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Pauschgebühr beim/ein „Glücksspiel“, oder: Totgesagte leben länger

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Heute am Gebührenfreitag vor dem Rätsel zunächst zwei Entscheidungen zur Pauschvergütung des Pflichtverteidigers (§ 51 RVG). Zunächst kommt der OLG Köln, Beschl. v. 10.04.2019 – 1 RVGs 15/19, der auch in die Rubrik passen würde: Totgesagt – die Pauschvergütung – leben länger. Das OLG Köln hat nämlich eine Pauschvergütung gewährt:

„Der Antrag auf Bewilligung einer über die gesetzlichen Gebühren hinausgehenden Pauschvergütung gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 RVG ist in dem erkannten Umfang begründet.

1. Nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechts-anwalt auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs o-der der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Damit soll der Ausnahmecharakter bei der Bewilliguhg einer Pauschgebühr zum Ausdruck gebracht werden. Die Vorschrift soll verhindern, dass der bestellte oder beigeordnete Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird, dass ihm ein grundrechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer abverlangt wird (vgl. BVerfG NJW 2007, 1445). Dass dabei im Ergebnis die Vergütung des beigeordneten Anwalts gleichwohl deutlich unter der eines Wahlverteidigers liegt bzw. liegen kann, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420).

Da wesentliche Gesichtspunkte, die noch unter Geltung der BRAGO Anlass zur Gewährung einer Pauschgebühr gegeben haben, nunmehr bereits bei der Bemessung der gesetzlichen Gebühr nach dem RVG berücksichtigt werden (z.B. Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren und an Haftprüfungsterminen, besonders lange Dauer der Hauptverhandlung), ist der praktische Anwendungsbereich der Vorschrift eingeschränkt (vgl. OLG Köln 2. StrafS B. v. 03.05. 2005 – 2 ARs 87/05 -; B. v. 06.01.2006 – 2 ARs 231/05 -; SenE v. 26.04.2007 -1 ARs 20/07 -; SenE v. 08.02.2008 – 1 ARs 3/08 -).

Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall die Gewährung einer Pauschgebühr gleichwohl gerechtfertigt.

2. Auf der Grundlage des Antragsvorbringens, der dem Pflichtverteidiger bekannt gemachten Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse vom 1. März 2019 und der tatrichterlichen Stellungnahme vom 7. Februar 2019 sowie unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Senats erscheint eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt, aber auch ausreichend, um eine un-zumutbare Belastung des Pflichtverteidigers zu vermeiden. Maßgeblich hierfür ist namentlich der Umstand, dass im vorliegenden Verfahren streitige Rechtsfragen zum Begriff des „Glücksspiels“ im Sinne von § 284 StGB zum Tragen kamen, zu welchen sich der Pflichtverteidiger in einer Reihe von umfangreichen Schriftsätzen positioniert hat. Nicht ohne Berücksichtigung konnte des Weiteren bleiben, dass sich das Verfahren gegen insgesamt acht Angeklagte richtete. Gestützt wird die Einschätzung der be-sonderen Schwierigkeit vorliegender Sache durch die tatrichterliche Stellungnahme, ausweislich derer das Verfahren sich durch einen überaus komplexen Sachverhalt auszeichnete.

Nach der Rechtsprechung des Senats wird in der Mehrzahl der Verfahren die Pauschvergütung in der Höhe durch die (einfache) Wahlverteidigerhöchstgebühr begrenzt. Erreichen die gesetzlichen Gebühren in der Addition mit der Pauschgebühr die Wahlverteidigerhöchstgebühr, kann im Allgemeinen nicht davon ausgegangen werden, dass die Pflichtverteidigung dem Verteidiger ein Sonderopfer, das ihm nicht abverlangt werden darf (vgl. BVerfG NJW 2007, 1445), aufgebürdet hat (vgl. SenE v. 11.07.2014 —III-1RVGs 47/14, s. weiter OLG Nürnberg AGS 2015, 173). So liegt der Fall hier: Mit der Zuerkennung der tenorierten Pauschvergütung wird die Wahlverteidigerhöchstgebühr fast erreicht. Durchgreifende Gesichtspunkte, die es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, auch die Wahlverteidigerhöchstgebühr zu überschreiten, haben sich nicht ergeben. Der tenorierte Betrag ist damit erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Sonderopfer des Pflichtverteidigers zu vermeiden.“

Titelbild ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber immerhin, oder: Es gibt sie also doch noch.

Pauschgebühr und „Konfliktverteidigung“, oder: Wenn u.a. die Vernehmung von u.a. Trump, Putin, Macron und Assad beantragt wird

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Pauschvergütungsentscheidungen gibt es kaum noch, und wenn, sind sie meist nachteilig. Heute stelle ich hier mal wieder eine vor, und zwar den OLG München, Beschl. v. 16.03.2018 – 8 St (K) 3/18. Ergangen ist die Entscheidung in einer Staatsschutzsache. Gestritten wird mal wieder um die Frage des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit. Zum besonderen Umfang meint das OLG, dass der Aktenumfang zwar mit 11 Bänden bis zur Anklageerhebung überschaubar gewesen sei. Eine gewisse Kompensation des Umfangs werde zudem bereits durch die erfolgte Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers bewirkt. Das Argument halte ich für fragwürdig und steht bei Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl.,  § 51 Rn. 164 auch so.

Zur „besonderen Schwierigkeit“, die das OLG (auch) verneint hat, verweist das OLG u.a. auf seine Rechtsprechung, wonach Staatsschutzsachen nicht generell besonders schwierig im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG sind (vgl. OLG München, Beschl. v. 02. Juni 2017 – 8 St (K) 1/17).

Interessant dann die Ausführungen des OLG zu den vom Verteidiger ins Feld geführten Argument, dass die Verteidigung „zahlreiche „umfangreiche und notwendige“ Anträge stellte, die ihrer Auffassung nach erforderlich waren“. Das sieht das OLG anders, aber weiter als das OLG Hamm, dass sich zu der Frage der „unnötigen“ Anträge auch vor einiger Zeit geäußert hat:

„Da im Rahmen der Verteidigungsstrategie dem Rechtsanwalt ein weiter Spielraum zuzugestehen ist, sieht der Senat deren Grenzen nicht zwingend dort, wo Anträge dem Bereich der Konfliktverteidigung zuzurechnen sind oder von einem durch Wahlverteidiger vertretenen Angeklagten nicht gestellt worden wären (so OLG Hamm Beschluss vom 23. Juli 2012 – 5 RVGs 65/12 Rdn. 7 f. zit. nach juris; OLG Köln Beschluss vom 02. Dezember 2005 – 2 ARs 223/05 Rdn. 3 zit. nach juris). Dies gilt ungeachtet der Frage der Definition des Begriffs der Konfliktverteidigung (vgl. hierzu Dahs Handbuch des Strafverteidigers 8. A. Rdn. 450 mwN).

Die Grenze ist jedoch eindeutig dort zu ziehen, wo der Bereich angemessener und sinnvoller Verteidigung überschritten wird (vgl. Burhoff/Volpert aaO Rdn. 25), insbesondere wenn Anträge gestellt werden, bei denen ein ernst gemeintes Aufklärungsbemühen fernliegt.

Hierunter fällt ersichtlich der am 07.11.2016 gestellte Antrag,

– die Ehefrau des Angeklagten in Raqqa/Syrien im Rechtshilfeweg zu vernehmen, wobei einerseits ihr genauer Aufenthalt zunächst noch anhand der Geodaten eines Handyvideos aus dem Februar 2015 zu ermitteln sei, im schriftlichen Antrag aber zugleich behauptet wird, sie stehe „in Raqqa gerne für eine Aussage zur Verfügung“

– und dem Senat zudem anheimgestellt wurde, zum Zwecke der Vernehmung dieser Zeugin ein Rechtshilfeersuchen „an Al-Baghdadi zu stellen, hilfsweise an die syrische Regierung“. Die Vernehmung werde dann unter Anwesenheit der Beteiligten „entweder von einem Shariarichter des IS oder

– eines Richters des völkermörderischen Assad-Regimes durchgeführt werden“.

In die gleiche Richtung gehen Anträge auf Vernehmung der Verteidigungsminister der USA, Frankreichs und Russlands sowie des Königs von Jordanien und des syrischen Staatspräsidenten zur Anzahl und Häufigkeit von Luftangriffen und sonstigem Beschuss auf Raqqa, die sämtlich als bedeutungslos bzw. aus den Gründen des § 244 Abs. 5 S. 2 StPO abgelehnt wurden, ungeachtet der Frage, inwieweit eine Ladung dieser Personen völkerrechtlich überhaupt zulässig wäre (vgl. BVerwG Beschluss vom 30. September 1988 – 9 CB 47/88) und dass erkennbar war, weshalb diese Zeugen eigene zeugnisfähige Wahrnehmungen zu diesen Beweisthemen haben sollten.

Auch die Sinnhaftigkeit und Angemessenheit perplexe Anträge, etwa dahingehend, das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen, welches einerseits damit begründet wurde, dass diverse beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz und beim BND gesicherte Chatverläufe und Screenshots der Kommunikation zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder durch das BKA nicht zu den Ermittlungsakten genommen worden seien, die Aktenvollständigkeit somit nicht gegeben sei, und andererseits damit, dass gerade die Zusammenarbeit von BKA mit BND und Verfassungsschutz gegen das Trennungsverbot verstoße (vgl. Anlage 7.3 Seite 3, Anlage 11.3 Seite 3 f. zum Hauptverhandlungsprotokoll) erscheint in diesem Sinne zweifelhaft.“

Ich denke, das passt so, steht ja auch so im RVG-Kommentar 🙂 . Die Ausführungen des OLG zur „Zumutbarkeit“ – die nicht überraschen, waren daher dann überflüssig.