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VerfGH Saarland: Nächtliche Anordnung von Blutprobenentnahmen durch Polizeibeamte bei Verdacht einer Trunkenheitsfahrt verletzt die Verfassung nicht

Im aktuellen Nachrichtendienst von LexisNexis wird über eine PM des VerfGH Saarland vom 15.04.2010 berichtet, in der es heißt:

Mit seiner Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes die Verfassungsbeschwerde eines einer Trunkenheitsfahrt Verdächtigen gegen die gerichtlich angeordnete vorläufige Entziehung seiner Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme seines Führerscheins verworfen.

Hintergrund des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist, dass sich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins des Beschwerdeführers auf das Ergebnis der Untersuchung einer Blutprobe stützen, deren Entnahme von Polizeibeamten angeordnet worden war, weil zum Zeitpunkt des Aufgreifens des Beschwerdeführers zur Nachtzeit kein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet war. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, das Ergebnis der Blutprobenuntersuchung sei unverwertbar, da die rechtlichen Voraussetzungen einer Befugnis der Polizei zur Anordnung der Entnahme einer Blutprobe nach § 81 a Absatz 2 StPO nicht vorgelegen hätten. Daher verletzten die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme seines Führerscheins die durch Art. 14 Absatz 2 der Verfassung des Saarlandes (SVerf) garantierte Unschuldsvermutung. Denn angesichts der von § 81 a Abs. 2 StPO vorgesehenen vorrangigen richterlichen Kompetenz zu einem solchen Eingriff und angesichts der zu erwartenden Vielzahl der außerhalb der gegenwärtigen Organisation des richterlichen Bereitschaftsdienstes im Saarland zu erwartenden Fälle, in denen die Anordnung einer Blutprobe in Betracht komme, müsse das Saarland einen richterlichen Bereitschaftsdienst „rund um die Uhr“ einrichten.

Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Die von der Verfassung des Saarlandes gewährleisteten Grundrechte der Unschuldsvermutung und eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens seien nicht verletzt, wenn Gerichte eine Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, weil eine zur Nachtzeit wegen Fehlens eines richterlichen Bereitschaftsdienstes polizeilich angeordnete Blutentnahme dringende Gründe für die Annahme ergibt, dem Betroffenen werde die Fahrerlaubnis entzogen. Die Verfassung des Saarlandes verlange nicht, dass die für die Regelung und Organisation des richterlichen Bereitschaftsdienstes zuständigen Organe der Justiz – allein wegen der zu erwartenden Anzahl von Anträgen auf Anordnung einer Blutentnahme nach § 81 a StPO – auch zur Nachtzeit einen für Eilfälle zuständigen Ermittlungsrichter bestimmen. Gegen die Verwertung der ohne eine solche vorherige richterliche Entscheidung gewonnenen Erkenntnisse bestünden daher – aus der für den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes allein maßgeblichen Sicht der Landesverfassung – keine Bedenken.“

Sorry, aber ich habe die Rechtsprechung des BVerfG bisher immer anders verstanden. Danach ist m.E. ein nächtlicher richterlicher Eildienst erforderlich, wenn „Bedarf besteht“ und das richtet sich nach der Zahl der nächtlichen Zwangsmaßnahmen. Auf der Linie liegt ja auch der Beschluss des OLG Hamm in 3 Ss 293/08 (ich weiß, andere OLGs sehen das [leider] anders).

OLG Celle: Kein Rangverhältnis zwischen StA und Polizei

Inzwischen arbeiten die OLG in Zusammenhang mit der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot bei Missachtung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO an Facetten der Problematik. Eine davon ist z.B. die Frage, ob sich ein Beweisverwertungsverbot damit begründen lässt, dass die die Blutentnahme bei Gefahr in Verzug anordnende Ermittlungsperson nicht zuvor versucht hat, den zuständigen Staatsanwalt zu erreichen. Das OLG Celle hat das – ebenso wie zuvor z.B. schon das OLG Brandenburg und das OLG Frankfurt – verneint. Der Umstand sei von vornherein nicht geeignet, eine Verletzung des § 81a Abs. 2 StPO und ein Verwertungsverbot zu begründen. (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 25.01.2010 – 322 SsBs 315/09).

Blutprobenentnahme: Meine Einsichtsfähigkeit beurteile ich selbst

Ganz interessant, worüber der Kollege Melchior in seinem Blog gerade berichtet hat. Ein Schriftstück, in dem der Beschuldigte anlässlich einer Blutentnahme ausdrücklich in die Blutprobenentnahme einwilligt und bestätigt, dass er „einsichtsfähig“ ist. Da stellt sich dann doch wirklich die Frage: Wie soll das denn gehen? Kann er das überhaupt wirksam, wenn er erheblich angetrunken ist? Und: Führen die einschreitenden Ermittlungsbeamten damit nicht selbst die Voraussetzungen für ihre eigene Zuständigkeit herbei. Das hatte das BVerfG m.E. anders gesehen. Spontan fällt einem dazu der Begriff „Manipulation“ ein. Ich bin mal gespannt, wie die Gerichte damit umgehen werden.

Der Richtervorbehalt auf dem Prüfstand?!?

Das Justizministerium Niedersachen meldet gerade:

Rechtsklarheit für Blutentnahmen bei Alkoholkontrollen im Straßenverkehr – Niedersachsen erarbeitet Gesetzentwurf

Der einzelgesetzliche Richtervorbehalt für Blutentnahmen zur Alkohol- und Drogenkontrolle im Straßenverkehr (§ 81a StPO) soll nach Ansicht des niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann (CDU) entfallen. Am 03.03.2010 kündigte er an, im Niedersächsischen Justizministerium einen entsprechenden Gesetzentwurf kurzfristig erarbeiten zu wollen.

Die vollständige Pressemitteilung finden Sie hier.

OLG Hamm: 3. Strafsenat bleibt standfest und verlangt ausreichende personelle Ressourcen

Standfest bleibt der 3. Strafsenat des OLG Hamm im Hinblick auf seine Rechtsprechung zum Beweisverwertungsverbot bei Fehlen eines richterlichen Eildienstes. Diese verteidigt er auch gegen Angriffe aus dem eigenen Haus. Dazu ist der Beschl. v. 22.12.2009 – 3 Ss 497/09 lesenswert. Dem Satz: „Die Beachtung bzw. Auslegung strafprozessualer Regelungen durch die Strafgerichte kann nicht von der ausreichenden Gewährung von Ressourcen abhängen, sondern die Ressourcen müssen in einem Umfang zur Verfügung gestellt werden, dass den gesetzlichen Anforderungen Rechnung getragen werden kann (für die Ausstattung der Justiz mit richterlichem Personal zur Einrichtung eines nächtlichen richterlichen Eildienstes).“ ist m.E. nichts hinzuzufügen. Die Justizverwaltungensind am Zug.

Lesenswert ist der Beschluss auch wegen der Anforderungen an die Verfahrensrüge.