Schlagwort-Archive: BayObLG

Revision gegen Verweisungsurteil, oder: Prüfung der Strafgewalt des AG

© artefacti – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung des Tages stammt mit dem BayObLG, Beschl. v. 12.09.2019 – 202 StRR 1609/19 – vom BayObLG. Sie hängt – wie man am Datum sieht – auch schon etwas länger in meinem Blogordner. Das BayObLG behandelt in dem Beschluss eine ganz interessante revisionsrechtliche Frage, nämlich die Revision gegen ein Verweisungsurteil nach § 328 Abs. 2 StPO.

Der Angeklagte hatte sich mit seiner Revision ein Berufungsurteil des LG gewendet, mit welchem dieses auf die alleinige Berufung des Angeklagten hin das Urteil des AG aufgehoben und die Sache gemäß § 328 Abs. 2 StPO wegen Überschreitung der dem AG  gemäß § 24 Abs. 2 GVG eingeräumten und auch für das Berufungsgericht bindenden Strafkompetenz aufgrund einer aus Sicht der Berufungskammer gebotenen nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB an die erstinstanzlich gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG sachlich zuständige große Strafkammer verwiesen hat. Mit Urteil vom 19.07.2016 hatte das LG als Schöffengericht den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer aus einer Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren neun Monaten und einer weiteren von sechs Monaten gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Dazu auch hier nur die (amtlichen) Leitsätze:

  1. Das Berufungsgericht ist von Amts wegen zur Prüfung der Verfahrensvoraussetzung einer hinreichenden, auch das Berufungsgericht bindenden Strafgewalt des Gerichts des ersten Rechtszuges nach § 24 Abs. 2 GVG (sog. Strafbann) verpflichtet (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 21.04.1994 – 4 StR 136/94 = BGHSt 40, 120, 122 = NJW 1994, 2369 = StV 1994, 414 = wistra 1994, 304 und Urt. v. 22.04.1999 – 4 StR 19/99 = BGHSt 45, 58 = wistra 1999, 343 = StV 1999, 343 = NJW 1999, 2604).
  2. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt des Berufungsgerichts ist über den Wortlaut des § 328 Abs. 2 StPO hinaus der Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung, wofür auch mit Blick auf die Notwendigkeit einer sich gegebenenfalls erst im Laufe des Berufungsverfahrens herausstellenden Notwendigkeit einer Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB allein die objektive Rechtslage so, wie sie sich dem Berufungsgericht darstellt, maßgebend ist (Anschluss an BGH, Beschl. v. 29.10.2009 – 3 StR 141/09 = NStZ-RR 2010, 284 = BGHR StPO § 328 Abs 2 Verweisungsurteil 1).
  3. Das Verweisungsurteil nach § 328 Abs. 2 StPO ist für den Angeklagten ungeachtet des Fehlens einer Sachentscheidung mit der Revision anfechtbar (Anschluss u.a. an BGH, Beschl. v. 15.04.1975 – 1 StR 388/74 = BGHSt 26, 106 = NJW 1975, 1236 und BayObLG, Beschl. v. 18.08.1977 – 3 St 179/77 = BayObLGSt 1977, 143). 2 StPO.

 

OWi III: Wenn die „Akte in Verlust geraten ist“, oder: Wiederherstellung des Sitzungsprotokolls, so geht es

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

Und zum Schluss des Tages dann der BayObLG, Beschl. v. 29.08.2019 – 201 ObOWi 1465/19 -, der sich mit einer nicht alltäglich, aber immer mal wieder auftretenden Problematik befasst, nämlich der Frage der Zulässigkeit der Wiederherstellung eines verloren gegangenen Sitzungsprotokolls

Die Frage spielte in dem vom BayObLG entschiedenen Fall eine Rolle. Es ging um die Wirksamkeit der Zustellung des AG-Urteils. Denn:  Nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 273 Abs. 4 StPO darf das Urteil nicht zugestellt werden, bevor das Protokoll fertig gestellt ist. Eine entgegen dieser Vorschrift bewirkte Urteilszustellung ist unwirksam und setzt die von der Urteilszustellung abhängigen Fristen nicht in Lauf.

Also stellte sich in dem Fall, in dem Originalakte „in Verlust geraten“ war, die Frage: Wiederherstellung des Protokolls. Dazu das BayObLG:

„Nachdem hier die Originalakte einschließlich des Protokolls in Verlust geraten ist, ist bislang unklar, ob und wann das Protokoll vom 01.08.2018 fertiggestellt wurde. Es bedarf deshalb der Wiederherstellung des Protokolls. Die Wiederherstellung eines verlorengegangenen Protokolls ist zulässig. Vorsitzender und Protokollführer können, soweit ihr Gedächtnis reicht oder aus vorhandenen Aufzeichnungen oder durch Bekundungen der Verfahrensbeteiligten wieder aufgefrischt werden kann, eine abhanden gekommene Sitzungsniederschrift neu erstellen (LR/Stuckenberg StPO 26. Aufl. § 271 Rn. 69). Wegen der Bedeutung der Sitzungsniederschrift für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist der Tatrichter verpflichtet, grundsätzlich alle verfügbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Protokoll möglichst vollständig zu rekonstruieren. Wenn es notwendig ist, um die eigene Erinnerung oder die des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufzufrischen, sind auch Nachforschungen anzustellen (KG, Beschl. v. 25.04.1990 – 4 Ws 84/90 = NStZ 1990, 405 = NStE Nr 4 zu § 271 StPO).

Hier ergibt sich aus der Akte nicht, ob ein Protokoll von der Richterin oder einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gefertigt wurde und ob und wann es fertiggestellt wurde. Es ist auch nicht niedergelegt, ob sich einer von beiden an den Inhalt oder Teile des Inhalts und die Fertigstellung einschließlich Datum erinnert oder ob dies versucht wurde. Das ist nachzuholen. Es könnte auch noch einmal beim Abwickler der Kanzlei S. angefragt werden, ob diesem eine Mitwirkung an der Rekonstruktion möglich erscheint. Sollte eine Wiederherstellung des Protokolls (teilweise) möglich sein, ist im wiederhergestellten Protokoll kenntlich zu machen, für welche Feststellungen Vorsitzender oder Protokollführer mangels sicherer eigener Erinnerung die Verantwortung nicht übernehmen können. Dann ist zu prüfen, ob das Urteil vom 01.08.2019 nach Fertigstellung des Protokolls zugestellt worden ist.

Sollte nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen mangels Erinnerung oder anderer Quellen keine Wiederherstellung des Protokolls einschließlich der Frage der Fertigstellung möglich sein, so ist dies unter Darstellung der erfolgten Bemühungen in den Akten zu vermerken. Das Protokoll gilt dann von dem Zeitpunkt an als fertiggestellt, an dem endgültig feststeht, dass keine (weitere) Rekonstruktion möglich ist (vgl. ähnlich LR/Stuckenberg a.a.O. § 271 Rn. 31). Danach hat nach diesem Vermerk nochmals die von dem Vorsitzenden anzuordnende Zustellung des Urteils vom 01.08.2019 zu erfolgen (§§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 343 Abs. 2 StPO). Erst mit dieser Zustellung wird die Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde in Gang gesetzt. Nach deren Ablauf wird sodann erneut nach §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 347 StPO zu verfahren sein.“

Gilt natürlich auch im Strafverfahren…..

OWi II: Messung durch Private II, oder: Auch die Bayern äußern sich zur Verwertbarkeit nach dem Einsatz Privater

Und die zweite OWi-Entscheidung des Tages, die letzte des Jahres 2019, kommt aus Bayern. Das BayObLG hat sich im BayObLG, Beschl. v. 29.10.2019 – 202 ObOWi 1600/19 – ebenfalls zu den Folgen der kommunalen Verkehrsüberwachung durch Leiharbeitnehmer und sonstige (technische) Unterstützung durch private Dienstleister geäußert.

Das hatte das BayObLG vor einigen Jahren schon getan. Die Rechtsprechung greift es jetzt wieder auf, und zwar mit folgenden amtlichen Leitsätzen:

1. Die Heranziehung privater Dienstleister zur eigenständigen Feststellung und Verfolgung von Geschwindigkeitsverstößen im Rahmen der kommunalen Verkehrsüberwachung ist unzulässig. Macht die Gemeinde von der gesetzlichen Befugnis zur Verkehrsüberwachung Gebrauch, darf sie sich hierbei privater Dienstleister nur bedienen, wenn sichergestellt ist, dass sie ‚Herrin‘ des Verfahrens bleibt, wozu insbesondere die Vorgaben über Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen, die Kontrolle des Messvorgangs, die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel und die Kontrolle über die Ermittlungsdaten gehören sowie die Entscheidung darüber, ob und gegen wen ein Bußgeldverfahren einzuleiten ist (stRspr., u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 21.03.2005 – 2 ObOWi 700/04 = DAR 2005, 633).

2. Nimmt die Gemeinde als Verfolgungsbehörde bei der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen oder deren Auswertung einen privaten Dienstleister in Anspruch, der ihr Personal nach den Bestimmungen des AÜG überlässt, und ist dieses Personal – unter Aufgabe der Abhängigkeiten und des Weisungsrechts der Entleihfirma – hinreichend in die räumlichen und organisatorischen Strukturen der Gemeinde integriert sowie der für das Verfahren zuständigen Organisationseinheit der Gemeinde zugeordnet und deren Leiter unterstellt, so ist das Handeln des überlassenen Mess- bzw. Auswertepersonals unmittelbar der Gemeinde als hoheitliche Tätigkeit zuzurechnen (stRspr., u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 21.03.2005 – 2 ObOWi 700/04 = DAR 2005, 633 und 17.02.1999 – 2 ObOWi 751/98 = NZV 1999, 258 = BayObLGSt 1999, 38 = VD 1999, 133 = NJW 1999, 2200 = DAR 1999, 321 = BayVBl 1999, 444 = VRS 97 [1999], 62 = DÖV 1999, 829 = VerkMitt 1999, Nr 84). Im Rahmen der Auswertung von Messdaten durch Leiharbeitnehmer ist eine hinreichende Kontrolle der Gemeinde über die (digitalen) Ermittlungsdaten grundsätzlich nur dann hinreichend gewährleistet, wenn sich die Messdatensätze auf einem ausschließlich der Gemeinde oder dem von ihr mit der Auswertung betrauten Leiharbeitnehmer zugänglichen Speichermedium befinden.

3. Auch sonst darf sich die Gemeinde der (technischen) Hilfe eines privaten Dienstleisters bedienen, wenn diese nicht in Bereiche eingreift, die ausschließlich hoheitliches Handeln erfordern und sichergestellt ist, dass die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel sowohl bei der Messung selbst als auch bei der Auswertung bei ihr verbleibt.

Die Gemeinde bleibt jedenfalls dann ,Herrin‘ des Verfahrens, wenn sich die Tätigkeit des Dienstleisters auf die Aufbereitung der Daten einer Messreihe (etwa durch Vergrößerung bzw. Aufhellung von Bildern oder sonstige rein qualitative Bildbearbeitungen) beschränkt und die Resultate anschließend durch die Gemeinde selbst oder das an sie entliehene Auswertepersonal einer Kontrolle auf Vollständigkeit, Authentizität und Integrität sowie Verwertbarkeit unterzogen werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Bestimmungen des Datenschutzes durch den privaten Dienstleister strikt eingehalten werden und dieser nach der Rückübertragung keinen Zugriff mehr auf die Daten hat. Dies schließt eine Vorselektion der Daten, etwa durch Vorenthaltung wegen mangelnder Beweiseignung, seitens des privaten Dienstleisters aus (u.a. Anschluss an OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2017 – 2 Ss OWi 295/17 = NStZ-RR 2017, 188 = DAR 2017, 386 = NStZ 2017, 588 = ZD 2017, 577 und 28.04.2016 – 2 Ss OWi 190/16 = NStZ-RR 2016, 322 = NJW 2016, 3318 = DAR 2017, 45; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16 = VerkMitt 2016, Nr 56 = Justiz 2016, 453 = DV 2016, 296 und OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.05.2017 – Ss Bs 8/17 = NStZ 2018, 480 = ZD 2019, 82).“

Wer noch Zeit und Lust hat, kann den Volltext dann ja noch vor dem Jahresende lesen 🙂 .

OWi III: Einspruchsverwerfung trotz ärztlichem Attest, oder: Das geht selbst in Bayern zu weit

© psdesign1 – Fotolia.com

Die dritte und letzte Entscheidung, der BayObLG, Beschl. v. 06.09.2019 – 202 ObOWi 1581/19 -, befasst sich dann noch einmal/mal wieder mit der Problematik der Einspruchsverwerfung trotz einer attestierten „voraussichtlichen“ Verhinderung. Der Einspruch des Betroffenen ist verworfen worden, obwohl der Betroffene zum Nachweis seiner Verhinderung ein ärztliches Attest vorgelegt hatte. Das hebt selbst das BayObLG auf:

„2. Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

a) Der Begriff der ‚genügenden Entschuldigung‘ darf nicht eng ausgelegt werden. Ähnlich wie im Falle des 329 Abs. 1 Satz 1 StPO enthält § 74 Abs. 2 OWiG eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ohne den Angeklagten bzw. – wie hier – den Betroffenen nicht verhandelt werden darf. Die Regelung birgt damit nicht nur die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich, sondern auch, dass dem Betroffenen das ihm nach Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte rechtliche Gehör entzogen wird. Deshalb ist bei der Prüfung der vorgebrachten oder vorliegenden Entschuldigungsgründe eine weite Auslegung zugunsten des Betroffenen geboten.

aa) Eine Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Betroffenen unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann. Entscheidend ist dabei nicht, ob sich der Betroffene genügend entschuldigt hat, sondern ob er (objektiv) genügend entschuldigt ist. Den Betroffenen trifft daher hinsichtlich des Entschuldigungsgrundes grundsätzlich keine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder gar zu einem lückenlosen Nachweis; vielmehr muss das Gericht, wenn ein konkreter Hinweis auf einen Entschuldigungsgrund vorliegt, dem im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nachgehen (st.Rspr., z.B. BGHSt 17, 391/396 f.; BGHR StPO § 329 Abs. 1 Satz 1 Ladung 1; BayObLGSt 2001, 14/16; 1998, 79/81; BayObLG, Beschl. v. 19.10.2004 – 1 Ob OWi 442/04; OLG Stuttgart DAR 2004, 165/166; OLG Bamberg, Urt. v. 26.2.2008 – 3 Ss 118/07 = OLGSt StPO § 329 Nr 29 und Beschl. v. 06.03.2013 – 3 Ss 20/13 = OLGSt StPO § 329 Nr 32 sowie – jeweils zu § 74 Abs. 2 OWiG – OLG Bamberg, Beschl. v. 12.09.2007 – 3 Ss OWi 1140/06 = wistra 2007, 79; 01.2009 – 2 Ss OWi 1623/08 = NStZ-RR 2009, 150 = VerkMitt 2009 Nr 32 = NZV 2009, 303 = OLGSt OWiG § 74 Nr. 20; 28.11.2011 – 3 Ss OWi 1514/11 = ZfSch 2012, 230 = OLGSt StPO § 329 Nr 31 und 29.12.2010 – 2 Ss OWi 1939/10 = NZV 2011, 409; vgl. auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.03.2010 – 3 Ss [OWiZ] 37/10 bei juris; KG, Beschl. v. 16.06.2010 – 3 Ws [B] 203/10 = VRS 119, 125 = DAR 2011, 146 und zuletzt neben OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.2018 – 3 Ss OWi 1464/18 = DAR 2019, 100 = NStZ 2019, 527; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.01.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 84/17 = OLGSt OWiG § 74 Nr 24; KG, Beschl. v. 27.08. 2018 – 3 Ws [B] 194/18 = VRS 134 [2018], 143 und 09.07.2019 – 122 Ss 68/19 bei juris sowie OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.08.2019 – 53 Ss-OWi 173/19 bei juris, jeweils m.w.N.).

bb) Bescheinigungen, insbesondere ärztliche Atteste haben daher so lange als genügende Entschuldigung zu gelten, als nicht deren Unglaubwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit feststeht, es sei denn, das Vorbringen ist aus der Luft gegriffen oder sonst ganz offensichtlich ungeeignet, das Ausbleiben zu entschuldigen (BayObLGSt 2001, 14/16). Bloße Zweifel an einer genügenden Entschuldigung dürfen nicht zu Lasten des Betroffenen gehen. Das Gericht ist in diesem Fall vielmehr gehalten, seinen Zweifeln – gegebenenfalls im Wege des Freibeweises (BayObLGSt 1998, 79/82) – nachzugehen.

cc) Die Nachforschungsverpflichtung des Gerichts ist andererseits nicht grenzenlos. Ihre Auslösung setzt (wenigstens) voraus, dass der Betroffene vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (KG VRS 108, 110); nur dann ist er auch nicht verpflichtet, die Richtigkeit seines Vorbringens glaubhaft zu machen und durch Vorlage von geeigneten Unterlagen zu belegen (OLG Bamberg, Urt. v. 26.2.2008 – 3 Ss 118/07 = OLGSt StPO § 329 Nr 29; BayObLGSt 1997, 145/147 f.; 1998, 79/81 f.). Eine andere Sicht wäre mit dem Gesetzeszweck, das Verfahren zu beschleunigen und den Betroffenen daran zu hindern, eine gerichtliche Entscheidung nach Gutdünken zu verzögern, indem er der Verhandlung fernbleibt, unvereinbar. In diesen Fällen muss das mit dem Beschleunigungsgebot konkurrierende Streben nach einer möglichst gerechten Sachentscheidung mit der Folge zurück treten, dass im Einzelfall auch ein möglicherweise sachlich unrichtiges Urteil in Kauf zu nehmen ist (BGHSt 23, 331/334 f.).

b) Nachdem der Betroffene über seinen Verteidiger am Vortage der für den 24.05.2019 anberaumten Hauptverhandlung dem Gericht per Telefax-Schreiben vom 23.05.2019 das unter dem 22.05.2019 ausgestellte und ärztlich unterzeichnete fachärztliche „Attest“ mit dem oben (unter II. 1.) mitgeteilten Inhalt übermittelte, war das Amtsgericht aufgrund der konkreten Hinweise auf einen berechtigten Entschuldigungsgrund auch noch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung gehalten, diesem im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nachzugehen, insbesondere gegebenenfalls fortbestehende Zweifel selbst durch eine Anfrage bei den behandelnden und aus der Bescheinigung hervorgehenden Ärzten auch dann abzuklären, wenn – wie hier – aus der Bescheinigung vom 22.05.2019 aus naheliegenden Gründen ärztlicherseits und der Wahrhaftigkeit im Ausstellungszeitpunkt genügend „nur“ attestiert werden konnte, dass der Betroffene „voraussichtlich bis zum 24.05.2019 wege- und verhandlungsunfähig“ sein werde. Weiterer Erläuterungen oder eines weiteren Vortrags des Betroffenen bzw. seines Verteidigers bedurfte es entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht. Insbesondere besteht bei einer – wie hier – überschaubaren Zeitspanne von nur wenigen Tagen bis zum Termin der Hauptverhandlung keine Verpflichtung, den Gesundheitszustand des Betroffenen womöglich im Stile täglicher ärztlicher Bulletins dem Gericht gegenüber mitzuteilen. Hinzu kommt, dass in der Vorlage der Bescheinigung durch den Betroffenen regelmäßig zugleich die Entbindung des ausstellenden Arztes von seiner Schweigepflicht enthalten ist. Gründe dafür, dass die Bescheinigung als erwiesen falsch oder sonst als offensichtlich unrichtig oder unzureichend anzusehen wäre, sind nicht ersichtlich. Vielmehr blieb für das Gericht gerade offen, ob dem Betroffenen ein Erscheinen am 24.05.2019 tatsächlich nicht zumutbar oder nicht möglich war, weshalb sein Ausbleiben nicht als unentschuldigt hätte angesehen werden dürfen.“

Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt den Senat zu Aufhebung des angefochtenen Urteils ….“ Schöne Formulierung, die deutlich macht, dass man so ganz glücklich mit der Entscheidung, zu der man „gezwungen“ ist, nicht ist.

OWi I: Terminsverlegung aus beruflichen Gründen?, oder: Nicht mit uns

© momius – Fotolia.com

Heute mache ich dann noch einmal einen Entbindungs-/Verwerfungstag, also §§ 73, 74 OWiG. Die Entscheidungen, die ich vorstelle, kommen mal wieder alle drei vom BayObLG. Ich weiß, das verspricht nichts unbedingt Gutes, es lässt sich aber nicht ändern.

Ich eröffne mit dem BayObLG, Beschl. v. 15.10.2019 – 202 ObOWi 1768/19 – zur Frage der Darlegung der Verhinderung des Betroffenen, wenn dringende berufliche Gründe geltend gemacht werden, die der Teilnahme an der Hauptverhandlung entgegenstehen. Das AG hatte den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid – zum zweitenb Mal – wegen unerlaubter Abwesenheit verworfen. Die Rechtsbeschwerde hatte beim BayObLG keinen Erfolg:

„…………..Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen verwarf das Amtsgericht mit Urteil vom 09.01.2019 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG, weil der Betroffene – ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden zu sein – in der Hauptverhandlung vom 09.01.2019 unentschuldigt nicht erschienen sei. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hob der Senat das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts vom 09.01.2019 mit Beschluss vom 02.04.2019 auf und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück, da es sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt hatte, ob es die prozessuale Fürsorgepflicht geboten hätte, dem Terminverlegungsgesuch des nach eigenem Bekunden akut erkrankten Verteidigers stattzugeben. Nach entsprechender Terminabsprache mit der Kanzlei des Verteidigers bestimmte das Amtsgericht mit Verfügung vom 10.04.2019 erneut Termin zur Hauptverhandlung auf 06.05.2019 um 08:10 Uhr. Die Terminsladung wurde dem Betroffenen sowie seinem Verteidiger jeweils am 12.04.2019 förmlich zugestellt. Mit am selben Tage bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 02.05.2019 lehnte der Betroffene den zuständigen Richter am Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies mit der Ablehnung des Terminverlegungsgesuchs vom 09.01.2019. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 03.05.2019, dem Verteidiger mitgeteilt per Telefax am selben Tage, wurde das Ablehnungsgesuch des Betroffenen vom 02.05.2019 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 03.05.2019, welcher am 03.05.2019 (Freitag) um 11:46 Uhr bei dem Amtsgericht einging, beantragte der Betroffene, den auf 06.05.2019 (Montag) um 08:10 Uhr bestimmten Termin wegen beruflicher Verhinderung zu verlegen. Er sei als Fernsehkoch tätig und habe erstmals von seinem Sender die Chance bekommen, an der Livesendung vom 05.05.2019 teilzunehmen. Hierbei habe ihn der Sender als Fernsehkoch an eine Familie verlost, mit der er live vor der Kamera ein umfangreiches Menü koche. Daran schließe sich nach dem Ende der Livesendung um 19.30 Uhr der private Teil an, bei dem er den Gewinnern vereinbarungsgemäß den Rest des Abends „Open End“ zur Verfügung stehe. Würde er an diesem „bereits seit längerer Zeit gebuchten Termin“ nicht teilnehmen, sähe er sich einem erheblichen Imageschaden, aber auch dem drohenden Verlust künftiger beruflicher Chancen bei dem TV-Sender sowie erheblichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt. Seitens des Senders seien an der Livesendung ca. 50 Personen beteiligt. Dem Terminverlegungsgesuch waren umfangreiche schriftliche Unterlagen beigefügt, darunter die „Disposition“ des Senders (Stand 30.04.2019), aus welcher sich u.a. der genaue Ablauf der Fernsehproduktion ergibt, eine E-Mail Nachricht des Senders an den Betroffenen vom 30.04.2019 mit organisatorischen Hinweisen sowie einer unter dem 18.04.2019 erfolgten Buchungsbestätigung für ein elektronisches Flugticket, welches die Anreise von A. nach B. am 05.05.2019 und die Rückreise von B. nach A. am 06.05.2019 mit Ankunft in A. um 12.35 Uhr auswies. Am 03.05.2019 Uhr teilte das Amtsgericht dem Verteidiger um 12.35 Uhr per Telefax mit, dass es im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz bei dem auf 06.05.2019 um 08:10 Uhr anberaumten Hauptverhandlungstermin bleibe. Nachdem im Termin zur Hauptverhandlung vom 06.05.2019 weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, verwarf das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 10.09.2018 erneut gemäß § 74 Abs. 2 OWiG. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass dem Betroffenen die Terminsladung bereits am 12.04.2019 zugestellt worden sei, während die vorgelegten Unterlagen des TV-Senders erst vom 30.04.2019 datierten. Wenn dem Betroffenen die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin derart wichtig sei, dass ein Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen nicht gestellt werde, sei es dem Betroffenen zumutbar, den privaten Teil der Veranstaltung zu einem Zeitpunkt zu verlassen, der ihm ein pünktliches Erscheinen zur Hauptverhandlung noch erlaubt hätte. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung von § 74 Abs. 2 OWiG und trägt im Wesentlichen vor, dass er sich bereits im Januar 2019 und damit lange vor Anberaumung des Gerichtstermins bzw. Zugang der Terminsladung am 12.04.2019 gegenüber dem TV-Sender vertraglich verpflichtet habe. Auch sei das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die Veranstaltung sofort nach Ende des offiziellen Teils der Livesendung um 19:30 Uhr habe verlassen und an den Gerichtsort zurückreisen können. Das „Meet und greet“ im Anschluss an die Sendung sei von seinen vertraglichen Verpflichtungen umfasst gewesen, was er ebenfalls bereits im Verlegungsgesuch vorgebracht habe. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 22.08.2019 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts vom 06.05.2019 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung nunmehr an einen anderen Richter des Amtsgerichts zurückzuverweisen……..

1. Ein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG ist entgegen der Rechtsauffassung der Rechtsbeschwerde, welcher sich auch die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Antragsschrift vom 22.08.2019 angeschlossen hat, nicht gegeben. Eine genügende Entschuldigung lag nicht vor……..

b) Für die Frage, ob eine berufliche Verhinderung einen Anspruch auf Terminsverlegung begründet bzw. als ausreichende Entschuldigung für das Nichterscheinen in der Hauptverhandlung anzusehen ist, gilt nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass berufliche Verpflichtungen gegenüber der Pflicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt bei Gericht erscheinen zu müssen, zurückzutreten haben (vgl. nur BayObLG NStZ 2003, 93; OLG Bamberg OLGSt OWiG § 74 Nr. 19; OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2011 – 5 RBs 185/11 bei juris; OLG Brandenburg NStZ 2014, 672; OLG Hamm, Beschl. v. 04.11.2015 – 1 RBs 162/12 = BeckRS 2015, 20270; vgl. auch Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 74 Rn. 29). Dem Interesse des Betroffenen an der Erledigung beruflicher oder geschäftlicher Angelegenheiten ist nur dann ausnahmsweise der Vorrang einzuräumen, wenn die Angelegenheit unaufschiebbar und von besonderer Bedeutung ist, sodass auch bei Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs das Verlangen, der gerichtlichen Ladung Folge zu leisten, bei einer Gesamtbetrachtung unzumutbar erscheint (Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 3. Aufl. § 74 Rn. 15 m.w.N.). Bei der gebotenen Interessenabwägung sind insbesondere Art und Anlass der beruflichen Inanspruchnahme auf der einen Seite sowie Bedeutung des den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden Vorwurfs und Beweislage auf der anderen Seite zu berücksichtigen. Liegen danach zwingende berufliche Gründe vor, die ein Erscheinen des Betroffenen vor Gericht unzumutbar machen, so ist einem entsprechenden Terminverlegungsgesuch zu entsprechen bzw. der Betroffene, der nach rechtsfehlerhafter Ablehnung des Gesuchs nicht zur Hauptverhandlung erscheint, als entschuldigt anzusehen (BayVerfGH, Beschl. v. 20.05.2003 – Vf.36-VI-02 bei juris; OLG Bamberg OLGSt OWiG § 74 Nr 19; KK/Sengea.O. § 74 Rn. 32).

c) Allerdings hat nur der Betroffene Kenntnis von etwaigen privaten oder beruflichen Hinderungsgründen, die das Gericht in seine Güterabwägung einzustellen hat. Deshalb hat er die Hinderungsgründe dem Gericht im Einzelnen zu unterbreiten, sofern sie nicht offenkundig sind. Dabei steht das Erfordernis, insoweit schlüssig einen Sachverhalt vorzutragen, der geeignet ist, das Ausbleiben genügend zu entschuldigen, im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung, wonach ein Beschwerdeführer, um dem Gebot der Rechtswegerschöpfung als Voraussetzung für eine erfolgversprechende Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zu genügen, alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen hat, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern, wozu auch gehört, dass er seiner prozessualen Darstellungslast durch rechtzeitigen Vortrag aller ihn begünstigenden Umstände entsprochen hat (vgl. BVerfG NJW 2005, 3769; NStZ-RR 2005, 346). Eine andere Sicht wäre auch mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 74 Abs. 2 OWiG, das Verfahren zu beschleunigen und den Betroffenen, der Einspruch eingelegt hat, darin zu hindern, die Entscheidung über sein Rechtsmittel nach Gutdünken zu verzögern, indem er der Verhandlung fernbleibt, nicht vereinbar. Bei derartigen Fallkonstellationen muss das mit dem Beschleunigungsgebot konkurrierende Streben nach einer möglichst gerechten Sachentscheidung mit der Folge zurücktreten, dass im Einzelfall auch ein möglicherweise sachlich unrichtiges Urteil in Kauf zu nehmen ist (BGHSt 23, 331/334; OLG Koblenz NJW 1975, 322f.; OLG Bamberg OLGSt § 329 Nr 29). Beruft sich ein Betroffener auf eine zwingende beruflich bedingte Verhinderung, so ist daher erforderlich, die Art der Geschäfte selbst, deren Wichtigkeit und ihre unaufschiebbare Dringlichkeit darzulegen, damit das Gericht beurteilen kann, ob das Vorbringen die Unzumutbarkeit des Erscheinens vor Gericht begründen kann, wenn es zutrifft (BayObLG, Beschl. v. 27.06.2002 – 2 ObOWi 268/02 = NStZ 2003, 98; OLG Bamberg, Beschl. v. 14.01.2009 – 2 Ss OWi 1538/08 = OLGSt OWiG § 74 Nr 19; OLG Hamm VRS 39, 208; KG VRS 58, 47, 50; OLG Karlsruhe VRS 89, 130, 131; vgl. auch Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O.).

d) Nach diesen Maßstäben begegnet die Verwerfung des Einspruchs gemäß § 74 Abs. 2 OWiG nach vorangegangener Ablehnung des Terminverlegungsgesuchs durch das Amtsgericht im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Während sich aus dem Terminverlegungsantrag des Betroffenen vom 03.05.2019 Art und Umfang der beruflichen Verpflichtung hinreichend ergeben und sich hieraus auch die erhebliche Bedeutung des Termins für das berufliche Fortkommen des Betroffenen zwanglos erschließt, entbehrt der Antrag indes hinreichender Tatsachen, aufgrund derer das Amtsgericht die Frage der unaufschiebbaren Dringlichkeit des Termins hätte beurteilen können. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde bleibt schon offen, ob der Betroffene seine Teilnahme an der Livesendung vom 05.05.2019 gegenüber dem Sender vor oder nach Erhalt der Ladungsverfügung am 12.04.2019 verbindlich zugesagt hat. Allein der Hinweis, es handele sich um einen „bereits seit längerer Zeit gebuchten Termin“, genügte insoweit nicht. Dem Amtsgericht war es auf solcher Grundlage nicht möglich, das Gewicht des konkreten Verhinderungsgrundes sowie die Möglichkeiten zu seiner Beseitigung zu beurteilen (vgl. auch KG, Beschl. v. 30.10.2000 – 2 Ss 242/00 bei juris), zumal sich den beigefügten Unterlagen hierzu lediglich entnehmen ließ, dass das Flugticket am 18.04.2019 um 17:23 Uhr gebucht worden war und die Einzelheiten der Livesendung dem Betroffenen – unter Übersendung des Flugtickets – am 30.04.2019 auf elektronischem Wege mitgeteilt worden waren. Nicht beigefügt waren dem Terminverlegungsgesuch vom 03.05.2019 die nunmehr mit der Rechtsbeschwerde vorgelegten Email-Nachrichten vom 24.01.2019 sowie vom 10.05.2019, mit denen belegt werden soll, dass der Betroffene die entsprechenden vertraglichen Verpflichtungen bereits im Januar 2019 eingegangen sein soll. Unabhängig vom Buchungszeitpunkt hätte es darüber hinaus in jedem Fall konkreter Darlegungen zur Unaufschiebbarkeit des Termins bedurft, d.h. zu der Frage, ob der Sender dem Betroffenen nicht auch zu einem anderen Zeitpunkt die Chance zur Teilnahme an der Livesendung eröffnet hätte bzw. ob es seitens des Senders Möglichkeiten gab, auch kurzfristig terminlich umzudisponieren, nachdem sich gerade bei Livesendungen stets – auch unvorhergesehene – Verhinderungen von Beteiligten ergeben bzw. sonstige Störungen eintreten können, die ein flexibles Umdisponieren verlangen.

bb) Nachdem das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen im Terminverlegungsgesuch seines Verteidigers vom 03.05.2019 nebst den beigefügten Unterlagen hinreichend aussagekräftige Angaben zur Frage der unaufschiebbaren Dringlichkeit der Teilnahme des Betroffenen an der Livesendung vom 05.05.2019 vermissen ließ und diese auch keineswegs offenkundig war, sodass es solcher Angaben nicht bedurft hätte, war das Amtsgericht daher über die Unterrichtung des Verteidigers hinaus, dass es bei dem anberaumten Termin zur Hauptverhandlung verbleibe, zu keinen weitergehenden Maßnahmen, insbesondere nicht zur Einleitung freibeweislicher Ermittlungen zur Frage der Unaufschiebbarkeit des beruflichen Termins verpflichtet. Soweit in der Rechtsbeschwerdebegründung mit der Vorlage der beiden Email-Nachrichten vom 24.01.2019 sowie vom 10.05.2019 neuer Sachvortrag erfolgt ist, kann der Senat dieses Vorbringen – unbeschadet dessen, ob es geeignet gewesen wäre, das Fernbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung zu entschuldigen bzw. zumindest die Verpflichtung des Gerichts zu weitere Aufklärung des geltend gemachten Verhinderungsfalles zu begründen – schon deshalb nicht berücksichtigen, weil es dem Amtsgericht nicht bekannt war und folglich seine Entscheidung, ob der Betroffene genügend entschuldigt sei oder ob dies jedenfalls weiterer Aufklärung bedurfte, nicht beeinflussen konnte (BayObLG NStZ 2003, 98).“

Hätte man m.E. auch anders lösen können. Wollte man aber wohl nicht.