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Rechtsmittel III: Wirksame Berufungsbeschränkung?, oder: Reichen die Urteilsgründe?

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Und dann zum Schluss der BayObLG, Beschl. v. 03.07.2023 – 202 StRR 34/23 – zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch.

Da gibt es aber nur die Leitsätze:

  1. Das Revisionsgericht hat die Zulässigkeit der vom Angeklagten gegen ein amtsgerichtliches Urteil eingelegten Berufung nur dann von Amts wegen zu prüfen, wenn (Teil-)Rechtskraft des Ersturteils eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft ihrerseits eine unbeschränkte oder als unbeschränkt zu behandelnde Berufung eingelegt hat.

  2. Eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unter anderem dann unwirksam, wenn der Angeklagte vom Amtsgericht wegen eines versuchten Delikts verurteilt wurde, nach den Urteilsfeststellungen aber ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder diese Frage aufgrund der unzulänglichen Feststellungen des Erstgerichts nicht beurteilt werden kann.

  3. Liegt dem Angeklagten eine versuchte Erpressung zur Last, sind aber nach dem Urteilsfeststellungen noch keine Absprachen zu den Übergabemodalitäten getroffen worden, hat der Tatrichter diesen Umstand für die Frage, ob ein unbeendeter oder ein beendeter Versuch vorliegt, in seine Überlegungen einzubeziehen.

StGB III: Verkauf von Hanfblütentee mit THC-Gehalt, oder: Verbotener Handel mit BtM?

Hanfblüte

Und dann zum Tagesschluss eine Entscheidung aus dem BTM-Bereich. Der BayObLG, Beschl. v. 24.08.2023 – 202 StRR 52/23 – nimmt Stellung zum Handel mit Hanfblütentee und der Anwendbarkeit der BtMG.

Im Revisionsverfahren ist wegen der Beschränkung der Revision nur noch die Frage des vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Streit. Dazu hatte das LG folgende Feststellungen getroffen:

„Die Angeklagten waren seit dem 26.01.2019 Geschäftsführer der H.-UG (haftungsbeschränkt) und nach deren Umwandlung in eine GmbH zum 16.09.2019 der H.-GmbH, die unter anderem Hanfblütentee in den von ihr betriebenen Ladenlokalen in Würzburg oder über Franchiseunternehmen vertrieb. Der Hanfblütentee enthielt neben Cannabidiol (CBD) auch Tetrahydrocannabinol (THC). Im Zeitraum bis zur staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung am 05.11.2019 gaben die Angeklagten mindestens sechs Bestellungen von jeweils mindestens vier Kilogramm CBD-Blüten auf. Die Lieferungen enthielten CBD-Blüten mit einem Gehalt von mindestens 0,10 % und höchstens 0,20 % THC mit einer Gesamtmenge an THC in Höhe von 20,864 Gramm.

Die sachverständig beratene Strafkammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass bei einem Konsum des Hanfblütentees ein Rausch erzeugt werden kann, der durch das Rauchen von zwei dicken Joints (bei einem THC-Gehalt des Tees von 0,20 %) oder vier dicken Joints (bei einem THC-Gehalt des Tees von 0,10 % THC) erreicht werden könne. Dies entspreche jeweils einer zugeführten Menge an THC von 2 mg. Nach der Überzeugung der Strafkammer handelten die Angeklagten mit bedingtem Vorsatz. Sie rechneten zumindest damit, dass durch den Konsum von Hanfblütentee mit einem THC-Gehalt von unter 0,20 % ein Rausch erzielt werden kann und somit ein Missbrauch zu Rauschzwecken im Sinne der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG nicht ausgeschlossen ist.“

Das BayObLG hat aufgehoben, weil ihm die Beweiswürdigung betreffend die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, isnbesondere, dass ein Missbrauch des Hanftees durch Abnehmer zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen ist, nicht rechtsfehlerfrei erschient. Die Darstellung der Ausführungen der Sachverständigen sei unklar und lückenhaft.

Ich stelle hier mal nur die beiden Leitsätze zu der Entscheidung ein. Die umfangreiche Begründung des BayObLG bitte im verlinkten Volltext selbst lesen:

  1. Hanfblütentee, der Tetrahydrocannabinol (THC) enthält, unterfällt grundsätzlich dem Betäubungsmittelgesetz. Eine Ausnahme hiervon besteht nur dann, wenn der THC-Gehalt 0,2 % (ab 01.01.2023: 0,3 %) nicht übersteigt und der Verkehr ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen (Anlage I zu § 1 BtMG).

  2. Gelangt ein Sachverständigengutachten in Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die ihrerseits auf wissenschaftlichen Studien beruht, zu dem Ergebnis, dass bereits bei einem Konsum von 2 mg THC durch Inhalation ein Rausch erzielt werden könne, ist es rechtsfehlerhaft, wenn eine nähere Darlegung unterbleibt, aufgrund welcher Erkenntnisse die Sachverständige zu ihrer Einschätzung gelangt und aus welchen Gründen der Gegenansicht nicht zu folgen ist.

Corona I: Zur Coronaimpfung „Impfen macht frei, oder: Verharmlosen von NS-Verbrechen

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Und heute zum Wochenstart dann noch einmal zwei Entscheidungen zu den „Nachwehen“/Nachwirkungen der Corona-Pandemie. In beiden Entscheidungen geht es um die Volksverhetzung (§ 130 StGB)

Ich starte mit dem BayObLG, Beschl. v. 20.03.2023 – 206 StRR 1/23. Das LG hatte den Angeklagten wegen Volksverhetzung verurteilt. Dazu hatte es folgende Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte veröffentlichte am 11. November 2020 über seinen öffentlich einsehbaren Facebook-Account ein zweigeteiltes Bild, auf dessen unterer Hälfte der Eingang eines Konzentrationslagers (mutmaßlich des KZ Auschwitz) mit dem Schriftzug über dem Eingangstor „Arbeit macht frei“ zu sehen ist. In der oberen Hälfte wird eine diesem Eingang nachempfundene Zeichnung mit der Abwandlung dargestellt, dass der Schriftzug „Impfen macht frei“ angebracht ist. Unter diesem Schriftzug werden zwei schwarz uniformierte Männer mit jeweils einer überdimensionierten Spritze in der Hand dargestellt. Das Bild ist mit dem Kommentar „Alles schon mal dagewesen“ nebst einem Emoji, das sich die Augen zuhält und einem weiteren, das mit zwei Fingern ein V-Zeichen bildet, versehen. Die Darstellung wurde bis zum 20. November 2020 von wenigstens 52 weiteren Nutzern der Plattform Facebook „geliked“ sowie 26 Mal kommentiert.“

Der Angeklagte hat gegen seine Verurteilung Revision eingelegt, die beim BayObLG keinen Erfolg hatte. Ich stelle hier nur den Leitsatz zu der Entscheidung ein. Die Ausführliche Begründung dann bitte im Volltext nachlesen:

Die öffentliche Darstellung des Eingangstors eines Konzentrationslagers mit dem Schriftzug „Impfen macht frei“ und zweier schwarz uniformierter Männer jeweils mit einer überdimensionierten Spritze in der Hand – versehen mit dem Kommentar: „Alles schon mal dagewesen“ – erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB in der Tatbestandsvariante des Verharmlosens.

OWi III: Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung, oder: Einlegen in den Briefkasten

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas vom BayObLG. Der BayObLG, Beschl. v. 31.07.2023 – 102 AR 128/23 e – ist zwar im Zivilverfahren in Zusammenhang mit einem Zuständigkeitsstreit ergangen. Er behandelt aber eine Zustellungsfrage, die auch im OWi-Verfahren von Bedeutung sein kann – ich sage doch: Die OWi-Lage ist mau 😉 . Es geht nämlich um die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung dazu führt das BayObLG aus:

„Die Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ergeben sich aus § 180 ZPO. Gemäß § 180 Satz 1 ZPO kann, wenn der Zustellungsadressat in seiner Wohnung nicht angetroffen wird und die Ersatzzustellung durch Übergabe in der Wohnung an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht ausführbar ist, das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt, § 180 Satz 2 ZPO. Gemäß § 180 Satz 3 ZPO hat der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung zu vermerken. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass gesetzliche Regelungen über das Zustellungsverfahren verletzt worden wären.

Die über den Zustellungsvorgang zu erstellende Urkunde dient lediglich dem Nachweis der Zustellung, § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2023, VIII ZR 99/22, NJW-RR 2023, 766 Rn. 20). Ihr notwendiger Inhalt ergibt sich aus § 182 Abs. 2 ZPO. Anders als die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften im Sinne von § 189 Alt. 2 ZPO, etwa der in § 180 Satz 3 ZPO statuierten Verpflichtung (vgl. BGH NJWRR 2023, 766 Rn. 18), führen Fehler oder Lücken in der Zustellungsurkunde nicht ohne Weiteres zu einer Unwirksamkeit der Zustellung, die nur durch tatsächlichen Zugang gemäß § 189 ZPO geheilt werden könnte. Allenfalls bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Mangels kann die Unwirksamkeit der Zustellung in Betracht kommen (vgl. Vogt-Beheim in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl. 2023, § 182 Rn. 21; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 187 Rn. 7; Eyink, MDR 2008, 1255 [1257]; noch zu § 191 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung: BGH, Urt. v. 29. Juni 1989, III ZR 92/87, NJW 1990, 176 [juris Rn. 13]; OLG München, Beschl. v. 11. Dezember 2001, 21 W 2569/01, MDR 2002, 414 [juris Rn. 7 ff.]). Sonstige Mängel wirken sich lediglich auf die Beweiskraft der Urkunde aus, § 419 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Juli 2018, XII ZB 138/18, NJW 2018, 2802 Rn. 5 und 8; Urt. v. 19. Juli 2007, I ZR 136/05, NJW-RR 2008, 218 Rn. 26; Dörndorfer in BeckOK ZPO, 49. Ed. Stand 1. Juli 2023, § 182 Rn. 14; Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 182 Rn. 1 und 3; Häublein/Müller in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 182 Rn. 3 und 19; Siebert in Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 182 Rn. 13; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 182 Rn. 17; BT-Drucks. 14/4554 S. 15 [re. Sp.], 22 [re. Sp.]). Ob fehlende, unklare oder unstimmige Angaben die Beweiskraft der Zustellungsurkunde mindern oder sogar aufheben, ist nach freier Überzeugung (§ 286 Abs. 1 ZPO) zu beurteilen. Gegebenenfalls bedarf es ergänzender Beweismittel (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 182 Rn. 17).

Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat die Zustellungsurkunde die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach § 418 ZPO. Sie erstreckt sich auf sämtliche in der Urkunde bezeugten Tatsachen, mithin auf Zustellungsart, -zeit und -ort sowie bei Ersatzzustellung darauf, dass der Zusteller unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme des Schriftstücks in Betracht kommende Person angetroffen und er das Schriftstück in den Briefkasten oder eine entsprechende Einrichtung eingelegt hat (Schultzky in Zöller, ZPO, § 182 Rn. 14 m. w. N.). Einschränkungen der Beweiskraft ergeben sich aus widersprüchlichen oder unklaren Angaben in einer ansonsten formal ordnungsgemäßen Zustellungsurkunde (Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 182 Rn. 15).

Die vorliegende Urkunde enthält insofern eine Unstimmigkeit, als in ihr die Zustellanschrift und dementsprechend der Ort der Zustellung, § 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO, mit „A. G., 9xxxx München“ angegeben sind. Dass die Bezeichnung des Zustellorts mit „München“ eine auf einem Schreibversehen beruhende Unrichtigkeit ist, ergibt sich ohne weiteres aus der Kombination mit der Postleitzahl „9xxxx“. Diese Postleitzahl ist nicht München, sondern E. zugeordnet. Hinzu kommt, dass es eine Straße „A. G.“ in München nicht gibt, sehr wohl aber in E. Der Ort des beurkundeten Zustellungsvorgangs kann der Urkunde trotz des darin enthaltenen Fehlers ohne verbleibende Restzweifel durch Auslegung entnommen werden. Die Wirksamkeit der Zustellung wird durch die fehlerbehaftete Ortsangabe in der Urkunde nicht berührt.“

Corona II: Annahme eines Impfpassfälschungsangebot, oder: Beihilfe zur Impfpassfälschung

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Und als zweite „Corona-Entscheidung“ dann der BayObLG, Beschl. v. 09.08.2023 – 206 StRR 190/23.

Das AG hatte die Angeklagte vom Vorwurf der Anstiftung zum Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz in zwei Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Dagegen die Berufung der Staatsanwaltschaft. Das LG hat die Angeklagte dann wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz in zwei Fällen schuldig gesprochen und deswegen gegen sie eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt. Dagegen die Revision der Angeklagten, die (nur) hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg hatte.

Folgende Feststellungen waren Ausgangspunkt der Prüfung des BayObLG:

„a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich die Angeklagte erstmals am 8. Juni 2021 in die Praxis des gesondert verfolgten Allgemeinarztes Dr. x begeben. Dies erfolgte nicht ausschließbar, um sich wegen einer Tumorerkrankung am Kleinhirn naturheilkundlich beraten zu lassen, woraufhin ihr als Therapie zur Einnahme von Bittermandeln geraten worden sei. Weiter sei, ebenfalls nicht ausschließbar, auf Initiative von Dr. x ein Gespräch über das Thema „Impfung gegen das COVID-19-Virus“ zustande gekommen, wobei der Arzt der Angeklagten angeboten habe, die Durchführung der Impfung in einem für sie neu anzulegenden Impfpass zu bescheinigen, ohne sie tatsächlich zu impfen. Die Angeklagte habe das Angebot angenommen. Es sei dann ohne tatsächliche Durchführung eine Impfung mit dem Impfstoff von Biontech (COMIRATY) bescheinigt worden. In der ersten Julihälfte 2021 sei die Angeklagte dann erneut in der Praxis erschienen. Zu diesem Zeitpunkt sei eine zweite Impfung mit dem genannten Impfstoff ohne tatsächliche Durchführung bescheinigt worden. Sowohl für Dr. x als auch für die Angeklagte sei klar gewesen, dass die Dokumentation – wie später tatsächlich geschehen – dazu bestimmt war, von der Angeklagten bei einer geeigneten Stelle vorgelegt zu werden, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten.“

Und da es wie immer aus Bayern eine recht umfangreiche Begründung ist, stelle ich die hier nur teilweise, nämlich zu den Rechtsfolgen ein. Wegen der materiellen Frage nehme ich nur den Leitsatz des BayObLG, nämlich:

Bietet der zu einer Falschdokumentation entschlossene Arzt einer in seiner Praxis anwesenden Patientin an, die Durchführung einer Coronaschutzimpfung in einem Impfpass zu bescheinigen, ohne diese tatsächlich vorzunehmen, und nimmt diese das dann in die Tat umgesetzte Angebot an, leistet sie Beihilfe zur nicht richtigen Dokumentation einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus.

Und zu den Rechtsfolgen führt das BayObLG dann aus:

„2. Die Revision hat jedoch im Rechtsfolgenausspruch Erfolg, denn das Landgericht ist von einem nicht rechtsfehlerfrei begründeten zu hohen Strafrahmen ausgegangen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bestimmung der verhängten Einzelgeldstrafen und der Gesamtgeldstrafe zum Nachteil der Angeklagten hierauf beruht.

a) Das Landgericht hat zunächst den Strafrahmen des § 74 Abs. 2 IfSG, der bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren reicht, zutreffend nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemindert (UA S. 32) und innerhalb dieses Rahmens die konkreten Strafzumessungserwägungen angestellt.

b) Es hat dabei nicht bedacht, dass der Strafrahmen gem. §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein weiteres Mal zwingend zu mindern gewesen wäre; darauf weist auch die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hin (Vorlageschreiben S. 4, das ergänzend in Bezug genommen wird).

Wie vorstehend zu 1.c.) ausgeführt, macht sich nach § 74 Abs. 2 IfSG derjenige strafbar, der als zur Durchführung von Schutzimpfungen berechtigte Person im Sinne des § 22 IfSG eine Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 nicht richtig dokumentiert. Damit handelt es sich bei § 74 Abs. 2 IfSG um ein Sonderdelikt (Lorenz/Oglakcioglu in Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 74 Rn. 8 m.w.N.; Neuhöfer/Kindhäuser in BeckOK IfSG, Stand 8. Juli 2023, § 74 Rn. 35a; Erb in MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2022, § 278 Rn. 8; Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159, 2161 Rn. 11). Die Impfberechtigung i.S.d. §§ 22 Abs. 1, 74 Abs. 2 IfSG stellt demgemäß ein besonderes persönliches Merkmal dar, welches bei der Angeklagten nicht vorlag.

Der Strafrahmen des § 74 Abs. 2 IfSG wäre folglich zwingend gem. §§ 28 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein weiteres Mal zu mindern gewesen.

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen auf dem Rechtsfehler beruhen; dies erfasst auch die Gesamtstrafe.

(1) Sowohl bei der Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 2 StGB als auch bei derjenigen nach § 28 Abs. 1 StGB, jeweils in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB, handelt es sich um obligatorische Milderungen, die keinen Ermessensgebrauch zulassen, und die kumulativ anzuwenden waren. Wie ausgeführt, beruht die vom Landgericht vorgenommene Milderung nach § 27 Abs. 2 StGB auch nicht auf einer unzutreffenden Beurteilung der Teilnahme der Angeklagten an der Haupttat.

(2) Die vom Landgericht verhängten Einzelgeldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen bewegen sich auch nicht so nahe am unteren Rand des sich nach doppelter Milderung ergebenden Rahmens, der zu einer Obergrenze von einem Jahr und einem Monat Freiheitsstrafe führt, dass auszuschließen ist, dass sie bei zutreffender Strafrahmenbestimmung nicht geringer ausgefallen wären.

d) Die Rechtsfolgenentscheidung ist demnach nach § 353 Abs. 1 StPO aufzuheben. Der Senat hebt auch die der Strafbemessung zugrunde liegenden Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO auf, um dem neuen Tatgericht, an das die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird, eine widerspruchsfreie Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.

Für das weitere Verfahren wird insoweit jedoch darauf hingewiesen, dass infolge der mit diesem Beschluss eintretenden Rechtskraft hinsichtlich des Schuldspruchs die Feststellungen des Landgerichts zum Tathergang bindend werden (vgl. (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 354 Rn. 46). Lediglich hinsichtlich solcher Feststellungen, die ausschließlich für die Rechtsfolgenbestimmung von Bedeutung sind, entfällt die Bindungswirkung.“