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Verteidiger beauftragt Dolmetscher mit Übersetzung, oder: Wer ist für die Bezahlung zuständig?

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In der zweiten Entscheidung geht es es dann um Auslagen des Verteidigers, und zwar um Auslagen für Dolmetscherleistungen. Die dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.02.2023 – 20 KLs 358 Js 11338/21– zugrunde liegende Konstellation ist in der Praxis gar nicht so selten, und zwar:

Das AG hat gegen den Angeklagten einen nationalen Haftbefehl sowie einen Europäischen Haftbefehl erlassen. Der Beschuldigte wurde dann im Ausland festgenommen und in der Folge ins Inland überstellt. Im Verfahren hat das AG festgestellt, „dass d. Beschuldigte nach Maßgabe des § 187 Absatz 1 bis 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes für das gesamte Strafverfahren, insbesondere für Gespräche und Schriftverkehr mit der Verteidigung sowie für die Überwachung der Besuche durch die Strafverfolgungsbehörden, die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers auf Kosten der Staatskasse beanspruchen kann (§ 114b Absatz 2 Satz 3 StPO; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.10.2003, Aktenzeichen: 2 BvR 2118/01).“

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage zum LG erhoben. Das LG hat dann den Angeklagten mit Urteil vom 10.02.2023 wegen Verstoßes gegen das BtMG verurteilt. Im Verlauf des Verfahrens beauftragte der Wahlverteidiger eine Dolmetscherin mehrfach als Dolmetscherin sowie Übersetzerin. Diese hat ihre Rechnungen zur Begleichung an die StA adressiert. Die StA erachtet sich als nicht zuständig. Die Kostenbeamtin beim Ermittlungsrichter hat geltend gemacht, dass eine dortige Zuständigkeit nur insoweit vorliege, als vom Ermittlungsrichter selbst die Beauftragung erfolgt sei, im Übrigen vor Anklageerhebung die StA, nach Anklageerhebung das zuständige Gericht der Hauptsache zur Entscheidung berufen sei. Das LG hat auf Vorlage der Akten festgestellt, dass es zur Entscheidung über die Kostenerstattung nicht zuständig sei:

„II. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist für die Entscheidung über die geltend gemachten Anweisungen zur etwaigen Kostenerstattung unmittelbar an die Dolmetscherin/Übersetzerin nicht zuständig.

1. Eine Auftragserteilung oder Beiordnung durch die Strafkammer lag zu keinem Zeitpunkt vor. Bereits das reicht hin, um die seitens der Staatsanwaltschaft an das Landgericht Nürnberg-Fürth herangetragene Entscheidungszuständigkeit zu verneinen.

2. Ergänzend weist die Kammer angesichts der vorhandenen Unklarheiten im Geschäftsgang auf Folgendes hin:

a) Die Anträge der Dolmetscherin/Übersetzerin an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sind unzutreffend adressiert, da von dort aus keine Beauftragung ihrer Person stattgefunden hat.

Die Dolmetscherin/Übersetzerin muss sich an Rechtsanwalt A als ihren Auftraggeber halten. Dieser müsste sodann – strafprozessual erforderliche – Translationsleistungen als zu erstattende Aufwendungen gegen die Staatskasse geltend machen.

Es gibt letztlich mehrere Wege, wie ein Dolmetscher/Übersetzer im Strafverfahren hinzugezogen werden kann. Hiervon hängt wiederum der zu beachtende Zahlungsweg ab.

aa) Einerseits kann die Heranziehung/Beiordnung durch das zuständige Gericht erfolgen, § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG. In diesem Falle ist der Dolmetscher/Übersetzer unmittelbar durch das Gericht beauftragt, sodass sich der Zahlungsanspruch gegen das beauftragende Gericht richtet. Eine solche Beiordnung kann von Amts wegen sowie auf Antrag des Beschuldigten respektive seines Verteidigers erfolgen.

Ein vorgeschaltetes Antragsverfahren ist dabei nicht obligatorisch (BVerfG 27.08.2003 – 2 BvR 2032/01, BVerfGK 1, 331 = NJW 2004, 50 (51); Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23), jedoch zulässig (BVerfG 27.08.2003 – 2 BvR 2032/01, BVerfGK 1, 331 = NJW 2003, 50 (51); BGH 05.03.2018 – 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 11620 Rn. 3). § 187 Abs. 1 GVG gewährt einen expliziten Anspruch des Beschuldigten auf staatsseitige Bestellung eines Dolmetschers/Übersetzers und nicht bloß auf Erstattung von für entsprechende Leistungen aufgewandte eigene Kosten (OLG Celle 09.03.2011 – 1 Ws 102/11, NStZ 2011, 718; LG Freiburg 23.09.2011 – 6 Qs 44/11, NStZ-RR 2012, 292; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23). Auf diese „Beanspruchung“ zielt § 187 Abs. 1 Satz 2 GVG ab (KK-StPO/Diemer, 9. Aufl. 2023, § 187 Rn. 2), nicht hingegen auf eine voraussetzungslose Kostenerstattung für eigene Aufträge. Es handelt sich um einen informierenden Hinweis auf die geltende Rechtslage (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 11). Soll demgemäß seitens der Verteidigung ein unmittelbarer Anspruch des Dolmetschers/Übersetzers gegen die Staatskasse konstruiert werden, ist ein entsprechender vorheriger Antrag mit anschließender gerichtlicher Heranziehung/Bewilligung/Beiordnung zwingend.

Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Verfahrensstadium. Im Ermittlungsverfahren ist der Ermittlungsrichter zuständig (BGH 05.03.2018 – 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 11620 Rn. 5), nach Anklageerhebung das mit der Sache befasste Gericht. Eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft wird sich nur insoweit ergeben, als ihr originär zugeordnete oder im Wege der Haftüberwachung vom Gericht nach § 119 Abs. 2 Satz 2 StPO übertragene Aufgaben betroffen sind.

Auch insofern kann und ist die Beiordnung auf diejenigen Gespräche und denjenigen Schriftverkehr zu beschränken, die zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich sind (BGH 05.03.2018 – 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 1…1620 T.enor; LG Freiburg 23.09.2011 – 6 Qs 44/11, NStZ-RR 2012, 292; Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Aufl. 2022, § 187 GVG Rn. 1). Denn § 187 GVG begründet nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und seiner Entstehungsgeschichte keinen generellen Übersetzungsanspruch (BGH 18.02.2020 – 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 = NJW 2020, 2041 (2042) Rn. 10).

Der pauschal formulierte Beschluss des Ermittlungsrichters [pp.] stellt ersichtlich keine konkrete Beauftragung dar; er ist auch nicht als generelle, anlasslose Beiordnung misszuverstehen. Eine solche Beiordnung wäre überdies möglichst konkret vorzunehmen (BeckOK-GVG/Allgayer, 17. Ed. 2022, § 187 Rn. 5; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl. 2010, § 187 GVG Rn. 15) und hätte die soeben bezeichnete, gebotene Beschränkung auf diejenigen Gespräche und denjenigen Schriftverkehr, die zur Ausübung der strafprozessualen Rechte erforderlich sind, zu enthalten (BGH 05.03.2018 – 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 1…1620 T.enor).

Der Beschluss des Ermittlungsrichters [pp.] erweist sich vielmehr als standardisierter Hinweis nach § 187 Abs. 1 Satz 2 GVG. Eine Auftragsbeziehung zur Dolmetscherin/Übersetzerin sollte zu keinem Zeitpunkt begründet werden, sonst hätte der Ermittlungsrichter anders formuliert. Der ergänzende Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2003 ist ebenfalls klarstellend im Hinblick auf die Besuchsüberwachung zu verstehen.

bb) Daneben kann der Dolmetscher/Übersetzer auch vom Beschuldigten oder seinem Verteidiger selbst beauftragt werden, mit nachfolgender Auslagenerstattung, wobei dann die Gefahr besteht, dass bestimmte Teile der Translationskosten wegen Sachfremdheit nicht erstattet werden (OLG Oldenburg 24.06.2011 – 1 Ws 241/11, NStZ 2011, 719 (720); Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 22 ff.; Kulhanek, Die Sprach- und Ortsfremdheit von Beschuldigten im Strafverfahren, 2019, S. 54).

Der Dolmetscher/Übersetzer erwirbt in diesen Fällen keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Staatskasse, sondern allein gegen seinen Auftraggeber, welcher sich sodann wiederum gegenüber der Staatskasse schadlos zu halten hat (OLG Düsseldorf 20.12.2010 – 1 Ws 271/10, NStZ 2011, 719; OLG Oldenburg 24.06.2011 – 1 Ws 241/11, NStZ 2011, 719; LG Dortmund 30.11.2017 – 35 Qs 24/17, BeckRS 2017, 148602; MAH Strafverteidigung/Schulte, 3. Aufl. 2022, § 18 Rn. 26; Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, 8. Aufl. 2021, § 46 Rn. 134). Es handelt sich um erstattungsfähige Aufwendungen, § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG, die für den Fall ihrer Erforderlichkeit (§ 187 Abs. 1 Satz 1: „soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist“) unabhängig vom Verfahrensausgang von der Staatskasse zu tragen sind (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 24; Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, 8. Aufl. 2021, § 46 Rn. 140). Gleiches gilt für den Wahlverteidiger (BVerfG 27.08.2003 – 2 BvR 2032/01, BVerfGK 1, 331 = NJW 2003, 50 (51); OLG Brandenburg 27.07.2005 – 1 Ws 83/05, StV 2006, 28 (29); OLG Karlsruhe 09.09.2009 – 2 Ws 305/09, StraFo 2009, 527; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23 f.), wie sich gebühren- und auslagenrechtlich aus § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO ergibt (KMR-StPO/Bader, 103. EL 2021, § 464a Rn. 25). Es handelt sich um einen Auslagenerstattungsanspruch sui generis unabhängig von der Art der Verteidigung und der Frage einer Verurteilung.

Wann die Beiziehung insbesondere eines Übersetzers zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich ist, lässt das Gesetz als unbestimmten Rechtsterminus hingegen im Raum stehen. Das Ergebnis ist einer abstrakt-allgemeinen Kategorisierung nicht zugänglich, sondern abhängig von den Umständen des Einzelfalls, wobei namentlich Art und Schwere des Tatvorwurfs sowie die Komplexität der zu prüfenden Beweisfragen zu berücksichtigen sind (LG Freiburg 23.09.2011 – 6 Qs 44/11, NStZ-RR 2012, 292; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl. 2010, § 187 GVG Rn. 7; SSW-StPO/Rosenau, 5. Aufl. 2023, § 187 GVG Rn. 4).

Der Verteidiger kann, um diese Unsicherheit zu beseitigen und eine Bindungswirkung für das Feststellungsverfahren herbeizuführen, einen Antrag nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 RVG stellen (MAH Strafverteidigung/Schulte, 3. Aufl. 2022, § 18 Rn. 27; Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, 8. Aufl. 2021, § 46 Rn. 136). Es handelt sich mithin um eine Absicherung der späteren Kostenerstattung. Es muss sich dabei um eine bestimmt bezeichnete Aufwendung handeln (OLG Hamm 15.11.2007 – 2 WF 239/07, BeckRS 2008, 1834 Rn. 6; Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 46 RVG Rn. 37). Überdies gewährt § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG im Rahmen des Erforderlichen und Angemessenen einen Vorschussanspruch des Verteidigers gegenüber der Staatskasse (LG Neuruppin 15.03.2021 – 11 Ks 22/20, BeckRS 2021, 11895 Rn. 8).

Ein Antrag nach § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG bleibt ohnehin unberührt (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23).

b) Zuständig zur – abschlägigen – Bescheidung der Anträge der Dolmetscherin/Übersetzerin ist daher vorliegend die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth als in Anspruch genommene Rechnungsadressatin (vgl. auch LG Dortmund 30.11.2017 – 35 Qs 24/17, BeckRS 2017, 148602 Rn. 4). Da die Dolmetscherin/Übersetzerin in ihren Rechnungen ausdrücklich darauf hinweist, dass sie um Mitteilung bitte, sollte die Staatsanwaltschaft nicht die richtige Rechnungsadressatin sein, dürfte allerdings auch eine formlose Mitteilung genügen.

aa) Die vorgebrachte Rechtsansicht, wonach auch ohne zugrunde liegende justizielle Beauftragung/Beiordnung bis zur Anklageerhebung stets die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung stets das mit der Sache befasste Gericht zuständig wäre, geht fehl. Für den – wie ausgeführt nicht gegebenen – Fall einer Beiordnung durch den Ermittlungsrichter im Ermittlungsverfahren wäre überdies bis zur Anklageerhebung ebenfalls nicht die Staatsanwaltschaft, sondern das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – zuständig. Die Zuständigkeit der Anweisung von Übersetzungskosten folgte insofern der beauftragenden Hinzuziehung.

bb) Die Dolmetscherin/Übersetzerin hat sich sodann an ihren Auftraggeber Rechtsanwalt A zu halten, welcher die Kosten zu verauslagen hat (OLG Düsseldorf 20.12.2010 – 1 Ws 271/10, NStZ 2011, 719). Dieser hat sodann im Wege der Auslagenerstattung die von ihm getragenen Dolmetscher-/Übersetzerkosten anzuführen und gegenüber der Staatskasse geltend zu machen, wobei ausdrücklich zu beachten ist, dass diese nur im Rahmen der Erforderlichkeit Erstattung finden dürfen. Dass die Dolmetscherin/Übersetzerin vom Verteidiger ermächtigt worden wäre, den ihm zustehenden Auslagenerstattungsanspruch selbst gegen die Staatskasse geltend zu machen (vgl. OLG Düsseldorf 20.12.2010 – 1 Ws 271/10, NStZ 2011, 719; MAH Strafverteidigung/Schulte, 3. Aufl. 2022, § 18 Rn. 26), ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.“

Ein m.E. klarer und eindeutiger Weg, wie mit diesen Auslagen umzugehen ist und war wann zahlen muss.

Im Übrigen hat das LG auch noch zur Erforderlichkeit der geltend gemachten Leistungen Stellung genommen. Insoweit verweise ich auf dne verlinkten Volltext.