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Beweiswürdigung: Über eine DNA-Spur kommt man nur schwer hinweg…

DNA-Spuren sind immer verhältnismäßig „sichere BeweismitteL“ – ein Kollege sprach neulich von einem „todsicheren“ und meinte damit, dass damit das Verfahren „tot“  sei für den Angeklagten, die Verurteilung also sicher sei Jedenfalls liest man selten, dass Gerichte trotz DNA-Spuren frei sprechen. Das hatte das LG Kaiserslautern getan, dem der BGH im BGH, Beschl. v. 12.02.2012 – 4 StR 499/11 – allerdings bescheinigt hat, dass das rechtsfehlerhaft war, weil das LG die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung überspannt hätte. Der BGH führt u.a. aus:

„a) Die Erwägungen des Landgerichts, warum eine aktive Beteiligung des Angeklagten an der Tat vom 28. Juli 2009 trotz seiner eindeutigen Identifizierung als Spurenleger an einem am Tatort aufgefundenen 60 cm langen Klebe-band (Spur T06.06) nicht nachweisbar sei, lassen besorgen, dass es über-spannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, dass die DNA-Antragung bei einem Anlass erfolgt sei, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen zum Nachteil des L. stehe. Die DNA-Antragung befand sich an der gerissenen Seite des Klebebandes, während die andere Kante mittels eines Abrollers durchtrennt war. Aufgrund der generellen persönlichen Verflechtung des Angeklagten mit den Tätern bestehe die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass der Angeklagte die Klebebandrolle im anderen Zusammenhang in der Hand gehabt habe. Selbst wenn sich die gerissene Kante bei Tatbeginn noch im Rolleninneren befunden hätte, könne die DNA-Antragung seitlich der späteren Abrisskante erfolgt sein. Hierfür spre-che, dass die Täter bei der Tatausführung Gummihandschuhe getragen hätten, also darauf bedacht gewesen seien, keine Spuren zu hinterlassen……“

Und: Der BGH vermisst eine Gesamtwürdigung aller Umstände. Das darf jetzt eine andere Strafkammer des LG Kaiserslautern nachholen.

DNA passt – Basta, du warst es…

Ungefähr so hatte es sich offenbar die Strafkammer beim LG Aachen in ihrer Beweiswürdigung gedacht, die einem bestreitenden Angeklagten eine Verurteilung wegen der Beteiligung an einem Raubüberfall eingebracht hat. Dem LG lag ein DNA-Gutachten des LKA NRW vor. Auf das hatte die Strafkammer pauschal verwiesen. U.a. das beanstandet der BGH, Beschl. v. 12.10.2011 – 2 StR 362/11:

….Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssät-ze verstößt (BGH 4 StR 285/10 vom 28. Oktober 2010; st. Rspr.).

Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein „Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 30.3.2011 in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009“ verweist (UA 11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von DNA-Spurenträgern um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsanforderungen in den Urteilsgründen geringer sind, als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist, und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landgerichts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den Urteilsgründen neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung bedurft, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger in Be-tracht kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es re-gelmäßig jedenfalls eines Seltenheitswertes im Millionenbereich, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Ange-klagten herrührt (BGH NStZ 2009, 285).

Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landge-richt sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten entscheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. …...

Zunächts: Für alle die, die immer auf die Staatsanwaltschaft und den GBA schimpfen:..“Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung …“.

Und: DNA passt – basta, du warst es, geht so einfach nicht.

 

Kinderpornografie und DNA-Feststellung

§ 81g StPO lässt die DNA-Feststellung für zukünftige Verfahren zu. Voraussetzung ist eine Wiederholungsgefahr.

Das LG Darmstadt, Beschl. v. 28.03.2011 – 3 Qs 152/11 geht dazu davon aus, dass eine einmalige Aburteilung wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften nicht Annahme der Wiederholungsgefahr für eine DNA-Feststellung rechtfertig. Für die Anordnung einer Körperzellenentnahme für eine DNA-Untersuchung nach einem Sexualdelikt reiche das Vorliegen einer abstrakten Wahrscheinlichkeit eines künftigen Strafverfahrens nicht aus. Die Wahrscheinlichkeit sei aufgrund von Umständen des Einzelfalls, die sich aus der Art oder Ausführung der jeweiligen Taten, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstigen Erkenntnissen ergeben, durch das jeweils befasste Gericht konkret festzustellen. Insofern dürfe eine Negativprognose im Sinne der Rechtmäßigkeit einer solchen Entnahme nicht in abstrakter Weise allein deswegen angenommen werden, weil der Betroffene wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften verurteilt worden sei, wenn weitere Anhaltspunkte für eine Fortschreibung der Anlasstat nicht ersichtlich sind.

Also: Konkrete Einzelfallprüfung ist angesagt.

Zwei Fremdschamhaare, oder: Kombinierte Analyse von Kern-DNA und mitochondrialer DNA

Große Bedeutung misst der BGH offenbar seiner Entscheidung v. 03.11.2010 – 1 StR 520/10 bei. Das zeigt sich daran, dass sie zur Aufnahme in die amtliche Sammlung BGHSt bestimmt ist.

Stellung genommen hat der BGH zum Beweiswert einer kombinierten Analyse von Kern-DNA und mitochondrialer DNA. Zu entscheiden war über ein Urteil des Landgerichts Landshut, mit dem der Angeklagte jetzt wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war, nachdem ein zuvor erfolgter Freispruch durch das LG vom BGH auf die staatsanwaltschaftliche Revision kassiert und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen worden war (BGHSt 54, 15).

Dieses „zweite“ Urteil stützte sich auf die DNA-Untersuchungen von zwei an der Unterhose bzw. an den Strümpfen des Opfers sichergestellten Fremdschamhaaren. Nach der SV-Analyse stammte die aus der Wurzel eines Haares gewonnene Kern-DNA, d.h. die im Kern der menschlichen Zelle vorhandene Erbsubstanz, 1.000 Mal wahrscheinlicher vom Angeklagten als von einer anderen Person. Da das zweite Haar keine Wurzel mehr aufwies, konnte insofern nur die außerhalb des Kerns in den Mitochondrien enthaltende DNA (sog. mitochondriale DNA [mtDNA] ) untersucht werden. Insoweit ergab sich, dass diese – sowie ebenso die aus dem anderen Haar gewonnene – mtDNA 4.591 Mal wahrscheinlicher vom Angeklagten stammte als von einer anderen nicht über die mütterliche Linie mit ihm verwandten Person mit zufällig derselben Sequenz.

Der BGH führt aus, dass zur Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeit auf die nach wissenschaftlichen Maßstäben geführte Innsbrucker Datenbank EMPOP zurückgegriffen werden durfte. Denn in diese finden für die forensische Verwendung nur randomisierte Einzelproben Eingang, d.h. solche, die bereits auf der Basis von Populationsstudien erhoben worden sind, so dass die Datenbank einen repräsentativen Querschnitt der in Europa vorkommenden mtDNA-Sequenzen enthält.

Insofern ebenfalls sachverständig beraten durfte das Landgericht zudem zu der Einschätzung gelangen, dass die genannten Untersuchungsergebnisse der beiden unterschiedlichen Arten von Erbsubstanzen (UA S. 77) im Sinne der Produktregel dergestalt voneinander unabhängig sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 323; Beschluss vom 5. Februar 1992 – 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601, 602), dass sie als Faktoren miteinander kombiniert werden können. Es konnte daher im Rahmen seiner Beweiswürdigung als gewichtiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten ansehen, dass die sichergestellten Schamhaare im Ergebnis 4.591.000 Mal wahrscheinlicher von diesem stammen als von einer anderen, nicht über die mütterliche Linie mit ihm verwandten Person.

Hehlerei reicht nicht für DNA-Feststellung

In der Praxis macht die Vorschrift des § 81g StPO nicht selten Schwierigkeiten. Gemäß § 81g Abs. 1 StPO dürfen einem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind.

Das OLG Celle hat jetzt in einem Beschl. v. 07.12.2009 – 1 Ws 556/09 darauf hingewiesen, dass dafür eine Verurteilung wegen Hehlerei nicht ausreicht. Zwar störe die den Rechtsfrieden. Anlässlich des Begehens einer Hehlerei sei regelmäßig nicht mit dem Auffinden von DNA-Spuren zu rechnen, so dass die Entnahme von Körperzellen insoweit nichts bringe.