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Habeas-Corpus-Anordnung nach brasilianischem Recht…

und die Auswirkungen auf ein deutsches Strafverfahren spielten in KG, Beschl. v. 28.04.2011 – 2 Ws 558/10 eine Rolle.

Sicherlich ein nicht alltäglicher Sachverhalt:

Der Verurteilte wird in Brasilien wegen einer Straftat (Verstoß gegen das BtMG) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Verurteilung wird rechtskräftig. Dann gibt es eine Gesetzesänderung in Brasilien, die zu einer milderen Strafe führen würde. Dem Verurteilten gelingt es dann, eine Habeas-Corpus-Anordnung nach brasilianischem Recht zu erlangen, die dazu führt, dass die gegen den Verurteilten festgesetzte Freiheitsstrafe reduziert wird. Die hat er dann in Brasilien vollständig verbüßt.

In Deuschland läuft gegen den Verurteilten ein anderes Verfahren, in dem er rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und angeordnet worden ist, daß die in Brasilien vollzogene Auslieferungshaft im Maßstab 1 : 3 auf die Strafe anzurechnen ist. Nun geht es um die Anrechnung der Haft in Brasilien auf dieses deutsche Verfahren.

Dazu das KG:

Die nachträgliche Teilaufhebung einer in einem brasilianischen Strafverfahren verhängten Freiheitsstrafe durch eine Habeas-Corpus-Anordnung nach brasilianischem Recht führt nicht zur Anrechenbarkeit der für jenes Verfahren verbüßten Untersuchungs- und Strafhaft auf ein deutsches Strafverfahren, für das Auslieferungshaft notiert war

Wie gesagt: Nicht so ganz einfach.

Deutschland/Niederlande 1:1 :-)

Hat der Angeklagte im Ausland in Auslieferungshaft gesessen, stellt sich, wenn er in der Bundesrepublik zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, die Frage, wie die erlittene Auslieferungshaft angerechnet werden muss. Dazu gibt es Tabellen und Rechtsprechung des BGH, der jetzt vor kurzem in seinem Beschl. v. 26.01.2011 – 2 StR 458/10 für die Niederlande nocheinmal den Anrechnungsmaßstab 1:1 bestätigt hat.  Im Fußball wünscht man sich in dem Verhältnis andere Zahlen 🙂

Vorschussanrechnung beim Pflichtverteidiger

Die Frage der Abrechnung von Vorschüssen, die der Verteidiger als Wahlanwalt erhalten hat, auf die gesetzlichen Gebühren, die er später als Pflichtverteidiger erhält, spilet in der Praxis eine erhebliche Rolle. Maßgeblich ist insoweit § 58 Abs. 3 RVG und die Frage, ob eigentlich Ermittlungsverfahren und gerichtliches Verfahren ein Verfahrensabschnitt sind. Die h.M. sagt (leider) – m.E. unuzutreffend – ja. Dem hat sich jetzt auch das OLG Düsseldorf in seinem Beschl. v. 09.12.2010 III-1 Ws 303/10 – angeschlossen. Danach bilden das Ermittlungsverfahren und das gerichtliche Verfahren der ersten Instanz einen einheitlichen Verfahrensabschnitt, so dass Vorschüsse und Zahlungen unter Berücksichtigung der Einschränkung gemäß § 58 Abs. 3 Satz 3 RVG auf die in der gleichen Instanz entstandenen Gebühren anzurechnen sind. Schade, aber immerhin wird meine abweichende Meinung aus dem RVG-Kommentar und aus dem Gerold-Schmidt erwähnt. 🙂

Aufgepasst: Keine Pauschgebühr bei Wertgebühren

In der Praxis ist die vom LG Rostock im Beschl. v. 01.09.2010 – 12 Qs 36/10 – angesprochene Problematik sicherlich nicht so häufig anzutreffen, aber man muss sie kennen, damit man ggf. reagieren kann, da sonst Gebühren/Geld verloren geht. Es geht um das Verhältnis der Wertgebühren zu einer Pauschgebühr (§ 51 RVG). Da heißt es in § 51 Abs. 1 S. 2 RVG , dass auf Wertgebühren § 51 RVG nicht anwendbar ist. Das bedeutet,  dass die Pauschvergütung auch nicht an ihre Stelle tritt und insoweit erstattete/gezahlte Beträge auch nicht auf die Pauschvergütung anzurechnen sind. Das ist richtig und m.E. aber zur Folge, dass man – wenn die Tätigkeiten des Pflichtverteidigers in Zusammenhang mit der Einziehung überhaupt im Rahmen des § 51 RVG berücksichtigt werden,w as nicht ganz eindeutig  – diese ggf. geringer berücksichtigen muss oder bei der Bemessung der Pauschgebühr zu berücksichtigen hat, dass dem Rechtsanwalt insoweit noch eigenständige Gebühren zustehen. Jedenfallls dran denken muss man, wenn die Gebühr Nr. 4142 VV RVG angerechnet werden soll. Sonst sind die Gebühren futsch.

Ein Hilferuf kurz vor dem Abflug…

Ich hatte ja gestern schon über den Tag der Anfragen am Montag berichtet. Eine weitere Anfrage hat mich hilflos zurückgelassen = da ist selbst mir nichts Konkretes zu eingefallen. Daher gebe ich sie jetzt mal hier in die „große weite Welt der Blogs“. Vielleicht hat ja einer der mitlesenden Kollegen eine zündende Idee. Darüber würde ich mich dann nach Rückkehr sehr freuen. Also der Kollege fragt:

Ich vertrete einen Mandanten, der in Miesbach in Bayern die Geschwindigkeit übertreten hatte. Bußgeldbescheid kam wie üblich aus Viechtach, Einspruch rechtzeitig, Verfahren vor dem AG Miesbach im September 2009. Urteil dort, Geldbuße, Fahrverbot einen  Monat mit Ausnahme Traktor (P.ist Landwirt) Keine Viermonatsfrist !

Um die Zeit bis Dezember überbrücken zu können, habe ich rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt, die dann von mir am 15.12.09 zurück genommen worden ist, P. hat am 16.12.09 den FS abgegeben in Viechtach (wie dies ausdrücklich für Bürger außerhalb Bayerns auch im Bußgeldbescheid vermerkt ist !) und hat ihn am 15.1.2010 wieder zurück erhalten.

Sache war eigentlich damit erledigt.

Am 28.1.2010 erhalte ich eine Rechtsbeschwerdebegründung der StA München II zur Stellungnahme und somit erstmalig Kenntnis von der Tatsache, dass die StA wohl auch Rechtsbeschwerde eingelegt hatte.

Darauf schrieb ich, dass die Sache wegen der Abgabe des FS bereits erledigt sei und gehe inhaltlich insoweit auf die Begründung ein, als die FE für den Traktor berechtigt belassen worden ist.

Dann höre ich wieder nichts bis Anfang Mai 2010 durch ein Schreiben der Vollstreckungsstelle bei der StA München, dass der FS nun abzugeben ist, da das Urteil Miesbach seit 4.5.2010 rechtskräftig sei. Ich habe weder Kenntnis von einer Rücknahme der Beschwerde, noch von einem Urteil des OLG.

Auf meine Einwendungen hin, dass der Sanktionsgedanke des OWi-Rechts bereits erfüllt sei, einen Hinweis auf § 450StPO in entsprechender Anwendung und die Tatsache der Unkenntnis der Einlegung der Rechtsbeschwerde der StA bei Abgabe der FE erhalte ich lediglich den Hinweis auf die erst am 4.5.2010 eingetretene Rechtskraft und die Aufforderung, den FS nun binnen Wochenfrist abzugeben.“

Ich habe bislang geantwortet:

„Hallo, sorry, das verstehe ich derzeit aber auch nicht. Wenn doch die Bußgeldstelle Viechtach den FS entgegennimmt, dann muss doch ein Rechtskraftvermerk vorgelegen haben. Anderenfalls erschließt sich mir das Verhalten der Bußgeldstelle nicht. Ich würde zunächst mal Akteneinsicht beantragen.

Im Übrigen fällt mir auch nicht mehr ein als ein Hinweis auf § 450a StPO und vielleicht auf den Sinngehalt des § 59a Abs. 5 StrafVollStrO. Und dann natürlich: Gnadenantrag. Falls beschlagnahmt wird (§ 25 Abs. 2 Satz 3 StVG), Antrag auf gerichtliche Entscheidung (103 OWiG).“

Ich habe die Frage auch im Forum bei LexisNexis Strafrecht gepostet, aber auch da ist bisher bis auf einen Hinweis ggf. auf Amtshaftung, wenn die druchgeführte „Vollstreckung“ keine Grundlage hatte, und auf eine entsprechende Anwendung des § 450 Abs. 2 StPO noch kein „Knaller“ gekommen. Mit Amtshaftung kann man natürlich drohen, aber ob das in Bayern hilft?

Wer weiß also eine (noch bessere) Antwort? Leite ich gerne unter Quellenangabe weiter.