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Strafrechtsentschädigung, oder: Nach Teileinstellung gibt es (noch) keine Entschädigung

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Die zweite Entscheidung des Tages stammt aus dem Bereich der Strafrechtsentschädigung. Das OLG Celle hat im OLG Celle, Beschl. v. 29.01.2020 – 4 Ws 3/20 – zur Strafrechtsentschädigung Stellung genommen.

Die OLG Entscheidung hat folgenden Sachverhalt:

„Der Beschuldigte begehrt Entschädigung für die am 23. Mai 2018 durchgeführte Durchsuchung seiner Wohnung und die Sicherstellung der dabei aufgefundenen Sachen.

Die Bundesanwaltschaft leitete Ende des Jahres 2017 gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB ein. Dem lagen Angaben des Beschuldigten zugrunde, die dieser im Rahmen seines Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 13. Oktober 2017 in B. getätigt hatte. Danach habe sich der Beschuldigte – möglicherweise gezwungenermaßen – ab März bzw. April 2015 für gut eineinhalb Monate in einem Ausbildungslager der in S. operierenden militant-islamistischen Gruppierung Al-Shabab aufgehalten und sei dort militärisch – insbesondere in der Erlernung von Enthauptungstechniken –  unterwiesen worden.

Nach Abgabe des Verfahrens an die Generalstaatsanwaltschaft Celle erließ der Ermittlungsrichter beim Oberlandesgericht Celle am 6. April 2018 einen Durchsuchungsbeschluss betreffend die Person des Beschuldigten und seine Wohnung. Bei der am 23. April 2018 durchgeführten Durchsuchung wurden die im Tenor benannten Gegenstände sichergestellt.

Die Auswertung der sichergestellten Gegenstände haben keine Hinweise ergeben, die eine Mitgliedschaft oder Nähe des Beschuldigten zur terroristischen ausländischen Vereinigung der Al-Shabab belegten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat daher durch Verfügung vom 4. Dezember 2019 das Verfahren, soweit es eine Straftat nach §§ 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB oder wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145d StGB zum Gegenstand hatte, mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und die noch sichergestellten Gegenstände freigegeben.

Aufgrund abweichender Angaben des Beschuldigten im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 23. Mai 2018 zu seinen zuvor im Rahmen des Asylverfahrens getätigten Ausführungen sowie Auswertungen von auf den Mobiltelefonen gespeicherten Chatverläufen hat die Generalstaatsanwaltschaft hingegen im selben Zuge einen Anfangsverdacht wegen einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bejaht und deshalb unter dem Aktenzeichen 41 Js 34/19 ein – noch nicht abgeschlossenes – Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Verfahren ist im weiteren Verlauf an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig abgegeben worden (dortiges Az. 651 Js 69295/29).

Der Bescheid über die Teileinstellung des Verfahrens ist dem Beschuldigten am 7. Januar 2020 zugestellt worden. Mit am 21. Januar 2020 beim Senat eingegangenen Schreiben begehrt der Beschuldigte, die Entschädigungspflicht für die im Tenor benannten Maßnahmen festzustellen.“

Das OLG meint dazu:

„Der Antrag auf Feststellung einer Entschädigungspflicht für in diesem Verfahren erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen erweist sich bereits als (derzeit) nicht zulässig.

Ob und inwieweit eine Entschädigung für die dem Beschuldigen durch bisherigen Strafverfolgungsmaßnahmen erlittenen Schäden aufgrund der gesetzlich geregelten Ausschlussgründe nach den §§ 5, 6 StrEG zu versagen ist, ist daher in der Sache nicht zu entscheiden.

1. Die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über den Antrag ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 StrEG.

2. Zwar ist der Antrag fristgerecht binnen einen Monats nach Zustellung der Einstellungsmitteilung erhoben (§ 9 Abs. 1 S. 4 StrEG).

3. Gleichwohl war die Feststellung einer Entschädigungsverpflichtung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht veranlasst.

a) Im Falle einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft kommt eine Grundentscheidung über die Feststellung einer Entschädigung regelmäßig nur dann in Betracht, wenn es sich um eine endgültige Einstellung des Ermittlungsverfahrens und nicht lediglich um eine Teileinstellung handelt (vgl. MüKoStPO/Kunz, 1. Aufl. 2018, StrEG § 9 Rn. 6-7). Dies ist darin begründet, dass bei der Behandlung von Strafverfolgungsmaßnahmen der Grundsatz der Verfahrenseinheit gilt (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1982, 252, NStZ 1991, 141; OLG Koblenz NStZ-RR 1999, 52; MüKoStPO aaO). Denn Entschädigungsfragen lassen sich auch in einem auf verschiedene Tatvorwürfe gerichteten oder sogar in verschiedenen Teilabschnitten durchgeführten Straf- bzw. Ermittlungsverfahren regelmäßig erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens einheitlich beurteilen. Eine isolierte Betrachtung von in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen scheidet für gewöhnlich aus, da am Ende des Verfahrens eine Gesamtabwägung zwischen den insgesamt verhängten Rechtsfolgen und sämtlichen Strafverfolgungsmaßnahmen vorzunehmen ist (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1982, 252 m.w.N.).

Anders liegt der Fall nur dann, wenn beispielsweise bei verschiedenen prozessualen Taten nach § 264 StPO eine eindeutige Ausscheidbarkeit im Sinne einer klaren Zuordnung der Maßnahme zu dem Verfahrensteil, der die Teileinstellung betrifft, möglich ist (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1991, 141; Kunz, StrEG 4. Aufl. § 4 Rn. 8). Dies setzt jedoch voraus, dass sich eine Strafverfolgungsmaßnahme völlig isoliert auf denjenigen Verfahrensteil bezogen hat, welcher mit der Teileinstellung beendet worden ist.

b) So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zwar betrifft der Verdacht einer möglichen mitgliedschaftlichen Betätigung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland aufgrund von Handlungen des Beschuldigten im März bzw. April 2015 eine andere prozessuale Tat als etwaige unrichtige Angaben im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 13. Oktober 2017 in B. Gleichwohl lassen sich sowohl die erfolgte Durchsuchung als auch die dabei sichergestellten Gegenstände nicht ausschließlich dem Verdacht einer mitgliedschaftlichen Betätigung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zuordnen. Vielmehr dienten als Grundlage des Tatverdachts für eine Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG neben den Angaben des Beschuldigten auch die Erkenntnisse, die aufgrund der Auswertung der bei der Durchsuchung erlangten Aufzeichnungen sowie elektronischen Geräte erlangt worden sind. Die Durchsuchung diente damit der weiteren Sachverhaltsaufklärung sowohl in Bezug auf einen Anfangsverdacht für eine Mitgliedschaft in der Vereinigung Al-Shabab als auch bezüglich unrichtiger Angaben im Rahmen des Asylverfahrens. Eine Trennbarkeit von Ermittlungshandlungen, welche eine Abweichung vom Prinzip der Verfahrensidentität rechtfertigen würde, liegt daher gerade nicht vor. Die Beurteilung des Gesamtvorgangs der Durchsuchung und der dabei sichergestellten Gegenstände lässt sich vorliegend mithin erst nach Abschluss des weiter anhängigen Strafverfahrens wegen des Verdachts nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG treffen.c

c) Der Antragsteller ist deshalb gehalten, seinen Antrag auf Feststellung einer Entschädigungspflicht gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, wenn auch das derzeit noch anhängige Verfahren wegen eines Verstoßes nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG abgeschlossen ist. Zuständig für die dann zu treffende Entscheidung ist dass für das Verfahren wegen der Tat nach § 45 AufenthG zuständige Gericht. (§ 9 Abs. 1 S. 1 StrEG; vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 1999, 52).“

Rücknahme der Anklage und vorgerichtliche Verfahrensgebühr, oder: Rückgrat

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Heute am Gebührenfreitag dann zunächst eine Entscheidung des AG Passau. Zwar nur ein Kostenfestsetzungsbeschluss, der AG Passau, Beschl. v. 13.08.2019 – 5 Ds 25 Js 1540/17 jug. – ist aber insofern interessant, weil der Rechtspflger „Rückgrat gezeigt“ und trotz der Einwände des Bezirksrevisors die vom Kollegen beantragten Gebühren festgesetzt hat.

Der Kollege Wamser aus Passau, der mir den Beschluss geschicht hat, teilt zum Sachverhalt – der ergibt sich nicht so umfassend aus dem Beschluss – mit:

Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage zum Jugendrichter wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben, der Kollege wurde nach Zustellung der Anklage mandatiert, die Akteneinsicht bestätigte die Version des Mandanten, dass er eigentlich der Zeuge war und nicht der Täter. Das wurde im Zwischenverfahren so mitgeteilt, dann passierte erst einmal nichts mehr. Eine spätere erneute Akteneinsicht ergab, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage nach Beratung durch das Gericht zurückgenommen und das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte, worüber niemand eine Mitteilung erhielt.

Der Kollege hat dann Antrag gemäß § 467a Abs. 1 StPO, sodann Kostenfestsetzungsantrag mit den jeweiligen Mittelgebühren gestellt. Im Kostenfestsettzungsverfahren wurde dann vom Bezirksrevisor u.a. eingewandt, dass die geltend gemachte Nr. 4104 VV RVG überhaupt nicht angefallen wäre, weil unmittelbar nach Rücknahme der Anklage eingestellt wurde. Der Rechtspfleger hat diese nun, was zutreffend ist, festgesetzt:

Auch die infrage gestellte Gebühr Nr. 4104 VV RVG, mit ihr folglich auch die Aufwandspauschale Nr. 7002 VV RVG, ist entstanden.

Zwar wurde die Anklage zurückgenommen und das Ermittlungsverfahren damit auch eingestellt, sodass in der Zeit zwischen Rücknahme und Einstellung keine Tätigkeit des Verteidigers entwickelt werden konnte, die das Entstehen der Gebühr auslösen würde, aber auch Tätigkeiten nach der Einstellung sind dazu geeignet, die betreffende Gebühr entstehen zu lassen, vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Rn. 7 zu Nr. 4104 VV RVG. Hier war das mit der Vornahme einer Akteneinsicht und der dann folgenden Beantragung einer entsprechenden Kostengrundentscheidung jedenfalls gegeben.“

StPO II: Eröffnung nur in Zweierbesetzung, oder: reicht nicht = Einstellung

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Die zweite StPO-Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 18.07.2019 – 4 StR 310/19, behandelt einen Selbstläufer, der ganz gut in meine früher betriebene Rubrik „Klassischer Fehler“ gepasst hätte.

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln  verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten stellt der BGH einen Teil der Vorwürfe ein. Begründung:

„Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, da es hinsichtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 5. November 2018, die der im angefochtenen Urteil erfolgten Verurteilung des Angeklagten zugrunde liegt, an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.

Über die Eröffnung der durch Einreichung einer Anklageschrift bei Gericht gemäß § 170 Abs. 1 StPO erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Franken-thal (Pfalz) vom 5. November 2018 hat das Landgericht in der Hauptverhandlung, die gegen den Angeklagten wegen der Vorwürfe aus der ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 13. Juli 2018 geführt worden ist, in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage, auch wenn sie in bereits laufender Hauptverhandlung vorgenommen wird, von der Großen Straf- oder Jugendkammer stets in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, mithin mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen (§ 199 Abs. 1 StPO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 33b Abs. 1 und 7, § 33a Abs. 2 JGG) zu treffen. Ergeht die Entscheidung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung, ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. November 2005 – 4 StR 418/05, BGHSt 50, 267; Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250; Beschluss vom 28. Juli 2015 – 4 StR 598/14, wistra 2015, 443, 444), was ein im selben Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis zur Folge hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, NStZ 2016, 747 mwN) und demgemäß zur Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO führt.

Die Verfahrenseinstellung erfasst auch die Anklagevorwürfe aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 5. November 2018, welche die Jugendkammer nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt hat. Denn die Teileinstellung des Verfahrens war, da die Tatvorwürfe mangels wirksamer Eröffnungsentscheidung nicht zum Gegenstand des Hauptverfahrens geworden sind, ebenfalls unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2018 – 5 StR 133/18, StraFo 2018, 471; vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13).“

Wie gesagt, klassischer = häufiger Fehler in den Fällen der sog. Zweierbesetzung. Allerdings meist ein Fehler, der in der Regel nicht zu einer dauerhaften Einstellung führt. Denn es kann erneut Anklage erhoben werden, worauf der BGH auch hier – leicht versteckt 🙂 – hinweist:

„Im Hinblick auf die umgehend zu erwartende Erhebung einer neuerlichen Anklage, weswegen der Verfahrenseinstellung ihrem sachlichen Gehalt nach nur ein vorläufiger Charakter zukommt, sowie die Möglichkeit der Wiedereinbeziehung von Anklagevorwürfen aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 13. Juli 2018 nach § 154 Abs. 4 StPO sieht der Senat keine Veranlassung zu einer eigenen Haftentscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 – 3 StR 280/11 Rn. 11; vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, aaO; vom 22. Juni 1994 – 3 StR 457/93, NJW 1994, 2966). Die insoweit erforderlichen richterlichen Entscheidungen bleiben dem Tatgericht überlassen.“

Auslagenentscheidung zu Lasten des Betroffenen, oder: Hättest dich beim AG „ummelden“ müssen?

Und als dritte Entscheidung am heutigen Dienstag dann noch eine AG-Entscheidung, und zwar der AG Hanau, Beschl. v.  28.052019 – 50 OWi 2265 Js 2515/19 -, den mir ebenfalls der Kollege hein aus Bad Vilbel geschickt hat.

Das AG hat das Verfahren gegen die Betroffene wegen Verjährung eingestellt. Der Bußgeldbescheid sei am 12.12.2018 erlassen, der Betroffenen aber nicht wirksam zugestellt worden, da sie zum Zeitpunkt der Zustellung bereits an der Zustellungsänschrift in der pp., nicht  mehr amtlich gemeldet war.

Das AG hat dann aber die entstandenen Auslagen der Betroffenen selbst auferlegt:

Die Auslagen der Betroffenen waren gem. § 467 Abs. 1. StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG der Betroffenen selbst aufzuerlegen. Von der gesetzlichen Grundentscheidung, dass bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses die Auslagen, von der Staatskasse getragen werden, kann nur im Ausnahmefall des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO abgewichen werden, welcher voraussetzt, dass bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses eine Verurteilung erfolgt wäre. Eine entsprechende Feststellung kann in der Regel erst aufgrund einer vollständig bis zur Schuldspruchreife durchgeführten Hauptverhandlung erfolgen, sodass für eine Auferlegung der eigenen Auslagen bei einer Einstellung nach § 206a StPO vor der Durchführung einer Hauptverhandlung häufig kein Raum ist. Ausgeschlossen ist dies indes nicht, sofern nach Aktenlage ein erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei einer gedachten Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zu einer prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 5A 1.1999, Az.: StB 1/99, OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 17.04.2002 — 2 Ws 16/02). Dies war hier der Fall, da nach Aktenlage mit den vorliegenden Beweismitteln ein Geschwindigkeitsverstoß im standardisierten Messverfahren gegeben war und mit einer Verurteilung zu rechnen gewesen wäre. Des Weiteren bestanden nach Aktenlage und vorläufiger Wertung keine Hinweise darauf, dass die Betroffene nicht die Fahrzeugführerin zum Zeitpunkt des Geschwindigkeitsverstoßes war.

Entsprechende Feststellungen rechtfertigen aber noch nicht für sich genommen das Abweichen von der Regel des § 467 Abs. 1 StPO, sondern ermöglichen lediglich den Spielraum für eine Ermessensentscheidung nach § 467 Abs. 3 S. 2 StPO. Danach bedarf es für die Abweichung von der Regelwirkung des Abs. 1 weiterer Gründe, aufgrund derer die Belastung der Staatskasse mit den Auslagen des Betroffenen unbillig erscheint. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn seitens des Betroffenen ein vorwerfbares prozessuales Verhalten vorliegt, welches zu dem Verfahrenshindernis führt oder dessen Erkennbarkeit verhindert (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 30.10.1990, Az.: 2 Ws 528/90).

Dies war hier der Fall, da die Betroffene offenbar von dem Bußgeldverfahren gegen sie Kenntnis erlangt und das Anhörungsschreiben erhalten hatte, da sich bereits vor Erlass des Bußgeldbescheids. mit Schriftsatz vom 26.10.2018 ihr Verteidiger unter Nennung des Aktenzeichens des Regierungspräsidiums Kassel meldete. Da es sich nach dem eigenen Vortrag bei der Zustellanschrift um die ehemalige Ehewohnung handelt, erschien die Zustellung auch deshalb erfolgreich, da offenbar Post für die Betroffene dort noch eingeworfen werden konnte, da weder der Anhörungsbogen in Rücklauf geriet, noch der Zustellversuch laut Zustellungsurkunde erfolglos war. Nachdem die Betroffene, von dem Verfahren Kenntnis hatte, wäre es ihr möglich und zumutbar gewesen, dafür zu sorgen, dass Zustellungen an sie getätigt werden können.“

Na, ob das so zutreffend ist? Ich habe jedenfalls Bedenken, ob der Betroffene verpflichtet ist, sich beim AG „umzumelden“. Abgesehen davon: Der Kollege teilte mit, dass die Betroffene es hier getan hat hatte. Dann ist die Entscheidung erst recht unverständlich.

Im Übrigen: Wieso „selbständiges Einzeihungesverfahren“? Das passt nicht zu den Beschlussgründen. Und: Wo ist die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens?

Keine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides, oder: Die Vollmacht gehört nicht in die (Gerichts)Akte

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Als zweite Entscheidung des Tages dann eine weitere AG-Entscheidung, und zwar der AG Paderborn, Beschl. v. 22.07.2019 – 76 OW1-31 Js 846/19-117/19, den mir der Kollege T.Hein aus  Bad Vilbel geschickt hat.

Das Verfahren gegen seinen Mandanten ist wegen Verjährung eingestellt worden. Begründung des AG:

„Gegen die Betroffene ist am 19.03.201.9 ein Bußgeldbescheid erlassen worden, gegen den sie rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.

Die weitere Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, weil inzwischen Verjährung eingetreten ist. Die letzte Verfolgungsverjährung unterbrechende
– Handlung – ist die Abgabe der Sache durch die Staatsanwaltschaft an die
Verwaltungsbehörde, § 33 Abs. 1 Nr. 8 ZPO am 11.03.2019, (BI. 26 d.A.).

Der Bußgeldbescheid ist nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, sodass es hier nicht zu einer erneuten Unterbrechung der Verjährung kommen konnte. Gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als zustellungsbevollmächtigt. Eine solche Vollmacht befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung nicht bei der Akte, die anwaltliche Versicherung der Beauftragung der Verteidigung genügt als Nachweis der Zustellungsvollmacht nicht.

Eine wirksame Zustellung an die Betroffene selbst lässt sich der Akte nicht entnehmen.

Was lernen wir mal wieder daraus: Die Vollmacht gehört nicht in die (Gerichts)Akte. Die bleibt zuhause.

Offen ist dann aber noch die Frage der „notwendigen Auslagen“. Das AG hat „nur“ „auf Kosten der Staatskasse eingestellt“.