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Auswertung einer ESO ES 3.0-Messung durch Private, oder: Ignoranz der Macht?

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Urheber Jepessen

In einem umfangreich begründeten Beschluss – immerhin 10 Seiten – hat jetzt das AG Weilburg im AG Weilburg, Beschl. v. 06.03.2017 – 40 OWi 6 Js 7873/16 – noch einmal zur Frage des Bestehens eines Beweisverwertungsverbotes bei Einschaltung privater Dienstleister bei der Auswertung einer Geschwindigkeitsmessung -ESo ES 3.0 – Stellung genommen und sagt dazu:  Bei eklatanter, bewusst regelwidriger Einschaltung privater Dienstleister bei der Durchführung bzw. Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen durch die Ordnungsbehörde unterliegen die Ergebnisse der Messung einem Beweisverwertungsverbot.

Das Besondere an der lesenswerten Entscheidung, die ich hier – auch nicht auszugsweise – wegen ihrer Länge nicht einstelle, also: selber lesen: Das AG hat das Verfahren nach § 69 Abs. 5 Satz 2 OWiG endgültig mangels hinreichenden Tatverdachts an die Verwaltungsbehörde zurückgegeben, nachdem es schon einige Male zwsichen AG/Verwaltungsbehörde und OLG Frankfurt hin und her gegangen ist.

Fasst man die Ausführungen des AG zusammen, gilt: Das AG bejaht ein Beweisverwertungsverbot wegen der unzulässigen Einschaltung eines privaten Dienstleisters bei der Durchführung der Messung und deren Auswertung. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport habe mit Erlass vom 05.02.2015 die Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden so geregelt, dass technische Hilfe durch Privatpersonen nur dergestalt möglich ist, dass die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel in jedem Fall bei der Ordnungsbehörde zu verbleiben hat. Daran fehle es. Aus der Beweisaufnahme, einer Stellungnahme des übergeordneten Regierungspräsidiums sowie aus früheren vergleichbaren Fällen ergebe sich, dass sich kein Messbeamter in alleiniger Verantwortung vom ordnungsgemäßen Aufbau der Messanlage überzeugt, vorgeschriebene Funktionsprüfungen vorgenommen oder Messungen durchgeführt hat. Ebenso sei die Umwandlung der Falldateien nicht durch die Behörde erfolgt und die Auswertung nicht in dem erforderlichen Maße von der Behörde vorgenommen wurde. Faktisch sei die Messung fast ausschließlich durch den Privatanbieter durchgeführt worden, der auch die Umwandlung und Auswertung vornahm und die Daten erstellte, welche in das Programm zur weiteren Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten als Bußgeldverfahren eingespeist wurden und welche bei Gericht als Beweis dienen sollten. Es müsse ferner die Sachkenntnis des Messbeamten der Gemeinde bezweifelt werden.

Der Kollege Dr. Deutscher hat die Entscheidung für den VRR aufbereitet und meint dazu u.a.:

„Das AG deckt in minutiöser Detailarbeit eine unglaubliche Ignoranz der örtlichen Behörde auf, die offenbar trotz früherer Entscheidungen des AG unbeirrt an ihrem rechtswidrigen Kurs festgehalten hat. Man kann nur hoffen, dass es sich um deinen Einzelfall und nicht die Spitze eines Eisbergs handelt. Mit einer solchen Vorgehensweise wird der ohnehin in der Öffentlichkeit ramponierte Ruf von Geschwindigkeitsmessungen wahrlich nicht gefördert (zur „Kölner Knöllchen-Affäre“ Deutscher ZAP 2017, S. 267) und damit erst recht nicht die Verkehrssicherheit. Der Beschluss ist nachdrücklich zu begrüßen. Anfechtbar ist er nicht (§ 69 Abs. 5 Satz 3 OWiG), hätte aber wohl selbst vor den gestrengen Augen des OLG Frankfurt/Main Gnade gefunden (dort zu einem vergleichbaren Urteil des AG Weilheim Beschl. v. 15.6.2016, 2 Ss-OWi 462/16).“

Da kann man m.E. wirklich nur sagen/fragen: Was schert uns das „Geschwätz“ der Gerichte…… oder ist es die berühmte „Ignoranz der Macht“?

Das Geständnis beim Polizeibeamten, oder: die List ist erlaubt, die Lüge nicht

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Ich hatte vor einigen Tagen ja schon über den BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – 2 StR 84/16 berichtet (vgl. hier Klassiker II: Mal wieder rechtlicher Hinweis nicht erteilt). Auf die Entscheidung komme ich heute wegen eines obiter dictum des BGH bzw. einer Segelanweisung noch einmal zurück. Es geht um die Verwertbarkeit eines Geständnisses des Angeklagten. Der BGh sieht es als unverwertbar an, und zwar:

„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgen-des hin:

Das vom Angeklagten abgelegte polizeiliche Geständnis vom 23. Juli 2014 ist unter Verstoß gegen § 136a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StPO zustande gekommen und daher unverwertbar. Der Vernehmungsbeamte hatte den Angeklagten in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung mehrfach darauf hingewiesen, dass er ihn zwar nicht für einen „Mörder“ halte, dass die Tat aber angesichts der gravierenden Verletzungsfolgen und des Nachtatverhaltens wie ein „richtiger, klassischer Mord“ erscheine, wenn er – der Beschuldigte – dies nicht richtigstelle und sich zur Sache einlasse. Daraufhin äußerte sich der Beschuldigte zur Sache und räumte den äußeren Tatablauf weitgehend ein.

Diese Verfahrensweise war mit § 136a Abs. 1 StPO, der nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO auch für Polizeibeamte gilt, nicht zu vereinbaren. Zwar schließt § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht die Anwendung jeder List bei einer Vernehmung aus. Die Vorschrift verbietet aber eine Lüge, durch die der Beschuldigte bewusst irregeführt und in seiner Aussagefreiheit beeinträchtigt wird. Weiß der Vernehmende, dass aufgrund der bisherigen Ermittlungen kein dringender Tatverdacht bezüglich eines Mordes besteht, erklärt aber trotzdem, die vorliegenden Beweise ließen dem Beschuldigten keine Chance, er könne seine Lage nur durch ein Geständnis verbessern, so täuscht er ihn über die Beweis- und Verfahrenslage (BGH, Urteil vom 24. August 1988 – 3 StR 129/88, BGHSt 35, 328). So liegt es hier. Ausweislich des den Verwertungswiderspruch zurückweisenden Beschlusses des Schwurgerichts hatte der Vernehmungsbeamte in seiner Vernehmung glaubhaft erklärt, dass die Polizeibeamten „selbst damals zunächst nicht von Mordmerkmalen ausgegangen seien, sondern von einer spontanen Tat, einer Affekttat oder einer Beziehungstat. Mordmerkmale hätten sich für sie erst nach dem Geständnis des Angeklagten offenbart.“ Damit steht fest, dass der Angeklagte bewusst darüber getäuscht worden ist, dass zureichende Anhaltspunkte für den Tatvorwurf des Mordes bestünden.“

Liest man selten, dass der BGH ein Geständnis als unverwertbar ansieht.

Nicht (richtig) belehrt?, oder: Dann gibt es einen Pflichtverteidiger

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Zum Recht der Pflichtverteidigung bringe ich dann jetzt den „schönen“ LG Hannover, Beschl. v. 23.01.2017 – 70 Qs 6/17 -, den mir der Kollege Eickelberg aus Burgwedel übersandt hat. Es geht um die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen „Schwierigkeit der Rechtslage“ i.S. des § 140 Abs. 2 StPO. Das LG sagt: Die liegt vor, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, oder wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird. Hiervon umfasst sind nach Auffassung des LG auch Fälle, in denen sich Fragestellungen aufdrängen, ob ein Beweisergebnis einem Verwertungsverbot unterliegt.

Und darum geht es in dem Verfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Nämlich um die Frage, ob die Beschuldigte eher hätte belehrt werden müssen und ob sich ggf. daraus ein Beweisverwertungsverbot ergibt:

Zwar obliegt die Beurteilung, ob ein Verdächtiger als Beschuldigter zu belehren ist, der pflichtgemäßen Bewertung des Vernehmungsbeamten (BGHSI 51, 367 [371]). Die Grenzen des Beurteilungspielraums sind jedoch überschritten, wenn trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird oder auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen werden (BGH NStZ-RR 2012, 49). So ist der Halter eines Kraftfahrzeuges beim Verdacht der Unfallflucht regelmäßig als Beschuldigter zu belehren (OLG Nürnberg StV 2015, 155). Der eingesetzte Polizeibeamte POK pp. ging am 28.07.2016 davon aus, dass die zuvor bei der Wache Polizeiinspektion Hannover-Mitte erschienene Angeklagte die Halterin des im Zusammenhang mit einer Unfallflucht zu überprüfenden Fahrzeugs sei. Ferner musste losgelöst von der Frage, ob ein möglicher Kennzeichenablesefehler vorliegt, sich spätestens dann der Verdacht dahin verstärkt haben, sie als Beschuldigte zu belehren, als sie in der ihr zugeschriebenen Eigenschaft als Zeugin schilderte, dass der Pkw ihr gehöre, sie die ständige Nutzerin des Fahrzeugs sei und auch ausschließlich sie den Pkw nutze. Selbst als sie bekundete, dass ihr Freund am Unfallort in der pp. wohne, erfolgte keine Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 StPO. Erst als sie weiter aussagte, dass sich ihr Pkw zur Unfallzeit in der pp. befunden habe und von ihr dort genutzt worden sei, belehrte der Zeuge die Angeklagte als Beschuldigte im Strafverfahren.

Die Angeklagte, die über keine juristische Vorbildung verfügt, wird die sich vorliegend mit der Einführung und Verwertung von Beweismitteln stellenden Rechtsfragen nicht beantworten können. Zur Ausrichtung der Verteidigungsstrategie ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Berufen auf ein Beweisverwertungsverbot verfahrenstaktisch sinnvoll ist, unerlässlich und nur nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt zu beantworten. Fernerhin können die insofern relevanten Rechtsfragen regelmäßig nur nach vollständiger Aktenkenntnis geprüft werden. Unter Zugrundelegung dieses Beurteilungsmaßstabs ist nach Gesamtwürdigung der Sach- und Rechtslage eine Pflichtverteidigung vorliegend geboten, weil die Annahme eines Beweisverwertungsverbots jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt.“

Verwertungsverbot beim Mitangeklagten?, oder: Alter Hut

entnommen openclipart.org

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Im Recht der Beweisverwertungsverbote spielt die Rechtskreistheorie des BGH eine große Rolle. An sich ein „alter Hut“, an den der BGH aber vor einiger Zeit noch einmal im BGH, Beschl. v. 09.08.2016 – 4 StR 195/18 – erinnert hat:

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das Landgericht habe durch die Verwertung von im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben des Mitangeklagten S. gegen formelles Recht verstoßen, weil dieser noch zur Sache befragt worden sei, obgleich er zu erkennen gegeben habe, dass er ohne rechtsanwaltlichen Beistand keine Aussage machen wolle, und der von ihm benannte Verteidiger nicht habe erreicht werden können, macht er ein Verwertungsverbot geltend, das sich aus einer gegenüber einem Mitangeklagten begangenen Verletzung des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO ergeben soll (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, BGHSt 58, 301 Rn. 9 ff. und Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1009). Damit kann der Beschwerdeführer keinen Erfolg haben. Denn er selbst wäre von dem (behaupteten) Verfahrensverstoß nicht in seinem Rechtskreis betroffen. Ein Verwertungsverbot würde sich daher aus den gleichen Gründen wie im Fall der unterlassenen oder fehlerhaften Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht auf ihn erstrecken (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 5 StR 588/01, BGHSt 47, 233, 234; Beschluss vom 20. März 2000 – 2 AR 217/99, wistra 2000, 311, 313; Urteil vom 10. August 1994 – 3 StR 53/94, NStZ 1994, 595, 596; offengelassen in BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1009 und Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08, NStZ 2009, 281, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 53, 112 nicht ab-gedruckt]; siehe auch BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 1 StR 691/08, BGHSt 53, 191 Rn. 14 ff. [Verstoß gegen § 168c Abs. 5 StPO]; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit von rechtskreisbezogenen Überlegungen bei der Bestimmung der Rechtsfolgen von Verfahrensverstößen vgl. BVerfG, NStZ 2014, 528, 529; NJW 2011, 207, 211 [zu Art. 38 Abs. 1 lit. b S. 3 WÜK]).

Das „verschollene“ Problem, oder: Beweisverwertungverbot bei Messung mit Provida?

entnommen Wikimedia.org Urheber Federico Cantoni (Jollyroger)

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Es gibt immer wieder (Rechts)Fragen, die Rechtsprechung und Literatur beschäftigen und die einen Verteidigungsansatz bieten. Häufig ist dann aber nach einer gewissen Zeit die Frage geklärt = es hat sich in der Rechtsprechung eine h.M. gebildet, die man zur Kenntnis nehmen muss/sollte. Und zwar auch, wenn einem das Ergebnis dieser Klärung nicht gefällt. Jedenfalls kann man mit den Fragen dann nur noch schwer verteidigen. So ist es mit den Fragen um den Richtervorbehalt bei der Blutentnahme gewesen (§ 81a StPO) und so war/ist es mit der Frage nach der Ermächtigungsgrundlage für Videomessungen nach dem BVerfG, Beschl. v. 11.08.2009 – 2 BvR 941/08 – und einem sich daran ggf. anknüpfenden Beweisverwertungsverbot gewesen. Aber: Die Fragen kochen dann immer wieder doch noch einmal hoch. So ist es mit den Videomessungen. Dazu hat jetzt gerade das OLG Köln im OLG Köln, Beschl. v. 06.09.2016 – 1 RBs 246/16 – im Rahmen der Zulassung einer Rechtsbeschwerde noch einmal Stellung genommen und – was mich nicht wundert – ein Beweisverwertungsverbot abgelehnt:

„Die Fragen, die sich mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.08.2009 (2 BvR 941/08) hinsichtlich der Verwertung der von einer Überwachungsanlage gefertigten Aufnahmen und der dazugehörigen Daten ergeben, sind – jedenfalls soweit es das hier zum Einsatz gelangte System Q betrifft – als hinreichend geklärt anzusehen, so dass auch insoweit keine Zulassungsbedürftigkeit besteht. Geklärt ist insoweit, dass es sich bei Bildaufzeichnungen im Rahmen einer verdachtsabhängigen Geschwindigkeitsmessung mit dem System Q nicht um einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt (SenE v. 17.12.2009 – 83 Ss-OWi 99/09 -; SenE v. 22.01.2010 – 82 Ss-OWi 122/09 -; SenE v. 02.12.2010 – III-1 RBs 296/10), sondern eine Rechtsgrundlage in § 100 h StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG gefunden werden kann (OLG Schleswig zfs 2010, 171;  OLG Brandenburg NJW 2010, 1471 = VM 2010, 37 [Nr. 36] = VRS 118, 290 = NStZ 2010, 589 L. [für verdachtsabhängige Geschwindigkeitsmessung mit ES 3.0]; OLG Brandenburg zfs 2010, 527, 528 [für ES 3.0]). Dagegen bestehen auch verfassungsrechtlich keine Bedenken (BVerfG DAR 2010, 508 – 2 BvR759/10 -; BVerfG DAR 2010, 574; OLG Jena NJW 2010, 1093; SenE v. 03.08.2010 – III-1 RBs 192/10 -; SenE v. 02.12.2010 – III-1 RBs 296/10 -; SenE v. 24.09.2014 – III-1 RBs 257/14 -).

Auch soweit gemäß der insoweit als wahr unterstellten Beweisbehauptung des Betroffenen der Aufzeichnungsvorgang durch die Polizeibeamten bereits bei deren Auffahren auf die L 123 in Gang gesetzt wurde, ergibt sich daraus kein weitergehender Klärungsbedarf. Der Senat folgt den sorgfältigen und zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, wonach dieser Umstand keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Dies folgt schon daraus, dass nach den Urteilsfeststellungen der Betroffene erst nach Vorliegen von Anhaltspunkten zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufgenommen wurde. Diese Maßnahme war indes – wie ausgeführt – ohne weiteres zulässig, während ein evtl. davor liegender Aufzeichnungsvorgang allenfalls dritte Personen als Verkehrsteilnehmer betroffen haben kann.

Ohnehin hegt der Senat Zweifel, ob dem Umstand des „vorbeugend“ in Gang gesetzten Aufnahmevorgangs angesichts dessen Einbettung in eine als solche notwendige und zulässige verkehrsüberwachende Maßnahme eine grundrechtsverletzende Eingriffsintensität beizumessen wäre. Das Amtsgericht führt zu Recht aus, dass die ausschließlich von hinten getätigten Bildaufnahmen eine (direkte) Identifizierung von im Fahrzeug befindlichen Personen nicht zulassen. Soweit Fahrzeuge zu erkennen sein sollten, welche von dritten, einer Ordnungswidrigkeit in der konkreten Situation unverdächtigen Personen geführt werden, vermag die Aufnahme der Kennzeichen zwar die Identifizierung der Fahrer erleichtern, es handelt sich vorliegend indes weder um eine systematische oder flächendeckende Erfassung. Der Betroffene hat darüber hinaus weder vorgetragen noch ist dies sonstwie ersichtlich, dass die Bildaufnahmen gespeichert wurden, um sodann gegebenenfalls zum Zwecke weiterer Maßnahmen zur Verfügung zu stehen. Erst in einem solchen Fall käme ein grundrechtsrelevanter Eingriff in Betracht (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.03.2008 – 1 BvR 2074/05 – = NJW 2008, 1505 ff. zur landesgesetzlich gestatteten automatisierten Kennzeichenerfassung zwecks Abgleich mit dem Fahndungsdatenbestand).“

Also: Im Zweifel lieber an anderer Stelle verteidigen. Aver: Versuchen kann man es ja mal. Es gibt immer wieder noch, vor allem amtsgerichtliche, Entscheidungen, in denen der Ansatz erfolgreich.