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Tabula rasa, oder: Warum klaue ich einen „Starenkasten“?

© lassedesignen - Fotolia.com

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In der örtlichen Presse, aber auch hier bei WDR-online, wird darüber berichtet, dass in der Nach von Sonntag auf Montag (20.01.2014) in Ibbenbüren Diebe einen „Starenkasten“ aus der Verankerung gerissen und mitgenommen haben. Also nicht nur die Kamera, sondern gleich das ganze Gerät. Dabei sollen/müssen die Täter wohl dass die Täter einen Traktor oder einen Radlader benutzt haben, um die Tempo-Messanlage beseitigen können.

Man fragt sich: Welchen Sinn hat eine solche Aktion?

  • Nun, auf der Hand liegt Vandalismus, obwohl mir dafür der Aufwand ein bisschen groß erscheint.
  • Dann könnte es darum gehen, die Messanlage zu verkaufen (?). Allerdings glaube ich, dass es kaum einen Markt für gestohlene Messanlagen gibt, selbst wann man unterstellt, dass die ein oder andere Gemeinde schon finanziell sehr klamm ist.
  • Da bleibt dann nur, dass Messfotos von einem Verkehrsverstoß, die mit der Überwachungskamera aufgenommen worden sind, beseitigt/vernichtet werden sollen. Das ist sicherlich eine endgültige Methode, um ein Verfahren vorab „einzustellen“, allerdings kann es, wenn man erwischt wird erheblich teurer werden als es mit einem ggf. drohenden Bußgeld werden könnte.
  • Oder: Es ist nachträgliche Rache an dem Starenkasten, weil er zu Überführung an einem früheren Geschwindigkeitsverstoß beigetragen hat.

Nächste Frage: Wo bleibt man mit dem Gerät bzw. wie entsorgt man es? Auch das ist eine spannende Frage.

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Klassiker I: Die Vollendung des Einbruchdiebstahls

© Martin Fally - Fotolia.com

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Schon etwas länger hängt in meinem „Blog-Ordner“ der OLG Hamm, Beschl. v. 06.09.2013 – 5 RVs 80/13. In doppelter Hinsicht ein „Klassiker“.  Hier zunächst der diebstahlsrechtliche Teil der Entscheidung, nämlich die Frage der Vollendung eines Einbruchsdiebstahls:

Das Landgericht ist mit Recht von einem vollendeten gemeinschaftlichen Diebstahl gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3 StGB ausgegangen.

Die Wegnahme ist dann vollendet, wenn der fremde Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist (vgl. BGH, NStZ 1981, 435; NJW 1981, 997). Die Frage, von welchem Zeitpunkt an der Dieb die dazu erforderliche tatsächliche Herrschaft über die gestohlene Sache ausübt, ist eine im Einzelfall nach den Anschauungen des täglichen Lebens zu beantwortende Tatfrage (vgl. BGHSt 16, 271, 273; 20, 194, 195 f.; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 242 Rdnr. 17). Dabei macht es sowohl für die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers wie für die des Täters einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere oder sperrige Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht (vgl. BGHSt 16, 271, 273; 23, 254, 255 f.). Das Verladen des Diebesgutes auf ein Transportfahrzeug kann daher je nach den Umständen des Einzelfalls für eine Tatvollendung ausreichen oder nicht (vgl. BGH, NJW 1981, 977).

Hieran gemessen war die Sachherrschaft des Inhabers der Maschinenbaufirma bereits gebrochen und eigene Sachherrschaft des Angeklagten und seiner Mittäter begründet.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die entwendeten Edelstahlteile (im Gesamtwert von etwa 70.000,- €) bereits über den Zaun des Firmengeländes gereicht und in eines der Täterfahrzeuge eingeladen worden waren. Alle Täter, soweit sie über den Zaun geklettert waren, hatten das Firmengelände wieder verlassen und befanden sich abfahrbereit außerhalb des Zauns, um sich mit der Beute vom Tatort zu entfernen. Erst zu diesem Zeitpunkt erschienen die Polizeibeamten, die durch Firmenmitarbeiter – welche das Tatgeschehen aus der Nähe beobachtet hatten – herbeigerufen worden waren.

Entscheidend ist, dass die Edelstahlteile bereits von dem Firmengelände entfernt und trotz ihrer Unhandlichkeit bzw. Größe vollständig in ein Transportfahrzeug verbracht worden waren, so dass der Angeklagte und seine Mittäter sofort losfahren konnten. Damit hatten sie den Herrschafts- bzw. Gewahrsamsbereich des Firmeninhabers gänzlich verlassen. Der Firmeninhaber bzw. seine Mitarbeiter konnten nicht mehr ungehindert auf die bereits in Täterfahrzeuge verladene Ware zugreifen. Hinzu kommt, dass der Abtransport selbst zu diesem Zeitpunkt mit keinen Mühen mehr verbunden war. Das Firmengelände ist ausweislich der getroffenen Feststellungen an das öffentliche Straßennetz angebunden und liegt in Essen in unmittelbarer Nähe zur Bundesstraße B 224, d. h. es bestanden sehr gute Fluchtmöglichkeiten. Zwar waren die Täter während des Tatgeschehens von Firmenmitarbeitern beobachtet worden, jedoch waren diese selbst nicht eingeschritten, weshalb die Täter insoweit keine Hindernisse zu überwinden hatten. Die Beobachtung als solche schließt die Gewahrsamserlangung ohnehin nicht aus (vgl. BGHSt 16, 271, 273 f.; Fischer, a. a. O., § 242 Rdnr. 21). Soweit die herbeigerufenen Polizeibeamten mit ihrem Einsatzfahrzeug auf der Fahrbahn angehalten hatten, ergibt sich aus den Feststellungen, dass hierdurch den flüchtenden Fahrzeugen die Durchfahrt „zumindest erheblich erschwert“ werden sollte. Dass ein Durchkommen gleichwohl möglich gewesen ist, zeigt indes die nachfolgende Flucht des Angeklagten wie auch die seiner Mittäter.

Sicherlich hatten der Angeklagte und seine Mittäter im Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei noch keinen endgültigen und gesicherten Gewahrsam erlangt. Letzteres ist aber nur Voraussetzung für die Beendigung des Diebstahls, nicht für seine Vollendung (vgl. BGHSt 23, 254, 255; 26, 24, 26).“

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Halten, halten, halten – bloß nicht dem BGH vorlegen

© Thomas Becker - Fotolia.com

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Ich hatte bereits zweimal über OLG-Entscheidungen zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen betreffend das Tatbestandsmerkmal „Wegnahme“ beim Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB berichtet (vgl. hier “An sich nehmen” oder “entwenden”. Reicht nicht für einen Diebstahl..  und hier  “Entwenden” reicht für “Wegnahme” nicht). Dabei ging es um den OLG Bamberg, Beschl. v. 01.10. 2013 – 3 Ss 96/13 – und den OLG Hamm, Beschl. v. 14.11.2013 – 5 RVs 111/13 –  sowie auch den OLG Hamm, Beschl. v. 06.05.2013 – III 5 RVs 38/13). Mit der Frage hat sich dann vor einiger Zeit auch das OLG Düsseldrof auseinandersetzt und sie anders entschieden als das OLG Bamberg bzw. das OLG Hamm. Die hatten die Feststellungen als zu knapp beanstandet

Im OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12..2013 – 3 RVs 147/13 – heißt es dazu dann aber:

a)       Entgegen der Auffassung von Verteidiger und Generalstaatsanwaltschaft tragen die sich auf den Satz : Am 20.02.2013 gegen 11.50 Uhr entwendete der Angeklagte aus den Auslagen der Firma Kaufpark Käse und Mett zum Preis von 2,48 EURO“ beschränkenden Feststellungen zur Sache den Schuldspruch wegen Diebstahls. Dem Verteidiger und der Generalstaatsanwaltschaft ist zwar zuzugeben, dass die Reduktion der Tatbeschreibung auf das Verb „entwenden“ eine größtmögliche Einschränkung der sachlichrechtlichen Nachprüfungsgrundlage bedeutet.

Gleichwohl ist die vom Senat vorzunehmende Subsumtionsprüfung hier insbesondere mit Blick auf das in § 242 Abs. 1 StGB enthaltene Tatbestandsmerkmal der „Wegnahme“ noch möglich. Grund für die abweichende — und vom Verteidiger in Bezug genommene — Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 6. Mai 2013 – 111-5 RVs 38/13) war, dass in dem dort zu entscheidenden Fall mit einem Paar Herrenschuhe größere Gegenstände „entwendet“ waren, die nach ihrer Beschaffenheit eine Abgrenzung zwischen vollendeter oder bloß versuchter Wegnahme nicht zuließen. In dem hier zu beurteilenden Fall kann dagegen aus der Art der Gegenstände und deren äußerst geringem Gesamtpreis mit Sicherheit geschlossen werden, dass es sich um kleinere, sehr handliche und leicht bewegliche Objekte handelte, bei denen eine vollendete Wegnahme schon dann angenommen werden kann, wenn sie der Täter ergriffen hat und festhält (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 18 m.w.N.). Da umgekehrt ein Versuch in Fällen des Ladendiebstahls nur vorliegt, wenn der Dieb zur Bergung der Beute von vornherein keine Chance hat, weil es sich — anders als hier — um auffällige, sperrige Sachen handelt (vgl. Fischer, a.a.O. Rn. 21), stellt sich die im Fall des OLG Hamm problematische Abgrenzungsfrage vorliegend gerade nicht. Es kommt daher auch eine Divergenzvorlage an den BGH nach § 121 Abs. 2 GVG nicht in Betracht.“

Wie hatte der Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, geschrieben: „Halten, halten, bloß nicht dem BGH vorlegen.“

„An sich nehmen“ oder „entwenden“. Reicht nicht für einen Diebstahl..

© eccolo - Fotolia.de

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Berichten will ich hier über zwei OLG-Beschlüsse, die Ausführungen zu den erforderlichen Feststellungen bei einem Diebstahl (§ 242 StGB) machen. Eigentlich eine einfache „Allerweltsvorschrift“, bei der sich aber auch aus den tatsächlichen Feststellungen die Tatbestandsvoraussetzungen ergeben müssen. Darauf haben jetzt (noch einmal) das OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 01.10. 2013 – 3 Ss 96/13 – und das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 14.11.2013 – 5 RVs 111/13 – die Aufhebung amtsgerichtlicher Urteil gestützt (vgl. dazu auch schon den OLG Hamm, Beschl. v. 06.05.2013 – III 5 RVs 38/13 und dazu “Entwenden” reicht für “Wegnahme” nicht). Beide OLG vermissen ausreichende Feststellungen zur „Wegnahme“.

Beim OLG Bamberg heißt es dazu:

„Den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil kann bereits nicht entnommen werden, ob die Diebstähle jeweils vollendet wurden. Im angefochtenen Urteil ist lediglich mitgeteilt, dass der Angekl. die Waren in einem Drogeriemarkt „an sich genommen“ habe, um sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Damit ist aber das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme i.S.v. § 242 I StGB nicht belegt. Wegnahme bedeutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Die rudimentären Feststellungen lassen nicht die Beurteilung zu, ob der bisherige Gewahrsam des Berechtigten aufgehoben worden oder ob es lediglich zu einer bloßen Gewahrsamslockerung gekommen war. Zwar würde (bei Sachen geringen Umfangs) bereits das Einstecken in die Tasche oder das Verbergen der Beute für die Vollendung der Wegnahme genügen (BGH NStZ-RR 2013, 276; Fischer StGB 60. Aufl. § 242 Rn. 18).

Und das OLG Hamm führt aus:

„Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls nicht. Die Urteilsgründe leiden an einem Darstellungsmangel, weil sie keine Feststellungen zur Wegnahmehandlung enthalten. Die alleinige Feststellung, der Angeklagte habe eine Hose „entwendet“, ohne den Entwendungsvorgang näher zu beschreiben, reicht nicht aus, um eine Wegnahme des Gegenstandes festzustellen. Die von der Kammer gewählte Formulierung lässt keinerlei Schluss darauf zu, wie sich der Wegnahmevorgang abgespielt hat. Ungeachtet dessen, dass der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe in vollem Umfang geständig war, reicht dies zur Feststellung des Gewahrsamswechsels nicht aus (zu vgl. Senatsbeschluss v. 06.05.2013 — III 5 RVs 38/13 —, zitiert nach juris).“

Fazit: Ein bisschen Mehr als „Entwenden“ und/oder „An sich nehmen“ muss schon im Urteil stehen. Man will wissen, was der Angeklagte gemacht hat.

Ich weiß, es wird Kommentare geben, dass die OLG das viel zu streng sehen. Wirklich?

Der (Computer)Betrug der Scan-Kasse ist Diebstahl – hier der Volltext

© Jürgen Fälchle - Fotolia.com

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Ich bin dann doch immer wieder erstaunt, auf welche Ideen Menschen kommen, um auf – nicht legale Weise – ein paar Euro zu sparen. So auch der Sachverhalt des OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2013 – 5 RVs 56/13. Der hat ja auch schon einige andere Blogs, wohl auf der Basis dazu vorliegenden dpa-Meldung des OLG Hamm  beschäftigt. Ich habe dann den Volltext bekommen – manchmal ist es doch schön, wenn sich die ehemaligen Kollegen an mich erinnern. Danke. :-).

Grundlage der OLG-Entscheidung war folgender Sachverhalt:

„Am frühen Nachmittag des 17. Februar 2011 begab sich der Angeklagte in den Supermarkt X in Y. Er ging zu dem dortigen Zeitschriftenregal und entnahm einen „Playboy“ für 5 €. Mit diesem lief er zur Selbstbedienungskasse. Dort scannte er nicht den auf dem „Playboy“ befindlichen Strichcode ein, sondern hielt den zuvor von der Tageszeitung „WAZ“ ausgerissenen Strichcode, den er in seinem Portemonnaie mit sich geführt hatte, unter das Lesegerät. Die Kasse warf daraufhin den Preis für eine „WAZ“ von 1,20 € aus, welchen der Angeklagte bezahlte. Sodann verließ er mit dem „Playboy“ das Geschäft.

Nach etwa einer Stunde erschien der Angeklagte gegen 15.30 Uhr erneut in dem Supermarkt. Wiederum ging er zum Zeitschriftenregal, welchem er diesmal einen „Stern“ für 3,40 € entnahm. Er ging zur Selbstbedienungskasse und hielt anstelle des Strichcodes der Zeitschrift wieder den ausgerissenen Strichcode der „WAZ“ unter das Lesegerät. Die Kasse warf einen Preis von 1,20 € aus, welchen der Angeklagte bezahlte. Sodann wurde er von dem Zeugen Probst, welcher als Detektiv in dem  X  beschäftigt ist, angesprochen….“

AG und LG hatten das Tatgeschehen rechtlich als Computerbetrug gewertet (§ 263a StGB). Das OLG sagt, nein, kein Computerbetrug,  da es sowhl an dem für § 263 a StGB notwendigen (Zwischen-)Erfolg der Beeinflussung des Ergebnisses des Datenverarbeitungsvorgangs fehlt als auch keine der Tathandlungen des § 263 a Abs. 1 StGB verwirklicht ist. Aber: Diebstahl nach § 242 StGB. Nachzulesen im Einzelnen hier im OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2013 – 5 RVs 56/13.

Für die mitlesenden „Examenskandidaten“: Ich würde mich, wenn ich vor dem mündlichen Examen stehen würde, mit der Entscheidung mal befassen 🙂