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OWi I: Geschwindigkeitsüberschreitung auf der BAB, oder: Vorsatz?

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Heute dann mal wieder ein OWi-Tag, und zwar zunächst eine Entscheidung zum Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitung auf Autobahnen. Die Frage der Verurteilung des Betroffenen wegen eines vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes hat für den Betroffenen ja große Bedeutung. Denn im Fall der Vorsatzverurteilung ist im Zweifel ein Absehen vom Fahrverbot kaum zu erreichen. Deshalb muss der Verteidiger darauf achten, dass die Urteilsgründe des AG den von der Rechtsprechung ausgestellten Anforderungen entsprechen.

Auf die hat jetzt das OLG Bamberg noch einmal in Zusammenhang mit der Verurteilung eines Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn hingewiesen (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 01.03.2019 – 3 Ss OWi 126/19), der folgende Leitsätze hat:

  1. Bei einer Verurteilung wegen einer auf einer Autobahn begangenen vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung müssen die tatrichterlichen Feststellungen eindeutig und nachvollziehbar ergeben, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und entweder bewusst dagegen verstoßen oder den Verstoß zumindest billigend in Kauf genommen hat.
  2. Auch anlässlich der Verurteilung wegen einer auf einer Autobahn begangenen vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung dürfen die Tatgerichte die auf Erfahrung beruhende Wertung, dass ordnungsgemäß aufgestellte, die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkende Verkehrszeichen von durchschnittlichen Verkehrsteilnehmern bei zumutbarer Aufmerksamkeit anlässlich der Fahrt in aller Regel wahrgenommen werden, regelmäßig zugrunde legen. Die Möglichkeit, dass der Betroffene die eine Geschwindigkeitsbeschränkung anordnenden Verkehrszeichen übersehen hat, ist allerdings dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür entweder greifbare Anhaltspunkte ergeben oder der Betroffene im Verfahren einwendet, die beschränkenden Vorschriftszeichen übersehen zu haben.

Aufffahren auf die Autobahn, oder Vorfahrt gilt auch bei Stop-and-Go

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Und als dritte OWi-Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 03.05.2018 – 4 RBs 117/18 –  betreffend die Vorfahrtsregel des § 18 Abs. 3 StVO, nach der der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt vor Fahrzeugen hat, die auf die Fahrbahn auffahren wollen. Die – so das OLG – gilt auch bei sog. „Stop-and-Go-Verkehr“. Erst wenn der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn in der Weise zum Stehen gekommen ist, dass mit einer erneuten Fahrbewegung in kürzerer Frist nicht zu rechnen ist, findet diese Vorfahrtsregelung keine Anwendung mehr. Fahrzeugführer, die in dieser Situation auf die Fahrbahn einer Autobahn auffahren, haben aber das Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO zu beachten:

Ausgangspunkt der Entscheidung sind folgende Feststellungen:

„Am pp. .2017 gegen 17:10 Uhr bestand auf der zweispurigen Bundesautobahn App. in Fahrtrichtung A Stau. Der Zeuge X befuhr mit einer Sattelzugmaschine den rechten Fahrstreifen. Der Betroffene wollte bei km pp. vom Beschleunigungsstreifen auf den rechten Fahrstreifen der App. mit dem PKW, Marke BMW 3C mit dem amtlichen Kennzeichen pp. auffahren. Der Betroffene war Führer des PKWs und wollte dieses zum Halter überführen. Unmittelbar vor ihm fuhr der Zeuge C, der vollständig auf den rechten Fahrstreifen gewechselt hat und aufgrund eines vor ihm stehenden Sattelzugs stehen bleiben musste. Aufgrund der Verkehrslage konnte der Betroffene nicht vollständig die Fahrspur wechseln und blieb schräg zwischen dem Beschleunigungsstreifen und der rechten Fahrspur stehen. Dabei stand das Fahrzeug auf dem Markierungsstreifen mit dem vorderen rechten und dem hinteren linken Rad.

Der Zeuge X fuhr an und übersah den Betroffenen. Es kam zu einer Kollision beider Fahrzeuge, wobei die Sattelzugmaschine des Zeugen X vorne rechts und das Fahrzeug des Betroffenen zwischen den Rädern an der linken Seite eingedrückt wurde. Es gab keinen Personenschaden.“

Dazu das OLG:

„Die bisherigen Feststellungen ergeben keinen Verstoß gegen § 18 Abs. 3 StVO. Zutreffend geht das Amtsgericht zwar davon aus, dass der auf eine Autobahn Auffahrende das Vorfahrtsrecht des fließenden Verkehrs zu beachten hat (OLG Hamm VersR 1994, 952), und zwar auch dann, wenn zähfließender Verkehr und staubedingt „Stop-and-Go-Verkehr“ herrscht (LG Essen, Beschl. v. 08.04.2013 – 1 5 S 48/13 – juris). Wie schon die Formulierung im Gesetz „Vorfahrt“ zeigt, muss aller-dings ein Mindestmaß an Bewegung im Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn der Autobahn geherrscht haben, da ansonsten nicht von „Fahrt“ gesprochen werden kann. Steht der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn hingegen, so gibt es keine „Vorfahrt“, die Vorrang haben könnte. Bei stehendem Verkehr auf der durch-gehenden Fahrbahn würde es auch keinen Sinn machen, den Auffahrenden dazu zwingen zu wollen, eine bestehende – hinreichend große – Lücke zwischen zwei stehenden Fahrzeugen nicht zu nutzen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass schon bei jeglichem verkehrsbedingten Halt auf der durchgehenden Fahrbahn – und sei er auch zeitlich noch so kurz – bereits die Vorfahrtsregelung des § 18 Abs. 3 StVO keine Geltung mehr beanspruchen könnte. Erst wenn der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn in einer Weise zum Stehen gekommen ist, dass mit einer erneuten Fahrbewegung in kürzerer Frist nicht zu rechnen ist, ist das der Fall. Ansonsten würde die Regelung ausgehebelt. Der Senat bestätigt daher ausdrücklich die Rechtsprechung, dass § 18 Abs. 3 StVO auch bei sog. „Stop-and-Go-Verkehr“ gilt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts stand hier aber der LKW des Zeugen X. Konkrete Feststellungen zur Dauer dieser Standzeit enthält das Urteil nicht. Aus der Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung ergibt sich allerdings, dass der Zeuge X bekundet hatte, dass er etwa drei bis vier Minuten gestanden habe. Sollte tatsächlich eine solch lange Standzeit geherrscht haben, so konnte der Betroffene dessen Vorfahrt unter Zugrundelegung der o.g. Grundsätze nicht missachten. Vielmehr musste der Zeuge X beim Anfahren den vor ihm liegenden Fahrweg auf etwaige Hindernisse kontrollieren. Dabei macht es für § 18 Abs. 3 StVO keinen Unterschied, ob der Betroffene bereits ganz oder nur teilweise auf der Fahrbahn eingefädelt war.

Der neue Tatrichter wird aufzuklären haben, inwieweit sich das Fahrzeug des Zeugen X in einer Fahrbewegung befand, als der Betroffene mit seinem Fahrzeug von der Beschleunigungsspur auf die rechte durchgehende Fahrbahn wechselte. Die Angabe des Zeugen X, sein Abstandsmessgerät habe – als er stand – eine Entfernung von acht Metern zum vor ihm befindlichen LKW angezeigt, dürfte darauf hindeuten, dass der Betroffene sich in einer Fahrbewegung beider Fahrzeug in diese Lücke hat einfädeln wollen. Hätten beide Fahrzeuge zunächst gestanden, so wäre womöglich eine kürzere Abstandsmessung, nämlich vom Fahrzeug des Zeugen X zu dem des Betroffenen zu erwarten gewesen.

Der neuen Hauptverhandlung vorbehalten bleibt auch die Klärung, ob der Betroffene jedenfalls gegen § 1 Abs. 2 OWiG dadurch verstoßen hat, dass er so dicht vor dem (stehenden) Fahrzeug des Zeugen X auf den rechten Fahrstreifen auffuhr, dass dieser ihn wegen des sog. „toten Winkels“ eines LKW-Fahrers nicht ohne Weiteres wahrnehmen konnte.“

Der nächste Winter kommt bestimmt: Die Haftung des Räumfahrzeuges

In einem beim OLG Koblenz anhängigen Verfahren wird gegen den Fahrer/Halter eines Räumfahrzeuges Schadensersatz wegen Schäden, die beim Räumen einer BAB durch ein Räumfahrzeug an einem anderen Fahrzeug entstanden sind, geltend gemacht. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das OLG zu der Überzeugung gelangt, dass durch das von dem Beklagten eingesetzte Räumfahrzeug Schnee- und Eisbrocken auf die Gegenfahrbahn der BAB 61 geschleudert worden sind und dort den Pkw des Klägers beschädigt haben. Weiter ist der Senat davon überzeugt, dass eine ordnungsgemäße Räumung der BAB 61 am Unfalltag auch ohne Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn möglich gewesen wäre, der Unfall also nicht durch ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG verursacht worden ist. Dazu führt das OLG Koblenz, Urt. v. 09.09.2013, 12 U 95/12 – aus:

„Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Unfall auch nicht durch ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG verursacht worden. Unabwendbar ist ein Ereignis nämlich nur dann, wenn es nicht durch äußerste mögliche Sorgfalt abgewendet werden kann (so mit zahlreichen weiteren Nachweisen Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., Rn. 22). Von einem unabwendbaren Ereignis könnte somit nur dann ausgegangen werden, wenn eine ordnungsgemäße Räumung der Fahrspur tatsächlich nur unter zwangsläufiger Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn möglich gewesen wäre. Aus den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen …[D] in seinem Gutachten vom 25.02.2013 ergibt sich für den Senat aber zwingend, dass dies nicht der Fall war. So führt der Sachverständige u.a. aus, dass der Abstand zwischen dem äußeren Bereich der Überholspur in Richtung Süden und dem äußeren Bereich der Überholspur in Richtung Norden ca. 5 m betrage. Untersuchungen von Fahrzeugen im Räumvorgang mit angebautem Schneepflug hätten ergeben, dass durch die Fahrtgeschwindigkeit des Räumfahrzeuges die Abwurfweite und somit auch der Ausdehnungsbereich der vom Pflug aufgenommenen Schneemassen beeinflusst würde. Vom jeweiligen Fahrzeugführer des Räumfahrzeuges könne über die Fahrzeugverglasung die vom Pflug aufgenommene und nach links abgewiesene Schneemasse (Wurfweite) eingesehen werden. Bei übermäßiger bzw. gefahrträchtiger Ausdehnung der Wurfweiten der vom Pflug aufgenommenen Schneemassen könne der Fahrer diese begrenzen, indem von ihm die eingehaltene Geschwindigkeit entsprechend reduziert würde. Weiter sei festgestellt worden, dass bei einer vom Räumfahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von 30 bis 35 km/h eine Schneewurfweite, bezogen auf den äußeren Schneepflugbereich, von 2,5 m feststellbar gewesen sei. Bei Steigerung der Fahrgeschwindigkeit des Räumfahrzeuges auf einen Geschwindigkeitsbereich oberhalb 40 bzw. 45 km/h seien Schneewurfweiten bezogen auf die Längsachse des Fahrzeuges, von ca. 5 m feststellbar gewesen. Zusammenfassend hält der Sachverständige fest, dass davon auszugehen sei, dass mit dem bei dem Vorfall eingesetzten Räumfahrzeug die Räumung der Überholspur mit nach links eingestelltem Schneepflug bei entsprechender Fahrgeschwindigkeit nicht zwingend dazu hätte führen müssen, dass die Eis- und Schneemassen bis auf die Gegenfahrspur gelangen.“

Das Fitnessstudio im Pkw, oder: Beim Fahren hanteln

In den Kessel Buntes gehört auf den ersten Blick diese Meldung in der Tagespresse: Fernfahrer stemmt am Steuer Hanteln. Aber: Ist ja wohl nicht ganz ungefährlich. Ich bin immer wieder erstaunt, auf welche Ideen man kommen kann. Und das dann auch noch auf der Autobahn.

Wochenspiegel für die 34. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Zu berichten ist:

  1. Über das Fahren auf der Autobahn mit Eis essenden Kindern, hier und hier.
  2. Immer wieder eine Krux: Die Belehrung über die Auskunftsverweigerung.
  3. Auch Vollmachtsfragen immer wieder beliebt, hier in Zusammenhang mit der Einspruchsrücknahme.
  4. Zum Parken auf der Überholspur.
  5. Zu Formulierungsschwierigkeiten bei Staatsanwälten hier.
  6. Zum Benutzen des Blaulichts hier.
  7. Der „Nadja-Prozess“ war auch von Interesse, und zwar hier und hier.
  8. Sehr schön die „Banden-Bande“ :-), hier und hier.
  9. Zum strafbaren Betrug bei Ping-Anrufen hier.