft ergeben. Die dort genannten Beweisanzeichen sind jedoch von der Vollzugsbehörde eigenverantwortlich in Beziehung zu dem Verhalten des Gefangenen in der Haft, zu den Urteilsgründen und zu allen anderen Umständen zu setzen, die für die Zuordnung zur Organisierten Kriminalität von Belang sein können. Bleibt ein konkreter Verdacht, so ist die Eintragung gerechtfertigt (vgl. nur KG, Beschluss vom 4. Februar 1998, a. a. O., Rn. 10; Senat, Beschlüsse vom 2. Januar 2025, a. a. O., vom 10. September 2021, a. a. O., Rn. 20 ff. und vom 24. Januar 2017 – 5 Ws 141/16 Vollz –). Wenn ein konkreter Verdacht besteht, hat die Vollzugsbehörde ferner auf den Einzelfall bezogen zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen sie treffen muss und ob die Eintragung des „OK-Vermerks“ von vornherein oder noch gerechtfertigt ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 2. Januar 2025, a. a. O., und vom 10. September 2021, a. a. O., Rn. 20, jew. m. w. N.). Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass die Vollzugsbehörde die in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls in zusätzlich eingeholten Auskünften der Polizeibehörde enthaltenen Tatsachen ihrer Entscheidung jedenfalls nicht unkritisch zugrunde legen darf, sondern zumindest auf ihre Plausibilität und Validität zu prüfen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Januar 2025, a. a. O.).“