Frage: Der Angeklagte macht im Ermittlungsverfahren Angaben zu Mittätern. Diese wideruft/“relativiert“ er in der Hauptverhandlung. Die Angaben werden aber dennoch gegen die Mittäter herangezogen. Führt das zu § 31 BtMG? Der BGH, Beschl. v. 28.12.2011 – 2 StR 352/11 – sagt ja: Die Strafe könn wegen einer Aufklärungshilfe des Angeklagten auch dann gemildert werden, wenn er in der Hauptverhandlung im Ermittlungsverfahren gemacht Angaben widerrufe. Eine Aufklärungshilfe des Angeklagten, die nach § 31 BtMG einen vertypten Milderungsgrund darstelle, könne auch dann vorliegen, wenn der Täter den Aufklärungsbeitrag im Ermittlungsverfahren leistet, seine entsprechenden Angaben aber in der Hauptverhandlung widerruft. Dass der Angeklagte hier die in einem Haftprüfungstermin gemachten Angaben in der Hauptverhandlung relativiert habe, stehe der Anwendung des § 31 BtMG daher ggf. nicht entgegen.
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Der BGH und der neue § 31 BtMG
Dre BGH hat jetzt in zwei Entscheidungen zur Anwendung des neuen § 31 BtmG und zur Anwendung des alten Rechts Stellung genommen, vgl. hier den Beschl. v. 18.03.2010 – 3 StR 65/10 und Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 79/10; zum ersten Beschl. vgl. bereits hier.
Aus den beiden (identischen) Entscheidungen lässt sich folgern: In allen Betäubungsmittelverfahren, bei denen die Tat vor dem 01.09.2009 begangen wurde, kann auch noch durch Offenbarungen in der Hauptverhandlung Aufklärungshilfe geleistet werden. Art. 316d EGStGB steht dem nicht entgegen. Die erstrebte Strafrahmenverschiebung scheitert nicht an § 31 Satz 2 BtMG n.F., § 46b Abs. 3 StGB (dazu demnächst mehr im StRR); vgl. auch noch den Kollegen Ratzka hier.
Die Gerichtssprache ist Deutsch – Fachbegriffe dürfen aber verwendet werden
Die Gerichtssprache ist Deutsch, so heißt es in § 184 GVG. Darauf hat jetzt auch das OLG Hamm in seinem Beschl. v. 22.04.2010 – III-2 RVs 13/10 – noch einmal hingewiesen. Anlass war eine Entscheidung, durch die das LG den angeklagten Arzt wegen fahrlässiger Tötung verurteilt hatte. In dem Urteil wurden dann sehr viele medizinische Fachbegriffe verwandt. Das OLG hat das „durchgehen lassen“, weil das Urteil für das Revisionsgericht und den Angeklagten noch verständlich war, aber angemerkt, dass eine „Übersetzung“ der Begriffe sicherlich besser gewesen sei.
Der Beschluss ist auch wegen eines zweiten Argumentationsstranges zur Aufklärungsrüge interessant. Lesen!
Wie sicher muss der Aufklärungserfolg bei § 31 BtMG sein? OLG Köln gibt die Antwort
In BtM-Verfahren spielt die Vorschrift des § 31 BtMG häufig eine große Rolle. Nach dieser Vorschrift kann sich der Täter Strafmilderung verschaffen, wenn er die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus offen legt und die Offenbarung zu einem Aufklärungserfolg führt (BGH NStZ-RR 2009, 320 mit Nachweisen). Ein solcher Erfolg ist dann gegeben, wenn der Aufklärungsgehilfe durch die Mitteilung seines Wissens die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass gegen den von ihm Belasteten voraussichtlich mit Erfolg ein Strafverfahren geführt werden kann (BGH a.a.O.; BGH NStZ-RR 2009, 58; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 11; § 30 II Strafrahmenwahl 4).
Dazu hat jetzt das OLG Köln noch einmal darauf hingewiesen, dass § 31 Nr. 1 BtMG eben nicht erfordert, dass ein Aufklärungserfolg „sichergestellt“ ist. Und: Nennt der Angeklagte Namen und Anschriften seiner Hintermänner, muss das Tatgericht die Verneinung eines Aufklärungserfolgs nachvollziehbar begründen.
Nachzulesen bei OLG Köln, Beschl. v. 13.04.2010, III – 1 RVs 58/10.
Kronzeugenregelung in Kraft
Heute ist das zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe v. 29. 7. 2009 (BGBl I, Satz 2288) (BT-Drucks. 16/6268), mit dem der Gesetzgeber sich für die „große Kronzeugenregelung“ entschieden hat, in Kraft getreten. Mit der neu eingefügten allgemeinen Strafzumessungsvorschrift des § 46b StGB soll in Zukunft potentiell kooperationsbereiten Tätern ein Anreiz geboten werden, Hilfe zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten (Aufklärungs- und Präventionshilfe) zu leisten. Der neue § 46b StGB ist nach der Übergangsregelung in Art. 3 des Gesetzes vom 29.07.2009 (BGBl I., Satz 2282) allerdings nicht auf Verfahren anzuwenden, in denen vor dem 1. 9. 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist.