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Kosten und Auslagen beim Betroffenen? , so einfach geht das nicht mehr….

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Als Verteidiger in (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldsachen sollte man in Zukunft den BVerfG, Beschl. v. 13.10.2015 – 2 BvR 2436/14 – kennen. Sie hat hoffentlich Auswirkungen auf die Kosten- und Auslagenentscheidungen in der Fällen der Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG. Entschieden hat das BVerfG einen Fall, in dem gegen den Betroffenen in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer GmbH ein Bußgeldbescheid erlassen war. Dagegen hatte er Einspruch eingelegt. Das AG hat das Verfahren, ohne den Betroffenen dazu anzuhören, außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss gem. § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Dem Betroffenen wurden die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen auferlegt, weil dies der Sach- und Rechtslage angemessen erscheine. Das AG hat das – wie so oft – nicht weiter begründet. Der Betroffene hatte mit einer gegen den Beschluss erhobenen Anhörungsrüge keinen Erfolg. Auf die Verfassungsbeschwerde des Betroffenen hat das BVerfG dann aber die Kostenentscheidung des Einstellungsbeschlusses aufgehoben.

Und hat m.E. „markige Worte“ gefunden, wenn es dem AG einen Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG vorhält, die Entscheidung für „offensichtlich fehlerhaft“ hält, weil sie von vornherein jeder gesetzlichen Grundlage entbehre. Und: Insbesondere sei der pauschale Verweis des AG auf die „Sach- und Rechtslage“ ohne jeden sachlichen Gehalt. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens sei daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verständlich und schlechthin unvertretbar.

Wie gesagt: Die Entscheidung räumt hoffentlich mit den – vorschnellen – Kosten- und Auslagenentscheidungen der AG bei Einstellungen nach § 47 Abs. 2 OWiG auf, in denen nicht selten die Kosten und auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen diesem auferlegt werden, ohne dass dafür eine – nähere – Begründung gegeben wird. Die Entscheidung des BVerfG betrifft zwar in erster Linie nur die Kostenentscheidung. Das BVerfG ist jedoch davon ausgegangen, dass der von ihm angenommene Verfassungsverstoß auch die ebenfalls angegriffene Entscheidung des AG über die notwendigen Auslagen des Betroffenen erfasst hat. Gem. § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG hat die nach Einstellung eines Bußgeldverfahrens zu treffende Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen grundsätzlich dahingehend auszufallen, dass diese zu Lasten der Staatskasse gehen. Zwar kann oder muss hiervon in einigen gesetzlich geregelten Fällen abgesehen werden (§ 109a Abs. 2 OWiG, § 467 Abs. 2 bis Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG). Der Entscheidung des AG über die notwendigen Auslagen ließ sich – so das BVerfG – jedoch nicht einmal im Ansatz entnehmen, aus welchem Grunde diese dem Betroffene auferlegt wurden.

Und: Geholfen hat dem AG hier auch nicht, dass § 47 Abs. 2 OWiG eine Ermessensvorschrift ist, für die § 467 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG gilt. Danach kann das Gericht zwar davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es das Verfahren nach einer Vorschrift einstellt. Und dabei darf nach der Rechtsprechung des BVerfG auf die Stärke des Tatverdachts abgestellen, es darf aber ohne prozessordnungsgemäße Feststellung keine Schuldzuweisung vornehmen (vgl. dazu a. Gieg in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., 2015, Rn. 1163 m.w.N.). Das bedeutet, dass die Entscheidung begründet werden muss. Das hatte das AG hier jedoch eben nicht ausreichend getan, sondern nur mit dem formelhaften Hinweis gearbeitet, dass ihm seine Auslagenentscheidung aufgrund der „Sach- und Rechtslage angemessen“ erschien.

Ein Wermutstropfen bleibt: In den Fällen der Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG stehen dem Betroffene Rechtsmittel nicht zur Verfügung (§ 47 Abs. 2 Satz 3). Er hat nur die Möglichkeit Anhörungsrüge zu erheben und, wenn die – wie hier – nicht fruchtet, dann eben den Weg der Verfassungsbeschwerde zu beschreiten.

Erkennungsdienstliche Behandlung: Einstellung ist nicht gleich Einstellung?

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Viele Mandanten/ehemalige Beschuldigte denken nach der Einstellung eines gegen sie anhängigen Ermittlungsverfahrens: Das war es. Jetzt habe ich Ruhe. Und sie sind dann überrascht, wenn dann doch noch eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO angeordnet wird und fragen: Geht das?

So auch der Kläger im Verfahren, das dann zum VG Münster, Urt. v. 27.05.2015 – 1 K 115/14 – geführt hat. Er war Beschuldigter in einem  Ermittlungsverfahren wegen Nachstellung. Ihm wurde vorgeworfen über einen längeren Zeitraum (mindestens von August bis Oktober 2013) versucht haben, sowohl seine ehemalige Ehefrau als auch seine Ex-Freundin unabhängig voneinander durch Drohungen und Einschüchtern mittels ständiger (auch nächtlicher) SMS, Anrufe und via Internet dazu zu bewegen, die Trennung rückgängig zu machen bzw. die Beziehung aufrecht zu halten.Das Ermittlungsverfahren wurde im November 2013 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und die Anzeigeerstatterinnen/Geschädigten wurden auf den Privatklageweg verwiesen. In der Vergangenheit waren gegen den Kläger zudem auch noch weitere Ermittlungsverfahren anhängig gewesen, die sämtlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind.

Das VG Münster hat dem Kläger die Antwort auf die seine Frage: Geht das?, gegeben. Ja es geht, und zwar grdunsätzlich auch noch nach Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO:

„Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen auch nicht entgegen, dass sämtliche Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Entscheidend ist allein, ob ein hinreichender Verdacht besteht, die betroffene Person werde künftig wieder straffällig werden. Ein solcher (Rest-)Verdacht kann auch dann vorliegen, wenn alle Strafverfahren gegen die betroffene Person eingestellt worden sind.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 2002 – 1 BvR 2257/01-, […], Rn. 11; VGH Mannheim, Beschluss vom 20. Februar 2011 – 1 S 2054/00 -, NVwZ 2001, 1289 (1290); Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 14 Rn. 11.

Gegen den Kläger besteht nach den obigen Ausführungen nach wie vor ein „Restverdacht“. Aus den ausführlichen Darlegungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 00.00.0000und den in den übersandten Verwaltungsvorgängen enthaltenen Strafanzeigen ergibt sich, dass gegen den Kläger seit 2009 insgesamt acht strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt wurden. Der Restverdacht beruht – wie oben bereits geschildert – insbesondere auf den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wegen Nachstellung. Die gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden nicht nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil der Kläger die Taten erwiesenermaßen nicht begangen hat, sondern weil oftmals Aussage gegen Aussage stand oder weil – wie im Fall der Nachstellung – eine Anklageerhebung nicht im öffentlichen Interesse lag.“

Nun, so ganz überzeugend ist das für mich nicht. Einstellung ist also nicht gleich Einstellung?

Ich habe da mal eine Frage: Zwei zusätzliche Gebühren oder: Nr. 4141 VV RVG und Nr. 5115 VV RVG?

Fotolia © AllebaziB

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Bevor nun alle in das lange Pfingstwochenende entschwinden, will ich dann doch – vielleicht hat ja der ein oder andere über Pfingsten ein wenig Zeit – schnell noch mein „Freitagsrätsel“ veröffentlichen (lassen). Dieses Mal ganz kurz. Der Kollege schrieb:

Sehr geehrter Herr Burhoff,
kurze Frage:
„..das Ermittlungsverfahren gegen Ihren Mandanten habe ich gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt.
Hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit erfolgte Einstellung gemäß § 47 Ordnungswidrigkeitengesetz…“
4100, 4104, 4141,
5115?

Ich denke, die Lösung sollte auch ohne den heiligen Geist zu finden sein 🙂 .

Edathy und die Folgen: Keine Geldbuße – vom AG Bochum – mehr für den Kinderschutzbund!

© mpanch - Fotolia.com

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Für Sebastian Edathy mag das Strafverfahren gegen ihn ein Ende gefunden haben. Er hat die Geldauflage von 5.000 € gezahlt und das Verfahren ist dann vom LG Verden endgültig eingestellt worden (vgl. hier). Noch nicht zu Ende ist das Verfahren – im übertragenen Sinn – allerdings wohl für den Kinderschutzbund. Wir erinnern uns: Der hatte die Entgegennahme der Geldbuße abgelehnt. Begründung: Die Einstellung des Verfahrens sei ein „fatales Signal“, es entstehe so der Eindruck, dass es möglich sei, sich von Vergehen gegen Kinder freikaufen zu können. Das entsprach so ungefähr dem Meinungsbild an vielen Stellen.

Nun: Unter dieser Entscheidung hat der Kinderschutzbund jetzt/in Zukunft dann wohl zu leiden. Die WAZ berichtet nämlich über den (von mir sehr geschätzten) Kollegen Dr. Deutscher beim AG Bochum, und zwar unter der Überschrift: „Richter schneidet Kinderschutzbund von Geldauflagen ab„.  Der Kollege Dr. Deutscher hat danach in einem Verfahren wegen Kinderpornografie einen Antrag der Staatsanwältin abgelehnt, „eine finanzielle Bewährungsauflage an den Kinderschutzbund fließen zu lassen. „Der kriegt von mir nichts mehr. So ein unprofessionelles Verhalten habe ich selten erlebt. Das hat mich umgehauen.

Ich bin gespannt, ob das Schule macht. Dann könnte es für den Kinderschutzbund teuer werden. Verstanden habe ich die Entscheidung im Verfahren Edathy übrigens auch nicht. Man kann lange darüber diskutieren, ob es richtig ist, solche Verfahren einzustellen. Nur: Die Entscheidung war gefallen, so dass sich für mich die Frage des Freikaufens nicht (mehr) stellte. Und § 153a StPO macht nun mal keine Einschränkungen dahin, dass bestimmte Verfahren nicht gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt werden können.

Nochmals: Der „rasende bayerische Notarzt“ – dürre Einstellungsentscheidung

entnommen wikimedia.org Urheber Bubinator

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Urheber Bubinator

Ich erinnere: Da hat es vor einigen Wochen die Diskussion um den Strafbefehl gegen einen „rasenden bayerischen Notarzt“ gegeben. Den hatte das AG Neuburg a.d. Donau gegen den Notarzt erlassen. Nach einem „Shit-Storm“ in den Medien ist das Verfahren gegen den Notarzt dann aber von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. In den Blogs sind die damit zusammenhängenden Fragen mehr oder weniger heftig diskutiert worden (vgl. z.B. hier Staatsanwaltschaft zieht Strafbefehl gegen Notarzt nach Online-Protesten zurück) . Ich hatte mich dazu „enthalten“, greife das Thema aber jetzt noch einmal auf.

Grund für meine Enthaltsamkeit war, dass ich bei solchen Themen immer lieber erst die Entscheidungen sehe und ungern zu PM ö.Ä. blogge (von Ausnahmen mal abgesehen). Inzwischen habe ich mir die maßgeblichen Entscheidungen aber besorgen können (manchmal sind Connections, die man aufgrund von „Auftritten“ in FA-Kursen hat, ganz hilfreich 🙂 ). Ich stelle sie dann hier ein.

Der Strafbefehl des AG Neuburg a.d. Donau aus Januar 2015, durch den eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 150 € festgesetzt worden war, lautet:

Die Staatsanwaltschaft legt Ihnen folgenden Sachverhalt zur Last:

Sie fuhren am 23.04.2014 gegen 13.30 Uhr mit dem Pkw Notarztfahrzeug, Kennzeichen XXXX, auf der St 2043 im Bereich Neuburg a.d.Donau mit hoher Geschwindigkeit, wobei Sie sich in einem Notarzteinsatz befanden und das Blaulicht eingeschaltet hatten.

Auf Höhe Abschnitt 140 – Km 0,500 im Bereich der Abzweigung Am Kreuz kurz nach der Ort­schaft Zell überholten Sie ein rechtsabbiegendes Fahrzeug und scherten dabei – nur auf Ihr schnelleres Fortkommen bedacht – nahezu ungebremst auf die Gegenfahrbahn aus, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt Fahrzeuge im Gegenverkehr näherten. Dies hatte zur Folge, dass der mit dem Pkw VW, a. Kz. XXXXXX entgegenkommende Zeuge ZZZZZZ, sowie auch der hinter ihm mit dem Pkw Saab, a. Kz. ZZZZZZZ fahrende Zeuge ZZZZZZ scharf abbremsen und nach rechts ins Bankett ausweichen mussten, um einen Zusammenprall mit Ihrem Fahr­zeug zu verhindern. Nur durch die sofortigen Ausweichreaktionen der Geschädigten konnte ein Unfall verhindert werden.

Dies hätten Sie bei Beachtung der auch für einen Arzt im Noteinsatz geltenden Sorgfaltspflich­ten im Verkehr erkennen und verhindern können.“

Und die Einstellungsverfügung der StA vom 02.03.2015 lautet:

„….in dem oben genannten Verfahren habe ich mit Verfügung vom 27.02.2015 folgende Entschei­dung getroffen:

Das Ermittlungsverfahren wird gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Hinsichtlich der Ordnungswidrigkeiten wird das Verfahren nach §§ 46 OWiG, 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Gründe:

Dem Beschuldigten liegt zur Last, am 23.04.2014 gegen 13.30 Uhr auf der Staatsstraße 2043 im Bereich Neuburg/Do. bei einer Einsatzfahrt mit einem Notarztwagen trotz Gegen­verkehr ein rechts abbiegendes Fahrzeug überholt zu haben und dadurch zwei entgegen­kommende Pkws bei voller Fahrt zum Ausweichen ins Bankett gezwungen zu haben, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern. Der Beschuldigte selbst hat sich inzwi­schen in einer schriftlichen Stellungnahme seines Verteidigers zum Vorwurf geäußert.

Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Ermittlungsergebnisses einschließlich der Angaben der beiden Zeugen und der Stellungnahme des Beschuldigten ist als Ergebnis festzustellen, dass das Vorliegen einer Straftat beziehungsweise Ordnungswidrigkeit nicht feststellbar ist.

Etwaige zivilrechtliche Ansprüche werden durch diese Entscheidung nicht berührt.“

Schade, von der Einstellungsverfügung hatte ich mir mehr Inhalt erhofft als nur die Feststellung: „Straftat …. nicht feststellbar“; in den Handakten der StA steht wahrscheinlich mehr 🙂 . Da schließt sich dann aber doch die Frage an: Hätte man das nicht auch in der Zeit zwischen der angeblichen Tat im April 2014 und dem Erlass des Strafbefehls im Januar 2015 auch schon feststellen können? Was hatte sich nach dem Erlass des Strafbefehls verändert, was nicht schon vorher bekannt war und dem Antrag auf und dem Erlass des Strafbefehls entgegen gestanden hat? Alles in allem eine recht dürre Einstellungsentscheidung. Den Notarzt wird es nicht stören. Die Kuh ist für ihn (strafrechtlich) vom Eis.