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OWi I: Einspruch im OWi-Verfahren nur durch beA?, oder: Ja, sagt das AG Tiergarten?

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Und heute dann ein Owi-Tag. Den eröffne ich mit einer (weiteren) Entscheidung zur Frage: Einspruch gegen den Bußgeldbescheid per beA oder nicht? Das AG Hameln hatte die Frage im AG Hameln, Beschl. v. 14.02.2022 – 49 OWi 23/22 – verneint, das AG Tiergarten hat sie nun im AG Tiergarten, Beschl. v. 05.04.2022 – 310 OWi 161/22 – bejaht. Zur Begründung führt es aus:

„Dieser Rechtsbehelf ist mangels Wahrung der gesetzlichen Formvorschriften unwirksam und unzulässig.

Nach §§ 67, 110c Ordnungswidrigkeitengesetz in Verbindung mit § 32d Strafprozessordnung ist ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ausschließlich als signiertes elektronisches Dokument über das BeA – Besondere Anwaltspostfach – und das beBPo – das besondere elektronische Behördenpostfach – zu übermitteln. Eine Übermittlung in Papierform oder als Telefax ist unzulässig.

Nur die Übertragung eines elektronischen Dokuments in eine elektronische Poststelle mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes kann die Formvorschriften für einen Einspruch und dessen Begründung im Bußgeldverfahren erfüllen. Ein Telefax erfüllt die Kriterien für eine elektronische Datenkommunikation, die gesetzlich definiert ist, nicht.

§ 32d StPO normiert eine Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument für bestimmte Verfahrenshandlungen. Durch die entsprechende Anwendung aus § 110c und unter Berücksichtigung des § 110a Abs. 4 muss § 32d StPO im Bußgeldverfahren um den Einspruch und die Einspruchsbegründung, die Rechtsbeschwerde und die Rechtsbeschwerdebegründung ergänzt werden (vgl. Krenberger/Krumm, 6. Aufl. 2020, OWiG § 110c Rn. 13 bei beck online).

Werden die zwingenden Erklärungen in § 32d StPO Satz 2 nicht in elektronischer Form eingereicht, ist die jeweilige Erklärung mangels Wahrung der Form unwirksam (BeckOK StPO/Valerius, 41. Ed. 1.10.2021, StPO § 32d Rn. 4; Gassner/Seith, Ordnungswidrigkeitengesetz, OWiG § 110c Rn. 25, beck-online; Krenberger/Krumm, a.a.O.).

Soweit das Amtsgericht Hameln (Beschluss vom 14.02.2022 – 49 OWi 23/22, BeckRS 2022, 2579 beck online) die Ansicht vertritt, der Einspruch und die Einspruchsbegründung gegen einen Bußgeldbescheid seien nicht von der neuen Formerfordernis erfasst, eine zwingende Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs bestehe insoweit nicht, und eine Analogie zum Strafbefehlsverfahren zu begründen sucht, kann der Rechtsauffassung nicht beigetreten werden. Der Gesetzeswortlaut und der Gesetzeszweck lassen diese Auslegung nicht zu.

Der Gesetzgeber hat den Einspruch im Bußgeldverfahren schon deshalb als Anwendungsfall der zwingenden Formvorschrift gesehen, weil er explizit von diesem Formzwang eine Ausnahme formulierte, konkret zu § 335 HGB. In § 335 Abs.2a HGB in seiner Neufassung ist niedergelegt, dass auf die elektronische Kommunikation mit dem Bundesamt § 110c Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten entsprechend anzuwenden ist, jedoch nicht in Verbindung mit § 32d der Strafprozessordnung. Eine Ausnahme des Gesetzgebers von der Anwendung einer Formvorschrift ist nur dann erforderlich, wenn es jene Formvorgabe tatsächlich gibt.

Die Gesetzbegründung nimmt auf diese Anwendungspflicht Bezug. In der Drucksache 18/9416 vom 17.08.2016 – Seite 36 – ist niedergelegt, dass durch die Vorschriften des neuen Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Straf- und Bußgeldsachen zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden verpflichtet werden – sofern es keine Ausnahmeregelung in bestimmten Fällen gibt (wie zuvor in Bezug auf § 335 HGB aufgezeigt). Zu diesen Strafverfolgungsbehörden gehören auch die Behörden des Polizeidienstes, soweit diese Aufgaben im Bußgeldverfahren wahrnehmen.

Die Verteidigerin des Betroffenen ist die Formverletzung bekannt. Sie wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 15.02.2022 zum Vorgang (319 OWi) 3032 Js-OWi 1436/22 (139/22) ausdrücklich darauf hingewiesen, zugestellt am 21.02.2022. Wegen dieser ihrer Säumnis der Formvorgaben musste ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 28.02.2022 gestellt werden, dennoch handelte sie vorliegend am 01.03.2022 erneut und damit bewusst entgegen den Formvorschriften.“

Dieser Meinungstreit war zur erwarten. Folge: Als Verteidiger legt man auf jeden Fall per beA ein, das ist der sicherste Weg.

Aus dem AG-Beschluss ist mir die Passage betreffend Wiedereinsetzung unverständlich, und zwar doppelt. Einmal im Hinblick auf die Verteidigerin, die ja offenbar vom AG „gewarnt“ worden ist. Dann verstehe ich, warum man dann trotzdem nicht den Einspruch per beA einlegt. Andererseits: Diese „Dummheit“ wird man kaum dem Betroffenen anlasten können. Wenn das AG das meint, wäre das m.E. auch „unverständlich“.

beA II: Verstoß gegen die „aktive Nutzungspflicht“, oder: Kranker Rechtsanwalt als „technische Störung“?

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Die zweite Entscheidung zum beA/elektronisches Dokument kommt vom KG aus Berlin. Ergangen ist der KG, Beschl. v. 25.02.2022 – 6 U 218/21 – in einem  Verfahren, in dem der Kläger von der Beklagten Leistungen aus einer Unfallversicherung verlangt. Die Klage ist abgewiesen worden. Das Urteil des LG ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.10.2021 zugestellt worden. Der Rechtsanwalt hat für den Kläger gegen das Urteil des LG am 04.11.2021 mit per Telefax übermittelten Schriftsatz Berufung eingelegt. Am gleichen Tag ist auch der Originalschriftsatz bei Gericht eingegangen. Auf Antrag vom 29.11.2021 ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 04.01.2022 verlängert worden.

Am 04.01.2021 geht dann um 15.25 Uhr der Schriftsatz mit der Berufungsbegründung als Telefax beim KG ein. Am gleichen Tag ist auch der Originalschriftsatz mit der Berufungsbegründung eingegangen. Der Kläger hat auf einen Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 07.01.2022 vorgetragen, dass sich sein Prozessbevollmächtigter vom 26.12.2021 bis zum 02.01.2022 im Weihnachtsurlaub in Österreich befunden habe. Dort sei der Prozessbevollmächtigte am 01.01.2022 erkrankt. Es seien eine leicht erhöhte Temperatur, Schnupfen, Gliederschmerzen und ein Kratzen im Hals aufgetreten. Diese Symptome seien erst am 06.01.2022 abgeklungen. Um ein Coronaleiden auszuschließen, habe der Prozessbevollmächtigte am 02.01.2022 einen Antigen-Schnelltest durchgeführt, der wiederholt kein eindeutiges Ergebnis gezeigt habe. Deshalb habe er am 03.01.2022 eine PCR-Testung in Anspruch genommen, wobei ihm das Negativ-Testat am 06.01.2022 vorgelegen habe. Die Berufungsbegründungsschrift habe der Prozessbevollmächtigte am 03. und 04.01.2022 zuhause gefertigt, ausgedruckt und unterschrieben. Eine elektronische Versendung von zuhause aus sei nicht möglich gewesen, da die beA-Hardware und Software am Arbeitsplatz im Büro in Berlin installiert seien. Auch ein Fax-Gerät habe dem Prozessbevollmächtigten zuhause nicht zur Verfügung gestanden. Die Berufungsbegründungsschrift sei daher am Nachmittag von einem Boten in das Büro des Prozessbevollmächtigten in Berlin gebracht worden, in dem er mit einer Steuerberatungs-GmbH in Bürogemeinschaft zusammenarbeite. Über den Faxanschluss der GmbH sei die Begründung an das KG versandt worden. Anschließend sei die Begründung in den Briefkasten des Justizboten in der Littenstraße beim LG Berlin eingeworfen worden zur Versendung an das KG.

Auf rechtlichen Hinweis des KG vom 11.01.2022 hat der Kläger die Berufungsbegründung am dann 24.01.2022 als elektronisches Dokument übermittelt und vorgebracht, dass die Übermittlung als elektronisches Dokument am 04.01.2022 aus technischen Gründen nicht möglich gewesen sei Sein Prozessbevollmächtigter hat daraufhin mit per beA am 24.01.2022 eingegangenem Schriftsatz vom „4. Januar 2022“ anwaltlich versichert, für seinen Verhinderungsfall Vorkehrungen getroffen zu haben. Er arbeite in Bürogemeinschaft mit einem anderen Rechtsanwalt zusammen. Beide seien als Einzelanwälte ohne Büropersonal tätig. Es bestehe die Absprache, dass bei Abwesenheit des einen Rechtsanwaltes der andere Rechtsanwalt als Unterbevollmächtigter für diesen tätig wird, soweit dies erforderlich sei. Er selbst habe am 02.1. wieder im Büro sein wollen. Der andere Rechtsanwalt sei am 04.01.2022 wegen eigener Urlaubsabwesenheit für den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht erreichbar gewesen.

Das KG hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet worden ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist könne nicht erfolgen.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Eine Ausnahme von der seit dem 01.01.2022 bestehenden Verpflichtung der Rechtsanwälte, vorbereitende Schriftsätze nur noch als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen (§§ 130 a, 130 d ZPO), besteht gemäß § 130 d S. 2 ZPO nur dann, wenn dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, weil entweder das Gericht auf diesem Wege nicht erreichbar ist oder bei dem Rechtsanwalt ein vorübergehendes technisches Problem aufgetreten ist.

2. Sieht sich der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen (hier: ausstehendes Ergebnis eines PCR-Testes zum Ausschluss eines Coronaleidens) nicht in der Lage, seine Kanzleiräume aufzusuchen und den Schriftsatz dort elektronisch zu übermitteln, stellt dies keine vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen dar.

3. Die technische Störung ist gemäß § 130 d S. 3 ZPO unmittelbar bei der Ersatzeinreichung auf herkömmlichen Wege oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; die Mitteilung von Gründen erst 20 Tage nach Einreichung des Originalschriftsatzes genügt diesen Anforderungen nicht.

4. Ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 S. 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt vor dem Fristablauf nicht alle ihm noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, wie etwa die Suche nach einem vertretungsbereiten Kollegen zur formwirksamen Einreichung der fertigen Berufungsbegründungsschrift.

beA I: Pflicht zur Prüfung fristwahrender beA-Dokumente, oder: Die Pflicht ist nicht übertragbar!

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Am heutigen „Kessel-Buntes-Tag“ stelle ich dann zwei Entscheidungen vor, die sich mit dem beA bzw. dem elektronischen Dokument und der Frage der Wiedereinsetzung, wenn etwas „schief“ gelaufen ist, befassen, vor.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 08.03.2022 – VI ZB 78/21 – zur Sorgfaltspflicht bei einer elektronischen Signierung mit folgendem Sachverhalt:

Der Beklagte ist erstinstanzlich vom LG zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden. Gegen das ihm am 26.02.2021 zugestellte Urteil legte der Beklagte fristgerecht Berufung ein. Am 26.04.2021 ging beim OLG aus dem beA der Instanzbevollmächtigten des Beklagten ein qualifiziert signierter Schriftsatz ein, der mit „Berufungsbegründung“ überschrieben war, aber nur aus einer Seite bestand. Nach Mitteilung der Geschäftsstelle des OLG, dass der angefügte Schriftsatz nur aus der ersten Seite bestehe, ging am Morgen des 27.04.2021 sodann die vollständige, fünfseitige Berufungsbegründung ein.

Am 03.05.2021 beantragte der Beklagte die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung hat der Beklagte vorgetragen, seine Rechtsanwältin habe am Morgen des 26.04.2021 ihre Sekretärin angewiesen, die fertige Berufungsbegründung zur Signierung in die Anwaltssoftware einzustellen. Unmittelbar vor dem Signierungsvorgang habe seine Rechtsanwältin das eingestellte Dokument darauf geprüft, ob es sich um das richtige Dokument gehandelt habe. Ferner habe sie den Schriftsatz, bestehend aus insgesamt fünf Seiten, auch nochmals im Hinblick auf das zuständige Gericht, Aktenzeichen, Parteibezeichnung, die gestellten Anträge und die Vollständigkeit des Schriftsatzes geprüft. Auf Seite 1 habe sie noch einen kleinen Tippfehler festgestellt und ihre Sekretärin angewiesen, diesen auszubessern und die Berufungsbegründung sodann abschließend zur Signatur einzustellen. Unmittelbar vor dem erneuten Signaturvorgang habe die Rechtsanwältin den Schriftsatz nochmals geöffnet und überprüft, ob die angewiesene Änderung auf Seite 1 übernommen worden sei. Die Rechtsanwältin habe dabei festgestellt, dass die Büroangestellte den Tippfehler weisungsgemäß ausgebessert habe, und habe anschließend das Dokument signiert. Danach habe die Büroangestellte das Dokument per beA verschickt.

Im Nachgang habe sich herausgestellt, dass die Sekretärin weisungsgemäß den Fehler auf Seite 1 ausgebessert habe. Die geänderte Seite habe sie für die Papier-Handakte ausgedruckt. Anschließend habe sie das Word-Dokument in ein PDF-Dokument umgewandelt, um es sodann in die Anwaltssoftware zur Signierung einzustellen. Bei dem Print-to-PDF-Vorgang habe das Programm die Einstellung des vorangegangenen Druckvorgangs, nämlich Ausdruck nur der Seite 1, übernommen. Das habe die sonst sehr zuverlässige, geschulte und erfahrene Sekretärin übersehen. Die Rechtsanwältin sei ihren Pflichten nachgekommen. Nach der korrekten Änderung des Tippfehlers habe sie davon ausgehen können und müssen, dass der Schriftsatz im Übrigen genau wie zuvor vollständig eingestellt worden sei. Für die Rechtsanwältin habe daher kein Anlass bestanden, den restlichen Schriftsatz nochmals bis zum Ende durchzusehen.

Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten. Die hatte beim BGH keinen Erfolg. Nach Auffassung des BGH ist die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten daran gehindert gewesen wäre, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.

Der BGH verweist auf seine „Wiedereinsetzungsrechtsperchung), wonach ein Rechtsanwalt schuldhaft handele, wenn er eine Rechtsmittelbegründungsschrift unterschreibt, ohne sie zuvor auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen (vgl. BGH VersR 1993, 79). Die wendet er auf die elektronische Signatur an:

„…..

b) Nichts anderes kann im elektronischen Rechtsverkehr für die elektronische Signatur gelten. Eine qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift (vgl. Art. 25 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG [eIDAS-VO]). Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (vgl. zu letzterem BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 21; vom 29. September 2021 – VII ZR 94/21, NJW 2021, 3471 Rn. 12). Auch bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokumentes (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) gehört es daher zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.

c) Nach diesen Grundsätzen hat die Instanzbevollmächtigte des Beklagten sorgfaltswidrig gehandelt, als sie das ihr im zweiten Durchgang zur Signierung zugeleitete elektronische Dokument zwar geöffnet und auf Korrektur des im ersten Durchgang monierten Tippfehlers, nicht aber auf Vollständigkeit im Übrigen überprüft hat.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war eine erneute Überprüfung hier nicht deshalb entbehrlich, weil die Instanzbevollmächtigte des Beklagten im ersten Durchgang das ihr zur Signierung zugeleitete Dokument vollständig überprüft und ihrer Sekretärin die Einzelanweisung erteilt hatte, den Tippfehler auf der ersten Seite der Berufungsbegründung zu korrigieren. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Anwalts an der Fristversäumung grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf darauf vertrauen, dass eine solche Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Ihn trifft unter diesen Umständen nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2003 – VI ZB 26/03, NJW-RR 2004, 711, 712, juris Rn. 4 f.; BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – XII ZB 552/20, NJW-RR 2021, 998 Rn. 15; vom 16. September 2015 – V ZB 54/15, NJW-RR 2016, 126 Rn. 11; vom 5. Juni 2013 – XII ZB 47/10, NJW-RR 2013, 1393 Rn. 12; vom 20. März 2012 – VIII ZB 41/11, NJW 2012, 1737 Rn. 10).

Doch unterscheidet sich der hier vorliegende Fall von den der genannten Rechtsprechung zugrundeliegenden Fällen maßgeblich. Dort war ein von dem Rechtsanwalt bereits unterzeichneter und mit der Korrekturanweisung dem Büropersonal übergebener Schriftsatz nicht mehr in den Einflussbereich des Rechtsanwalts gelangt. Hier indessen wurde der Instanzbevollmächtigten des Beklagten ein – nur die erste Seite der Berufungsbegründung enthaltendes, nicht signiertes – Dokument zur Signierung zugeleitet. Ursächlich dafür, dass dieses fehlerhafte Dokument per beA an das Berufungsgericht übermittelt und dadurch die Berufungsbegründungsfrist versäumt wurde, war der Umstand, dass die Instanzbevollmächtigte des Beklagten es ungeprüft signiert hat. Damit hat sie eine neue Gefahr geschaffen. Diese bereits für den herkömmlichen Schriftverkehr entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 1992 – XII ZB 39/92, VersR 1993, 79, juris Rn. 4) gelten umso mehr für den elektronischen Rechtsverkehr, bei dem in einer vergleichbaren Situation nicht lediglich eine Seite eines handschriftlich korrigierten konkreten Schriftsatzes ausgetauscht, sondern – wie der Streitfall zeigt – durch Scan-, Kopier- und Speichervorgänge ein letztlich neues elektronisches Dokument – und damit eine gänzlich neue Gefahrenquelle – geschaffen wird.“

Einspruchseinlegung im OWi-Verfahren nur durch beA?, oder: Nein, sagt das AG Hameln.

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So, heute ist Freitag, also an sich Gebührentag. Aber heute gibt es ein Vorprogramm, nämlich ein Beschluss aus dem Bußgeldverfahren. Grund: M.E. ist der Beschluss von Bedeutung – ich bin gerade in dieser Woche zweimal nach der Problematik gefragt worden – und mein nächster OWi-Tag dauert. Daher jetzt außer der Reihe.

In dem AG Hameln, Beschl. v. 14.02.2022 – 49 OWi 23/22, den ich hier jetzt vorstelle und auf den ich bei Beck-Online gestoßen bin, geht es um diese Frage, ob nämlich der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 67 OWiG nach dem 1.1.2022 per elektronischem Dokument eingelegt werden muss. Das ist in der Literatur umstritten und wird auch, wie ich inzwischen lesen durfte, von den Bußgeldbehörden unterschiedlich gesehen. M.E. muss er nicht, da der Wortlaut der Regelung des § 110c OWiG i.V.m. § 32d StPO eindeutig ist.

So auch das AG. Der Betroffene hatte in dem vom AG entschiedenen Fall gegen den am 04.01.2022 zugestellten Bußgeldbescheid am selben Tag Einspruch eingelegt. Diesen, per Telefax eingelegten, Einspruch hat die Verwaltungsbehörde mit Bescheid vom 18.01.2022 als unzulässig verworfen, da sie die Ansicht vertreten hat, diese Verfahrenshandlung bedürfe seit dem 01.01.2022 der Übermittlung per elektronischem Dokument. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der Erfolg hatte:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat in der Sache Erfolg.

Die Einspruchseinlegung gegen einen Bußgeldbescheid per Telefax widerspricht nicht der gesetzlichen Form, insbesondere nicht der nach § 110 c S. 1 OWiG i.V.m. § 32 d S. 2 StPO vorgeschrieben Übermittlung per elektronischem Dokument.

Gem. § 32 d S. 2 StPO haben Verteidiger und Rechtsanwälte seit dem 01.01.2022 „die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage“ als elektronisches Dokument zu übermitteln. § 110 c S. 1 OWiG erklärt diese Vorschrift für das Bußgeldverfahren entsprechend anwendbar.

Der Umfang der entsprechenden Anwendung ist – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht entschieden.

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass sich die entsprechende Anwendung des § 32 d S. 2 StPO unter Berücksichtigung des § 110 a IV OWiG im Bußgeldverfahren auf den Einspruch und seine Begründung sowie die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung erstreckt (Krenberger/Krumm, 6. Aufl. 2020, OWiG § 110 c Rn. 13, BeckOK StVR/Krenberger, 13. Ed. 15.10.2021, OWiG, § 110 c Rn. 13). Diese Auslegung entspräche auch der grundsätzlich vom Gesetzgeber intendierten strengen Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs, die für solche schriftlichen Erklärungen bestehen soll, bei denen es – wie hier im Falle der Einspruchseinlegung – ausgeschlossen ist, dass sie in einer besonders eilbedürftigen Situation, in der zudem die für eine elektronische Kommunikation erforderliche Infrastruktur fehlen kann, abzugeben sind (BT-Drs. 18/9416, 50 f.).

Dieser extensiven Auslegung des § 110 c S. 1 OWiG kann jedoch nicht gefolgt werden, da sie mit der Systematik und dem Wortlaut des § 32 d S. 2 StPO unvereinbar ist.

§ 32 d S. 2 StPO beinhaltet eine abschließende Aufzählung von zwingend formbedürftigen Verfahrenshandlungen, die den „Einspruch und die Einspruchsbegründung“ ausdrücklich auslassen und damit insoweit auch keine zwingende Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs vorsehen.

Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz (§ 67 OWiG) entspricht in der Strafprozessordnung dem Einspruch gegen den Strafbefehl (§ 410 StPO), der jedoch in § 32 d S. 2 StPO nicht genannt ist. Vielmehr werden dort lediglich (bestimmte) Rechtsmittel aus dem 3. Buch sowie (bestimmte) Beteiligungsrechte aus dem 5. Buch der StPO genannt. Die der Berufung bzw. Revision entsprechenden Rechtsmittel im Ordnungswidrigkeitengesetz sind jedoch im fünften Abschnitt unter III. aufgeführt und erfassen lediglich die Rechtsbeschwerde und deren Zulassung (§§ 79, 80 OWiG), nicht hingegen den Einspruch aus § 67 OWiG, der im separaten Unterabschnitt „I. Einspruch“ steht und zudem einen Rechtsbefehl „eigener Art“ darstellt (vgl. Göhler, Kurzkommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 18. Auflage 2021, Vorbem. zu § 67 OWiG, Rn. 1).

Die hier vertretene Auslegung widerspricht auch nicht der Intention des Gesetzgebers, durch zwingend vorgeschriebene Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs einen Medienwechsel herbeiführen zu wollen (BT-Drs. 18/9416, 1). Der Gesetzgeber hat von vornherein die Möglichkeit der obligatorisch elektronisch vorzunehmenden Verfahrenshandlungen in § 32 d S. 2 StPO ausdrücklich auf lediglich einzelne ausgewählte schriftliche Erklärungen beschränkt, obwohl auch andere schriftliche Erklärungen denkbar wären, in denen eine besonders eilbedürftige Situation auszuschließen ist, wie beispielsweise der zweiwöchig mögliche Einspruch gegen einen Strafbefehl (§ 410 I StPO). Dem Gesetzgeber bleibt unbenommen, weitere schriftliche Erklärungen der zwingenden elektronischen Form zu unterwerfen oder die Vorschrift des § 110 c StPO derart zu konkretisieren, dass sie sich auf die Einspruchseinlegung gemäß § 67 OWiG erstreckt.“

M.E. zutreffend. Die Verwaltungsbehörde hat bei der „Anhörung“ durch das Gericht erklärt, „dass sie den nachvollziehbaren Ausführungen des Gerichts nicht entgegentrete.“ Ehrt sie.

Im Übrigen:Ich würde dennoch auch bei der Einspruchseinlegung die Form des § 32d StPO beachten, bis obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Sicher ist sicher.

Einspruch gegen Versäumnisurteil per Fax eingelegt, oder: Geht nicht mehr, nur noch durch beA

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Heute „Kessel-Buntes_Tag“ – wie immer am Samstag. Und ich stelle dann noch einmal zwei Entscheidungen zur aktiven Nutzungspflicht und/oder dem elektronischen Dokument vor. Die eine stammt aus einem Zivilverfahren, die andere ist im Strafverfahren ergangen.

Zunächst hier die Entscheidung aus dem Zivilverfahren. Das LG Köln nimmt im LG Köln, Urt. v. 22.02.2022 – 14 O 395/21 – kurz und zackig zur Zulässigkeit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil Stellung. Das LG hat den Einspruch des Beklagten als unzulässig verworfem.

„Der Einspruch war zu verwerfen, weil er nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist (§ 341 ZPO).

Der Einspruch wird gemäß § 340 Abs. 1 ZPO durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt. Seit Beginn des Jahres 2022 gilt § 130d ZPO, wonach „vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt […] eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln“ sind. Insoweit ergeben sich die Einzelheiten aus § 130a ZPO. Auch die Einspruchsschrift nach einem Versäumnisurteil fällt als bestimmender Schriftsatz unter die Pflicht nach §§ 130a, 130d ZPO.

Vorliegend ist der Einspruch vom 13.01.2022 durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers lediglich per Fax am 14.01.2022 beim Landgericht Köln eingegangen. Dies genügt nicht den Anforderungen der §§ 130a, 130d ZPO. Die Einspruchsschrift ist auch nach dem Faxeingang nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden.

Auch nach Hinweis des Gerichts vom 28.01.2022 auf diesen Umstand ist die Einspruchsschrift nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden. Eine Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument nach § 130d S. 2 ZPO ist nicht dargelegt worden.

Die Erhebung des Einspruchs per Fax als Prozesshandlung ist folglich unwirksam und nicht zu beachten. Angesichts des Zeitablaufs seit Zustellung des Versäumnisurteils war der formnichtige Einspruch zu verwerfen.“

Ich verstehe nicht, warum man als Prozessbevommächtigte nicht auf den Hinweis des Gerichts reagiert und versucht zu retten, was noch zu retten ist.