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Auch in Berlin muss vor einer Atemalkoholmessung nicht belehrt werden….

BierglasEs war zu erwarten, dass nach dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.04.2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13)  zur Frage eines Beweisverwertungsverbotes, wenn der Betroffene vor einer Atemalkoholmessung nicht über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung belehrt worden ist, bald weitere Entscheidungen folgen würden (vgl. zu der Frage unser Posting: Worüber muss vor einer Atemalkoholmessung belehrt werden? Und: Hier ist nun die nächste OLG-Entscheidung, die vor allem die Berliner Kollegen interessieren wird, nämlich der KG, Beschl. v. 30.07.2014 – 3 Ws (B)  356/14, der sich dem OLG Brandenburg – in einem Zusatz – anschließt. Hier daher nur die Leitsätze: 

„1.  Die unterbliebene Belehrung des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Atemalkoholmessung führt nicht zur Unverwertbarkeit der Messung, da eine entsprechende Belehrungspflicht nicht besteht.

2. Nur bei konkreten Anhaltspunkten über ein Vorspiegeln der Mitwirkungspflicht oder das bewusste Ausnutzen eines Irrtums des Betroffenen über eine solche Pflicht seitens der Ermittlungsbehörde kommt eine Unverwertbarkeit der Messung in Betracht.“

Wenn sich nun noch das OLG Rostock und das OLG Dresden anschließen, sind wir im Osten mit der Frage durch 🙂 .

„Konsum“ von Fisherman’s Friend und die Atemalkoholkontrolle

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage, welche Folge es hat, wenn die sog. Warte- und Kontrollzeiten bei der Atemalkoholmessung nicht eingehalten werden, unter den OLG umstritten. Das OLG Hamm (VA 2007, 35 = VRR 2007, 70 = VRS 114, 292, 294) hat in diesen Fällen die Messung insgesamt als unverwertbar angesehen. Dem hat sich das OLG Bamberg (OLG Bamberg VA 2008, 31 = VRR 2008, 153 = StRR 2008, 196) jedenfalls für den Fall angeschlossen, in dem der Grenzwert gerade erreicht ist.

Das OLG Stuttgart hält demgegenüber nun in seinem Beschl. v.02.07.2010 – 4 Ss 369/10, über den auch schon hier berichtet worden ist, – eine generelle Unverwertbarkeit der Messung für nicht angezeigt und schließt sich damit den Obergerichten an, die die Messung auch verwerten, wenn die Wartezeit von 20 Minuten nicht eingehalten ist (so etwa OLG Celle NZV 2004, 318; OLG Karlsruhe NJW 2006, 1988 = VA 2006, 140 (Ls.) = NZV 2006, 438 = VRR 2006, 355; so jetzt auch OLG Hamm VA 2010, 50 = VRR 2010, 156).

Das begründet das OLG u.a. mit einem vom AG eingeholten SV-Gutachten. Das wird im Beschluss teilweise mitgeteilt. Interessant :-), wenn es dort heißt:

Der Sachverständige führte aus, dass, die Richtigkeit der Angaben des Betroffenen unterstellt, zwar die Durchführungsbedingungen für das ALCO-TEST-Messgerät Dräger nicht eingehalten seien, da in den letzten 10 Minuten vor der Durchführung der Messung keine fremde Substanz in die Mundhöhle gelangt sein dürfe, dies jedoch vorliegend nicht zu einer Verfälschung des Messergebnisses führe, das außerhalb der erlaubten Messschwankungsbreiten liegt. Derartige Verfälschungen seien bislang bei keiner der untersuchten Fremdsubstanzen festgestellt worden. Zwar sei zu berücksichtigen, dass die Untersuchungen zum Einfluss von Fremdsubstanzen in der Mundhöhle bei Atemalkoholmessungen bislang überwiegend bei alkoholnüchternen Probanden durchgeführt worden seien, so dass bei bereits alkoholisierten Probanden unter Umständen eine Zuordnung geringfügig abweichender Werte zu unvermeidbaren Messfehlerschwankungen oder durch die Fremdsubstanz verursachten Verfälschungen nicht sicher erfolgen könne, jedoch sei von Abweichungen von maximal 0.02 mg/l auszugehen.

Eine solche Abweichung sei lediglich bei Untersuchungen nach dem Konsum eines „Fisherman’s Friend“-Bonbons festgestellt worden; bei sämtlichen anderen Fremdsubstanzen wie Kaugummis und Lutschbonbons sei es zu keinen Verfälschungen gekommen. Der Sachverständige führte überdies aus, dass sich beim bloßen Lutschen an einem Kaugummi oder einem Bonbon weitaus weniger Fremdsubstanzen in der Mundhöhle lösten, als dies beim Kauen der Fall sei.“

Also: Auf zu Fischerman’s Friend?

NRW will die Blutprobe für Alkoholsünder abschaffen – Initiative auf der heutigen IMK

Heute morgen sind die Zeitungen – vor allem in NRW, z.B. hier – voll von der Meldung des gestrigen Tages: NRW will die Blutprobe für Alkoholsünder abschaffen. In den Meldungen heißt es weitgehend wortgleich:

Nach dem Willen von Innenminister Ingo Wolf (FDP) sollen Autofahrer künftig auch bei mehr als 1,1 Promille Blutalkohol nur noch „pusten“ müssen, berichtet die in Hagen erscheinende WESTFALENPOST (Donnerstagsausgabe) `Die Messung des Alkoholgehaltes durch die Analyse des Atems ist auch bei höheren Promillewerten so präzise wie bei einer Blutuntersuchung“, sagte Wolf der WESTFALENPOST. Auf der heutigen Innenministerkonferenz in Hamburg will Wolf eine NRW-Initiative einbringen. Derzeit muss der Alkoholsünder bei Werten über 1,1 Promille auf die Polizeiwache. Dort wird nach richterlicher Anordnung ein Arzt hinzugezogen, der Blut entnimmt. Das Ergebnis der Blutuntersuchung liegt erst nach einigen Tagen vor. Bei Werten unter 1,1 Promille ist die Atemalkohol-Analyse ohne richterliche Anordnung schon heute beweissicher möglich. `Ein Blutprobe ist immer ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der sich heute vermeiden lässt“, sagte Wolf. Angesichts moderner präziser Messverfahren sei die Atemanalyse in Alkoholverdachtsfällen als das `mildere Mittel zu wählen“, betonte Wolf. Damit erübrige sich auch das Erfordernis einer richterlichen Anordnung.“

Das ist also dann der nächste Versuch – zu früheren vgl. u.a. hier -,  die Gesetzeslage an die Praxis anzupassen. Was mich erstaunt ist das Wort „müssen“ in der o.a. Meldung. Denn bislang „musste“ niemand pusten, auch bei geringeren Werten nicht, sondern war/ist das „Pusten“ freiwillig, allerdings mit der Folge der Blutentnahme. Soll sich das jetzt ändern? Ich habe versucht, Näheres über die Initiative im Netz zu finden. Leider klappte das nicht. So muss man warten, was aus Hamburg kommt. Oder sonst woher.

OLG Hamm: Drückt sich das OLG vor einer Vorlage?

In einem Zusatz (!!) zu einer OU-Verwerfungsentscheidung nach § 349 Abs. 2 StPO hat jetzt das OLG Hamm eine Frage entschieden, die – vorsichtig ausgedrückt – in der Rechtsprechung der OLG (höchst) umstritten ist. Nämlich die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn vor einer Atemalkoholmessung die Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Beginn der Messung nicht beachtet worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 15. 10. 2009, 2 Ss OWi 737/09). Das OLG Hamm hat sich der Auffassung des OLG Karlsruhe angeschlossen, das davon ausgeht, dass bei einer deutlichen Überschreitung des Gefahrengrenzwertes, die mit der Nichteinhaltung der Wartezeit verbundenen Schwankungen durch Hinzuziehung eines Sachverständigen geklärt werden können, ob und ggf. in welchem Umfang sich die Unterschreitung der Mindestzeit seit Trinkende ausgewirkt hat. Andere OLG halten das für unzulässig und kommen zur Unverwertbarkeit der Messung und zum Freispruch des Betroffenen. Schön und (na ja) gut, in der Sache kann man sicherlich streiten. Nur: Ist dafür ein Zusatz der richtige Ort? Oder muss man eine solche Frage nicht  in einem „ordentlichen“ Beschluss behandeln? Und: Wie ist es ggf. mit einer Vorlage nach § 121 GVG an den BGH?