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„12 oder 13 Jahre alt“ – das sind keine „sehr jungen Kinder“ mehr

© Dan Race Fotolia .com

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Der BGH, Beschl. v. 04.12.2014 – 4 StR 477/14 – bringt nichts weltbewegend Neues, aber zwei kurze Anmerkungen/Hinweise ist er mit wert. Es geht um eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, die der BGH aufhebt.

U.a. mit folgender Begründung:

„Sowohl hinsichtlich des vaginalen Penetrationsversuchs zum Nachteil der Nebenklägerin K. im Fall II. 10 der Urteilsgründe, als auch in Bezug auf den mit ihr ausgeführten Oralverkehr im Fall II. 11 der Urteilsgründe gibt das Urteil als Tatzeit „einen nicht mehr genau feststellbaren Tag im Zeitraum 2001/2002“ an. Da K. am 2. November 2002 vierzehn Jahre alt geworden ist, können sich diese Geschehnisse damit auch zu einem Zeitpunkt zugetragen haben, in dem sie die Schutzaltersgrenze bereits erreicht hatte und damit kein Kind im Sinne der §§ 176, 176a StGB mehr war.“

Und die Strafzumessung gefällt dem BGH auch nicht:

3. Die in den verbleibenden Fällen verhängten Einzelstrafen waren aufzuheben, weil dem Landgericht bei deren Bemessung durchgreifende Rechtsfehler unterlaufen sind.

In den Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ist die Strafkammer rechtsfehlerhaft von dem Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 ausgegangen, obgleich die Taten vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1. April 2004 begangen worden sind und deshalb § 176a Abs. 1 StGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 anzuwenden gewesen wäre, der eine niedrigere Mindeststrafe vorsieht. Soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist, hätte die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 176 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB in der hier anzuwenden Fassung vom 26. Januar 1998 in Erwägung ziehen müssen, da auch diese Taten vor dem 1. April 2004 begangen wurden. Rechtlich bedenklich ist schließlich auch, dass das Landgericht dem Angeklag-ten „das noch sehr junge Alter der Opfer“ bzw. den Missbrauch von zwei „noch sehr jungen Kinder(n)“ (UA 25) angelastet hat, obgleich die Nebenklägerin K. in den Fällen II. 3, 4, 7 und 9 der Urteilsgründe entweder 12 oder 13 Jahre alt war.“

Die Anwendung des falschen Strafrahmens kann ich mit den häufigen Änderungen im Bereich des Sexualdelikte noch nachvollziehen. Aber mit der Aussage, dass 12 oder 13 Jahre alte Kinder „noch sehr junge Kinder“ sind, habe ich dann doch Probleme.

Auf den Punkt gebracht

Etwas auf den Punkt bringen, ist ja manchmal von Vorteil, aber dann doch nicht immer. Zumindest nicht unbedingt im Strafverfahren. Denn in dem dem BGH, Urt. v. 17.02.2011 – 3 StR 426/10 zugrunde liegenden Verfahren, hatte die Strafkammer die „Strafe auf den Punkt gebracht“, und zwar wohl auf den Punkt, den man gemeinsam mit den Verfahrensbeteiligten zuvor in einer Verständigung abgesprochen hatte. Der BGH nimmt das in seinem Urteil zum Anlass, noch einmal, und zwar ziemlich nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine Punktstrafe unzulässig ist.

Ob eine Punktstrafe „vereinbart“ war, ist nicht ganz klar. Der BGH geht aber davon aus, dass dann, wenn in dem protokollierten Verständigungsangebot heißt, dass eine bestimmte Gesamtstrafe bei geständiger Einlassung des Angeklagten verhängt wird, und genau diese sodann ausgeurteilt wird, es nahe liegt, dass die Strafe nicht anhand der durchgeführten Hauptverhandlung bestimmt worden ist, sondern das Gericht sich allein an die vorher gemachte Zusage hat binden wollen. Ein solches Vorgehen ist unzulässig, da das Gesetz im Rahmen der Verständigung allein die Bestimmung eines Strafrahmens vorsieht, der idealerweise mit Ober- und Untergrenze zu bestimmen sei.

Also: Eine punktgenaue Landung kann schädlich sein 🙂

Anfängerfehler bei der Strafzumessung

Auch die Strafzumessung ist ein Feld, in dem manches im Argen liegt und auf dem der BGH häufig – jedenfalls in meinen Augen – Anfängerfehler beanstandet. So auch im Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 106/10, in dem es bei einer zugrunde liegenden Verurteilung wegen versuchten Totschlags heißt: “

„Ferner hat das Landgericht im Rahmen seiner konkreten Strafzumessung zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt, dass das Opfer der Angeklagten „objektiv betrachtet keinerlei Anlass für die Tat geboten hatte“ und damit einen nicht gegebenen Strafmilderungsgrund strafschärfend herangezogen. Dies ist hier rechtsfehlerhaft (vgl. BGHSt 34, 345, 350). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die dargestellten Rechtsfehler auf die Höhe der ver-hängten Strafe ausgewirkt haben.“

Die falsche Strafrahmenwahl lassen wir mal außen vor.

Wie sicher muss der Aufklärungserfolg bei § 31 BtMG sein? OLG Köln gibt die Antwort

In BtM-Verfahren spielt die Vorschrift des § 31 BtMG häufig eine große Rolle. Nach dieser Vorschrift kann sich der Täter Strafmilderung verschaffen, wenn er die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus offen legt und die Offenbarung zu einem Aufklärungserfolg führt (BGH NStZ-RR 2009, 320 mit Nachweisen). Ein solcher Erfolg ist dann gegeben, wenn der Aufklärungsgehilfe durch die Mitteilung seines Wissens die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass gegen den von ihm Belasteten voraussichtlich mit Erfolg ein Strafverfahren geführt werden kann (BGH a.a.O.; BGH NStZ-RR 2009, 58; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 11; § 30 II Strafrahmenwahl 4).

Dazu hat jetzt das OLG Köln noch einmal darauf hingewiesen, dass § 31 Nr. 1 BtMG eben nicht erfordert, dass ein Aufklärungserfolg „sichergestellt“ ist. Und: Nennt der Angeklagte Namen und Anschriften seiner Hintermänner, muss das Tatgericht die Verneinung eines Aufklärungserfolgs nachvollziehbar begründen.

Nachzulesen bei OLG Köln, Beschl. v. 13.04.2010, III – 1 RVs 58/10.