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Peinlich, peinlich für die Schwurgerichtskammer – Einlassung des Angeklagten übersehen

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Ebenso peinlich wie für die Verteidigerin im Verfahren BGH 1 StR 252/13 der BGH, Beschl. v.08.08.2013 – 1 StR 252/13 –war, ist m.E. für das Schwurgericht des LG Ulm der BGH, Beschl. v. 16.05.2013 – 1 StR 79/13. Das LG hat Angeklagten wegen dreifachen versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, u.a. zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten dringt mit einer Verfahrensrüge durch. Denn: Das Schwurgericht hat die Einlassung des Angeklagten übersehen:

„Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

In den Feststellungen hat die Schwurgerichtskammer aufgeführt: „Zum Sachverhalt hat der Angeklagte bis zuletzt keine Angaben gemacht“ (UA S. 19).

Demgegenüber macht die Revision, bestätigt vom Hauptverhandlungsprotokoll vom 15. Oktober 2012, unwidersprochen geltend, dass der Verteidiger an diesem Tag für den Angeklagten eine schriftlich vorbereitete Erklärung abgegeben hat, wobei sich der Angeklagte auf Nachfrage diese Erklärung ausdrücklich zu eigen gemacht hat.

In Überlegungen darüber, ob und wie es sich auf die Feststellungen ausgewirkt hätte, wenn diese – als Anlage zum Protokoll genommene – Erklärung, die sich vor allem auf die subjektive Tatseite, aber auch auf die Verhältnisse am Tatort bezieht, von der Strafkammer in ihre Erwägungen einbezogen worden wäre, tritt der Senat nicht ein, da ihm eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist.

Zack, das war es. Auch ohne Worte.

„Butter bei die Fische“ – wenn Dritte gefahren sein sollen, muss man schon konkret werden

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Da muss man als Betroffener/Verteidiger schon konkret werden, wenn behauptet werden soll bzw. wird, dass nicht der Betroffene sondern auch ein Anderer/Dritter zum Vorfallszeitpunkt gefahren sein soll. Allgemeine Behauptungen helfen da nicht und zwingen das AG auch nicht zu einer Auseinandersetzung mit dieser Möglichkeit. Das folgt aus einem Zusatz zum OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2012 – III 1 RBs 128/12:

„Soweit der Betroffene nunmehr nachträglich noch eine Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, ist – unabhängig von der Verfristung dieser Rüge – anzumerken, dass sich das Amtsgericht mit der Einlassung des Betroffenen, dass auch Dritte gefahren sein könnten, auseinandergesetzt hat. Einer breiten Auseinandersetzung mit dieser – angesichts der Dürftigkeit der Einlassung des Betroffenen hierzu – rein hypothetischen Möglichkeit bedurfte es nach §§ 261 StPO, 71 Abs. 1 OWiG nicht (vgl. nur: BGH Beschl. v. 09.10.2002 – 2 StR 297/02). Nach den – für den Senat maßgeblichen – Feststellungen im angefochtenen Urteil wurde eine konkrete Möglichkeit der Nutzung des Fahrzeugs des Betroffenen durch Dritte zum Tatzeitpunkt (etwa Entwendung des Fahrzeugs, andere Familienmitglieder) nicht behauptet. Der lediglich als „in Betracht kommend“ dargestellte Sohn des Betroffenen wurde vom Amtsgericht als Fahrer ausgeschlossen.

Also: „Butter bei die Fische“ – und die näheren Umstände mitteilen/vortragen.

Manchmal gefällt auch dem 1. Strafsenat des BGH etwas nicht..

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Manchmal versteht man die Gedankengänge von Tatrichtern erst beim zweiten lesen.So die in einem Urteil des LG Mosbach, das jetzt den BGH beschäftigt hat und zu dem sich der BGH, Beschl. v. 05.09.2012 – 1 StR 324/12 – verhält.

Zum Sachverhalt: Es kommt zu einer Auseinandersetzung, zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten, in deren Verlauf der Geschädigte nicht unerheblich verletzt wird. Der Angeklagte wird von der herbei gerufenen Polizei in der Nähe des Ortes der Auseinandersetzung angehalten anhalten und angesprochen. Er gibt nur an, mit dem Vorfall nichts zu tun zu haben.

Diese Angabe des Angeklagten gegenüber der Polizei unmittelbar nach der Tat hat die Strafkammer als „ein nicht unwesentliches Indiz für die Täterschaft des Angeklagten“ angesehen. Erst im Rahmen der Hauptverhandlung hatte er sich auf Notwehr berufen. Demgegenüber hatte sich der Angeklagte bei einer anderen Auseinandersetzung im Januar 2004 zunächst mit einem Bierkrug verteidigt und war danach zum Gegenangriff übergegangen. Aber im Gegensatz zu der vorliegenden Tat sei er – so die Strafkammer – damals am Tatort geblieben und habe sich gegenüber der eintreffenden Polizei sofort auf Notwehr berufen.

Das gefällt dem BGH nicht:

Der Senat versteht die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil so, dass die Berufung des Angeklagten auf das Vorliegen einer Notwehrsituation deswegen nicht überzeugend gewesen sei, weil er bei einem einige Jahre zurückliegenden Vorfall sich sogleich auf Notwehr berufen, während er hier zunächst eine Tatbeteiligung abgestritten habe. Danach ist zu besorgen, dass der Tatrichter aus dem ursprünglichen, einem Schweigen gleichzusetzenden pauschalen Abstreiten einer Tatbeteiligung durch den Angeklagten einen Schluss zu dessen Nachteil gezogen hat. Solches wäre unzulässig (BGHSt 38, 302, 305, 307; BGH StV 1994, 413, vgl. auch Eschelbach in Graf, StPO, 2. Aufl. 2012, § 261 Rn. 16 mwN). Nichts anderes gilt auch dann, wenn – wie hier – der Angeklagte sich in einem früheren Verfahren von Beginn an auf Notwehr berufen hat.

Selbst wenn die Formulierung „… ist ein nicht unwesentliches Indiz für die Täterschaft …“ darauf hindeutet, dass die Überzeugung der Strafkammer nicht allein auf seinem Aussageverhalten beruht, kann der Senat, dem eine ei-gene Beweiswürdigung verwehrt ist, nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne Berücksichtigung dieses Umstands zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Und das beim 1. Strafsenat des BGH, der doch sonst fast immer alles ausschließen kann :-(.

Beweiswürdigung – es fehlte mal wieder das Basiswissen

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Gestern ist bereits über den OLG München, Beschl. v. 31.07.2012 – 5 Stt RR (I) 32/12 – berichtet worden, den der Kollege Sprafke gegen ein Urteil des LG Augsburg erstritten hat (vgl. hier der Beitrag des Kollegen: „Revision greift durch…„). Den Beschluss hat er mir dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt, so dass auch ich über ihn berichten kann.

  • Es geht um an sich ganz einfache Fragen der Beweiswürdigung, die das LG nicht beachtete hatte. Es sind zwei zentrale Punkte die das OLG angesprochen hat. Und zwar zunächst die Frage der Beweiswürdigung im Fall der Aufklärungshilfe, wenn der „Helfer“ § 31 BtMG in Anpruch nimmt bzw. zugebilligt bekommen hat. Da greift das OLG auf die insoweit maßgeblichen Grundsätze der Rechtsprechung zurück. Die besagen:  In einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben eines anderen Tatbeteiligten überführt werden soll, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle entscheidungserheblichen Umstände erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und im Rahmen einer Gesamtwürdigung gewürdigt hat. Ein wesentlicher Gesichtspunkt hierbei ist, ob sich der tatbeteiligte Zeuge im Hinblick auf § 31 BtMG von seiner Aussage Vorteile versprochen hat. Liegt m.E. als offensichtlich auf der Hand und sollte von einer Berufungskammer auch beachtet werden.
  • Noch offensichtlicher ist m.E. der zweite Punkt, den das OLG moniert: Es vermisst die Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten, der die Tat nicht nur pauschal bestritten hatte. Letzteres ist für die Vollständigkeit der Beweiswürdigung allein schon deshalb erforderlich, weil das Revisionsgericht sonst nicht prüfen kann, warum und wieso das Tatgericht der Einlassung des Angeklagten nicht gefolgt ist und ob die Gründe dafür stichhaltig sind.

Ich will an sich nicht schon wieder schreiben: Basiswissen, das fehlt, aber leider ist es so. 🙂

Si tacuisses…

dann hätte es ja vielleicht geklappt, so aber war deine Einlassung zum Scheitern verurteilt, jedenfalls hat man dir nicht mehr geglaubt.

Auch mal wieder ein Beispiel für (abgewandelt) „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, ist BGH, Beschl. v. 08.06.2011 – 4 StR 151/11, in dem sich der BGH in einem Zusatz mit der Problematik „Reden/Schweigen/Einlassungswechsel kurz auseinandersetzt. Dort heißt es:

„Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Rüge, das Landgericht habe fehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten verwertet, dass dieser sich erst elf Monate nach dem Vorfall in der Hauptverhandlung auf Notwehr berufen habe, bleibt ohne Erfolg. Dieses Verhalten konnte gewürdigt werden, nachdem sich der Angeklagte im Ermittlungsverfahren gegenüber PK K. zum Tatvorwurf geäußert hatte. Aus der Äußerung „Ich sage nur eins: der hat es verdient! Sonst sage ich nichts ohne meinen Anwalt“ durfte der Tatrichter den Schluss ziehen, dass sich der Angeklagte bei seiner Erstvernehmung nicht auf Notwehr berufen hat (UA S. 31). Es handelte sich nicht um einen Fall später Einlassung nach anfänglichem Schweigen, sondern um den eines Wechsels der Einlassung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 18 a.E.; BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 3 StR 309/09, NStZ-RR 2010, 53).“

Und den darf man eben verwerten.