Schlagwort-Archive: Beweisverwertungsverbot

Ich habe da mal eine Frage: Die fehlende Genehmigung des Grundstückseigentümer – Beweisverwertungsverbot?

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Eine Kollege hat neulich im OWi-Bereich eine Frage gestellt, die ich hier mal weiter gebe.

Der Kollege sucht eine Entscheidung zu folgender Problematik: Geschwindigkeitsmessung von einem (Privat)Grundstück aus. Die Genehmigung des Grundstückseigentümers lag nicht vor. In dem Bußgeldverfahren vertritt der Kollege die Auffassung, dass die fehlende Genehmigung des Eigentümers zu einem Verwertungsverbot dieser Messung führt. Zu dem Punkt hat er nichts gefunden.

Ich meine, dass es dazu etwas gibt – leider aber auch nicht in meinen Handbüchern :-(-. Zumindest meine ich, dass ich irgendwo mal eine Entscheidung gesehen habe. Kann mich aber auch irren. Aber vielleicht habe ich ja hier eine Chance bei den vielen OWi-Rechtlern, die mitlesen.

Nur zur Klarstellung  Ich gehe auch nicht von einem BVV aus. Selbst wenn ein Beweiserhebungsverbot vorliegen sollte, führt das nicht automatisch zum BVV. Ich meine aber, dass es dazu eine Entscheidung gibt. Aber, vielleicht ist da auch mehr der Wunsch der Vater des Gedankens….

Ich hatte die Problematik übrigens auch schon im Forum bei Jurion Strafrecht zur Diskussion gestellt. Aber auch da war die Ausbeute mage.

Ein Kollege konnte allerdings von einem Kollegen berichten, der einmal ähnlich zu argumentieren versuchte. Da hatte der Richter dann bei dem Grundstückseigentümer angerufen und sich dessen Genehmigung „eingeholt“.

 

Beweisverwertungsverbot für mittels Rechtshilfe erlangter Beweismittel?

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Der Vollständigkeit halber will ich hinweisen auf den BGH, Beschl. v. 21. 11. 2012 – 1 StR 310/12 -, der sich mit der Frage der Verwertbarkeit von mittels Rechtshilfe erlangter Beweismittel befasst. „Nur hinweisen“ deshalb, weil man den Beschluss hier hier nicht darstellen kann. Denn er ist immerhin 27 Seiten lang. Das lässt sich in einem Blog nicht zusammen fassen. Daher nur die Leitsätze:

  1. Die Verwertbarkeit mittels Rechtshilfe eines ausländischen Staates erlangter Beweise bestimmt sich nach dem inländischen Recht.
  2. Auf diesem Weg gewonnene Beweise unterliegen trotz Nichteinhaltung der maßgeblichen rechtshilferechtlichen Bestimmungen keinem Beweisverwer­tungsverbot, wenn die Beweise auch bei Beachtung des Rechtshilferechts durch den ersuchten und den ersuchenden Staat hätten erlangt werden kön­nen.
  3. Ist die Rechtshilfe durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union geleis­tet worden, darf bei der Beurteilung der Beweisverwertung im Inland nur in eingeschränktem Umfang geprüft werden, ob die Beweise nach dem inner­staatlichen Recht des ersuchten Mitgliedstaates rechtmäßig gewonnen wur­den. Das gilt jedenfalls dann, wenn die dortige Beweiserhebung nicht auf ei­nem inländischen Rechtshilfeersuchen beruht.

Die Bedeutung der Entscheidung kann man daran ablesen, dass sie für eine Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung BGHSt vorgesehen ist. Der BGH erweitert mit ihr seine Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von mittels Rechtshilfe gewonnener Beweismittel fort (vgl. dazu z.B. auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl. 2013, Rn. 773 ff.).

Also: Zur Fortbildung/zum Lesen empfohlen.


Richtervorbehalt bei der Blutentnahme? Nein: „Bei OWis sind wir die anordnende Behörde.“

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Nach der Entscheidung des BVerfG vom 12. 2. 2007 (2 BvR 273/06) hatte ein wahrer Rechtsprechungsmarathon zu den mit dem Richtervorbehalt bei einer Blutentnahme zusammenhängenden Fragen (§ 81a StPO) eingesetzt. Die Flut von Rechtsprechung ist inzwischen, vor allem nach der Entscheidung des BVerfG v. 24. 2. 2011 (Beschl. v. 24.02.2011 – 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10) erheblich zurückgegangen. Es finden sich aber auch jetzt immer noch wieder Entscheidungen der Instanzgerichte, die sich mit den Fragen auseinander setzen und zu einem Beweisverwertungsverbot kommen (vgl. zuletzt auch AG Nördlingen, Urt. v.28.12.2011 – 5 OWi 605 Js 109117/11). I.d.R. wird das Beweisverwertungsverbot dann damit begründet, dass die Einsatzbeamten keine Einzelfallentscheidung getroffen haben , sondern von generellen Anweisungen und allgemeinen Übungen ausgegangen sind.

So auch in einem vom AG Kempten entschiedenen Fall (AG Kempten, Urt. v. 12. 7.2012 – 25 OWi 144 Js 4384/12). In dem ging es es um eine Trunkenheitsfahrt nach § 24a StVG. Die Polizeibeamten hatten die Anordnung der Blutentnahme durch sie mit den Worten: „Bei OWis sind wir die anordnende Behörde“ begründet. Das AG hat das als grobe Verkennung der Zuständigkeitsvorschriften angesehen, was zur Annahme eines besonders schwerwiegender Fehler führe, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehe.

Objektive Willkür liegt dann vor, wenn die Entscheidung, die der Beweiserhebungsmaßnahme zu Grunde liegt, unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und daher der Schluss nahe liegt, dass sie auf sachfremden willkürlichen Erwägungen beruht. So liegt der Fall hier. Zwar sieht das Gericht bei der vorzunehmenden Interessenabwägung durchaus, dass die Durchführung einer Blutentnahme lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit darstellt und auf der anderen Seite ein erhebliches öffentliche Interesse an der Abwendung von Gefahren besteht, die von alkoholisierten Kraftfahrzeugführern ausgeht. Dieses erhebliches öffentliches Interesse spiegelt sich in der scharfen Sanktionierung von alkoholisierten Kraftfahrzeugführen durch den Verordnungsgeber in der Bußgeldkatalogverordnung wieder. Auch waren die Eingriffsvoraussetzungen für die Durchführung der Blutentnahme zweifellos gegeben, so dass aller Voraussicht nach ein richterlicher Anordnungsbeschluss ergangen wäre. Allerdings ist der Vorrang des Richtervorbehalts auch bei der Durchführung von Blutentnahmen insbesondere seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.02.2007 (Az.: 2 BA 273/06) in einer Vielzahl von obergerichtlichen Entscheidungen hervorgehoben worden, wenngleich die Frage des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots unterschiedlich bewertet wird. Es ist jedenfalls durch die obergerichtliche Rechtsprechung hinlänglich geklärt, dass Polizeibeamte während Zeiten, in denen ein richterlicher Bereitschaftsdienst besteht jedenfalls versuchen müssen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Vorliegend wurde noch nicht einmal dieser Versuch unternommen.

 Angesicht der mittlerweile klaren Rechtslage ist die Anordnung der Blutentnahme ohne Einholung einer richterlichen Entscheidung unter keinem Gesichtspunkt mehr rechtlich vertretbar. Auch wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. vorliegend das Ordnungswidrigkeitsverfahren primär der Erforschung der Wahrheit dient, hat dies in einem ge-ordneten Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen abzulaufen. Mit diesen rechts-staatlichen Grundsätzen ist es jedoch unvereinbar, wenn im Rahmen der Ermittlungen durch die Rechtsprechung ausreichend geklärte Rechtsfragen – hier der Vorrang des Richtervorbehalts- schlicht nicht beachtet werden. Das Primat der Wahrheitsfindung hat daher vorliegend zurückzutreten.

Den Betroffenen wird dieses Sicht des AG freuen. Das Urteil des AG ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Vielleicht werden wir dazu dann demnächst etwas aus Bamberg lesen.

Leivtec, Beweisverwertungsverbot? Ja (x), Nein (x)

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Eine Zeitlang hat es nach der Entscheidung des BVerfG zur Videomessung (2 BvR 941/08) einen wahren Rechtsprechungsmarathon gegeben. Keine Woche verging ohne zunächst amtsgerichtliche und dann OLG-Entscheidungen zu den sich aus der Entscheidung ergebenden Rechtsfragen, wie Ermächtigungsgrundlage, Beweisverwertungsverbot, Anfangsverdacht usw. Inzwischen ist aufgrund der nachfolgenden Rechtsprechung des BVerfG weitgehend Ruhe eingekehrt. Aber macnhmal gibt es dann doch noch Entscheidungen, auf die man hinweisen kann/sollte. Und das sind:Zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bei Dauervideoaufzeichnungen im Straßenverkehr.

Den Betroffen wird es freuen, dass er frei gesprochen bleibt. Die Begründung wird ihm letztlich egal sein. Sein Verteidiger, der mit beide Entscheidungen hat zukommen lassen, wird auf der Grundlage des OLG Beschlusses den Erfolg beim AG aber wahrscheinlich nicht noch einmal erringen können.

Wehret den Anfängen – Eingriff in das Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO?

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Jeder Jurist, der sich zumindest ein wenig im Strafverfahrensrecht auskennt, kennt das Beweisverwertungsverbot, das aus § 252 StPO folgt, wenn ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigert. Dann darf das sich aus § 252 ergebenden Verlesungs-/Verwertunsgverbot nicht dadurch umgangen werden, dass Vernehmungsbeamte vernommen oder Vernehmungsprotokolle verlesen werden. Nur eine Ausnahme macht man: Der Zeuge ist richterlich vernommen worden. Aber auch dann ist eine Verwertung der früheren Angaben nur unter Einschränkungen möglich/zulässig. Die kennt – natürlich – auch der 1. Strafsenat des BGH. Auf die weist er im BGH, Beschl. v. 21.03.2012 – 1 StR 43/12 – auch ausdrücklich im Hinblick auf eine erfolgte Vernehmung des Ermittlungsrichters hin:

a) Allerdings trifft es zu, dass frühere Vernehmungen eines die Aussage gemäß § 52 StPO verweigernden Zeugen grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf dann nur das herangezogen werden, was ein vernehmender Richter über die vor ihm gemachten Angaben des über sein Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrten Zeugen aus seiner Erinnerung bekundet. Hierzu darf ihm sein Vernehmungsprotokoll – notfalls durch Verlesen – vorgehalten werden. Dies darf allerdings nicht dazu führen, den Inhalt der Niederschrift selbst für die Beweiswürdigung heranzuziehen. Verwertbar ist vielmehr nur das, was auf den Vorhalt hin in die Erinnerung des Richters zurückkehrt, und es genügt nicht, wenn er lediglich erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen (BGH, Urteil vom 2. April 1958 – 2 StR 96/58, BGHSt 11, 338, 341; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 150; BGH, Urteil vom 30. März 1994 – 2 StR 643/93, StV 1994, 413; BGH, Beschluss vom 4. April 2001 – 5 StR 604/00, StV 2001, 386).

Allerdings hatte das LG diese Grundsätze nicht (vollständig) beachtet. Insoweit stellt der BGH einen Rechtsfehler fest, den im Übrigen der GBA gesehen hatte:

c) Soweit das Landgericht für die vorliegende Fallgestaltung eine diese Erinnerung ergänzende Verwertung der protokollierten Aussage als (zumindest teilweise) zulässig angesehen hat, steht diese Auffassung mit der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar nicht im Einklang.“

Soweit, aber nicht so gut. Denn dann kommt es. Anders als der GBA, der die Verfahrensrüge hatte durchgreifen lassen, sieht der 1. Strafsenat das anders. Nach seiner Auffassung beruht das Urteil nicht auf diesem Fehler.

Der Senat kann aber ausschließen, dass sich dies auf das gefällte Urteil ausgewirkt hat. Denn das Landgericht hat allenfalls die Darstellung M. H.´, nach dem Stich habe er seine Frau zu Boden gerungen und diese habe sich dann in gebückter Haltung vor ihm befunden (UA S. 12; oben 3. b), und somit einen für die Gesamtwürdigung der Beweise wenig bedeutsamen Umstand dem ermittlungsrichterlichen Vernehmungsprotokoll entnommen.

Dem Urteil liegt eine insgesamt sorgfältige und umfassende Beweiswürdigung zugrunde. Das Landgericht hat alle wesentlichen Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Dabei ist es zutreffend von der Einlassung der Angeklagten ausgegangen. Diese hat in ihren Vernehmungen bei der Polizei, beim Ermittlungsrichter und in der Hauptverhandlung sowie gegenüber der Sachverständigen stets eingeräumt, ihren Ehemann mit einem Messerstich verletzt zu haben. Auch das von der Strafkammer festgestellte „Geschehen vor der Tat“ hat sie dabei in den wesentlichen Punkten konstant geschildert (UA S. 15 ff.)….

Angesichts dieser klaren Beweislage besorgt der Senat nicht, dass sich das Nachtatgeschehen maßgeblich auf die landgerichtliche Überzeugungsbildung ausgewirkt hat. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass das Landgericht in diesem Zusammenhang zudem festgestellt hat, M. H. habe wenige Minuten nach der Tat gegenüber der zu Hilfe gekommenen Nachbarin C. M. u.a. geäußert, er habe die Angeklagte nach dem Messerstich „zu Boden gedrückt“ (UA S. 13).

Natürlich setzt der 1. Strafsenat noch einen drauf:

„Ergänzend bemerkt der Senat: Ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge wird regelmäßig deshalb durch den Ermittlungsrichter vernommen, weil bei einer späteren – aus welchen Gründen auch immer erfolgten – Zeugnisverweigerung nur die Aussage des Ermittlungsrichters über die Angaben des Zeu-gen verwertbar ist. In derartigen Fällen, erfahrungsgemäß oft Gewalt- und/oder Sexualdelikte zum Nachteil von Frauen oder Kindern, hat der Ermittlungsrichter daher die Pflicht, sich schon während der von ihm durchgeführten Vernehmung intensiv darum zu bemühen, sich den Aussageinhalt einzuprägen. Ausfluss dieser Pflicht des Ermittlungsrichters ist es auch, dann, wenn seine Vernehmung als Zeuge ansteht, die Vernehmungsniederschriften einzusehen, um sich erforderlichenfalls die Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen (vgl. hierzu zusammenfassend Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 69 Rn. 8 mwN).“

Ich halte die Entscheidung für falsch – Gott sei Dank ja auch der GBA, der einen Aufhebungsantrag gestellt hatte. Sie geht in die falsche Richtung, denn: Über die Beruhensfrage lassen sich Eingriffe in das Beweisverbot gut heilen. Und was die Hellseher beim BGH alles ausschließen können, wissen wir. Auch die gesteigerte Vorbereitungspflicht des Zeugen ist nicht unproblematisch. Bekundet der Zeuge dann in der Hauptverhandlung noch seine Erinnerung oder bekundet er das, was er in den Ermittlungsakten gelesen hat?