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Einstellung nach § 153a StPO durch den BGH, oder: Geht das denn?

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Zum Wochenauftakt für die 26. KW., weise ich hin auf den BGH, Beschl. v. 22.05.2019 – 5 StR 499/18, der zurückgeht auf einen Beschluss des 5. Strafsenats vom 03.04.2019.

Wenn man den Beschluss liest, denkt man: Nichts Besonderes. Stimmt an sich, aber m.E. enthält er doch etwas Besonderes: Nämlich eine endgültig Einstellung nach § 153a StPO durch den BGH. Und da fragt man sich dann: Geht das überhaupt?

Die Antwort: Ja, das geht. Denn durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.08.2017 (BGBl I, S. 3202)“ ist § 153a StPo mit Wirkung vom 24.08.2019 dahin geändert worden, dass § 153a StPO jetzt auch noch in der Revisionsinstanz anwendbar ist.

Von daher nichts Besonderes, sondern nur etwas Neues in dem BGH, Beschl. v. 22.05.2019. Darauf soll dieses Posting noch einmal hinweisen. Für mich ist übrigens der BGH, Beschl. der erste, den ich kenne, in/mit dem der BGH von dieser Neuregelung Gebrauch gemacht hat.

Im Übrigen: Die Neuregelung sollte manals (Revisions)Verteidiger auf dem Schirm haben.

Einstellung III: Keine Messunterlagen im Bußgeldverfahren, oder: AG stellt „angefressen“ das Verfahren ein

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Und die dritte Entscheidung hat auch mit Einstellung zu tun. Sie kommt ebenfalls vom AG Dortmund. Ergangen ist sie in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Dort hatten weder die „messende Behörde“ noch die zuständige Bußgeldstelle dem Amtsgericht mehrfach angeforderte Messunterlagen zur Messung gestellt. Das AG war es dann leid/war „angefressen“ und hat das Verfahren im AG Dortmund, Beschl. vom 16.04.2019 – 729 OWi-254 Js 228/19-51/19 – eingestellt:

„Dem verkehrsrechtlich nicht vorbelasteten Betroffenen wird ein Geschwindigkeitsverstoß am 17.09.2018 auf der Bundesautobahn 45 in Dortmund vorgeworfen. Er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von max. 60 km/h um 24 km/h überschritten. Das Gericht hat die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Messbeamten, Verlesung des Messprotokolls, Verlesung des Beschilderungsplanes,  Verlesung des Datenfeldes des Messfotos, Verlesung des Eichscheins und Inaugenscheinnahme des Messfotos nahezu bis zum Ende durchgeführt. Der Verteidiger hatte jedoch bereits im Vorfeld beantragt, ihm zur Überprüfung der Nachvollziehbarkeit der Messung einen xml- Ausdruck zur Verfügung zu stellen. Bereits am 26.03.2019 ging ein entsprechendes Schreiben per Fax an den Messbeamten heraus. Gleichwohl brachte der Messbeamte zum Hauptverhandlung am 02.04.2019 keinen entsprechenden Ausdruck mit, sondern verwies in der Zeugenvernehmung auf die Bußgeldstelle. Das Gericht bestimmte sodann einen Fortsetzungstermin auf den heutigen Tage. Es wurde nochmals bei der messenden Polizeibehörde ebenso wie bei der Bußgeldstelle der Ausdruck angefordert. Der Ausdruck wurde bis heute von keiner dieser Stellen übersandt. Dementsprechend war eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 OWiG geboten.“

Wenn man es so liest, bestätigt sich der Eindruck, den man inzwischen haben muss, dass nämlich die Bußgeldstellen tun und lassen, was sie wollen und sie gerichtliche Vorgaben nicht weiter interessieren.

Einstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit, oder: Kostentragungspflicht bei der Staatskasse

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Auch in der zweiten Entscheidung, dem LG Amberg, Beschl. v. 11 Qs 67/18 – geht es um die Kostenerstattung, und zwar nach Einstellung des Verfahrens.

Die Staatsanwaltschaft hatte bei dem AG Amberg den Erlass eines Strafbefehls gegen den ehemaligen Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr beantragt. Der wurde am 02.11.2017 erlassen. Der ehemalige Angeklagte legte dann durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 13.11.2017 Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Mit Schriftsatz vom 05.02.2018 teilte der Verteidiger mit, dass der Angeklagte einen Schlaganfall erlitten habe, wobei das Sprachvermögen stark eingeschränkt sei. Der ehemalige Angeklagte steht seit vielen Jahren unter Betreuung, da er an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet. Mit gerichtspsychiatrischen Gutachten des gerichtsärztlichen Dienstes bei dem Oberlandesgericht Nürnberg wurd dann festgestellt, dass der ehemalige Angeklagte verhandlungsunfähig ist. Er leide an hebephrener Schizophrenie. Die Folgen des Anfang 2018 erlittenen Schlaganfalles seien mittlerweile nahezu ausgeheilt. Die schizophrene Psychose verlaufe jedoch chronisch. Im Vordergrund des psychopathologischen Befundes stünden deutliche kognitive Defizite. Es sei nicht zu erwarten, dass die Verhandlungsfähigkeit in absehbarer Zeit wieder hergestellt werden könne. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf das gerichtspsychiatrische Gutachten vom 17.07.2018 verwiesen.

Das Verfahren wurde dann gemäß § 206a StPO eingestellt und bestimmt, dass die Kosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten die Staatskasse trägt. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft. Ohne Erfolg:

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

a) Das Amtsgericht Amberg hat die notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Es hat von der Möglichkeit im Falle einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses diese Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht.

Erfolgt die Einstellung, wie hier, vor oder außerhalb der Hauptverhandlung, kann von einer Auslagenerstattung abgesehen werden, wenn – ohne das Verfahrenshindernis – ein erheblicher oder hinreichender Tatverdacht fortbesteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, Rdnr. 16). Die Entscheidung darf nicht schematisch, sondern nur nach Ausübung des eingeräumten Ermessens erfolgen. Hierbei ist dem Ausnahmecharakter von § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO grundsätzlich Rechnung zu tragen. War das Verfahrenshindernis bei Klageerhebung bereits eingetreten, soll es deshalb bei der regelmäßigen Kostenfolge nach § 467 Abs. 1 StPO bleiben, es sei denn, eine solche Lösung erscheint grob unbillig, etwa weil der Eintritt des Verfahrenshindernisses auf ein vorwerfbares Verhaften des Angeklagten zurückzuführen ist (OLG Celle, Beschluss vom 6. 8. 2013 — 2 Ws 144/13 —, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 Rdnr. 18).

b) Vorliegend kann schon nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verurteilung des ehemaligen Angeklagten, selbst wenn er verhandlungsfähig gewesen wäre, wegen aufgehobener Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit nach § 20 StGB nicht erfolgt wäre. Der ehemalige Angeklagte hatte gegenüber den Polizeibeamten angegeben, viel zu viele Tabletten vor Fahrtantritt eingenommen zu haben. Dies bestätigt letztlich auch der Ärztliche Befundbericht der pp. vom 07.09.2017. Zudem sei nach Aussage des Zeugen ein Gespräch mit dem ehemaligen Angeklagten nicht möglich gewesen. Dieser sei zu stark verwirrt und benommen gewesen. Er habe starke motorische Störungen gehabt, sei stark umher geschwankt und habe sich kaum auf den Beinen halten können. Der Zeuge pp. bestätigte dies. Diese Umstände legen eine aufgehobene Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit aufgrund der schizophrenen Psychose zumindest nahe.

c) Überdies bestand die Verhandlungsunfähigkeit des ehemaligen Angeklagten bereits vor dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls. Aus dem gerichtspsychiatrischen Gutachten ergibt sich, dass der ehemalige Angeklagte aufgrund des chronischen Verlaufs der Schizophrenie und der damit einhergehenden kognitiven Defizite verhandlungsunfähig ist. Da diese Erkrankung bereits seit mehreren Jahren vorliegt, ist davon auszugehen, dass sie auch bereits vor bzw. bei dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls vorlag. Dass die Verhandlungsunfähigkeit hier erst nach Erholung eines Sachverständigengutachtens bekannt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 Rdnr. 18). Gerade unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankung des ehemaligen Angeklagten, welche mit erheblichen kognitiven Defiziten verbunden ist und des Zustandes bei Begehung der Tat, erscheint es nicht grob unbillig, der Staatskasse seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift aus § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2  StPO nicht vor. Die notwendigen Auslagen waren daher der Staatskasse aufzuerlegen.“

OWI III: Verfahrenseinstellung nach Verstoß gegen das PAuswG, oder: Kleines Schmankerl

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Und als dritte OWi-Entscheidung dann der AG Schleswig, Beschl. v. 19.11.2018 – 53 OWi 24000/18, den mir der Kollege Baur aus Flensburg übersandt hat. Es handelt sich um ein kleiner Schmankerl, nämlich Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG, weil die Verwaltungsbehörde gegen die Vorschriften des PAuswG verstoßen hat. Begründung:

„Das Verfahren ist aus Opportunitätsgründen einzustellen, da vorliegend ein erheblicher Verstoß der Bußgeldbehörde gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vorliegt. Dieser führt zwar nicht zu einem Verfahrenshindernis oder einem Beweisverwertungsverbot und lässt auch nicht den staatlichen Strafanspruch entfallen, allerdings führt die Umgehung der Vorgaben des PAuswG dazu, dass die Sanktionierung mit einem Fahrverbot und einem Bußgeld mit der Rechtsordnung unvereinbar wäre (so auch AG Landstuhl Beschluss vom 26.10.2015 – 2 Owi 4286 Js 7129/15).

Der Betroffene überschritt am pp. um pp. in Sieverstedt, A7 KM 21,750 in Richtung Hamburg mit dem auf die pp. (Flensburg) zugelassenen PKW pp. die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h (nach Toleranzabzug). Die Bußgeldstelle richtete daraufhin an die pp. einen Zeugenbefragungsbogen. Dieser war unter Angabe des Namens und der pp. des Betroffenen rückläufig. An diese Anschrift ging dann ein entsprechender Anhörungsbogen und später ein Bußgeldbescheid. Nachdem der Betroffene durch seinen Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hatte forderte die Bußgeldstelle eine vergrößerte Kopie des Fotos aus dem Personalausweis- oder Passregister der Stadt Flensburg an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Akte Bezug genommen (BI. 20 d.A.). Anderweitige Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere eine Halterfeststellung durch die Polizei wurden nicht betrieben. Ebenso erfolgte kein Abgleich mit dem Foto des Betroffenen auf der Homepage der

Durch dieses Vorgehen hat die Bußgeldbehörde die Vorgaben der §§ 22 Abs. 2 PassG, 24 Abs. 2 PAuswG umgangen. Die Personalausweisbehörde darf die Daten aus dem Pass- bzw. Personalausweisregister nur unter den einschränkenden Vorgaben des § 24 Abs. 2 Nr. 1-3 PAuswG übermitteln. Das ist insbesondere nur dann der Fall, wenn die ihr obliegenden Aufgaben nicht anders erfüllen kann und den Betroffenen nicht anders ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu ermitteln (Ziff.3). Vorliegend ist in keiner Weise ersichtlich, dass die Ermittlung der Person des Betroffenen nicht auch anderweitig möglich gewesen. Erfolgversprechend wäre mit großer Sicherheit die Ermittlung des Betroffenen an der Kanzleianschrift durch die Polizei gewesen. Für einen Freispruch des Betroffenen bleibt vorliegend aber kein Raum, da der staatliche Strafanspruch gegenüber dem Betroffenen vor Abgabe des Verfahrens nicht verwirkt war, denn es wäre möglich gewesen die Maßnahme nachträglich zu legalisieren. Da bereits der Verstoß der Behörde gegen interne Richtlinien eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG rechtfertigen kann, muss dies erst Recht gelten, wenn die Behörde gegen Vorgaben des PAuswG verstößt. Denn diese sind Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Anspruches der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung. Eine vorherige Zustimmung der Staatsanwaltschaft war vorliegend gemäß § 47 Abs. 2 OWiG nicht notwendig, da das Bußgeld geringer als 100,00 EUR ausgefallen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG. Es erscheint vorliegend angemessen, dass der Betroffene seine Auslagen selbst trägt. Denn vorliegend liegt lediglich ein einzelner Verstoß gegen das PAuswG vor, sodass nicht von einer systematischen Umgehung des PAuswG auszugehen ist.“

Die Kostentragungspflicht wird der Betroffene verschmerzen können 🙂 .

OWi II: Keine Zulassung der Rechtsbeschwerde, aber: Einstellung, weil „Verwerfung nicht opportun“ ist

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Bei der zweiten OWi-Entscheidung des heutigen Tages handelt es sich um den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.10.2018 – IV – 2 RBs 210/18, den mir der Kollege Momberger aus Düsseldorf übersandt mit der Anmerkung, dass es sich manchmal eben doch lohnt eine Sache bis zum Ende durchzufechten.

Hier ging es um die Verurteilung des Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO. Dagegen legt der Kollege für den Betroffenen Rechtsbeschwerde ein, die allerdings zugelassen werden muss. Das OLG weist den Zulassungsantrag zurück, stellt aber fest, dass die tatsächlichen Feststellungen des AG nicht ausreichen. Und dann ….:

„….

Dass die getroffenen Feststellungen lückenhaft sind und den Schuldspruch nicht tragen, bedarf indes keiner Rechtsfortbildung, sondern ergibt sich unmittelbar aus den normierten Anforderungen des § 23 Abs. la StVO.

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist für den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts nicht maßgeblich, ob das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft ist, sondern ob es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Dies führt dazu, dass bei geringfügigen Geldbußen trotz Anrufung der zweiten Instanz auch ein rechtsfehlerhaftes Urteil Bestand haben kann

3. Der von dem Betroffenen angeführte Zulassungsgrund der Sicherung einer ein­heitlichen Rechtsprechung kommt erst bei einer Geldbuße von mehr als 100 Euro in Betracht

Der Senat greift jedoch unterBerücksichtigung des Umstands, dass eine Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegend nicht opportun erscheint, den entsprechenden Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf und stellt das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG ein.

IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1 u. Abs. 4 StPO.

Hierbei hat der Senat davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Betroffe­nen der Staatskasse aufzuerlegen. Bei dieser Ermessensentscheidung kann der gesamte Akteninhalt herangezogen werden. Die Polizeibeamten, auf deren Anzeige der Bußgeldbescheid zurückgeht, hat das Amtsgericht nicht als Zeugen gehört. Nach dem Inhalt der polizeilichen Anzeige spricht indes viel dafür, dass der Betroffene das Mobiltelefon bei der Benutzung als Kraftfahrzeugführer in der Hand gehalten hat. Abgesehen davon wären die notwendigen Auslagen auch dann zu Lasten des Betroffenen gegangen, wenn der Senat eine Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde getroffen hätte.2

Liest man so selten. Meist wird der Zulassungsantrag verworfen und es heißt, dass das AG nach den mahnenden Worten des OLg den angesprochenen Fehler nicht noch einmal machen wird. Das sind natürlich dann Entscheidungen, die man als Verteidiger einem Betroffenen nur schwer vermitteln kann.