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Blutentnahme – immer ohne Richter – Beweisverwertungsverbot

Die mit der Blutentnahme und einem Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des sich aus § 81a Abs. 2 StPO ergebenden Richtervorbehalts zusammenhängenden Fragen beschäftigen die Rechtsprechung längst nicht mehr in dem Maße wie sie es eine in den vergangenen Jahren zunächst getan haben.

Aber man trifft immer wieder noch auf Entscheidungen, die sich mit der Problematik befassen. Dazu gehört AG Nördlingen, Urt. v.28.12.2011 – 5 OWi 605 Js 109117/11, das mir der Verteidiger übersandt hat. Das AG ist dort von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen. Begründung: Der Polizeibeamte sei pauschal davon ausgegangen, bei Verdacht von Alkohol- und Drogendelikten stets zur Anordnung einer Blutprobe berechtigt zu sein. Dies begründet die Besorgnis einer dauerhaften und ständigen Umgehung des Richtervorbehalts und führe zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes.

Der Ansatz wird im Übrigen auch in der Rechtsprechung der OLG vertreten, so z.B. das OLG Köln und das OLG Oldenburg.

Das heimliche belauschte Selbstgespräch – absolutes Beweisverwertungsverbot

Ende 2011 hatte der BGH in einer PM bereits über BGH, Urt. v. 22.12.2011 – 2 StR 509/10 berichtet. Jetzt liegt das schriftliche begründete Urteil vor und ist auf der Homepage des BGH gestern eingestellt; das Urteil ist zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen. Letzteres unterstreicht die Bedeutung der Entscheidung.

Der BGH kommt in der Entscheidung, mit der er die sog. Krankenzimmerentscheidung aus BGHSt 50, 206, fortführt, zu einem absoluten Beweisverwertungsverbot für die aus einer heimlichen akustischen Überwachung (§ 100f StPO) gewonnenen Erkenntnisse aus einem Selbstgespräch des Beschuldigten.

Der BGH sieht auch in einem Pkw den sog. Kernbereich betroffen, der absolut von Verfassungs wegen durch die Art. 1, 2 GG geschützt sei. Das Beweisverwertungsverbot folge daraus und sieht der BGH im Übrigen auch aus den §§ 100a Abs. 4 Satz 2, 100c Abs. 5 Satz 3 StPO gegeben. Und: Es handelt sich um ein absolutes Beweisverwertungsverbot, das also auch für Mitbeschuldigte gilt.

Blutprobe im Krankenhaus beschlagnahmt – Beweisverwertungsverbot?

In der Praxis spielen immer wieder die Fälle eine Rolle, in denen nach einem Verkehrsunfall eine dem Unfallbeteiligten/späteren Angeklagten entnommene Blutprobe beschlagnahmt und dann im Verfahren gegen den Unfallbeteiligten verwertet wird. Damit setzt sich der KG, Beschl. v. 21.09.2011 – (3) 1 Ss 127/11 (91/11) auseinander und weist auf Folgendes hin: Zu unterscheiden ist zwischen § 81a StPO und den §§ 94 ff. StPO. Einschlägig sind in diesen Fällen die §§ 94 ff. StPO, also die „normalen Beschlagnahmevorschriften. D.h: Es gelten die allgemeinen Zuständigkeitsregeln mit der Folge, dass auch insoweit der Richtervorbehalt gilt. Der war wohl – so verstehe ich den KG-Beschluss – nicht beachtet. Deshalb war die Anordnung der Beschlagnahme unzulässig. Das KG sagt dann aber weiter:

„Danach können Gegenstände sichergestellt werden, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sind, sofern es sich nicht um solche handelt, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Letzteres zu umgehen, soll das Beschlag­nahme­verbot verhindern. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO reicht daher nur so weit, wie es der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten im Strafverfahren erfordert [vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 97, Rdn. 10; LG Hamburg NJW 2011, 942]. Danach war die Beschlagnahme der dem Angeklagten im Zuge seiner Behandlung entnommenen Blutprobe zwar unzulässig, ein Beweisverwertungsverbot folgt daraus jedoch nicht ohne weiteres. Anders als bei Ermittlungsmaßnahmen, die zu Erkenntnissen führen, über die der in § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO bezeichnete Personenkreis das Zeugnis verweigern dürfte, und deren Verwendung untersagt ist, hat bei dem in § 160a Abs. 2 Satz 1 StPO bezeichneten Personenkreis eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme zu erfolgen. Hierbei ist in den Fällen, in denen keine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, regelmäßig davon auszugehen, dass das Strafverfolgungsinteresse nicht überwiegt (§ 160a Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz StPO). Dies gilt auch für die Verwertung von Erkenntnissen zu Beweiszwecken (§ 160a Abs. 2 Satz 3 StPO).

Danach ist vorliegend gegen die Verwendung der Auswertung der im Krankenhaus entnommenen Blutprobe nichts zu erinnern. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlungsbehörden ihr Ziel auch über den Weg der Anordnung einer Blutentnahme nach § 81a StPO hätten erreichen können. Dies wäre jedoch mit einem weiteren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten verbunden gewesen. Darüber hinaus erbrachte die Beschlagnahme keine Erkenntnisse, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder dem besonders vertraulichen Arzt-Patienten-Gespräch entstammten. Da der behandelnde Arzt die Blutprobe zudem von sich aus herausgegeben hat (vgl. UAS. 8, 10), über wiegt ausnahmsweise das staatliche Strafverfolgungsinteresse.“

Geht doch: Beweisverwertungsverbot nach Wohnungsdurchsuchung

Ein wenig unbeachtet geblieben ist bislang der BGH, Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 210/11. Und das ist unberechtigt, denn wann kommt der BGH schon mal – so wie in diesem Beschluss – zu einem Beweisverwertungsverbot nach einer Wohnungsdurchsuchung, die nur von den Ermittlungsbehörden angeordnet worden ist. Meist wird doch alles gesund gebetet. Nicht so in diesem Beschluss.

Der Sachverhalt: Im November 2009 wurde gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das BtMG eingeleitet. Auf richterliche Anordnung wurde ab Januar 2010 die Telekommunikation des Angeklagten überwacht. Hieraus ergaben sich Anhaltspunkte für eine Beschaffungsfahrt am 11./12.2. 2010 in die Niederlande, bei der es zwar zu einer Anzahlung, aber aufgrund der schlechten Qualität nicht zu einer Einfuhr der BtM gekommen sein soll. Am Mittag des 17. 2. 2010 ergab die Überwachung der Telekommunikation, dass der Angeklagte mit der Mitangeklagten A. K. sowie seiner früheren Freundin noch an diesem Tag erneut eine Beschaffungsfahrt unternehmen werde. Ab dem frühen Abend hielten sich Einsatzkräfte der Polizei für eine spätere Wohnungsdurchsuchung bereit und observierten den Angeklagten, der – wie die Mitangeklagte und seine frühere Freundin – nach der Wiedereinreise kurz nach 22.00 Uhr desselben Tages vorläufig festgenommen wurde. Der sachbearbeitende Polizeibeamte kontaktierte zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr die diensthabende Staatsanwältin, die Durchsuchungen in den Wohnungen der vorläufig Festgenommenen wegen Gefahr im Verzug anordnete. Die Anordnung wurde in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Erlass nicht schriftlich dokumentiert. Der sachbearbeitende Polizeibeamte hatte sich vor dem Ende des richterlichen Bereitschaftsdienstes bei dem AG Düsseldorf um 21.00 Uhr nicht um den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen durch den Ermittlungsrichter bemüht, weil er die bis zum Nachmittag des 17. 2. 2010 erlangten Erkenntnisse für zu vage hielt, im Verlauf des 17. 2. 2010 mit sonstigen Dingen befasst war und die Erfahrung gemacht hatte, Durchsuchungsbeschlüsse aufgrund von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung würden nicht „auf Halde produziert“.

Bei der Durchsuchung wurde im Zimmer des Angeklagten in der elterlichen Wohnung neben BtM in nicht geringer Menge ein Schlagring aufgefunden. Auch im ebenfalls durchsuchten Zimmer seiner früheren Freundin wurden Betäubungsmittel in nicht geringer Menge aufgefunden, die dort mit deren Wissen gelagert waren. Die aufgefundenen BtM waren überwiegend zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.

Trotz des in der Hauptverhandlung erhobenen Widerspruchs des Verteidigers gegen die Verwertung das LG die aus den Durchsuchungen erlangten Erkenntnisse der Verurteilung des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen das BtMG zugrunde gelegt.

Der BGH beanstandet das zu Recht und verneint „Gefahr im Verzug“. Die Notwendigkeit einer Durchsuchung habe sich spätestens am Nachmittag des 17. 2. 2010 aufgrund der sich für den Abend konkret abzeichnenden Beschaffungsfahrt aufgedrängt. Nur durch einen alsbaldigen Zugriff wäre auszuschließen gewesen, dass mögliche Mittäter in den Wohnungen befindliche BtM beseitigten. Dementsprechend hätten sich ab dem frühen Abend auch weitere Kräfte für die Durchsuchungen bereitgehalten. Darüber hinaus hätten dem Polizeibeamten bereits seit Januar 2010 Erkenntnisse vorgelegen, die zu einer richterlich angeordneten Telekommunikationsüberwachung geführt hatten, so dass sich die Notwendigkeit einer alsbaldigen Wohnungsdurchsuchung evident ergeben habe, eine überraschende Verfahrenssituation mithin nicht vorlag. Daher konnte die erst nach 22.00 h erlassene Durchsuchungsanordnung der StA – ungeachtet einer ebenfalls unterlassenen Dokumentation (vgl. hierzu BVerfG StraFo 2006, 386) – nicht mehr auf Gefahr im Verzug gestützt werden.

Und – BGHSt 51, 285 lässt grüßen – er bejaht ein  Beweisverwertungsverbot. Dabei geht er von einem schwerwiegenden Verstoß aus, wobei er auf Folgendes abstellt:

–        Wenn sich der sachbearbeitende Polizeibeamte Gedanken darum machte, ob ein Ersuchen um Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses erfolgversprechend sei, war er – von einem sonst möglicherweise bestehenden Organisationsmangel abgesehen – ersichtlich nicht durch eine Überlastung daran gehindert, die Gesetzmäßigkeit seines Vorgehens zu überprüfen.

–        Seine Annahme, die von ihm gewonnenen Erkenntnisse hätten zwar im Januar 2010 für den Erlass einer Anordnung auf der Grundlage der §§ 100a, 100b StPO ausgereicht, eine Anordnung nach §§ 102, 105 StPO am Nachmittag des 17. 2. 2010 trotz der weiteren Verdichtung des Tatverdachts aber (noch) nicht getragen, ist nicht nachzuvollziehen.

–        Da am Nachmittag des 17. 2. 2010 feststand, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit noch am selben Tag eine vorläufige Festnahme des Angeklagten erfolgen werde, die eine Durchsuchung nach sich ziehen werde, konnte auch ein „Erfahrungswert“ des sachbearbeitenden Polizeibeamten zu Vorratsbeschlüssen des Ermittlungsrichters offensichtlich keine Verbindlichkeit beanspruchen.

Und: Kein hypothetischer Ersatzeingriff – auch insoweit lässt BGHSt 51, 285 grüßen.

Gekniffen hat der Senta Senat dann allerdings bei der Frage, ob für eine Großstadt wie Düssedorf ein nächtlicher richterlicher Eildienst eingerichtet werden muss (s. auch schon BGH StRR 2010, 162 [Ls.]). Irgendwann wird das nicht mehr gehen und der BGH muss Farbe bekennen.

Aber dennoch: Schöne Entscheidung, oder: geht doch :-).

Beweisverwertungsverbot trotz Rechtskreistheorie – so macht man es in Dresden…

Auf eine interessante Entscheidung bin ich auf der Homepage der Strafverteidigervereinigung Sachsen/Sachsen-Anhalt gestoßen, und zwar auf den LG Dresden, Beschl. v. 22.11.2011 – 14 KLs 204 Js 41068/08 (2). Der kommt bei einem Verstoß gegen § 81c Abs. 5 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot zugunsten des Angeklagten, obwohl von dem Verstoß nur der Rechtskreis des Zeugen betroffen ist. Also: Rechtskreistheorie lässt grüßen. Ein interessanter Ansatz, Aber: Ich bin gespannt, ob das, wenn die Sache ggf. mal in die Revision geht, beim BGH Bestand haben wird. Denn der BGH verteidigt die Rechtskreistheorie ja vehement.

Für das Verfahren: Voraussetzung für die Nichtverwertbarkeit ist m.E., dass der Zeuge mit der Verwertung des Beweismittels nicht einverstanden ist. Und: Der Angeklagte/Verteidiger muss der Verwertung widersprochen haben (BGHSt 38, 214).