Das LG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und seine Ehefrau wegen Beihilfe verurteilt. Nach den Feststellungen des LG hatte sie ein Erbbaurecht an einer unbewohnten Doppelhaushälfte erworben, damit ihr Ehemann dort in Absprache mit ihr eine Cannabisplantage anlegen konnte. Durch zwei Ernten habe der Ehemann insgesamt 279.000 EUR eingenommen. Das Erbbaurecht hat das LG als Tatmittel eingezogen. Die Revision der Angeklagten hatte mit der Verfahrensrüge Erfolg. Diese war darauf gestützt worden, dass das LG einen Beweisantrag auf Vernehmung eines „Auslandszeugen“ abgelehnt hat. Nach Darstellung des Angeklagten will er das Haus lediglich von 2016 bis 2019 renoviert haben. Anfang 2019 habe sein Schwager das Haus gemietet und dann wohl an Niederländer untervermietet. Diese hätten wohl die Plantage anlegt. Die Polizei hatte in dem Haus DNA-Spuren von drei Personen gefunden, die in einer niederländischen Datenbank erfasst waren. Eine von ihnen war wegen Btm-Delikten vorbestraft. Der Antrag auf Vernehmung dieser Zeugen in Deutschland oder dem Nachbarland hatte das LG abgelehnt.
„3. Die Verfahrensrüge ist auch begründet. Das Landgericht hat den Antrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt und dadurch seine Aufklärungspflicht verletzt.
a) Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Landgerichts als Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO zu qualifizieren. Zur bestimmten Bezeichnung konkreter Tatsachen reichte es vorliegend aus, die unter Beweis gestellten Tätigkeiten der Zeugen als „Aufbauen“ der Plantage sowie als „Einbringen“ der Cannabis-Pflanzen zu benennen. Angesichts eines unter Beweis gestellten komplexen, mehraktigen Tuns der Zeugen sind solche schlagwortartigen Verkürzungen zulässig, wenn sie – wie hier – den zu beweisenden Vorgang in seinen entscheidungserheblichen Umrissen hinreichend deutlich werden lassen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 – 4 StR 100/07; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 98; Bachler in BeckOK-StPO, 45. Ed., § 244 Rn. 17). Eine umfangreiche Beschreibung der Tätigkeiten war damit ebenso wenig erforderlich wie die – hier ohnehin kaum mögliche – Zuordnung einzelner Teilakte zu bestimmten Zeugen. Einer genaueren zeitlichen Eingrenzung der Tätigkeiten als auf den im Beweisantrag angegebenen Zeitraum zwischen dem 1. Februar und 30. Juni 2019 bedurfte es ebenfalls nicht, da sie von anderen Lebenssachverhalten bereits dadurch unterschieden werden konnten, dass sie sich auf den Aufbau einer bestimmten, im Beweisantrag bezeichneten und durch die in Bezug genommenen Lichtbilder näher dokumentierten Plantage bezogen.
b) Die (vom Landgericht hilfsweise ausgeführte) Ablehnung des Antrags als Beweisantrag ist ebenfalls rechtsfehlerhaft.
aa) Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn dessen Anhörung nach pflichtgemäßer Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ob die Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen geboten ist, richtet sich mithin – insoweit nicht anders als bei Annahme eines bloßen Beweisermittlungsantrags – nach der Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15, NStZ 2017, 96; Beschluss vom 19. Januar 2010 – 3 StR 451/09, jeweils mwN). Ob das Gebot des § 244 Abs. 2 StPO, die Beweisaufnahme zur Erforschung der Wahrheit auf alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, es gebietet, dem Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen nachzukommen, kann nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles beurteilt werden. Allgemein gilt lediglich der Grundsatz, dass bei einem durch die bisherige Beweisaufnahme gesicherten Beweisergebnis auf breiter Beweisgrundlage eher von der Vernehmung des Auslandszeugen abgesehen werden kann. Dagegen wird die Vernehmung des Auslandszeugen umso eher notwendig sein, je ungesicherter das bisherige Beweisergebnis erscheint, je größer die Unwägbarkeiten sind und je mehr Zweifel hinsichtlich des Werts der bisher erhobenen Beweise überwunden werden müssen.
In die gebotene Abwägung hat das Tatgericht – vor dem Hintergrund der bisherigen Beweislage – des Weiteren die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen einzustellen. Dabei kommt der Aussage ein besonderes Gewicht zu, wenn der Auslandszeuge Vorgänge bekunden soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 4 StR 392/20; Beschluss vom 12. Juli 2018 – 3 StR 144/18; Urteil vom 13. März 2014 – 4 StR 445/13; Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06; Becker in LR-StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 357). Bei der Bemessung des Beweiswertes der Aussage ist das Tatgericht von dem Verbot der Beweisantizipation befreit und darf seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt es unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist eine Ablehnung des Beweisantrags rechtlich nicht zu beanstanden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 4 StR 392/20; Beschluss vom 12. Juli 2018 – 3 StR 144/18; Urteil vom 13. März 2014 – 4 StR 445/13; Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; vgl. näher Thörnich, Der Auslandszeuge im Strafprozess, 2020, S. 547 ff.).
Neben der antizipierenden Würdigung des Inhalts einer Aussage des Zeugen kann die Ablehnung eines auf Vernehmung eines Auslandszeugen gerichteten Beweisantrags im Einzelfall auch dadurch gerechtfertigt sein, dass der Beweiswert des Zeugen wegen der voraussichtlichen Unergiebigkeit seiner Aussage oder der Unerreichbarkeit des Zeugen gering ist. Hierzu zählen grundsätzlich auch solche Fallgestaltungen, in denen der Aufenthalt eines Zeugen zwar bekannt, aber damit zu rechnen ist, dass er entweder einer Ladung nicht folgen oder im Falle seines Erscheinens keine Angaben zur Sache machen werde. Dies gilt insbesondere für Zeugen, die der Beteiligung an der Tat verdächtig sind und denen deswegen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zusteht (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 4 StR 392/20; Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 401/13; Beschluss vom 25. April 2002 – 3 StR 506/01; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 357).
Auch hierbei handelt es sich aber um Gesichtspunkte, die nicht isoliert gewürdigt werden dürfen, sondern lediglich im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung im Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden können, wobei der Bedeutung und dem Beweiswert des Zeugenbeweises vor dem Hintergrund der bisherigen Beweisaufnahme der zeitliche und organisatorische Aufwand einer Aufklärungsmaßnahme und die damit verbundenen Nachteile durch die Verzögerung des Verfahrens gegenüberzustellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2002 – 3 StR 506/01, NStZ 2002, 653, 654 mwN; zur erforderlichen Gesamtwürdigung auch BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13, NStZ 2014, 469, 471; zur Abwägung bei besonderer Beweislage auch BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 401/13, NStZ 2014, 51).
bb) In dem für die Ablehnung eines auf die Vernehmung eines Auslandszeugen gerichteten Beweisantrags erforderlichen Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO) müssen die maßgeblichen Erwägungen schließlich so umfassend dargelegt werden, dass es dem Antragsteller möglich wird, seine Verteidigung auf die neue Verfahrenslage einzustellen, und das Revisionsgericht überprüfen kann, ob die Antragsablehnung auf einer rational nachvollziehbaren, die wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles erkennbar berücksichtigenden Argumentation beruht (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 4 StR 392/20; Beschluss vom 12. Juli 2018 – 3 StR 144/18; Urteil vom 13. März 2014 – 4 StR 445/13; Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 357).
cc) Diesen Maßstäben entspricht der von der Revision angegriffene Ablehnungsbeschluss in mehrfacher Hinsicht nicht.
(1) Er ist ermessensfehlerhaft, weil das Landgericht die Ablehnung allein auf die Annahme gestützt hat, eine Vernehmung der Zeugen wäre voraussichtlich unergiebig, jedenfalls aber nicht beweiskräftig. Die erforderliche Gesamtwürdigung, ob es die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses gebot, trotz eines möglicherweise geringen Beweiswerts ihrer Aussagen die Aussagebereitschaft der Zeugen freibeweislich zu ermitteln und sie gegebenenfalls zu vernehmen, fehlt vollständig.
(2) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht etwaigen Aussagen der Zeugen eine erhebliche Beweisbedeutung abgesprochen hat, begegnen zudem auch für sich genommen rechtlichen Bedenken. Nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft ist zum einen die Annahme des Landgerichts, der Beweiswert einer Aussage der benannten Zeugen wäre wegen der diesen drohenden Gefahr, sich selbst der Strafverfolgung auszusetzen, gering. Denn ein solcher Schluss wäre jedenfalls dann nicht ohne weiteres zu ziehen, wenn die Zeugen die im Antrag enthaltenen Beweisbehauptungen bestätigen und damit eine eigene Strafbarkeit einräumen sollten. Zum anderen lassen die Gründe des Ablehnungsbeschlusses besorgen, dass das Landgericht das Ziel der beantragten Beweisaufnahme verkannt und ihre Bedeutung für eine Entlastung des Angeklagten unterschätzt hat, indem es offenbar zugrunde gelegt hat, die Verteidigung wolle nachweisen, dass die benannten Zeugen dem Angeklagten in dem genannten Zeitraum beim Aufbau der Plantage geholfen hätten. Eine solche Auslegung findet in der Antragsbegründung jedoch keine Stütze und liegt auch mit Blick auf das Einlassungsverhalten und die Interessenlage des Angeklagten nicht nahe: Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung die ihm vorgeworfenen Taten bestritten, seinen „Besitz“ an dem Plantagengrundstück ab dem 1. Februar 2019 mit Blick auf die Vermietung in Abrede gestellt und weiter – vom Hörensagen – die Nutzung des Hauses durch Personen aus den Niederlanden in diesem Zeitraum behauptet. Der Nachweis, dass er die Hilfe Dritter in Anspruch genommen habe, hätte ihn von den Tatvorwürfen nicht entlastet, sondern ihn unter Umständen sogar dem Verdacht einer bandenmäßigen Begehung der Straftaten (§ 30a Abs. 1 BtMG) ausgesetzt. Daher waren die drei Zeugen naheliegend nicht als Helfer, sondern als mögliche Alternativtäter der dem Angeklagten seit dem 1. Februar 2019 vorgeworfenen Taten benannt. Ihre Aussagen waren im Fall der Bestätigung der so verstandenen Beweisbehauptungen grundsätzlich geeignet, den Angeklagten zu entlasten und die für seine Täterschaft sprechenden Indizien zu entkräften.“