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StPO II: Beweiskraft eines Empfangsbekenntnisses, oder: Falsches Datum auf dem Empfangsbekenntnis

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Im zweiten Posting kommt dann hier der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.04.2025 – 1 Ws 10/25 – zur Beweiskraft eines Empfangsbekenntnisses.

Das Verfahren eingestellt worden, weil der Angeklagte verstorben. Gegen die für ihn nachteilige Kosten- und Auslagenentscheidung hat der Nebenkläger sofortige Beschwerde eingelegt. Das OLG führt in seinem Verwerfungsbeschluss zur Zulässigkeit des Rechtsmittels aus:

„1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

a) Die sofortige Beschwerde wurde insbesondere innerhalb der sich aus den §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 1, Abs. 2, 35 Abs. 2, 43 Abs. 1 StPO ergebenden Wochenfrist und damit fristgemäß eingelegt.

Zwar ist in dem am 26.12.2024 an das Landgericht gefaxten Empfangsbekenntnis als nach § 37 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 175 Abs. 3 ZPO maßgebliches Zustellungsdatum der 17.12.2024 angegeben; danach wäre die am 26.12.2024 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Nebenklägers verfristet. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erst am 24.12.2024 mit einer vom Willen des Empfängers – hier des Nebenklagevertreters – getragenen Empfangnahme bewirkt worden ist. Das Empfangsbekenntnis beweist gemäß § 175 Abs. 3 ZPO und der darin enthaltenen gesetzlichen Beweisregel (§ 286 Abs. 2 ZPO) grundsätzlich das in ihm angegebene Zustellungsdatum, da in dem Empfangsbekenntnis zunächst der Zeitpunkt zu vermerken ist, zu dem der Empfänger das Schriftstück entgegengenommen hat. Dadurch ist der Beweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, allerdings nicht ausgeschlossen, denn § 175 Abs. 3 ZPO sieht Datum und Unterschrift nur als Mittel zum Nachweis, nicht hingegen als Voraussetzung der Zustellung an. Ein falsches Datum auf dem Empfangsbekenntnis verhindert nicht den Nachweis des tatsächlichen Zugangstages (BGH NJW 1990, 2125; NJW 2001, 2722; NJW 2012, 2117; NJW-RR 2021, 158); der Zeitpunkt der Zustellung kann daher auch auf andere Weise festgestellt werden (MüKoStPO/Valerius, 2. Aufl. 2023, StPO § 37 Rn. 48 mwN). Nicht ausreichend ist aber eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis; vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet werden (Musielak/Voit/Wittschier, 22. Aufl. 2025, ZPO § 175 Rn. 4 mwN).

Danach ist die vom Willen des Nebenklagevertreters getragene Empfangnahme des ihm übersandten Beschlusses vom 06.12.2024 (erst) am 24.12.2024 erfolgt. Der Nebenklagevertreter hat durch die von ihm eingereichten Reiseunterlagen belegt, dass er sich bis zum 24.12.2024 auf einer Reise in Südamerika befand; nach dem Schreiben vom 03.04.2025 ist anzunehmen, dass dem Nebenklagevertreter das Empfangsbekenntnis auch nicht (elektronisch) vor dem 24.12.2024 an seinen Urlaubsort zugegangen ist. Der Nebenklagevertreter kann demnach das ihm übersandte Empfangsbekenntnis erst nach Rückkehr von seiner Reise und damit nicht vor dem 24.12.2024 mit Annahmewille entgegengenommen haben. Das auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelldatum – der 17.12.2024 – ist damit entkräftet.“

Immer wieder interessant: Zustellungsfragen – mal was Anderes

Zustellungsfragen, insbesondere die Wirksamkeit der Zustellung bei Nichtvorlage der Vorlage der Vollmacht, beschäftigen die Praxis immer wieder, und beschäftigen auch immer wieder die Blogs, vgl. zuletzt hier, aber auch hier, hier und hier.

Zu dem Thema mal eine andere Entscheidung bzw. ein anderer Aspekt, auf den das OLG Stuttgart in seinem Beschl. v. 17.05.2010 – 2 Ws 48/10 hingewiesen hat. Dort hatte ein Assessor das EB (für den Rechtsanwalt) unterzeichnet. Das OLG Stuttgart hat die Wirksamkeit der Zustellung verneint und unter Hinweis auf die ZPO-Vorschriften ausgeführt:

Ein Rechtsanwalt als Adressat einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis könne einen Assessor weder für den Einzelfall noch allgemein dazu ermächtigten, die Zustellung zu beurkunden. Die Befugnis, eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis zu beurkunden, stehe nur einem besonders privilegierten Personenkreis zu, zu denen aufgrund ausdrücklicher Aufzählung neben dem Anwalt auch der Notar, der Gerichtsvollzieher, der Steuerberater oder eine sonstige Person zählt, „bei der auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“. Die Befugnis beim Anwalt sei Bestandteil der privilegierten Stellung, die er als Organ der Rechtspflege inne habe. Jedenfalls bei einem Assessor könne nicht generell auf Grund seines Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden, der Assessor unterliege keinen vergleichbaren standesrechtlichen Verpflichtungen, sodass er nicht wirksam Schriftstücke gegen Empfangsbekenntnis entgegennehmen könne.

M.E. recht interessant und vielleicht in der ein oder anderen Sache, in der man um die Wirksamkeit der Zustellung streitet, einen Hinweis wert.