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Corona II: Vorlage gefälschter COVID-19-Impfzertifikate, oder: (Allgemeine) Anforderungen an Beweiswürdigung

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Und als zweite (Aufarbeitungs)Entscheidung dann der BayObLG, Beschl. v. 30.05.2023 – 202 StRR 29/23. Das BayObLG nimmt Stellung zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung bei einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung durch Vorlage gefälschter COVID-19 – Impfzertifikate. Die Ausführungen sind auch allgemein interessant.

Das AG hat die Angeklagte wegen Urkundenfälschung (Tatzeit: 29.11.2021) zu einer Geldstrafe  Euro verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das LG als unbegründet verworfen. Dagegen die Revision der Angeklagten, die Erfolg hatte:

„Die zulässige Revision ist weitgehend begründet und führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang. Die Überzeugung der Berufungskammer hinsichtlich der den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung tragenden Feststellungen werden von den im Urteil mitgeteilten Beweistatsachen und der aus diesen gezogenen Folgerungen und dem Beweisergebnis nicht getragen.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Am Montag, den 29.11.2021 legte die Angeklagte in der A-Apotheke in Aschaffenburg einem/r dortigen Mitarbeiter/in einen auf ihren Namen lautenden angeblichen Impfausweis vor, in welchem sich eine gefälschte Dokumentation über zwei Schutzimpfungen gegen Covid-19 befand. Als angebliches Datum der Impfungen war der 11.10.2021 und der 15.11.2021 eingetragen. In der Rubrik ‚Handelsname und Chargennummer des Impfstoffes (Vignette)‘ befand sich jeweils ein Aufkleber mit dem angegebenen Impfstoff ‚Comirnaty®‘ und die Chargennummer ‚EX3599‘ (11.10.2021) bzw. ‚1D014A‘ (15.11.2021). In der Spalte ‚Art des Impfstoffs (z.B. mRNA, Vektor etc.)‘ war jeweils ‚mRNA‘ eingetragen. In der Rubrik ‚Unterschrift und Stempel des Arztes‘ befand sich jeweils der vorgebliche Arztstempel Dr. med. S. T., B.-Straße 22, Frankfurt a. Main‘ und die angebliche jeweilige Unterschrift des genannten Arztes. Bei dem von ihr in der Apotheke vorgelegten Impfpass handelte es sich – wie die Angeklagte wusste – um eine Totalfälschung. Der angebliche Aussteller der Impfbescheinigung, der Arzt Dr. med. S. T., hatte diese in Wahrheit nicht ausgestellt. Die Angeklagte war in dessen Arztpraxis nicht gegen Covid -19 geimpft worden. Durch die Vorlage des gefälschten Impfnachweises wollte die Angeklagte den/die Apothekenmitarbeiter/in über die angeblich durch den genannten Arzt dokumentierten, tatsächlich jedoch nicht durchgeführten und nicht von dem genannten Arzt bescheinigten Schutzimpfungen gegen Covid-19 täuschen, um ein digitales Impfzertifikat zu erlangen. Der/die Apothekenmitarbeiter/in schöpfte jedoch Verdacht, dass es sich bei dem von der Angeklagten vorgelegten angeblichen Impfausweis – der wie ein echter Impfausweis aussah – um eine Fälschung handelte und stellte kein digitales lmpfzertifikat aus.

2. Die Beweiswürdigung ist in entscheidenden Punkten rechtsfehlerhaft.

a) Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die Prüfung durch das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht nur der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder überhöhte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt wurden oder sich auf nichtexistierende Erfahrungssätze stützt (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BGH, Urt. v. 23.03.2023 – 3 StR 277/22; 16.03.2023 – 4 StR 252/22; Beschl. v. 02.03.2023 – 2 StR 119/22, jew. bei juris; BayObLG, Urt. v. 16.12.2022 – 202 StRR 110/22 bei juris; 16.07.2021 – 202 StRR 59/21 = OLGSt StGB § 306 Nr 2; Beschl. v. 07.06.2022 – 202 ObOWi 678/22 = VerkMitt 2022, Nr 46 = NStZ-RR 2022, 318; 03.02.2022 – 202 StRR 11/22 = NStZ-RR 2022, 119, jew. m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der Feststellungen zur inhaltlichen Unrichtigkeit des Impfausweises und zur Ausstellereigenschaft jedoch nicht gerecht. Die diesbezüglichen Ausführungen sind in mehrfacher Hinsicht lückenhaft.

aa) Die Berufungskammer stützt ihre Überzeugung zur Unrichtigkeit des Impfausweises im Wesentlichen darauf, dass nach den polizeilichen Ermittlungen das Verfallsdatum der Impfstoffe im ausgewiesenen Zeitpunkt der (angeblichen) Impfung jeweils bereits abgelaufen war, die Angeklagte bei dem Arzt, der nach dem Inhalt des Impfausweises die Impfung durchgeführt haben soll, nicht Patientin war und die Arztpraxis zu dem (angeblichen) Datum der zweiten Impfung geschlossen gewesen sei, was für sich genommen aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden wäre, weil die gezogenen Schlüsse nur möglich, nicht aber zwingend sein müssen (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 07.06.2022 – 202 ObOWi 678/22 a.a.O.). Allerdings leitet die Berufungskammer die entsprechenden Indizien ausschließlich aus der Verlesung eines polizeilichen Ermittlungsberichts her, ohne dass die Berufungskammer sich von deren Richtigkeit überzeugt hat. Es wird aufgrund der Urteilsgründe bereits nicht ersichtlich, wie die Ermittlungsbeamten zu diesen Ergebnissen gelangt sind, ob sie etwa auf der Befragung von Zeugen oder auf sonstigen Ermittlungshandlungen beruhen, sodass dem Revisionsgericht insgesamt die Nachprüfung verwehrt bleibt, ob die Beweiswürdigung, die nicht etwa der Ermittlungsbehörde, sondern dem Tatgericht obliegt, auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht (vgl. hierzu zuletzt BGH, Beschl. v. 20.12.2022 – 2 StR 232/21 bei juris = BeckRS 2022, 46863).

bb) Ungeachtet dessen konnten der oder die Beamten, die den in der Hauptverhandlung verlesenen Ermittlungsbericht gefertigt haben, ohnehin nur Zeugen vom Hörensagen sein, weil auszuschließen ist, dass sie die von der Berufungskammer zugrunde gelegten Indizien aufgrund eigener Wahrnehmung festgestellt haben, es vielmehr naheliegt, dass die Erkenntnisse aufgrund der Befragung von Beweispersonen erlangt wurden. Zwar verbietet die Strafprozessordnung nicht von vornherein die Verwertung derartiger Angaben. Allerdings kann nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Feststellung nur dann auf solche Angaben gestützt werden, wenn sie durch andere gewichtige Gesichtspunkte bestätigt werden (st.Rspr., vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 06.12.2022 – 4 StR 412/22 bei juris = BeckRS 2022, 45562; 24.02.2021 – 1 StR 489/20 bei juris = BeckRS 2021, 8266; 16.12.2020 – 4 StR 297/20 bei juris = NStZ-RR 2021, 78 = BGHR BtMG § 30 Abs 1 Nr 1 Beihilfe 1 = BeckRS 2020, 38057). Hierzu verhält sich das Berufungsurteil indes nicht. Es ist schon nicht erkennbar, ob und gegebenenfalls auf wessen Angaben die Ermittlungsergebnisse beruhen und warum die Auskunftsperson glaubhaft über die festgestellten Umstände berichten konnte. Indizien, die die Angaben stützen können, werden ebenfalls nicht mitgeteilt.

cc) Überdies wird die vom Landgericht zugrunde gelegte Feststellung, dass es sich bei den Eintragungen in dem Impfausweis über die Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus um eine Totalfälschung handelt, nicht beweiswürdigend belegt. Das Landgericht hat offensichtlich aus der inhaltlichen Unrichtigkeit der Eintragungen im Impfausweis ohne weiteres darauf geschlossen, dass sie nicht vom angeblichen Aussteller, also dem Arzt, stammen. Es hat damit der Überzeugungsbildung aber einen Erfahrungssatz zugrunde gelegt, den es nicht gibt (vgl. hierzu zuletzt BayObLG, Beschl. v. 03.02.2022 – 202 StRR 11/22 = NStZ-RR 2022, 119 = BeckRS 2022, 3282). Die Berufungskammer hat von vornherein ausgeblendet, dass gegebenenfalls der Arzt die nicht erfolgten Impfungen tatsächlich bescheinigt haben könnte. Diese Möglichkeit, die nach den Erfahrungen mit Blick auf zu Unrecht von Ärzten ausgestellte Atteste im Zusammenhang mit Befreiungen von der Verpflichtung zur Tragung eines Mund-Nasen-Schutzes keineswegs von vornherein fern liegt, zieht die Berufungskammer gar nicht in Erwägung.“

StGB I: Ein „Knast für Quarantäne-Verweigerer“, oder: Verharmlosen von NS-Verbrechen?

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Ich mache heute dann mal wieder einen StGB-Tag. Also Entscheidungen zum StGB, und zwar alles sog. Äußerungsdelikte.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 21.03.2023 – 203 StRR 562/22. AG und LGhaben den Angeklagten wegen Volksverhetzung verurteilt. Das BayObLG hebt wegen nicht ausreichender Feststellungen für Verurteilung des Angeklagten wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB auf:

„Nach § 130 Abs. 3 StGB macht sich strafbar, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Das Merkmal des Verharmlosens ist erfüllt, wenn der Äußernde die Anknüpfungstatsachen für die Tatsächlichkeit der NS-Gewalttaten herunterspielt, beschönigt, in ihrem wahren Gewicht verschleiert oder in ihrem Unwertgehalt bagatellisiert oder relativiert (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 365/04 –, juris Rn. 24; Krauß in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, § 130 Volksverhetzung Rn. 107). Der Täter muss in qualitativer oder quantitativer Hinsicht Art, Ausmaß, Folgen oder Unrechtsgehalt einzelner oder die Gesamtheit nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen herunterspielen (vgl. Krauß a.a.O.).

Ein solches Relativieren und Bagatellisieren ist durch die Feststellungen des Landgerichts nicht belegt. Danach postete der Angeklagte am 15. Januar 2021 in die Telegram-Gruppe „dd2_Plz91“, zugänglich für 148 Teilnehmer der Gruppe, zu angeblichen Plänen des Freistaates Sachsen, einen „Knast für Quarantäne-Verweigerer“ einzurichten, als Reaktion auf den Kommentar einer Nutzerin, dass dies gar nicht schlimm sei, folgenden Beitrag: „Ja, evtll gibt es dort auch Duschräume und Impfzentren. Wahrscheinlich auch gestreifte Einheitskleidung. Wenn ich der Staat wäre würde ich solche Lager mit Bahnanbindung bauen“. Das Landgericht hat in dieser Äußerung eine vergleichende Gegenüberstellung der Judenverfolgung und -vernichtung in den Konzentrationslagern unter der Herrschaft des Nationalsozialismus einerseits und möglichen politischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gesehen, wodurch der Angeklagte die Judenvernichtung gröblich herabgesetzt und verharmlost hätte.

Auf der Grundlage der Feststellungen zum Wortlaut der Äußerungen konnte das Landgericht hier nach der verfassungsmäßig gebotenen Auslegung der vom Angeklagten verwendeten Formulierungen jedoch nicht ohne weiteres von einer Verharmlosung der Judenverfolgung und Judenvernichtung ausgehen. Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht einen Vergleich der Stimmung gegen die AfD und ihre Mitglieder mit dem nationalsozialistischen Völkermord von bis zu 6 Millionen Juden als Volksverhetzung angesehen, weil durch die Gleichsetzung von bloßen Befindlichkeiten und Belästigungen mit dem Holocaust den Verbrechen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates deren Dimension abgesprochen und ihr Unrechtsgehalt beschönigt wurde (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 205 StRR 240/20 –, juris; ähnlich Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Entscheidung vom 5. Juli 2022 – 1854/22 –, juris Rn. 12). Ob dies indes der Zielsetzung des Angeklagten entsprach, ist den bislang getroffenen Feststellungen nicht hinreichend zu entnehmen. Vielmehr kann es auch das Ziel der Anspielungen auf Duschräume, Einheitskleidung und Bahnanbindung gewesen sein, den Freistaat Sachsen zu bezichtigen, im Zusammenhang mit der pandemischen Lage Internierungslager einzurichten, in denen Ungeimpfte und erkrankte Personen entrechtet, entmenschlicht und eventuell auch getötet würden, also das Bundesland mit dem Verdacht eines schimpflichen faschistischen Verhaltens zu überziehen. Dies würde nicht den Tatbestand von § 130 Abs. 3 StGB erfüllen. In der Darstellung eines Bundeslandes als Unrechtsstaat, der sogar die Ermordung ihm unliebsamer Personen organisiert, könnte indes – auch unter Berücksichtigung der Reichweite von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG – eine nach § 90a StGB tatbestandsmäßige Verunglimpfung eines Staatswesens in der Gesamtheit zu sehen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 – 3 StR 446/01 –, juris Rn. 7; BayObLG, Beschluss vom 23. Oktober 1995 – 3 St 3/95 –, juris, unter 2b aa; BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28. November 2011 – 1 BvR 917/09-, juris Rn. 24; Steinsiek in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2021, § 90a Rn. 10; Steinmetz in Münchener Kommentar, StGB, 4. Aufl., § 90a Rn. 11). Denn es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass in der Gleichsetzung der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihr angehörenden Landes mit einem faschistischen Staat eine Beschimpfung im Sinn von § 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB gesehen wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juli 1998 – 1 BvR 287/93 –, juris Rn. 43).

Aufgrund der festgestellten Mängel war das Urteil des Landgerichts mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 349 Abs. 4, § 353 StPO). Da nicht auszuschließen ist, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Angeklagten nach § 130 Abs. 3 StGB oder nach § 90a Abs. 1 und 3 StGB tragen, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (354 Abs. 2 StPO). Dem neuen Tatrichter obliegt es dabei, nicht nur den Wortlaut, sondern auch den Sinn und den politischen Hintergrund der potentiell strafrechtlich erheblichen Äußerung festzustellen.

Die Rückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth erfolgt trotz des Umstandes, dass hier auch eine Verurteilung nach § 90a Abs. 3 StGB im Raum steht und damit eine Zuständigkeit der Staatsschutzkammer nach § 74a Abs. 1 Nr. 2 GVG in Betracht kommen könnte. Denn für die Zuständigkeit im Berufungsverfahren ist nach § 74 Abs. 3 GVG ausschließlich ausschlaggebend, welches Gericht in erster Instanz entschieden hat (BayObLG, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 206 StRR 220/22 –, juris Rn. 12; Gericke in KK-StPO, 8. Aufl., § 355 Rn. 6). Eine zulässige Verfahrensrüge der Verletzung von § 328 Abs. 2 StPO hat der Angeklagte nicht erhoben.

Corona II: Vorlage eines gefälschten Impfpasses, oder: Was ist für „Urkundenfälschung“ festzustellen?

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In der zweiten Entscheidung, dem  BayObLG, Beschl. v.  31.05.2023 – 207 StRR 294/22 – geht es nicht um eine materiellen Frage, sondern um die Frage nach dem erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen.

Das AG hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung („Gebrauchen einer unechten Urkunde“) verurteilt Nach den dort getroffenen Feststellungen habe der Angeklagte am 26.10.2021 in einer Apotheke einen, wie er wusste, manipulierten Impfpass vorgelegt, aus welchem hervorging, dass er vollständig gegen das SARS-COV2-Virus geimpft sei. Tatsächlich sei der Angeklagte, wie er wusste, nicht mit den angegebenen Impfstoffen geimpft gewesen. Durch die Vorlage habe er ein digitales Impfzertifikat erhalten wollen. In den Urteilsgründen ist weiter ausgeführt, dass der Impfpass mit enthaltenem Stempel der Arztpraxis und Unterschrift zusammen mit den eingeklebten C.-Aufklebern eine unechte (zusammengesetzte) Urkunde darstelle, die der Angeklagte durch deren Vorlage in der Apotheke auch gebraucht habe.

Gegen die Verurteilung hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt, u. a. mit dem Ziel des Freispruchs. Das BayObLG hat wegen nicht ausreichender Feststellungen aufgehoben:

„1. Das zulässige Rechtsmittel hat einen mindestens vorläufigen Erfolg, weil die getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung nach § 267 StGB entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht tragen (§ 349 Abs. 4 StPO).

a) Zwar wurde die Anwendung des 267 StGB zur Tatzeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht durch §§ 277, 279 StGB a. F. gesperrt (BGH, Urteil vom 10.11.2022, 5 StR 283/22, BeckRS 2022, 31209, dort Rdn. 34 ff.).

b) Das Urteil leidet jedoch an durchgreifenden Darstellungsmängeln, weil die Feststellungen des Amtsgerichts lückenhaft und unklar sind und damit dem Senat bereits nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung ermöglichen, ob der Angeklagte – wie vom Amtsgericht angenommen – den Tatbestand der Urkundenfälschung in der Tatmodalität des Gebrauchmachens von einer unechten oder verfälschten Urkunde i.S.v. 267 Abs. 1 3. Alt. StGB erfüllt hat (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt BayObLG, Beschluss vom 22.07.2022, 202 StRR 71/22, zitiert nach juris, m. w. N.).

aa) Nach 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen, mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann; denn nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 08.03.2022, 1 StR 483/21, zitiert nach juris, dort Rdn. 6).

bb) Die Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts belegen bereits nicht, ob es sich bei dem gegenständlichen Impfpass überhaupt um eine Urkunde im Sinne des 267 Abs. 1 StGB handelte. Eine Urkunde setzt das Vorhandensein einer verkörperten Gedankenerklärung voraus, die zum Beweis bestimmt und geeignet ist und einen Aussteller erkennen lässt (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 267 Rdn. 3 m. w. N.). Keines dieser Merkmale kann den Urteilsgründen zuverlässig entnommen werden. Der Impfpass und die Eintragungen darin werden anlässlich der Feststellung des strafbaren Sachverhalts überhaupt nicht und auch später nur unzureichend beschrieben. Das tatrichterliche Urteil stellt nicht fest, welchen Inhalt die offenbar in den Impfausweis eingeklebten Impfnachweise im Einzelnen hatten und wer im Zusammenhang mit der angeblichen Impfung der Aussteller der Impfbescheinigung ist.

cc) Es kann nach diesen Feststellungen auch nicht beurteilt werden, ob der Angeklagte mit der Vorlage des Impfpasses von einer unechten oder verfälschten Urkunde Gebrauch gemacht hat.

Unecht ist eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller bezeichnet ist. Entscheidendes Kriterium für die Unechtheit ist die Identitätstäuschung: Über die Person des wirklichen Ausstellers wird ein Irrtum erregt; der rechtsgeschäftliche Verkehr wird auf einen Aussteller hingewiesen, der in Wirklichkeit nicht hinter der in der Urkunde verkörperten Erklärung steht. Nicht tatbestandsmäßig ist dagegen die Namenstäuschung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Aussteller nur über seinen Namen täuscht, nicht aber über seine Identität (BGH, Beschluss vom 19.11.2020, 2 StR 358/20, zitiert nach juris, dort Rdn. 18). Nachdem das Amtsgericht aber schon nicht mitteilt, wer nach den Eintragungen im Impfpass der Aussteller ist, unterbleiben auch die gebotenen Feststellungen dazu, ob nicht gegebenenfalls die Urkunde von dem Aussteller, sollte ein solcher ersichtlich sein, tatsächlich erstellt wurde. Eine Beweiswürdigung zu dieser für die rechtliche Einstufung der Urkunde als unecht maßgeblichen Frage findet schon gar nicht statt. Denn sollte ein aus dem Impfpass ersichtlicher Aussteller die Eintragung vorgenommen haben, würde es sich um eine echte Urkunde handeln, deren Gebrauch nicht nach § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB strafbar wäre. Auch ist auf dieser Grundlage nicht ausgeschlossen, dass nur eine (nicht strafbare) „schriftliche Lüge“ vorliegt (vgl. zu solchen Konstellationen Senat, Beschluss vom 22.05.2023, 207 StRR 239/22).

Den Ausführungen des Amtsgerichts kann schließlich auch nicht sicher entnommen werden, ob eine unechte Urkunde vorlag oder es sich um eine Verfälschung einer ursprünglich echten Urkunde handelte. Eine Verfälschung liegt in der inhaltlichen Veränderung der gedanklichen Erklärung einer ursprünglich echten Urkunde (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.1999, 4 StR 71/99, zitiert nach juris, dort Rdn. 19), was nur dann der Fall sein kann, wenn die Urkunde von dem aus ihr hervorgehenden Aussteller stammte; eine solche käme etwa in Betracht, wenn in einen „echten“ Impfpass zusätzliche Impfungen eingetragen werden.“

Corona I: Maskenbefreiungsattest ohne Untersuchung, oder: „Generelle Vorbehalte“ reichen nicht

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Und in die neue Woche geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Corona. Es handelt sich um „Aufarbeitungsentscheidungen“. Beide stammen vom BayObLG.

Zunächst hier der BayObLG, Beschl. v. 05.06.2023 – 206 StRR 76/23. Auszugehen war im Wesentlichen von folgenden Feststellungen.

Der Angeklagte, selbständiger Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der eine gynäkologische Praxis betriebt, steht den Infektionsschutzmaßnahmen, die sowohl von Seiten des Bundes als auch des Landes Bayern aufgrund der seit Anfang 2020 bestehenden Pandemie erlassen wurden, kritisch gegenüber. Ab Juni 2020 begann der Angeklagte, sogenannte Maskenbefreiungsatteste auszustellen. Ihm kam es bei der Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung nicht darauf an, dass der um ein Attest nachsuchende Patient unter aktuellen Beschwerden aufgrund des Tragens einer Infektionsschutz-Maske litt. Er vertrat die Ansicht, dass das Tragen einer Schutzmaske generell als gesundheitsgefährdend einzuschätzen sei. Auf einen persönlichen Kontakt mit den Antragstellern oder eine medizinische Untersuchung vor Ausstellung des Attestes kam es dem Angeklagten nicht an. Er erteilte sowohl Atteste nach einem persönlichen Gespräch als auch auf telefonische Anfrage und auf schriftliche Anfragen (einschließlich per E-Mail). Insgesamt stellte der Angeklagte (im Zeitraum von Juni 2020 bis 16.12.2020) 1096 Maskenbefreiungsatteste aus. Neben seinem Namen, seiner beruflichen Qualifikation sowie Name und Geburtsdatum des Patienten enthielten die Atteste den Text, dass die jeweilige Person „aus schwerwiegenden med. Gründen von der Gesichtsmaskenpflicht befreit“ sei, alternativ, dass es für den Patienten „aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar“ sei, eine Mund-Nasenbedeckung bzw. eine sog. Alltagsmaske oder ein Faceshield zu tragen. Teilweise enthielten die Atteste Diagnosen mit den üblichen medizinischen Kürzeln. Teilweise fanden sich noch Ausführungen über die Drittwirkung von Grundrechten, die die Patienten zur Teilnahme an gesellschaftlichem Leben berechtigen würden. Des Weiteren fanden sich Ausführungen zu Art. 3 des Grundgesetzes. Einen Hinweis darauf, dass das Attest ohne persönliche Untersuchung ausgestellt worden war, enthielt keines der Atteste.

Verurteilt worden ist der Angeklagte vom AG und dann auch vom LG wegen Ausstellens von unrichtigen Gesundheitszeugnissen (§ 278 StGB). Dagegen die Revision, die zum Teil Erfolg. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den velinkten Volltext. Hier sollen die Leitsätze reichen, und zwar:

    1. Ärztliche Atteste sind gem. § 278 StGB unrichtig, wenn sie ohne persönliche Untersuchung ausgestellt werden, obwohl keine besonderen Umstände vorliegen, die dies ausnahmsweise rechtfertigen könnten.
    2. Eine ärztliche Bescheinigung, die während der Covid 19-Pandemie zu dem Zweck der Glaubhaftmachung ausgestellt wurde, der betreffenden Person sei das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar, ist unrichtig, wenn sie sich nicht auf durch eine Untersuchung festgestellte individuelle gesundheitliche Besonderheiten, sondern lediglich auf generelle Vorbehalte gegen das Tragen von Gesichtsmasken stützte.
    3. Wird die Strafbarkeit wegen Ausstellens eines unrichtigen Maskenbefreiungsattestes zum Gebrauch bei einer Behörde nach § 278 StGB a.F. damit begründet, das Attest sei zur Vorlage bei einer Schulbehörde während der Covid-19 Pandemie gedacht gewesen, um von der in der Schule bestehenden Pflicht zum Tragen von Masken befreit zu werden, bedarf es der Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung des Attestes eine Maskenpflicht auf dem Schulgelände bestand oder mit der Anordnung einer solchen gerechnet wurde.

StPO II: Unentschuldigtes Ausbleiben in Berufungs-HV, oder: Das 1 x 1 der Revisionsbegründung

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Und dann stelle ich als zweite Entscheidung den BayObLG, Beschl. v. 05.04.2023 – 203 StRR 95/23 – vor. Es geht um die ausreichende Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) in den Fällen der Berufungsverwerfung des Angeklagten (§ 329 Abs. 1 StPO) wegen unentschuldigten Ausbleibens im HV-Termin.

Hier hatte der Angeklagte als Entschuldigungwohl eine Erkrankung geltend gemacht. Aber nicht ausreichend, denn seine Revision hatte keinen Erfolg:

„I. Die Verfahrensrüge der Verletzung von § 329 StPO erweist sich als unzulässig.

1. Die Verwerfung der Berufung nach § 329 StPO in der Berufungsinstanz setzt voraus, dass das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich der Angeklagte selbst entschuldigt hat. Es genügt vielmehr, dass eine beim Vorhandensein von Anhaltspunkten von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass das Fernbleiben des Angeklagten genügend entschuldigt ist (BGHSt 17, 391 zitiert nach juris Rn. 15; KK-Paul, 9. Aufl., § 329 Rn. 7 ff., 14 m.w.N.). Liegen in der Berufungshauptverhandlung Anhaltspunkte für einen Entschuldigungsgrund vor, hat das Gericht im Freibeweis zu prüfen, ob er zutrifft (BGHSt 17, 391; BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 – 202 StRR 29/20 –, juris Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2000 – 5 StRR 259/00 –, juris Rn. 9) und das Ergebnis der Abklärung im Urteil darzulegen. Etwa vorgebrachte Entschuldigungsgründe und sonstige als Entschuldigung in Betracht kommende Tatsachen müssen in den Urteilsgründen wiedergegeben und gewürdigt werden (OLG Dresden, Beschluss vom 31. Januar 2019 – 2 OLG 22 Ss 699/18 –, juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Februar 1999 – 2 Ss 121/99 –, juris Rn. 15 m.w.N.). Das folgt schon daraus, dass das Revisionsgericht bei der Prüfung der Frage, ob das Berufungsgericht die in § 329 StPO enthaltenen Rechtsbegriffe verkannt hat, an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Verwerfungsurteil gebunden ist. Es darf sie weder in Frage stellen noch im Freibeweisverfahren ergänzen (BGHSt 28, 384).

Eine Erkrankung entschuldigt das Ausbleiben des Angeklagten bereits dann, wenn ihm nach der Art und den Auswirkungen seiner Krankheit die Fahrt zum Verhandlungsort und die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zumutbar sind; des Nachweises einer Verhandlungsunfähigkeit bedarf es nicht (BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 – 202 StRR 29/20 –, juris Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 6. November 2002 – 5 StRR 279/02 –, juris Rn. 5; OLG München, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 5 OLG 15 Ss 173/17 –, juris Rn. 13 m.w.N.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. Januar 2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 586/21 –, juris Rn. 17 m.w.N. zu § 74 Abs. 2 OWiG; KK-Paul a.a.O. Rn. 10 m.w.N.).

Ein ärztliches Attest, das ohne Diagnose lediglich eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, wäre in der Berufungshauptverhandlung nicht ungeeignet, einen Anhalt für eine Entschuldigung zu erbringen (OLG München, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 5 OLG 15 Ss 173/17 –, juris Rn. 16; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2013 – 3 Ss 20/13 –, juris Rn. 10; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 30. Januar 2007 – 1 Ss 372/06 –, juris Rn. 12 zu § 74 Abs. 2 OWiG; KK-Paul a.a.O. Rn. 9). Auch könnte bereits die bloße Mitteilung der Erkrankung im Einzelfall die gerichtliche Aufklärungspflicht auslösen (OLG Dresden, Beschluss vom 31. Januar 2019 – 2 OLG 22 Ss 699/18 –, juris Rn. 10; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2013 – 3 Ss 20/13 –, juris Rn. 9).

2. In der Revision hingegen ist die Frage, ob der Angeklagte unentschuldigt im Sinne von § 329 StPO gefehlt hat, so dass das Gericht seine Berufung ohne weiteres verwerfen durfte, also ob der Tatrichter den Begriff der Entschuldigung zutreffend angewandt oder verkannt hat und ob er der Art und den Auswirkungen der Erkrankung weiter nachgehen musste, nicht von Amts wegen zu prüfen, sondern nur auf eine zulässig erhobene Verfahrensrüge (BayObLG, Urteil vom 25. Oktober 2022 – 206 StRR 286/22 –, juris, Rn. 8 m.w.N.; BGHSt 17, 391 zitiert nach juris Rn. 15; KK-Paul, a.a.O. Rn. 7 ff., 14 m.w.N.). Da dem Revisionsgericht eigene Feststellungen verwehrt sind, ist grundsätzlich erforderlich, alle den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 StPO so vollständig und genau mitzuteilen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st. Rspr. vgl. Nachweise bei KK-Gericke a.a.O. § 344 Rn. 39; Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 329 Rn. 95; Quentin in MüKoStPO, 1. Aufl. 2016, § 329 Rn. 100 ff.). Danach gilt:

Will die Revision im Falle einer Erkrankung des Angeklagten eine unrichtige Beurteilung der Entschuldigung geltend machen, hat sie den Entschuldigungsgrund der Erkrankung so hinreichend darzulegen, dass dem Revisionsgericht allein aufgrund des Vorbringens die Bewertung einer Krankheit als Entschuldigungsgrund ermöglicht wird. Dazu ist die Art der Erkrankung unter Angabe der Symptomatik in der Rechtfertigungsschrift detailliert darzustellen (BayObLG, Urteil vom 25. Oktober 2022 – 206 StRR 286/22 –, juris Rn. 11; OLG Hamm, Beschluss vom 23. August 2012 – III-3 RBs 170/12 –, juris Rn. 13 zu § 74 Abs. 2 OWiG; im Erg. auch KG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2002 – (4) 1 Ss 31/02 (15/02) –, juris Rn. 3). Ein Vortrag zur Erkrankung in einer gesonderten Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags genügt, wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, diesen Vorgaben nicht. Der Inhalt der erst nach dem Erlass des landgerichtlichen Verwerfungsurteils im weiteren Verlauf des Verfahrens im Rahmen des Begründungsschriftsatzes zum Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 12. Dezember 2022 hat daher in der Revision außer Betracht zu bleiben (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Januar 2009 – 2 Ss OWi 1623/08 –, juris Rn. 17 zur Rechtsbeschwerde).

Will die Revision die Verletzung der Aufklärungspflicht rügen und beanstanden, dass das Berufungsgericht trotz vorliegender Anhaltspunkte für einen bestimmten Entschuldigungssachverhalt diesem nicht in dem gebotenen Maße nachgegangen ist und die Aufklärung das Vorliegen eines genügenden Entschuldigungsgrundes ergeben hätte, ist  darzulegen, welcher konkrete Umstand aufgeklärt werden sollte, welches Beweismittel benutzt werden sollte, warum sich diese Aufklärung aufdrängte und was sie zugunsten des Beschwerdeführers ergeben hätte (Schlothauer/Weider/Wollschläger, Verteidigung im Revisionsverfahren, 3. Aufl. 2018, 3. Rn. 2377; Gössel a.a.O. § 329 Rn. 95).

3. Die Verfahrensrüge, die sich hier darauf beschränkt, das Landgericht hätte die Berufung des Angeklagten trotz seines Ausbleibens im Termin zur Berufungshauptverhandlung nicht nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verwerfen dürfen, genügt diesen Anforderungen nicht. Denn der Angeklagte behauptet zwar eine Verhandlungsunfähigkeit, legt zur Begründung seines Rechtsmittels jedoch lediglich eine nachträglich beigebrachte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Diagnose G 43.9 vor. Der Revisionsschrift lässt sich weder das genaue Ausmaß der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung entnehmen noch behauptet der Beschwerdeführer, dass dem Tatrichter am Tage der Hauptverhandlung eine Anknüpfungstatsache für eine Klärung des Zustands des Angeklagten zur Verfügung gestanden hätte (vgl. KK-Paul a.a.O. Rn. 9; KG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2002 – (4) 1 Ss 31/02 (15/02) –, juris). Auf welcher Grundlage der Tatrichter den Begriff der Entschuldigung verkannt haben könnte, erschließt sich aus dem Vortrag daher nicht. Dem Senat ist damit die Prüfung, ob die Fahrt zum Verhandlungsort und die Teilnahme an der Hauptverhandlung nach der Art und den Auswirkungen der Krankheit nicht zumutbar waren, nicht eröffnet.“

Ziemlich viel, was das BayObLG da schreibt. Aber: Es fasst damit noch einmal schon zusammen, auf was es ankommt. Das ist/war allerdings nichts Neues. So dass mich – mal wieder – wundert, dass der Verteidiger diese Vorgaben nicht präsent hatte. Das ist nun wirklich das 1 x 1 bei der Verfahrensrüge.