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Urteilsgründe: Eine 233 Seiten lange Tabelle mag ich nicht

Der BGH hat im Urt. v. 02.11.2010 – 1 StR 579/09 moniert, dass die Ausfuhr von Betäubungsmitteln in den Urteilsgründen in einer 233 Seiten langen, allgemeinen und unnummerierten Tabelle dokumentiert worden war. Das sei im Rahmen eines Strafverfahrens wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unzulässig. Das Gericht dürfe in den Urteilsgründen die einzelnen Versendungen nicht in einer Tabelle angeben, die sich über 233 Seiten der Urteilsgründe erstreckt und pro Seite in der Regel mehr als 20 Zeilen aufweist, wenn die einzelnen Fälle lediglich allgemein nach dem Aussteller des jeweiligen Rezepts und daran anschließend alphabetisch nach dem Namen des jeweiligen Bestellers aufgezählt werden und im Übrigen eine Nummerierung gänzlich fehle. In diesem Fall sei die tateinheitliche Begehungsweise im Einzelnen nicht nachvollziehbar.

BtM-Verteidiger aufgepasst. BGH legt u.a. (neue) nicht geringe Mengen fest

In der vergangenen Woche sind einige interessante Entscheidungen des 1. Strafsenats des BGH zum BtM-Recht eingestellt worden. Eine ist der Beschl. v. 02.11.2010 – 1 StR 579/09, in der der 1. Strafsenat zu einigen btm-rechtlichen Fragen Stellung genommen hat. Auf die kann ich hier nicht alle hinweisen, sondern muss den interessierten Verteidiger auf die BGH-Entscheidung verweisen.

Hinweisen will ich nur auf die vom BGH (neu) festgelegten „nicht geringen Mengen“ bei einigen Stoffen; und zwar:

Alprazolam240 mg
Clonazepam480 mg
Diazepam2400 mg
Lorazepam480 mg
Lormetazepam360 mg
Midazolam1800 mg
Oxazepam7200 mg
Temazepam4800 mg
Tetrazepam4800 mg
Triazolam120 mg
Zolpidem5800 mg

„Butter bei die Fische“, oder: Der eingeräumte Cannabisbesitz

Der Kampf um die Fahrerlaubnis findet ja nicht nur im Strafverfahren statt, wenn es um die Frage geht: Drogenfahrt. ja oder Nein? sondern er setzt sich häufig  im Verwaltungsverfahren fort. So auch in einem Fall in Hessen, über den jetzt vor kurzem der dortige VGH in seinem Beschl. v. 24. 11. 2010,  2 B 2190/10 entschieden hat.

Der Antragsteller kämpfte dort gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines behördlich geforderten ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 FeV. Im Jahre 2007 waren bei ihm im Rahmen einer Hausdurchsuchung 200g Haschisch gefunden worden. Im Starfverfahren räumte er in der Hauptverhandlung im Dezember 2007 ein, die Betäubungsmittel zum Eigenkonsum besessen zu haben. Verurteilt wurde er wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, da seine Einlassung als widerlegt angesehen wurde. Im August 2009 ordnete die zuständige Fahrerlaubnisbehörde, nachdem sie von dem Urteil Kenntnis erlangt hatte, die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 FeV an und entzog dem Antragsteller, nachdem dieser das Gutachten nicht beigebracht hatte, unter dem  15. 9. 2010 die Fahrerlaubnis unter Berufung auf dessen Nichteignung gem. § 11 Abs. 8 FeV. Mit der Beutachtung sollte festgestellt werden, ob regel- oder gewohnheitsmäßiger Konsum von Betäubungsmitteln bei der Person des Beschwerdeführers vorläge, was seine Fahreignung ausschließen würde.

Der Antragsteller ist ins Widerspruchsverfahren gegangen und hatte dort beim VGH Erfolg. Der hat die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederhergestellt. Vergehe zwischen dem Fund einer größeren Menge Cannabis bei einem Fahrerlaubnisinhaber sowie dessen Einlassung, er habe die Betäubungsmittel zum Eigengebrauch besessen und der Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 FeV ein erheblicher Zeitraum  –  hier waren es über 18 Monate – , so sei die Behörde gehindert, aus der Nichtbeibringung des Gutachtens gem. § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit des Betroffenen zu schließen, soweit weitere Anknüpfungspunkte für dessen Ungeeignetheit fehlen. Vielmehr müssten entweder ausreichende Hinweise auf regelmäßigen Konsum hinweisen oder aber weitere Anknüpfungstatsachen vorliegen, die die Eignung des Betroffenen in Zweifel zu ziehen geeignet sind, namentlich fehlendes Trennungsvermögen o.ä. .

Also: „Butter bei die Fische“

Die Fahrerlaubnisentziehung im Nichtregelfall…

Die Entziehung der Fahrerlaubnis in den Fällen, in denen kein Regelfall nach § 69 Abs. 2 StGB vorliegt, sondern nur eine Delikt der „allgemeinen Kriminalität“ hat ja schon den Großen Senat für Strafsachen des BGH beschäftigt, der dazu in seinem Beschl. in BGHSt 50, 93 Stellung genommen hat.

Danach ist es an der „Front“ verhältnismäßig ruhig geworden. Jetzt hat der BGH vor kurzem noch einmal zu der Problematik Stellung genommen (vgl. Beschl. v. 09.11.2010 – 4 StR 509/10). Allerdings ging es nicht um neue Fragen, sondern um den Umfang der Feststellungen. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen „unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen, jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 30 weiteren Fällen und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der BGH hat u.a. die Fahrerlaubnisentziehung aufgehoben

„Aufzuheben war ferner die Maßregelanordnung der Festsetzung einer isolierten Sperre gemäß § 69 a StGB. Den Urteilsgründen ist nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, an welche rechtswidrige Tat die Maßregel anknüpft. Es bleibt letztlich offen, ob sie wegen eines Verkehrsdelikts oder wegen einer im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangenen Straftat der allgemeinen Kriminalität (Zusammenhangstat) angeordnet wurde. Wird eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB aber an Zusammenhangstaten angeknüpft, muss sich aus den Urteilsgründen die Überzeugung des Tatrichters ergeben, dass die festgestellten Umstände den konkreten Anhalt begründen, der Täter stelle eine Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs dar (BGH, Großer Senat, Beschluss vom 27. April 2005 – GSSt 2/04, BGHSt 50, 93, 105). „

Erkennungsdienstliche Behandlung nicht wegen einer Bagatelle

Die mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO zusammenhängenden Fragen spielen in der Praxis immer wieder eine Rolle. Dazu verhält sich jetzt der Beschl. des OVG Lüneburg v. 24.11.2010 – 11 LA 468/10. Folgender Sachverhalt:

„Gegen den 1978 geborenen Kläger sind in der Vergangenheit drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben, anhängig gewesen. Einzelheiten über ein 2002 geführtes Verfahren wegen der Einfuhr von geringen Mengen Betäubungsmittel sind nicht mehr bekannt. Im April 2008 und im Juni 2009 wurden jeweils anlässlich von Verkehrskontrollen im Blut des Klägers THC-Werte kleiner als 1,0 ng/ml sowie THC-COOH-Werte von 8,99 bzw. 6,8 ng/ml festgestellt. Die beiden letztgenannten Ermittlungsverfahren wurden jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein strafloser Konsum von Cannabisprodukten nicht auszuschließen war.

Die Beklagte nahm das letzte der o. a. Ermittlungsverfahren (vor seiner Einstellung im Oktober 2009) zum Anlass, mit Bescheid vom 16. September 2009 die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers anzuordnen. Der dagegen gerichteten Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschuss vom 31. August 2010 (- 11 ME 288/10 -, juris) offen gelassen, ob gegen den Kläger überhaupt ein hinreichend konkreter (Rest-)Verdacht eines Verstoßes gegen § 29 BtMG durch den unerlaubten Erwerb und Besitz von Cannabis bestehe. Jedenfalls sei nach den o. a. Ergebnissen der Blutuntersuchungen davon auszugehen, dass der Kläger allenfalls in Einzelfällen Cannabis auch besessen bzw. erworben habe. Dieses Verhalten stelle eine Bagatelle dar und führe zur Unverhältnismäßigkeit seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.“

Vom VG ist die Berufung nicht zugelassen worden. Die dagegegen gerichtete Beschwerde hatte beim OVG keinen Erfolg.