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OWI III: Verfahrenseinstellung nach Verstoß gegen das PAuswG, oder: Kleines Schmankerl

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Und als dritte OWi-Entscheidung dann der AG Schleswig, Beschl. v. 19.11.2018 – 53 OWi 24000/18, den mir der Kollege Baur aus Flensburg übersandt hat. Es handelt sich um ein kleiner Schmankerl, nämlich Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG, weil die Verwaltungsbehörde gegen die Vorschriften des PAuswG verstoßen hat. Begründung:

„Das Verfahren ist aus Opportunitätsgründen einzustellen, da vorliegend ein erheblicher Verstoß der Bußgeldbehörde gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vorliegt. Dieser führt zwar nicht zu einem Verfahrenshindernis oder einem Beweisverwertungsverbot und lässt auch nicht den staatlichen Strafanspruch entfallen, allerdings führt die Umgehung der Vorgaben des PAuswG dazu, dass die Sanktionierung mit einem Fahrverbot und einem Bußgeld mit der Rechtsordnung unvereinbar wäre (so auch AG Landstuhl Beschluss vom 26.10.2015 – 2 Owi 4286 Js 7129/15).

Der Betroffene überschritt am pp. um pp. in Sieverstedt, A7 KM 21,750 in Richtung Hamburg mit dem auf die pp. (Flensburg) zugelassenen PKW pp. die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h (nach Toleranzabzug). Die Bußgeldstelle richtete daraufhin an die pp. einen Zeugenbefragungsbogen. Dieser war unter Angabe des Namens und der pp. des Betroffenen rückläufig. An diese Anschrift ging dann ein entsprechender Anhörungsbogen und später ein Bußgeldbescheid. Nachdem der Betroffene durch seinen Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hatte forderte die Bußgeldstelle eine vergrößerte Kopie des Fotos aus dem Personalausweis- oder Passregister der Stadt Flensburg an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Akte Bezug genommen (BI. 20 d.A.). Anderweitige Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere eine Halterfeststellung durch die Polizei wurden nicht betrieben. Ebenso erfolgte kein Abgleich mit dem Foto des Betroffenen auf der Homepage der

Durch dieses Vorgehen hat die Bußgeldbehörde die Vorgaben der §§ 22 Abs. 2 PassG, 24 Abs. 2 PAuswG umgangen. Die Personalausweisbehörde darf die Daten aus dem Pass- bzw. Personalausweisregister nur unter den einschränkenden Vorgaben des § 24 Abs. 2 Nr. 1-3 PAuswG übermitteln. Das ist insbesondere nur dann der Fall, wenn die ihr obliegenden Aufgaben nicht anders erfüllen kann und den Betroffenen nicht anders ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu ermitteln (Ziff.3). Vorliegend ist in keiner Weise ersichtlich, dass die Ermittlung der Person des Betroffenen nicht auch anderweitig möglich gewesen. Erfolgversprechend wäre mit großer Sicherheit die Ermittlung des Betroffenen an der Kanzleianschrift durch die Polizei gewesen. Für einen Freispruch des Betroffenen bleibt vorliegend aber kein Raum, da der staatliche Strafanspruch gegenüber dem Betroffenen vor Abgabe des Verfahrens nicht verwirkt war, denn es wäre möglich gewesen die Maßnahme nachträglich zu legalisieren. Da bereits der Verstoß der Behörde gegen interne Richtlinien eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG rechtfertigen kann, muss dies erst Recht gelten, wenn die Behörde gegen Vorgaben des PAuswG verstößt. Denn diese sind Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Anspruches der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung. Eine vorherige Zustimmung der Staatsanwaltschaft war vorliegend gemäß § 47 Abs. 2 OWiG nicht notwendig, da das Bußgeld geringer als 100,00 EUR ausgefallen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG. Es erscheint vorliegend angemessen, dass der Betroffene seine Auslagen selbst trägt. Denn vorliegend liegt lediglich ein einzelner Verstoß gegen das PAuswG vor, sodass nicht von einer systematischen Umgehung des PAuswG auszugehen ist.“

Die Kostentragungspflicht wird der Betroffene verschmerzen können 🙂 .

AG III: OWi-Einstellung wegen unwirksamen Bußgeldbescheid, oder: Wofür Eintragungen im FAER manchmal gut sein können

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Und den Reigen der AG-Entscheidungen beschließe ich mit dem AG Schleswig, Beschl. v. 05.07.2018 – 53 OWi 107 Js 8757/18, mit dem das AG ein Bußgeldverfahren mit dem Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung wegen Verjährung eingestellt hat. Begründung: Der Bußgeldbescheid war unwirksam, da nicht konkret genug:

„Der Bußgeldbescheid vermag indessen die Verjährung die Verfolgungsverjährung nicht unterbrechen, da der vorliegend zu überprüfende Bußgeldbescheid vom 15.02.2018 unwirksam ist. Gemäß § 33 Abs. 1 §. 1 Nr. OWiG tritt die Verjährungsunterbrechung durch Erlass bzw. Zustellung des Bußgeldbescheides nur dann ein, wenn auch ein wirksamer Bußgeldbescheid vorliegt (Gerlter, BeckOK, OWiG, § 33 Rz. 112). Das ist vorliegend nicht der Fäll. Der von der Verteidigung angegriffene Bußgeldbescheid leidet indes unter schwerwiegenden Mängeln, da eine exakte Angabe des Tatortes im Bußgeldbescheid nicht angegeben ist und insofern eine Verwechselungsgefahr mit möglicherweise anderen Ordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen werden kann (AG Lüdinghausen BeckRS 2015, 12516, AG Husum BeckRS 2017, 128121; im Übrigen bereits BGH NJW 1970, 2222, 2223; so auch ausdrücklich Rebler NZV 2016, 304, 308). Maßgebend ist danach eine Abgrenzung im Einzelfall. Die Konkretisierung des Tatvorwurfs und des Tatortes müssen jedoch nicht nur sicherstellen, dass der Betroffene überhaupt ein Bewusstsein für den ihm vorgeworfenen Verstoß bilden kann und dass insbesondere Verwechselungen sicher ausgeschlossen sind. Gerade bei Verkehrsverstößen, die sich relativ kurzen Zeiträumen relativ häufig zu wiederholen zu vermögen, sind insoweit problematisch und müssen von der Bußgeldbehörde im Bußgeldbescheid präzise konkretisiert werden (bereits BGH a.a.O.), So liegt der Fall hier, denn es besteht die Gefahr einer Verwechselung mit anderen ordnungswidrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen durch den Betroffenen. Der Bußgeldbescheid umschreibt den Tatort nur mit der Straßenbezeichnung ohne nähere Eingrenzung, sodass für die Tatbegehung eine erhebliche räumliche Varianz besteht. Insofem ist der Verteidigung Recht zu geben, dass auf einer Fahrstrecke von mindestens 1,7 KM weitere Verstöße durch den Betroffenen bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung nicht ausgeschlossen werden können. Dies auch insbesondere, weil der Betroffene nach dem vorliegenden Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 17.01.2018 nicht zum ersten Mal mit einer Geschwindigkeitsübertretung konfrontiert ist. Auf eine zurückgelegten Distanz von knapp 2 Kilometem mit wechselnder Bebauung erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass entsprechend weitere Verstöße durch Überholmanöver, Abbremsen und Beschleunigen begangen worden sind.

Entgegen der in der Verfügung vom 16.05.2018 vertretenen Rechtsauffassung kann der Mangel des Bußgeldbescheides nicht durch eine Zusammenschau mit dem Akteninhalt oder ggf. aufgenommenen anderen Verstößen geheilt werden. Denn das Verjährungsrecht – und dies wurde in der Verfügung der Dezernatsvorgängerin verkannt – ist formelles Recht, das zwingend ist. Mit anderen Worten darf der Akteninhalt bei Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht herangezogen werden, da ansonsten die formelle Verjährungsfolge – namentlich das Erlöschen der Ahndungsmöglichkeit umgangen werden würde. Das gilt auch wenn der Verstoß durch den Betroffenen möglicherweise aus dem Akteninhalt ersichtlich ist, Die Bezugnahme auf den Akteninhalt zur Heilung von Mängeln des Bußgeldbescheides ist nur bei nicht schwerwiegenden, die Wirksamkeit nicht beeinträchtigenden Mängeln möglich (Rebler a.a.O. 306 m.w.N.). Bei schwerwiegenden Mängeln – wie der hier fehlenden Umgrenzungsfunktion darf die Heilung schon deshalb nicht eintreten. weil sie sonst die Schutzfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes vollständig aufheben würden. Dieser dient aber im Ergebnis dem Schutz der Bürger davon zum Objekt staatlicher Willkür zu werden und ist letztlich Ausdruck von verfassungsrechtlich verbürgten Verfahrensgarantien, die den Grundstein rechtsstaatlichen Handelns bilden.“

„Interessante Argumentation“ zu/mit den früheren Verstößen, die im FAER eingetragen sind.