Schlagwort-Archive: Verwertbarkeit der Messung

OWi III: Abweichung von der Bedienungsanleitung, oder: Messung aber dennoch verwertbar

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Und als letzte OWi-Entscheidung dann der schon etwas ältere OLG Dresden, Beschl. v. 31.08.2018 – 22 Ss 486/18 Z. Der gehört in die Kategorie: Bedienungsanleitung, was ist das? 🙂 :

„Das Urteil wirft keine zur Fortbildung des materiellen Rechts geeigneten Rechtsfragen auf. Es ist obergerichtlich hinreichend geklärt, dass bei Abweichung von der Aufbau- bzw. Bedienungsanleitung grundsätzlich nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann. Dies hat jedoch kein Verwertungsverbot der Messung zur Folge, sondern diese ist dann – gegebenenfalls unter Heranziehung sachverständiger Hilfe – auf Messfehler zu überprüfen.

Vorliegend hat das Amtsgericht festgestellt, dass zwar der Abstand der in der Fahrbahn verlegten Induktionsschleifen 1,20 m unterschritten hat. Es hat jedoch weiter festgestellt, dass diese parallelen Induktionsschleifen an einen Detektorkanal angeschlossen waren und deshalb eine gegenseitige Beeinflussung der Schleifen durch das Streufeld ausgeschlossen ist. Dies begegnet keinen Rechtsbedenken.“

Wenn schon so, dann muss aber auch der Toleranzwert erhöht werden. Ob das geschehen ist/war, lässt sich dem OLG-Beschluss nicht entnehmen.

 

OWi II: Messung durch Private II, oder: Auch die Bayern äußern sich zur Verwertbarkeit nach dem Einsatz Privater

Und die zweite OWi-Entscheidung des Tages, die letzte des Jahres 2019, kommt aus Bayern. Das BayObLG hat sich im BayObLG, Beschl. v. 29.10.2019 – 202 ObOWi 1600/19 – ebenfalls zu den Folgen der kommunalen Verkehrsüberwachung durch Leiharbeitnehmer und sonstige (technische) Unterstützung durch private Dienstleister geäußert.

Das hatte das BayObLG vor einigen Jahren schon getan. Die Rechtsprechung greift es jetzt wieder auf, und zwar mit folgenden amtlichen Leitsätzen:

1. Die Heranziehung privater Dienstleister zur eigenständigen Feststellung und Verfolgung von Geschwindigkeitsverstößen im Rahmen der kommunalen Verkehrsüberwachung ist unzulässig. Macht die Gemeinde von der gesetzlichen Befugnis zur Verkehrsüberwachung Gebrauch, darf sie sich hierbei privater Dienstleister nur bedienen, wenn sichergestellt ist, dass sie ‚Herrin‘ des Verfahrens bleibt, wozu insbesondere die Vorgaben über Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen, die Kontrolle des Messvorgangs, die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel und die Kontrolle über die Ermittlungsdaten gehören sowie die Entscheidung darüber, ob und gegen wen ein Bußgeldverfahren einzuleiten ist (stRspr., u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 21.03.2005 – 2 ObOWi 700/04 = DAR 2005, 633).

2. Nimmt die Gemeinde als Verfolgungsbehörde bei der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen oder deren Auswertung einen privaten Dienstleister in Anspruch, der ihr Personal nach den Bestimmungen des AÜG überlässt, und ist dieses Personal – unter Aufgabe der Abhängigkeiten und des Weisungsrechts der Entleihfirma – hinreichend in die räumlichen und organisatorischen Strukturen der Gemeinde integriert sowie der für das Verfahren zuständigen Organisationseinheit der Gemeinde zugeordnet und deren Leiter unterstellt, so ist das Handeln des überlassenen Mess- bzw. Auswertepersonals unmittelbar der Gemeinde als hoheitliche Tätigkeit zuzurechnen (stRspr., u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 21.03.2005 – 2 ObOWi 700/04 = DAR 2005, 633 und 17.02.1999 – 2 ObOWi 751/98 = NZV 1999, 258 = BayObLGSt 1999, 38 = VD 1999, 133 = NJW 1999, 2200 = DAR 1999, 321 = BayVBl 1999, 444 = VRS 97 [1999], 62 = DÖV 1999, 829 = VerkMitt 1999, Nr 84). Im Rahmen der Auswertung von Messdaten durch Leiharbeitnehmer ist eine hinreichende Kontrolle der Gemeinde über die (digitalen) Ermittlungsdaten grundsätzlich nur dann hinreichend gewährleistet, wenn sich die Messdatensätze auf einem ausschließlich der Gemeinde oder dem von ihr mit der Auswertung betrauten Leiharbeitnehmer zugänglichen Speichermedium befinden.

3. Auch sonst darf sich die Gemeinde der (technischen) Hilfe eines privaten Dienstleisters bedienen, wenn diese nicht in Bereiche eingreift, die ausschließlich hoheitliches Handeln erfordern und sichergestellt ist, dass die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel sowohl bei der Messung selbst als auch bei der Auswertung bei ihr verbleibt.

Die Gemeinde bleibt jedenfalls dann ,Herrin‘ des Verfahrens, wenn sich die Tätigkeit des Dienstleisters auf die Aufbereitung der Daten einer Messreihe (etwa durch Vergrößerung bzw. Aufhellung von Bildern oder sonstige rein qualitative Bildbearbeitungen) beschränkt und die Resultate anschließend durch die Gemeinde selbst oder das an sie entliehene Auswertepersonal einer Kontrolle auf Vollständigkeit, Authentizität und Integrität sowie Verwertbarkeit unterzogen werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Bestimmungen des Datenschutzes durch den privaten Dienstleister strikt eingehalten werden und dieser nach der Rückübertragung keinen Zugriff mehr auf die Daten hat. Dies schließt eine Vorselektion der Daten, etwa durch Vorenthaltung wegen mangelnder Beweiseignung, seitens des privaten Dienstleisters aus (u.a. Anschluss an OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2017 – 2 Ss OWi 295/17 = NStZ-RR 2017, 188 = DAR 2017, 386 = NStZ 2017, 588 = ZD 2017, 577 und 28.04.2016 – 2 Ss OWi 190/16 = NStZ-RR 2016, 322 = NJW 2016, 3318 = DAR 2017, 45; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16 = VerkMitt 2016, Nr 56 = Justiz 2016, 453 = DV 2016, 296 und OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.05.2017 – Ss Bs 8/17 = NStZ 2018, 480 = ZD 2019, 82).“

Wer noch Zeit und Lust hat, kann den Volltext dann ja noch vor dem Jahresende lesen 🙂 .

OWi I: Einsatz Privater bei Messungen I, oder: „Untermauerung und Festigung unserer Rechtsprechung ….“

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Am letzten Arbeitstag des Jahres – nun ja, nicht bei allen, aber der ein oder andere wird heute vielleicht doch noch ein wenig arbeiten – dann noch einmal zwei OWi-Entscheidungen.

Die beiden Entscheidungen passen ganz gut zusammen, denn in beiden Beschlüssen geht es um die Zulässigkeit der Beteiligung Privater an Messungen bzw. dem Messverfahren pp. und zur Frage, ob und wie weit eine Messung, an der ein Privater beteiligt war, im Bußgeldverfahren verwertbar ist.

Dazu hat zunächst noch einmal das OLG Frankfurt am Main im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 6.11.2019 – 2 Ss OWi 942/19 – Stellung genommen. Das OLG Frankfurt am Main hat sich ja schon häufiger zu diesen Fragen geäußert.

Hier ging es um eine Geschwindigkeitsmessung. Der Betroffene soll am 30.08.2018 um 10.35 Uhr in A mit 56 km/h statt der erlaubten 50 km/h gefahren sein. Die Messung erfolgte durch den Zeugen1 mittels des geeichten Gerätes Leivtec XV3.

Zum Tatzeitpunkt war die Geschwindigkeitsüberwachung der Gemeinde C, die mit der Gemeinde A einen gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirk bildet, so organisiert, dass die Ortspolizeibehörde für die jeweiligen Messungen das Messgerät bei einer Privatfirma mietete. Der Zeuge1, der die Messung durchgeführt hat, war zum Tatzeitpunkt Angestellter bei der X GmbH. Zwischen der X GmbH und der Gemeinde C, die für den gemeinsamen Ordnungsbezirk die Verkehrsüberwachung durchführt, wurde am 23.3.2017 ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag für den Zeitraum vom 1.4.2017 bis 15.12.2017 zum Zwecke der „Unterstützung bei der Durchführung von Geschwindigkeitsprotokollen, allgemeine Datenverarbeitung und Erstellung von Messberichten“ zum Stundenverrechnungssatz von 23,12 € geschlossen. Mit Datum vom 20.12.2017 wurde dieser Vertrag für den Zeitraum 01.01.2018 bis 28.09.2018 abgeändert und die Tätigkeit als „Hilfspolizist“ für die „Unterstützung bei der Durchführung von Verkehrskontrollen, Aufbereitung“ beschrieben. Der Stundensatz betrug 23,58 €, und es erfolgte ein Hinweis auf den TVÖD.

Nach den weiteren Feststellungen des AG war der Zeuge1 im Tatzeitraum als „Ordnungspolizeibeamter“ für die Gemeinden C sowie für zwei weitere Gemeinden (D und B) durch den Landrat des E-Kreises bestellt worden. Die Bestellungsurkunde ist dem Zeugen1. durch seinen Arbeitgeber, die X GmbH, ausgehändigt worden.

Nach Ansicht des AG hat die Ortspolizeibehörde die Verkehrsüberwachung gesetzeswidrig durch private Dienstleister durchführen lassen. Deshalb hat das Amtsgericht mit einer umfangreichen Begründung unter Berücksichtigung der sog. „Lauterbach-Entscheidung“ des OLG Frankfurt am Main v. 26.04.2017 (2 Ss-Owi 295/17, NStZ 2017, 588, 590) eine nachträgliche Rekonstruktion der Beweisführung bei einem mobilen Messgerät abgelehnt und ein generelles Beweisverwertungsverbot angenommen und den Betroffenen frei gesprochen.

Dagegen die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die das „zur Untermauerung und Festigung der bestehenden Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 26.04.2017 – 2 Ss-OWi 295/17, NStZ 2017, 588, 590, sog. „Lauterbach-Entscheidung“) zur gesetzeswidrigen Verkehrsüberwachung durch private Dienstleister, hier überlassener Arbeitnehmer einer juristischen Person des Privatrechts, der bei einer örtlichen Ordnungsbehörde im Bereich der Verkehrsüberwachung tätig ist,“ zugelassen hat.

Der OLG- Beschluss hat dann folgende Leitsätze:

1. Die Überwachung des fließenden Verkehrs ist Kernaufgabe des Staates. Sie dient dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der am Verkehr teilnehmenden Bürger. Sie ist eine hoheitliche Aufgabe, die unmittelbar aus dem Gewaltmonopol folgt und deswegen bei Verstößen berechtigt, mit Strafen und/oder Bußgeldern zu reagieren. Sie ist ausschließlich Hoheitsträgern, die in einem Treueverhältnis zum Staat stehen, übertragen.

2. In der Folge kann der Staat nicht die Regelungs- und Sanktionsmacht an „private Dienstleister“ abgeben, damit diese für ihn als „Subunternehmer“ ohne Legitimation hoheitliche Aufgaben wahrnehmen.

3. Zuständig für die kommunale Verkehrsüberwachung ist der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde. In dieser Funktion ist er kein kommunales Selbstverwaltungsorgan, sondern Teil der Polizei und unmittelbar der Dienst- und Fachaufsicht des Innenministeriums unterworfen.

4. Bei der Verkehrsüberwachung des fließenden Verkehrs beim Einsatz technischer Verkehrsüberwachungsanlagen ist die Hinzuziehung und Übertragung von Aufgaben an private Dienstleister bzw. Personen, die nicht in einem Dienst- und Treueverhältnis zum Staat stehen, ausgeschlossen.

5. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) regelt ausdrücklich nicht die Übertragung hoheitlicher Aufgaben.

Und dann noch einmal <<Werbemodus an >> mit dem Hinweis auf das gerade erschienen Buch: „Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr“, 5. Auflage, 2020″. Den Bestelllink findet man hier. <<Werbemodus aus>>.

Traffistar S 350, oder: Keine Urteilsgrundlage

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Urheber Sebastian Rittau

Als zweite Entscheidung heute dann das AG Heidelberg, Urt. v. 18.01.2018 – 17 OWi 540 Js 21713/17, auf das der Kollege Gratz im VerkehrsRechtsblog ja schon hingewiesen hat. Auch in der Entscheidung geht es um eine Geschwindigkeitsmessung, und zwar mit TraffiStar S 350. Das AG hat den Betroffenen frei gesprochen. Begründung: Die Geschwindigkeitsmessung mit TraffiStar S 350 ist unverwertbar, weil das Gerät weder Rohmessdaten noch Zusatzdaten zu den Messungen in der Falldatei zur nachträglichen Überprüfung abspeichert und die Messung daher nicht überprüft werden kann:

Wie dem Gericht aus vorangegangenen Verfahren mit dem Messgerät TraffiStar S350 bekannt ist, beruht die Messung hierbei auf einer digitalen Geschwindigkeitsmessung mittels Laserimpuls-Laufzeitmessung. Die Messung erfolgt mittels Lichtimpulsen, die vom Gerät ausgesendet und von getroffenen Objekten reflektiert werden. Diese werden vom Gerät wieder empfangen, durch den Zeitunterschied von ausgesendetem und empfangenem Impuls wird über die konstante Lichtgeschwindigkeit der Impulse die Entfernung zum Objekt bestimmt. Bei einem sich bewegenden Objekt wird dann aus der Änderung der Entfernung die Geschwindigkeit ermittelt. Bei einer geräteintern gültigen Messung löst das Gerät gemäß der Bedienungsanleitung spätestens 5 m nach Messende ein Foto aus. Hierfür berechnet das Gerät aus der gemessenen Geschwindigkeit des jeweiligen Fahrzeugs die Fotoposition. Hierbei wird außerdem die Position einer Auswertehilfe bestimmt, die der Zuordnung des Messwerts zu einem bestimmten Fahrzeug dient und die in das Messfoto eingeblendet wird.

Das Messgerät erlaubt allerdings in der hier verwendeten Softwareversion, im Gegensatz zur Vorgängerversion, keine Plausibilitätskontrolle mehr. Sofern Rohmessdaten noch abgespeichert werden, haben Sachverständige hierauf keine Zugriffsmöglichkeit mehr. Damit ist einem unabhängigen Sachverständigen eine Rückrechnung der gefahrenen Geschwindigkeit tatsächlich nicht mehr möglich. Vielmehr ist man bei diesem Messgerät gehalten, sich auf die eingeblendete Datenleiste im Tatfoto (vgl. AS 9) blind zu verlassen. Die dort aufgeführte Geschwindigkeit lässt sich allerdings in keiner Weise nachvollziehen. Eine Weg-Zeit-Berechnung ist anhand der vorliegenden Daten nicht möglich. Ein tatsächlicher Grund, warum die entsprechenden Rohmessdaten bei dieser Version nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, ist nicht zu erkennen und auch nicht nachvollziehbar.

Im Gegenteil, vielmehr wurde bei dem Messsystem poliscan-speed mittlerweile erreicht, dass mit der Speicherung von „nur“ 5 Messdaten in einer xmi-Datei zumindest eine Plausibilitätskontrolle ermöglicht wurde. Damit wird vor dem Gedanken des „fair-trail“ der Betroffene nicht mehr darauf verwiesen, einem Gerät zu glauben, dass es die Geschwindigkeit, mit der er gemessen wurde, richtig berechnet hat; ihm wurde die Möglichkeit eröffnet, diese Geschwindigkeitsmessung nachzuvollziehen.

Durch den Wegfall dieser Möglichkeit wurde eine Überprüfung der Messung schlicht unmöglich gemacht. Allein die Zulassung dieses Gerätes durch die PTB reicht demgegenüber nicht zur richterlichen Überzeugungsbildung, dass es sich um eine ordnungsgemäße, nicht zu beanstandende Messung handelt.

Das Amtsgericht Stralsund hat mit Urteil vom 07.11.2016 (Az. 324 OWi 554/16) bereits entschieden, das das Messgerät TraffiStar S350 von vornherein die Möglichkeit ausschließe, die Zuverlässigkeit der Messung etwa durch Sachverständigenbeweis zu überprüfen und somit die Amtsermittlungsmöglichkeit quasi standardisiert beschnitten sei, eine Anerkennung als standardisiertes Messverfahren somit nicht mehr in Betracht käme. Hierbei stützt sich das Amtsgericht auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Kassel vom 24.08.2016, welches ebenfalls Messwerte mit diesem Messgerät als Beweismittel im standardisierten Verfahren verworfen hat, weil die eingesetzte Technik die Weg-Zeit-Berechnung nicht nachvollziehbar mache. Dementsprechend ging vom Regierungspräsidium Kassel mit Schreiben vom 29.08.2016 eine Empfehlung an alle hessischen Kommunen, keine Anzeigen mit derartigen Messungen mehr an das Regierungspräsidium weiterzuleiten, da sie vorerst keine Verfahren mehr mit diesem Messsystem einleiten werden.

Bei dieser Sachlage fehlt es nach wie vor an einem tauglichen Beweismittel, um die dem Betroffenen vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung nachvollziehen zu können.

Hier geht es zum erwähnten: AG Stralsund, Urt. v. 07.11.2016 – 324 OWi 554/16 …….

AG Hoyerswerda wie das AG Mannheim, oder: PoliscanSpeed wegen Verstoß gegen Bauartzulassung unverwertbar

entnommen wikimedia.org Urheber KarleHorn

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Gerade hereingekommen ist der AG Hoyerswerda, Beschl. v. 15.12.2016 – 8 OWi 630 Js 5977/16, dem Kollegen Kaden aus Dresden herzlichen Dank. Und den Beschluss will ich dann meinen Lesern nicht zu lange vorenthalten.

Es geht mal wieder um PoliscanSpeed. Und das AG Hoyerswerda macht es genauso wie das AG Mannheim im  AG Mannheim, Beschl. v. 29.11.2016 – 21 OWi 509 Js 35740/15 –, den ich hier ja auch schon vorgestellt hatte (vgl. Mal wieder Poliscan Speed, oder: Verstoß gegen Bauartzulassung = keine Verurteilung/Einstellung). Ebenso wie der Kollege in Mannheim sagt der Kollege in Hoyerswerda nämlich: PoliscanSpeed ist nicht (mehr) standardisiert. Ich muss die Messung daher überprüfen und das kann ich nicht und deshlab stelle ich ein:

„Wenn es dem Sachverständigen mit dem entsprechenden technischen Sachverstand, auf Grund fehlender Herstellerinformationen zum Ablauf des Messverfahrens schon nicht gelingt das Messverfahren exakt darstellen zu können, kann es dies dem Gericht in der aktuellen Besetzung – auf Grund des fehlenden technischen Sachverständnisses – erst recht nicht gelingen.

Aufgrund dessen ist es in dieser Konstellation dem Gericht nicht möglich, ohne das Vorliegen eines standardisierten Messerfahrens, hier die mit der Messung ermittelte Geschwindigkeit dem Betroffenen zur Last zu legen und darauf eine Verurteilung zu stützen.

Aufgrund der Vorgaben der neuen Eichordnung und der Erkenntnisse, die hier in diesem Verfahren, insbesondere auch aus dem Parallelverfahren des Amtsgerichts Mannheim bekannt geworden sind, zu dieser Art der Bauartzulassung geht das Gericht auch davon aus, dass Abweichungen des Messbereiches von 20 – 50 m hier nicht unter den Tisch fallen können, weil diese ggf. gering sind, insoweit ist auf das formelle Eichverfahren Bezug zu nehmen und auch auf die entsprechenden Vorgaben zur Bauartzulassung.

In den entsprechenden Zulassungsunterlagen ist ein Messbereich von 20 – 50 m eindeutig vorgegeben worden, Abweichungen davon bedeuten also, dass das Messgerät außerhalb der entsprechenden Bauartzulassung arbeitet und somit hier nicht von dieser getragen werden kann und als standardisiertes Messverfahren für das Gericht somit nicht zur Verfügung steht.

Der Sachverständige führte darüber hinaus aus, dass von diesen 1163 Messdaten, die hier im konkreten Fall für die Ermittlung der Geschwindigkeit des Betroffenen herangezogen worden sind, lediglich 5 Daten genau abgespeichert worden sind zu der Messung. Auch aufgrund dessen wird es dem Gericht nicht möglich sein, hier eine entsprechende Messwertbildung selber vorzunehmen.

Das Gericht vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass es unverhältnismäßig wäre, weitere Ermittlungshandlungen zur Meßwertbildung durchzuführen. Insbesondere weil von den 1163 Messdaten 1158 gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das grundsätzliche Problem der Darstellbarkeit der Meßwertbildung dadurch nicht gelöst würde. Auch die Durchführung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmen, weiteren Zeugenver-nehmungen würden hier auch nicht dazu führen, dass das Gericht in der Lage wäre, die Mes-sung anhand von Erkenntnissen, die sich daraus ergeben würden, im Rahmen eines nicht standardisierten Messverfahren entsprechend für eine Verurteilung sicher darstellen zu können.

Es obliegt auch nicht dem Gericht, hier Maßnahmen zu treffen, die der Hersteller des Gerätes treffen muss, um eine bauartkonforme Zulassung des Geräts wieder zu erreichen bzw. den Vorgaben der Eichordnung und der Konformität zu entsprechen. Somit können Maßnahmen des Gerichts nicht auf eine Wiederherstellung eines standardisierten Messverfahrens abzielen, sondern allenfalls darauf abzielen, hier eine Messwertbildung plausibel auch außerhalb eines standardisierten Messverfahrens darstellen zu können. Dies ist aus physikalischen Gründen und aus Gründen des physikalischen Unverständnisses des Gerichts jedoch nicht möglich.“

Das AG hat nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Den Betroffenen und seinen Verteidiger wird es freuen. M.E. ist die Einstellung aber nicht richtig, sondern der Betroffene hätte frei gesprochen werden müssen. Denn,wenn das AG dem Betroffenen die Geschindigkeitsmessung nicht nachweisen kann, muss es ihn frei sprechen. Die Einstellung ist dann der falsche Weg. Vor allem auch deshalb, weil damit (wieder) ein OLG – dieses Mal das OLG Dresden – außen vorbleibt. Wäre doch schön, mal von einem OLG zu der Frage was zu hören.

Aber: Ich will nicht zu viel meckern. Denn es bleibt natürlich die Freude über die Einstellung und das sich dann ggf. doch weiter abzeichnende Ende des standardisierten Messverfahrens PoliscanSpeed. Na ja, ein bisschen Überzeugungsarbeit wird man da bei den OLG nocht brauchen.