Große Bedeutung misst der BGH offenbar seiner Entscheidung v. 03.11.2010 – 1 StR 520/10 bei. Das zeigt sich daran, dass sie zur Aufnahme in die amtliche Sammlung BGHSt bestimmt ist.
Stellung genommen hat der BGH zum Beweiswert einer kombinierten Analyse von Kern-DNA und mitochondrialer DNA. Zu entscheiden war über ein Urteil des Landgerichts Landshut, mit dem der Angeklagte jetzt wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war, nachdem ein zuvor erfolgter Freispruch durch das LG vom BGH auf die staatsanwaltschaftliche Revision kassiert und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen worden war (BGHSt 54, 15).
Dieses „zweite“ Urteil stützte sich auf die DNA-Untersuchungen von zwei an der Unterhose bzw. an den Strümpfen des Opfers sichergestellten Fremdschamhaaren. Nach der SV-Analyse stammte die aus der Wurzel eines Haares gewonnene Kern-DNA, d.h. die im Kern der menschlichen Zelle vorhandene Erbsubstanz, 1.000 Mal wahrscheinlicher vom Angeklagten als von einer anderen Person. Da das zweite Haar keine Wurzel mehr aufwies, konnte insofern nur die außerhalb des Kerns in den Mitochondrien enthaltende DNA (sog. mitochondriale DNA [mtDNA] ) untersucht werden. Insoweit ergab sich, dass diese – sowie ebenso die aus dem anderen Haar gewonnene – mtDNA 4.591 Mal wahrscheinlicher vom Angeklagten stammte als von einer anderen nicht über die mütterliche Linie mit ihm verwandten Person mit zufällig derselben Sequenz.
Der BGH führt aus, dass zur Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeit auf die nach wissenschaftlichen Maßstäben geführte Innsbrucker Datenbank EMPOP zurückgegriffen werden durfte. Denn in diese finden für die forensische Verwendung nur randomisierte Einzelproben Eingang, d.h. solche, die bereits auf der Basis von Populationsstudien erhoben worden sind, so dass die Datenbank einen repräsentativen Querschnitt der in Europa vorkommenden mtDNA-Sequenzen enthält.
Insofern ebenfalls sachverständig beraten durfte das Landgericht zudem zu der Einschätzung gelangen, dass die genannten Untersuchungsergebnisse der beiden unterschiedlichen Arten von Erbsubstanzen (UA S. 77) im Sinne der Produktregel dergestalt voneinander unabhängig sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 323; Beschluss vom 5. Februar 1992 – 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601, 602), dass sie als Faktoren miteinander kombiniert werden können. Es konnte daher im Rahmen seiner Beweiswürdigung als gewichtiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten ansehen, dass die sichergestellten Schamhaare im Ergebnis 4.591.000 Mal wahrscheinlicher von diesem stammen als von einer anderen, nicht über die mütterliche Linie mit ihm verwandten Person.