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Versicherungsfall Vandalismus und Kaskoversicherung, oder: Wer muss was beweisen?

Im zweiten Posting geht es ebenfalls um einen Vandalismusschaden und an die Anforderungen an dessen Nachweis für den Eintritt der Kfz-Kaskoversicherung. Dazu hat sich das OLG Köln im OLG Köln, Beschl. v. 01.08.2024 – 9 U 85/24 – geäußert.

Der Kläger verlangte von der der beklagten Vollkaskoversicherung eine Leistung wegen des Versicherungsfalls „Vandalismus“ und berief sich dabei auf eine umfassende Beschädigung seines Fahrzeuges. Das Schadensbild war in der Sache allerdings besonders auffällig, da eine Vielzahl an oberflächlichen Kratzern an zahlreichen Fahrzeugteilen angebracht worden waren, die an der Fahrzeugoberfläche verbleiben und einen hohen Kostenaufwand mit einer Reparaturkostenkalkulation bei einer markengebundenen Fachwerkstatt erfordern, aber mit vergleichsweise geringen Mitteln einfach optisch instandgesetzt werden können.

Sowohl das LG als auch das OLG sind davon ausgegangen, dass vor diesem Hintergrund ein atypischer Vandalismusschaden vorliegen würde, der keine Entschädigungspflicht der beklagten Vollkaskoversicherung auslöst:

„Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem Vollkaskoversicherungsvertrag auf Zahlung des geltend gemachten Schadens.

1. Das Landgericht ist von dem zutreffenden Ansatz ausgegangen, dass der Kläger als Versicherungsnehmer den Eintritt eines Versicherungsfalles darzulegen und zu beweisen hat.

In der Kfz-Kaskoversicherung gewährt die Rechtsprechung dem Versicherungsnehmer für den durch die Vollkaskoversicherung abgedeckten Fall der Beschädigungen durch Unfall oder mut- oder böswillige Handlungen unberechtigter Personen (hier gemäß Teil A.2 Kaskoversicherung – für Schäden an Ihrem Fahrzeug, Ziff.A.2.2.2.2 und Ziffer A. 2.2.2.3 der zum Vertragsbestandteil gewordenen AKB) nicht die für den Diebstahlsfall anerkannten Beweiserleichterungen, sondern er muss den Vollbeweis für das Vorliegen derartiger Beschädigungen erbringen. Grund dafür ist, dass das Vorliegen von derartigen Schäden grundsätzlich anhand des Schadensbildes an dem für eine Beurteilung zur Verfügung stehenden Fahrzeug festgestellt werden kann. Im Gegenzug werden auch dem Versicherer, wenn die Beschädigung durch solche Handlungen bewiesen ist, keine Beweiserleichterungen für seinen Einwand zuerkannt, dass die Schäden nicht durch betriebsfremde bzw. nicht berechtigte Personen verursacht worden sind (BGH r+s 1997, 446 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 08.08.2017 – 7 U 24/17 –, juris Rn. 25; OLG Köln r+s 1998, 232 f. sowie 2008, 464f .). Der zunächst von dem Versicherungsnehmer zu führende Nachweis einer bedingungsgemäßen Beschädigung kann damit bereits am Schadensbild scheitern, wenn aus der Art der Schäden zu schließen ist, dass die Beschädigungen nicht durch eine mut- oder böswillige Handlung verursacht worden sind (OLG Frankfurt, Urt. v. 08.08.2017 – 7 U 24/17 -, juris Rn. 27; Senat, Urt. v. 13.12.2011 – 9 U 83/11 -, VersR 2012, 1297; Senat, Beschl. v. 13.08.2013 – 9 U 96/13 –, juris Rn. 4).

Dies bedeutet, dass der Kläger zunächst den Vollbeweis für das Vorliegen von Beschädigungen durch einen Unfall oder mut- oder böswillige Handlungen erbringen muss. Erst wenn er diesen Vollbeweis erbracht hat, ist es Sache der Beklagten zu beweisen, dass die Schäden nicht durch betriebsfremde bzw. nicht berechtigte Personen verursacht worden sind.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass vorliegend die Schäden an dem Fahrzeug von ihrer Art und ihrem Erscheinungsbild her keinen positiven Aufschluss für einen Vandalismusschaden geben. Die Kammer hat ihre Bewertung darauf gestützt, dass die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, dass die vielfältigen, oberflächlichen Kratzer an zahlreichen Fahrzeugteilen für eine fachgerechte und vollständige Beseitigung zwar einen hohen Kostenaufwand gemäß der Reparaturkostenkalkulation erfordern, sie zugleich aber mit vergleichsweise geringen Mitteln eine optische Instandsetzung erlauben.

Diese Bewertung der Kammer begegnet – entgegen dem Vorwurf des Klägers – keinen rechtlichen Bedenken. Die Bewertung der Kammer deckt sich mit der Senatsrechtsprechung, wonach dann, wenn die fachgerechte und vollständige Beseitigung vielfältiger, aber sehr oberflächlicher Kratzer an zahlreichen Karosserieteilen nach der Reparaturkostenkalkulation zwar einen hohen Kostenaufwand erfordert und eine optische Instandsetzung im Sinne der Beseitigung der äußerlichen Erkennbarkeit mit vergleichsweise geringen Mitteln möglich ist, der Nachweis einer bedingungsgemäßen Fahrzeugbeschädigung nicht schon anhand des Schadensbildes als durch den Versicherungsnehmer als geführt angesehen werden kann (OLG Köln, Beschl. v. 13.08.2013 – 9 U 96/13 –, juris Rn. 5). Diese Ausführung greift der Kläger mit der Berufung nicht an.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, für die Annahme, der Vandalismusschaden sei von unberechtigten Dritten verübt worden, spreche, dass er mangels Eigentümerstellung keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil aus der Beschädigung des Fahrzeugs gezogen hätte, weil die Versicherungsleistung auf das Darlehenskonto hätte eingezahlt werden müssen. Diesem Aspekt kommt vor dem von der Beklagten dargelegten und dem Kläger nach anfänglichem Bestreiten zwischenzeitlich eingeräumten Umstand kein maßgebliches Gewicht zu, dass das Darlehen im Januar 2023 mit einer Schlussrate von 28.000,00 € insgesamt abzulösen war. Die Gutschrift der Reparaturkosten hätte die Darlehensschuld insgesamt verringert, was jedenfalls mit einem wirtschaftlichen Vorteil für den Darlehensnehmer und mittelbar auch für den Kläger als Anwartschaftsberechtigten verbunden gewesen wäre.

Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 12.06.2024 rügt, das Landgericht habe nicht begründet, warum es ihm ein unredliches Vorgehen unterstelle, verkennt er, dass das Landgericht in der Betrachtung der Gesamtumstände des vermeintlichen Schadensereignisses nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen seine Behauptung, das Fahrzeug sei durch einen unberechtigten Dritten mut- oder böswillig beschädigt worden, auch vor dem Hintergrund seiner Anhörung lediglich als nicht erwiesen erachtet hat. Dies beinhaltet nicht die Überzeugung davon, er habe den Versicherungsfall selbst herbeigeführt, was im Übrigen – insoweit wird auf die einleitenden Ausführungen Bezug genommen – die Beklagte zu beweisen hätte.“

Versicherungsfall Vandalismus und Kaskoversicherung, oder: Verteilung der Beweislast

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Heute dann mal wieder Verkehrszivilrecht, und zwar Versicherungsrecht. Ich stelle zwei Entscheidungen zum Vandalismusschaden in der Kaskoversicherung vor.

Ich beginne mit dem OLG Celle, Urt. v. 08.08.2024 – 11 U 64/23 -, dem folgenden Sachverhalt zugrunde liegt: Der Kläger verlangt eine Entschädigungsleistung aus der Kaskoversicherung wegen der Beschädigung seines Fahrzeuges in Form eines „Vandalismusschadens“. Unbekannte Täter sollen das abgestellte und ordnungsgemäß verschlossene Fahrzeug von außen rundherum mit entsprechenden Kratzspuren böswillig beschädigt haben. Der Versicherer hatte dagegen den Einwand erhoben, dass diese Kratzspuren, die sich nur auf einzelnen Fahrzeugteilen wiederfinden und an der Oberfläche verbleiben, als Grundlage für eine gewinnbringende fiktive Abrechnung vom Kläger selber herbeigeführt worden wären. Nach einer durchgeführten Beweisaufnahme hat sich herausgestellt, dass die im hinteren Bereich des Fahrzeuges vorhandene Kratzspur im Bereich des hinteren Stoßfängers nur entstanden sein kann, wenn die Heckklappe des Fahrzeuges auch geöffnet gewesen ist.

Vor diesem Hintergrund haben das LG wie auch das OLG die Leistungsklage des Klägers abgewiesen:

„Zur Herstellung der Entscheidungsreife hat der Senat den Sachverhalt, wie bereits im Beweisbeschluss vom 1. November 2023 begründet, weiter aufklären müssen, weil das Landgericht von einer unzutreffenden Verteilung der Beweislast ausgegangen ist. Nach der vom Senat durchgeführten Erweiterung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger oder sein Sohn oder eine von einem von beiden beauftragte dritte Person den erheblichen Lackschaden an dem Audi A 8 herbeiführte, um sich die streitgegenständliche Versicherungsleistung rechtswidrig zu erschleichen. Wegen dieses betrügerischen Verhaltens besteht nach Maßgabe sowohl der Regelung A.2.3.3 der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen (AKB) als auch nach § 81 VVG kein Anspruch auf die Klageforderung.

1. Soweit es um eine Anspruchsentstehung gemäß A.2.3.3 der AKB der Beklagten geht, also wegen einer mut- oder böswilligen Beschädigung des Fahrzeugs durch „Personen, die nicht berechtigt [waren], das Fahrzeug zu gebrauchen“, muss allerdings keineswegs allein der Versicherungsnehmer alle Anspruchsvoraussetzungen beweisen.

a) Vielmehr ist nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu unterscheiden: Die (bös- oder) mutwillige Zerstörung oder Beschädigung des versicherten Kraftfahrzeugs als Anspruchsvoraussetzung hat grundsätzlich der Versicherungsnehmer zu beweisen. Allerdings wird es dieses Beweises zumeist nicht bedürfen, weil das versicherte Objekt zur Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, besichtigt werden kann (BGH, Urteil vom 25. Juni 1997 – IV ZR 245/96, juris Rn. 7; vgl. auch Prölss/Martin/Klimke, WG, 31. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2.3, Rn. 38 m.w.N.). Demgegenüber hat der Versicherer – und zwar ohne jede Beweiserleichterung – den Beweis zu führen, dass die Schäden nicht auf ein Verhalten Dritter zurückzuführen sind und dass die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung von Vandalismus durch betriebsfremde Personen gegeben ist (BGH, a.a.O. Rn. 8).

b) Dem Senat ist bewusst, dass es mehrere obergerichtliche Urteile sowie auch aktuelle Kommentierungen gibt, die jedenfalls im praktischen Ergebnis – wie auch das hier angefochtene Urteil – bedeuten, dass den Versicherungsfall des Vandalismus der Versicherungsnehmer zu beweisen habe. Dieses Ergebnis beruht darauf, dass die betreffenden Gerichte die Böswilligkeit oder Mutwilligkeit der Schadensentstehung immer dann ausschließen, wenn es erhebliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant die Schäden selbst verursacht hat. Dieser Rückschluss („selbst verursachter Schaden schließt Mutwilligkeit aus“) findet sich etwa in den (auch von der Beklagten in ihrer Klageerwiderung zitierten) Urteilen des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Dezember 2011 (9 U 83/11, juris Rn. 14) und vom 13. August 2013 (9 U 96/13, juris Rn. 5), überdies – besonders deutlich („[..1 der Kläger daher allein mit dem äußeren Schadensbild den von ihm zu führenden Vollbeweis für eine mut- oder böswillige Beschädigung durch unberechtigte Personen nicht erbracht hat […]“) – in dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 8. August 2017 (7 U 24/17, juris Rn. 28) und auch ausdrücklich etwa in der Kommentierung bei Stiefel/Maier/Stadler (Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2.3. Rn. 386).

Damit wird der grundlegende Inhalt des im Vorstehenden zitierten höchstrichterlichen Urteils jedoch geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Das Tatbestandsmerkmal „Schadensverursachung durch eine betriebsfremde Person“, das nach Maßgabe jenes höchstrichterlichen Urteils der Versicherer im Wege des Vollbeweises zu widerlegen hat, wird gleichsam zum Untermerkmal des Tatbestandsmerkmals „bös- oder mutwillig“ umgedeutet und dem Versicherungsnehmer wird – entgegen dem zitierten höchst-richterlichen Urteil – der Beweis dafür abverlangt, dass der Schadenverursacher betriebsfremd war. Der Bundesgerichtshof hat dem Tatbestandsmerkmal der Bös- oder Mutwilligkeit in der zitierten Entscheidung indes gerade keine besondere eigene Be-deutung beigemessen, sondern eher knapp ausgeführt, dass der Fall der mutwilligen Zerstörung (schon) nach dem unstreitigen Sachverhalt feststehe, der dadurch gekennzeichnet war (a.a.O. Rn. 3, 10), dass das Fahrzeug „in der Nähe eines Baggerlochs“ mit „massiven Beulen und Schlagspuren“, die „offensichtlich auf Hammerschlägen beruhten“, aufgefunden wurde; Sitze und Kopfstützen waren zerschnitten. Der Innenraum des Fahrzeugs war mit dem gleichen Sprühlack verschmiert, mit dem ein beleidigender Schriftzug aufgebracht war. Das äußere Bild einer letztlich objektiv sinnlosen vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung – landläufig „Vandalismus“ genannt -genügte mithin; eines vom Versicherungsnehmer zu erbringenden weiteren Beweises bedurfte es nicht, wiewohl sich auch im dortigen Fall nicht von vornherein sicher aus-schließen ließ, dass der Versicherungsnehmer oder die zwischenzeitlichen Käufer des Fahrzeugs den Schaden verursacht hatten. Den Beweis, dass diese Zerstörung nicht durch „betriebsfremde“ Personen verursacht worden war, erlegte der Bundesgerichtshof dem Versicherer auf (in diesem Sinne auch instruktiv OLG Naumburg, Urteil vom 21. November 2013 – 4 U 237/13, juris 13; OLG Saarbrücken, Urteil vom 11. Dezember 2020 – 5 U 820, juris Rn. 22; Stiefel/Meyer/Stadler, a.a.O Rn. 387).

2. Übertragen auf den vorliegenden Fall folgt daraus, dass zunächst auf der Grundlage des unstreitigen Schadensbildes das Vorliegen eines bös- und mutwilligen Handelns festgestellt werden kann, weil das Schadensbild nur durch eine jedenfalls objektiv sinnlose und vorsätzliche Beschädigung erklärt werden kann (vgl. auch erneut OLG Naumburg, a.a.O. Rn. 11), die insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit einem etwaigen Aufbruchsversuch stand (vgl. zu dieser Abgrenzung gegenüber Mutwilligkeit Bruck/Möller/Koch, VVG, 9. Aufl., A.2 Kaskoversicherung, Rn. 333; OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Januar 1988 – 1 U 208/86, VersR 1988, 1122). Die Beklagte muss indes den Beweis erbringen, dass die Schäden an dem versicherten Fahrzeug von dem Kläger, seinem Sohn oder einer von ihm beauftragten dritten Person verursacht wurden, mithin nicht von einem Unbekannten, der im Sinne von A.2.3.3 AKB nicht zum Gebrauch des versicherten Fahrzeugs berechtigt war.

3. Im Übrigen kommt neben der vom Landgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlage eine weitere in Betracht. Die nach Maßgabe des äußeren Bildes der Beschädigungen anzunehmende Einwirkung mit einem oder mehreren Gegen-ständen auf das versicherte Fahrzeug stellten auch einen Unfall im Sinne von A.2.3.2. Abs. 1 AKB dar, nämlich ein von außen her auf das Fahrzeug plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 10). Auch gegen unfallbedingte Zerstörungen und Beschädigungen war das in Rede stehende Fahrzeug versichert. Jedenfalls für dieses versicherte Risiko bestimmt das Gesetz selbst, nämlich § 81 VVG, ausdrücklich, dass den Versicherer die Beweislast für die Richtigkeit seiner Behauptung trifft, dass der Versicherungsnehmer den Schadensfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe. Auch in diesem rechtlichen Rahmen muss daher die Beklagte ihre Behauptung beweisen, dass der Sohn des Klägers der Urheber der Schäden gewesen sei.

Es entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn die Beweislast bei der Prüfung der Vor-aussetzungen gemäß A.2.3.3 AKB („Vandalismusschäden“) anders als vom Senat beurteilt würde.

4. Das Ergebnis der vom Senat aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung erweiterten Beweisaufnahme ist allerdings eindeutig. Der – als solcher unstreitige – Vandalismusschaden kann nur durch eine Person verursacht worden sein, die berechtigten Zugriff auf das Fahrzeug hatte. Die Beklagte hat folglich den ihr obliegenden Beweis erbracht. Denn bei der Erzeugung der um das ganze Fahrzeug umlaufend angebrachten Kratzspur muss die Heckklappe des Fahrzeugs offen gestanden haben. Ein – wenn auch kleiner – Abschnitt der Kratzspur befindet sich nämlich auf der Oberseite des Heckstoßfängers in einem Bereich, der sich mit jedwedem zur Erzeugung der Kratzspur geeigneten Werkzeug nur erreichen lässt, wenn die Hackklappe geöffnet ist.

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Wurde der Pkw in der Waschstraße beschädigt?, oder: Anscheinsbeweis

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Author Hydro

Und als zweite Entscheidung dann hier das AG Wedding, Urt. v. 31.08.2022 – 20 C 350/20. Es geht um den Schadensersatz nach einem „Waschstraßenunfall“. Dazu meint das AG:

„Dem Kläger steht weder aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 631 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.856,70 € zu.

Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beklagte eine ihr obliegende Pflicht verletzt hätte und dass diese Pflichtverletzung zu einem Schaden an dem klägerischen Fahrzeug geführt hätte.

Nach den allgemeinen Grundsätzen ist es an dem Geschädigten als Gläubiger darzulegen und zu beweisen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug in der von der Beklagten betriebenen Waschstraße geschädigt worden ist, diese schuldhaft eine ihr obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. In Abweichung von dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung ist in den sogenannten Waschstraßenfällen darüber hinaus anerkannt, dass von der Schädigung auf die Pflichtverletzung der Betreiberin geschlossen werden kann, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich der Betreiberin herrührt. Dieser Anscheinsbeweis kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn feststeht, dass der Schaden nur durch den automatisierten Waschvorgang in der Waschstraße selbst verursacht worden sein kann, also keine andere Schadensursache in Betracht kommt (LG Berlin, Urteil vom 23. 12. 2015 – 54 S 32/15; OLG Hamm, Urteil vom 12.4.2002 – 12 U 170/01; LG Essen, Urteil vom 20.11.2008 – 10 S 300/08; LG Bochum, Urteil vom 27.2.2004 – 10 S 48/03). Ist diese Feststellung nicht möglich, liegt das Risiko der Unaufklärbarkeit der Schadensursache beim Fahrzeugeigentümer.

Der Nachweis der objektiven Pflichtverletzung und der Schadensverursachung ist nach den vorgenannten Grundsätzen durch den Geschädigten erst dann erbracht, wenn feststeht, dass ein Fahrzeug beim Durchfahren einer Waschanlage beschädigt worden ist und weder ein Defekt am Fahrzeug noch ein Fehlverhalten des Benutzers vorliegt.

Eine Schadensursächlichkeit allein aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten ist vorliegend jedoch nicht feststellbar. Dem Kläger ist es nicht gelungen den erforderlichen Beweis zu führen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers den hier geltend gemachten Schaden nicht bereits bei der Einfahrt in die Waschanlage aufwies.

Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Eine unumstößliche Gewissheit, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad einer Gewissheit, der Zweifeln schweigen gebietet. Entscheidend ist, ob der Richter die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (BGH, Urteil vom 17.2.1970 – III ZR 139/67; BGH, Urteil vom 14.1.1993 – IX ZR 234/09; BGH, Urteil vom 18.1.2000 – VI ZR 375/98). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

1. Die Aussagen der Zeugin pp. sowie des Zeugen pp. sind unergiebig. Beide Zeugen können sich weder an den Kläger noch an das streitgegenständliche Fahrzeug erinnern. Insbesondere können sie keine Aussage dazu treffen, ob die Kratzer frisch gewesen seien. Beide Zeugen haben vielmehr das allgemeine Procedere bei einer Schadensaufnahme beschrieben, wobei sie übereinstimmend erklärt haben, dass sie die Schäden ohne jegliche Wertung aufnehmen und an den Chef weiterleiten. Überdies hat der Zeuge Richard erklärt, dass er nur die Daten vom Kunden aufgenommen hätte, die Schadensbeschreibung auf dem Schadensprotokoll, Blatt 13 d.A., sei nicht seine Handschrift.

2. Soweit der Kläger die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens als Beweis angeboten hat, so bezieht sich dieses Beweisangebot allein darauf, dass der Schaden durch die Waschanlage entstanden sein soll. Diesem Beweisangebot wäre erst in einem zweiten Schritt nachzugehen gewesen, wenn es dem Kläger gelungen wäre, nachzuweisen, dass das Fahrzeug die streitgegenständlichen Beschädigungen nicht bereits bei der Einfahrt in die Waschstraße aufgewiesen hätte.

3. Dem Beweisantrag des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vom 12.7.2022 auf Parteivernehmung war nicht stattzugeben. Die Voraussetzungen des § 447 ZPO liegen nicht vor, da die Beklagte eine Vernehmung des Klägers ausdrücklich widersprochen hat. Auch eine Vernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO kommt nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass alle zuvor angebotenen Beweismittel ausgeschöpft sind und diese keinen vollständigen Beweis erbracht haben (BGH, Urteil vom 12.12.2019 – III ZR 198/18).

Zwar waren die zuvor angebotenen Beweismittel in Form der Vernehmung der genannten Zeugen ausgeschöpft. Da diese jedoch unergiebig waren, fehlt es an der 2. Voraussetzung des § 448 ZPO. Die nach pflichtgemäßem Ermessen vom Gericht anzuordnende Parteivernehmung von Amts wegen setzt grundsätzlich das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei aufgrund des bisherigen Verhandlungsergebnisses bei einer non-liquet-Situation im Übrigen voraus. Dieser „Anbeweis“ kann sich aus einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder aus dem sonstigen Verhandlungsinhalt, insbesondere aus einer Anhörung nach § 141 ZPO oder aus Ausführungen der Partei nach § 137 IV ZPO ergeben (stRspr, vgl. zB Senat BGHZ 186, 152 [155] = NJW 2010, 3292 Rn. 15; BGH NJW-RR 2003, 1002 [1003]; BGHZ 150, 334 [342] = NJW 2002, 2247; BGH NJW 1999, 363 [364] mwN; Zöller/Greger, § 448 Rn. 4).

An einem solchen „Anbeweis“ fehlt es hier. Entgegen der Auffassung der Kläger war für die Schaffung eines solchen „Anbeweis“ auch nicht eine Parteianhörung gemäß § 141 ZPO durchzuführen. Eine Parteianhörung dient nicht als Beweismittel, sondern hierdurch soll die Klärung, Konkretisierung oder Ergänzung des Sachverhaltes ermöglicht werden (siehe hierzu Lange: „Parteianhörung und Parteivernehmung“ in NJW 2002, 476). Einer solchen Klärung des Sachverhaltes bedurfte es vorliegend nicht. Hierbei ist folgendes zu berücksichtigen: § 148 ZPO will und darf nicht die beweisbelastet Partei von den Folgen der Beweisfälligkeit befreien. Ihr Zweck besteht vielmehr darin, wenn nach dem Ergebnis der Verhandlung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung spricht und andere Erkenntnisquellen nicht mehr zur Verfügung stehen, dem Gericht ein Mittel zur Gewinnung der letzten Klarheit an die Hand zu geben (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 448 Rn. 2)

Soweit es an einem solchen „Anbeweis“ fehlt, ist nach der Rechtsprechung des BGH zu prüfen ob eine Vernehmung des Klägers gemäß § 448 ZPO nach Maßgabe der Rechtsprechung zu den sogenannten „Vier-Augen-Gesprächen“ (Waffengleichheit) durchzuführen ist (BGH, Urteil vom 12.12.2019 – III ZR 198/18). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass eine Partei benachteiligt sein kann, wenn ein Gespräch zwischen ihr und dem Zeugen der Gegenpartei stattgefunden hat, sodass aus Gründen der Waffengleichheit eine Parteivernehmung von Amts wegen zu erfolgen hat. Hiermit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Weder unmittelbar vor der Einfahrt in die Waschstraße noch bei der Befahrung der Waschstraße selbst war die Beklagte oder ein Zeuge der Beklagten anwesend. Müsste die Beklagte, die bei dem klägerseits behaupteten Schadensfall weder anwesend war noch diesen wahrgenommen hat, in diesen Fällen stets und immer eine Parteivernehmung der klagenden Seite hinnehmen, so geriete sie ihrerseits regelmäßig in eine zivilprozessual kaum zu rechtfertigenden Beweisnot. Denn Sinn und Zweck des §§ 448 ZPO ist es gerade, die austarierten Regeln über die Darlegungs- und Beweislast über eine gleichsam voraussetzungslose Parteivernehmung von Amts wegen nicht leerlaufen zu lassen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger in Ermangelung eines anderweitig geeigneten Beweismittels von vornherein beweislos gestellt wird, zumal er hier auch bereits Zeugen benannt hatte. Überdies ist es anerkanntes Recht, dass es prozessual grundsätzlich jedermann freisteht, mittels einer Zession sich selbst zum Zeugen in eigener Sache zu machen. Hiervon hat der Kläger aber keinen Gebrauch gemacht.“

Ersatz von Auslagen für Kopien aus der Gerichtakte, oder: Irgendetwas stimmt da mit den Zahlen nicht….

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Und dann als zweite Entscheidung der BGH, Beschl. v. 12.09.1919 – 3 BGs 293/19 – ja das Entscheidungsdatum ist richtig, die Entscheidung ist erst jetzt veröffentlicht worden. Die Entscheidung ist zwar auch nicht schön, aber: Das liegt hier m.E. am Verteidiger.

Der BGH hat in dem Beschluss über den Ersatz von Auslagen für Kopien aus der Gerichtakte, wenn der Mandant inhaftiert ist, entschieden. Grundlage war folgender Sachverhalt: Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger. Er hat am 06.05.2019 die Erstattung von Kopierkosten in Höhe von 1.785,85 EUR nach Nr. 7000 RVG zzgl. hierauf entfallender Umsatzsteuer nach Nr. 7008 RVG beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sämtliche ihm im März 2019 in Form einer elektronischen Hilfsakte durch den Generalbundesanwalt beim BGH überlassenen Bestandteile der Verfahrensakte bis einschließlich Band 5 durch ihn ausgedruckt worden seien, da die Bundesanwaltschaft erklärte habe, diesem einen Laptop mit der elektronischen Hilfsakte erst nach Anklageerhebung zur Verfügung stellen zu wollen. Nach Anhörung der Kostenprüfungsbeamtin des BGH wies der Rechtspfleger den Rechtsanwalt darauf hin, dass dieser einer Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit eines vollständigen Ausdrucks digitalisierter Verfahrensakten unterliege. Mit Beschluss vom 01.07. 2019 wurde der Antrag des Rechtsanwalts auf „Erstattung umfangreicher Kopierauslagen aus der Bundeskasse“ zurückgewiesen

Hiergegen hat der Rechtsanwalt Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er abermals die unterbliebene frühzeitige Bereitstellung eines Laptops durch die Anklagebehörde angeführt und ergänzt, dass die Justizvollzugsanstalt es ihm untersagt habe, seinen eigenen Laptop zu Verteidigergesprächen mitzubringen. Dem Gebot eines ressourcenschonenden Umgangs habe er dadurch Rechnung getragen, dass ausschließlich schwarz-weiß-Kopien gefertigt worden seien. Auch habe er die Bundesanwaltschaft bereits im März darauf hingewiesen, dass er im Falle weiterer Verzögerungen bei der Bereitstellung eines Laptops werde. Der GBA hat im Erinnerungsverfahren mitgeteilt, dass dem Beschuldigten entsprechend einer schriftlichen Ankündigung vom 08.05.2019 mit Verfügung vom 09.07.2019 ein Laptop zur Verfügung gestellt wurde; am 12.09.2019 wurde das Passwort für die Dateien übersandt. Die Erinnerung hatte beim BGH keinen Erfolg.

Der BGh nimmt (noch einmal) zu den Grundsätzen für den Ersatz von Auslagen für Kopein aus der Gerichtsakte Stellung. Das lässt sich etwa in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Der Ersatz von Auslagen für Kopien und Ausdrucke aus Gerichtsakten kann verlangt werden, soweit diese zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten oder zur notwendigen Unterrichtung des Auftraggebers zu fertigen waren.
  2. Die Darlegungs- und Beweisleist im Auslagenerstattungsverfahren obliegt dem Rechtsanwalt als Antragssteller. Es bedarf für die erforderliche Substantiierung eines konkreten Tatsachenvortrags. Dieser hat namentlich erkennen zu lassen, dass sich der Rechtsanwalt der ihm hierbei eingeräumten Einschätzungsprärogative ebenso bewusst gewesen ist, wie seiner Pflicht zur kostenschonenden Prozessführung.

Zum konkreten Fall führt er dann aus:

„2. Gemessen an diesen rechtlichen Maßgaben musste dem Rechtsmittel hier der Erfolg versagt werden.

a) Zwar drängt sich angesichts des verstrichenen Zeitraums von März bis Juli 2019 auf, dass für den Erinnerungsführer zur Vorbereitung einer sachgerechten Verteidigung die Notwendigkeit eines jedenfalls teilweisen Ausdrucks der Ermittlungsakte bestand. Ihm war es eingedenk des erheblichen Verfahrensumfangs und mit Blick auf das in Haftsachen besondere Geltung beanspruchende Gebot zügiger Verfahrensführung nicht zumutbar, von März 2019 bis zur Überlassung des Datenträgers im Juli 2019 zuzuwarten und erst dann in verfahrensvorbereitende Gespräche einzutreten, die sein Mandant in dem hier umfangreichen Verfahren anhand eigener Aktenlektüre vorbereiten konnte.

b) Der Antragssteller begehrt aber weiterhin – trotz wiederholten Hinweises durch den Rechtspfleger – ohne jede Form der Substantiierung die Erstattung eines pauschalen Ausdrucks der gesamten digitalisierten Verfahrensakte zur Verfahrensvorbereitung für seinen inhaftierten Mandanten. Das erweist sich hier als unzureichend. Schon zu dem maßgebenden Umstand, dass er – zumindest – das Gebot kostenschonender Prozessführung durch eine Durchsicht der Verfahrensakten bedacht und selbst differenziert bewertet hat, was konkret als Besprechungsgrundlage erforderlich sein wird, trägt der Erinnerungsführer nicht vor. Es bleibt ferner offen, ob und an wie vielen Tagen in der Zeit nach der Übersendung der digitalisierten Verfahrensakten überhaupt Besprechungstermine stattgefunden haben oder auch nur geplant waren. Überdies ist gerichtsbekannt, dass die Verfahrensakten einen nicht unerheblichen Anteil gerichtlicher Anordnungen nach § 162 StPO sowie anwaltliche Schriftsätze enthalten, bei denen sich die Notwendigkeit einer Erörterung mit dem Mandanten nicht ohne Weiteres erschließt.“

Manch einer wird nun sagen: Mal wieder der böse BGH, der die Rechtsanwälte/Verteidiger nicht mag. Aber das ist hier m.E. nicht richtig. Denn der BGH hat, was seinen Ausführungen deutlich zu entnehmen ist, einen Erstattungsanspruch nicht grundsätzlich verneint, sondern sieht ihn in diesem Fall vielmehr als grundsätzlich gegeben an. Anders ist der Hinweis auf „den verstrichenen Zeitraum von März bis Juli 2019“, bei dem sich „aufdrängt“, dass die Notwendigkeit zur Vorbereitung einer sachgerechten Verteidigung, die Ermittlungsakten jedenfalls teilweisen auszudrucken, bestanden habe, nicht zu verstehen. Vereinfacht ausgedrückt: Du Pflichtverteidiger hättest hier, weil der Generalbundesanwalt mit dem Zurverfügstellen eines Laptops für den Beschuldigten nicht voran machte, ausdrucken dürfen, wenn ….

Und bei dem „wenn“ liegt dann das Versagen des Verteidigers, denn: Der BGH hält daran fest bzw. bestätigt die OLG-Rechtsprechung, wonach die Beweislast für die Notwendigkeit des Ausdrucks beim Verteidiger/Rechtsanwalt Das mag man für falsch ansehen, ist aber h.M., gegen die ein Anlauf nicht lohnt, sondern auf die man sich einstellen muss. Und es war hier nun wahrlich nicht viel, was der BGH gern vom Pflichtverteidiger gelesen hätte. Die vermissten Angaben sind schnell gemacht und hätten, so verstehe ich den BGH, zur Erstattung geführt. Es bestand m.E. auch kein Problem hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht. (§ 43 a Abs. 2 BRAO bzw. § 2 BORA). Denn bei den vom BGH gewünschten/erwarteten Angaben handelt es sich um solche, die unter § 2 Abs. 3 b BORA fallen dürften. Von daher: Die „Dickfelligkeit“ des Verteidigers ist nicht nachzuvollziehen und stört ersichtlich auch den BGH, der deutlich darauf hinweist, dass der Verteidiger die Angaben noch nicht einmal nach einem Hinweis des Rechtspflegers gemacht hat.

Im Übrigen: Irgendetwas stimmt da nicht. Geltend gemacht worden sind vom Pflichtverteidiger 1.785,85 EUR für die Kopien. Das ist ausweislich der Gründe des BGH-Beschlusses der Nettobetrag. Prüft man diesen an der Vorgaben der Nr. 700 Ziff. 1a VV RVG, dann lässt sich m.E. der Betrag anhand der im Beschluss mitgeteilten Umstände nicht nachvollziehen. Denn:

  • Von den 1.785,85 EUR sind die ersten 50 abzurechnenden Seiten je Seite 0,50 EUR abzuziehen, also 25,00 EUR.
  • Verbleiben also 1.760,85 EUR für die weiteren Seiten. Für die werden ggf. jeweils 01,5 EUR erstattet. D.h., dass der Pflichtverteidiger 11.739 weitere Seiten kopiert haben müsste.
  • Nach den Ausführungen des BGH ist die Verfahrensakte bis „einschließlich Band 5“ kopiert worden, eine genaue Anzahl der Seiten macht der BGH nicht. Geht man davon aus, dass ein Band Akten aus jeweils 400 Blatt besteht und unterstellt man weiter, dass jeweils Vorder- und Rückseite kopiert werden mussten, was m.E. jeweils zu Gunsten des Pflichtverteidigers günstige Annahmen sind, dann waren danach 5 x 800 Blatt = 4.000 Blatt zu kopieren. Das führt aber nur zu einem Betrag von 3.950 Blatt (4000 Blatt – 50 Blatt „erste Seiten“) x 0,15 EUR = 592,50 EUR. Zuzüglich der o.a. 25,00 EUR ergibt sich danach nur ein Erstattungsbetrag von (netto) 617,50 EUR, der dann aber doch im eklatanten Widerspruch zu den geltend gemachten 1.785,85 EUR steht.

Vorschadensproblematik bei der Unfallregulierung, oder: Verschweigen von Vorschäden

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Die zweite Entscheidung kommt heute mit dem OLG Hamm, Urt. v. 25.01.2022 – 9 U 46/21 – vom OLG Hamm. Gegenstand der Entscheidung ist eine Vorschadensproblematik mit folgendem Sachverhalt:

Der Kläger macht gegen die Beklagte aus einem von deren Versicherungsnehmerin allein verursachten Verkehrsunfall vSchadensersatzansprüche geltend. Bei diesem Unfall wurden die linke hintere Seitenwand und die hintere linke Tür seines Kraftfahrzeugs beschädigt.

Der im Dezember 2012 erstmals zugelassene PKW01 Typ01 hatte in der Vorbesitzzeit des Klägers im Jahre 2014 einen Heckschaden mit einem Reparaturaufwand von ca. 3.900,- EUR netto. Im Jahr 2016 erlitt das Fahrzeug bei einem Wildunfall einen Frontschaden und durch einen weiteren Unfall infolge eines Fehlers beim Einparken einen Schaden, durch den das linke Seitenteil betroffen wurde. Das Fahrzeug wurde, wie sich aus der Fahrzeughistorie unter Auflistung der einzelnen Positionen ergibt – jeweils bei einem PKW01 Vertragshändler instandgesetzt. Der Reparaturaufwand für den Seitenteilschaden belief sich ausweislich der vom Kläger vorgelegten und an den Voreigentümer adressierten Rechnung des PKW01 Autohauses C vom 18.01.2017 auf 1.400,57 EUR brutto. Im Zuge der Reparatur wurde das linke Seitenteil ausgebeult und anschließend lackiert. Eine Rechnung über die Instandsetzung des Frontschadens vermochte der Kläger nicht vorzulegen.

In der Besitzzeit des Klägers wurde durch spielende Kinder vor dem 01.11.2018 eine Beule oberhalb des hinteren linken Radkastens verursacht. Dieser Schaden blieb unrepariert.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe den Umfang möglicherweise deckungsgleicher Vorschäden am linken Seitenteil nicht dargelegt und insbesondere nichts zu deren fachgerechter Reparatur vorgetragen, so dass der ihm durch den Unfall vom 01.11.2018 entstandene Schaden nicht ermittelt werden könne. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren fort. Die Berufung des Klägers hatte in dem teilweise Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Wird das Fahrzeug in einem vorgeschädigten Bereich erneut, deckungsgleich beschädigt und ist die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Schäden deshalb streitig, muss der Geschädigte darlegen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 ZPO nachweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt oder ein abgrenzbarer Teil hiervon auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist.
  2. Der Geschädigte muss grundsätzlich darlegen und ggf. nachweisen, welche eingrenzbaren Vorschäden an dem Fahrzeug vorhanden waren und durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen diese zeitlich vor dem streitgegenständlichen Unfall fachgerecht beseitigt worden sind.
  3. Bei der Bemessung der klägerischen Substantiierungslast zu Art und Ausmaß des Vorschadens und zu Umfang und Güte der Vorschadensreparatur dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden; der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG darf nicht verletzt werden.
  4. Das Verschweigen von Vorschäden führt nicht zu einem Anspruchsausschluss nach § 242 BGB. Die Versagung nachweislich bestehender Ansprüche ist in dem gesetzlichen Regime des materiellen Bürgerlichen Rechts quasi als Nebenstrafe nicht vorgesehen.