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Einsicht in Rohmessdaten, oder: Welcher Mitarbeiter hat die Einsichtsanfrage abschlägig beschieden?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den KG, Beschl. v. 06.08.2018 – 3 Ws (B) 168/18. Beantragt war im Bußgeldverfahren die Einsicht in die Rohmessdaten nach einer Messung mit einem standardisierten Messverfahren. Die wird nicht gewährt. Das wird dann in der Rechtsbeschwerde gerügt.

Das KG sieht die (Verfahrens)Rüge des Verteidigers als unzulässig an:

„2. Soweit der Rechtsbeschwerdebegründung die Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 338 Nr. 8 StPO) zu entnehmen ist, versäumt sie es, substantiiert vorzutragen, welche Tatsachen sich aus welchen (genau zu bezeichnenden Stellen der beizuziehenden bzw. anzufordernden) Unterlagen ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten. Sollte dem Verteidiger, was hier nicht nur naheliegt, sondern auch vorgetragen wird, eine solche konkrete Bezeichnung vorenthaltenen Materials (hier: die sog. Lebensakte und die – über die aktenkundigen Rohmessdaten zur in Rede stehenden Messung hinausgehenden – digitalen Falldaten der gesamten Messserie) nicht möglich sein, weil ihm dieses noch immer nicht vorliegt, so muss er sich bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Einsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht auch dartun (vgl. BGH NStZ 2010, 530; Senat DAR 2017, 593 und 2013, 211; OLG Bamberg DAR 2016, 337; OLG Celle NZV 2013, 307; OLG Hamm NStZ-RR 2013, 53).

An entsprechendem Vortrag fehlt es hier. Die Verfahrensrüge ist daher bereits unzulässig.

Zwar trägt der Verteidiger vor, telefonisch bei der Bußgeldstelle angefragt zu haben, ob sie ihm die Lebensakte zum Zwecke der Rechtsbeschwerdebegründung übersenden würde, was die Behörde abgelehnt habe. Jedoch genügt dieser Vortrag nicht den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG. Darzulegen wäre gewesen, wann diese Anfrage erfolgt war und insbesondere, welcher Mitarbeiter der Bußgeldstelle sie abschlägig beschied. Dieses Darlegungserfordernis stellt – anders als der Verteidiger meint – keine Überspannung der Anforderungen an das notwendige Vorbringen dar. Abgesehen davon, dass sich bereits aus den genannten Vorschriften ergibt, dass die den gerügten Mangel begründenden Tatsachen vollständig, klar und umfassend vorzutragen sind, ist es dem Senat hier in Ermangelung entsprechenden Vortrags nicht möglich, eine dienstliche Stellungnahme des betreffenden Mitarbeiters der Bußgeldstelle einzuholen.“

Also: Die Hürden für die Begründung der Rüge mal wieder noch höher gelegt. Jetzt muss auch noch der Name des Beamten angegeben werden, der die Anfrage abschlägig beschieden hat, um es dem Senat zu ermöglichen „eine dienstliche Stellungnahme des betreffenden Mitarbeiters der Bußgeldstelle einzuholen.“ Warum eigentlich eine dienstliche Stellungnahme? Glaubt man dem Verteidiger den entsprechenden Vortrag nicht? Und warum misstraut man ihm? Und was ist, wenn der „betreffende Mitarbeiter der Bußgeldstelle“ sich nicht mehr erinnert und er keinen Vermerk pp. gemacht hat? Hat der Verteidiger dann gelogen?

Die Frage, ob Einsicht in „die digitalen Falldaten der gesamten Messserie“ zu gewähren gewesen wäre, hat das KG dann offen gelassen. Die dazu gegebene Begründung ist nicht neu, kann man sich hier also sparen. Zum VerfG Saarland übrigens kein Wort. Man hätte sich ja gefreut, wenn man erfahren hätte, was das KG dazu denkt.

„Ist das denn so schwer?“, oder: Die Anforderungen an den Wiedereinsetzungsantrag

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In die Abteilung: „Ist das denn so schwer?“ gehört der BGH, Beschl. v. 26.06.2018 – 3 StR 197/18, der sich mal wieder zu den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Wiedereinsetzungsantrag verhält. Und ich mache nicht viel Worte, denn der Beschluss(inhalt) spricht für sich:

„Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, da er den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 1 StPO nicht genügt. In Fällen, in denen die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist; dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH NStZ-RR 2016, 86 mwN; LR-Graalmann-Scheerer StPO, 27. Auflage, § 45 Rn 15). Vorliegend teilt die Revision lediglich mit, dass der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts vom 9. März 2018 dem Verteidiger am 18. März 2018, dem Tag seiner Urlaubsrückkehr, zur Kenntnis gelangt sei. Wann der Angeklagte Kenntnis von dem Verwerfungsbeschluss erlangt hat, ist dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Aus der Aktenlage ist auch nicht offensichtlich erkennbar, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 26. März 2018 mit Blick auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Angeklagten innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO angebracht worden ist. Die vom Vorsitzenden am 9. März 2018 verfügte formlose Zustellung an den Angeklagten wurde am 13. März 2018 ausgeführt (SA Bd. VI S. 1243). Angesichts der üblichen Postlaufzeit ist es unschwer möglich, dass der zu dieser Zeit nicht mehr in Haft befindliche (UA S. 5) Angeklagte den Verwerfungsbeschluss im Laufe des 16. März 2018 (Freitag) erhalten und zur Kenntnis genommen hat und somit der am 26. März 2018 angebrachte Wiedereinsetzungsantrag nicht mehr fristgerecht war. Die Mitteilung des Zeitpunkts der Kenntniserlangung durch den Angeklagten war daher nicht – ausnahmsweise – entbehrlich.“

Hatten wir doch alles schon…..

Vollmacht I: Vertretungsvollmacht für die Berufungs-HV, oder: Wie muss sie formuliert sein?

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Heute mache ich dann mal einen Vollmachtstag. Den eröffne ich mit dem KG, Beschl. v. 01.03.2018 – (5) 121 Ss 15/16 (11/18).  BtW: ja, schon wieder KG. Wer sich fragt, warum im Moment so viel vom KG kommt: Mein dortiger Lieferant hat gerade „die Ecken sauber“ gemacht und nach läneger Zeit mal wieder Entscheidungen geschickt. Da fällt dann einiges an.

So diese Entscheidung, die zu den Anforderungen an eine schriftliche Vollmacht zur Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung Stellung nimmt. Das AG hatte den Angeklagten verurteilt. Der legt Berufung ein, erscheint im HV-termin am 06.10.2017 dann aber nicht. Das LG verwirft die Berufung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO, weil der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt ausgeblieben und nicht in zulässiger Weise vertreten worden sei. In der Berufungsverhandlung hatte der Wahlverteidiger eine von dem Angeklagten unterschriebene, auf den 02.03.2016 datierte Strafprozessvollmacht „vorgelegt, in der es heißt, dieser ermächtige ihn zu seiner Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen, „und zwar auch für den Fall meiner Abwesenheit zur Vertretung nach § 411 II StPO mit ausdrücklicher Ermächtigung auch nach §§ 233 I, 234 StPO (…)“.

Gegen das Verwerfungsurteil des LG richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO rügt. Ohne Erfolg. Was das KG zur Vollmacht sagt und meint, ergibt sich aus den Leitsätzen der Entscheidung. Die lauten:

1. Eine wirksame Vollmacht zur Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung nach § 329 Abs. 2 StPO muss sich ausdrücklich auf die Abwesenheitsverhandlung in der Berufungshauptverhandlung beziehen. (Anschluss OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2016 – 5 RVs 82/16).

2. Der Anwendungsbereich des § 234 StPO umfasst nicht die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung, so dass ein Verweis auf diese Vorschrift in einer Vertretungsvollmacht dieser nicht zur Erstreckung auf die Berufungshauptverhandlung verhilft.

Die Entscheidung des OLG hatte ich hier auch vorgestellt, und zwar hier: Vollmacht zur Vertretung in der Hauptverhandlung, oder: Was will das OLG?

So weit – so gut. Ein bisschen habe ich ein Problem mit: „Nach der für die Entscheidung maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO „…..

Mal wieder: Vertretungsvollmacht, oder: Vollmachten (über)prüfen!!!!

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Ich eröffne dann heute mal wieder mit einer „Vollmachtsentscheidung, und zwar zu § 329 StPO, also Verwerfung der Berufung wegen Ausbleiben des Angeklagten. Im KG, Beschl. v. 01.03.2018 – (5) 121 Ss 15/18 (11/18) – geht es aber nicht um die Frage, ob sich der Verteidiger eine nicht vorhandene schriftliche Vollmacht selbst ausstellen kann – auch ein Dauerbrenner – , sondern es geht um die grundsätzlichen Anforderungen an eine schriftliche Vollmacht zur Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung. Das KG sagt:

„Die allgemeine Verteidigervollmacht reicht insoweit nicht aus. Erforderlich ist eine besondere Vertretungsvollmacht im Sinne einer spezifischen Ermächtigung des Verteidigers, für den Angeklagten verbindlich Erklärungen abgeben und wirksam für ihn Erklärungen annehmen zu können, also die Rechtsmacht, den Angeklagten im Prozess in Erklärung und Willen zu vertreten (vgl. Frisch in SK-StPO 5. Aufl., § 329 Rdn. 51a m.w.N.; näher zum Inhalt der Vollmacht Spitzer, StV 2016, 49). Wie in der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe (BT-Drucks. 18/3562, S. 68) ausdrücklich ausgeführt wird, kann diese schriftliche Vollmacht in derselben Urkunde wie die Verteidigungsvollmacht enthalten sein; die Entwurfsbegründung enthält allerdings keine Ausführungen zu der Frage, ob sich die Vertretungsvollmacht ausdrücklich auf die Berufungshauptverhandlung beziehen muss.

b) Allein die Formulierung in der Vollmacht, der Verteidiger werde zur „Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen“ ermächtigt, kann – anders als im Strafbefehlsverfahren (vgl. BGH NJW 1956, 1727; Gössel in LR-StPO 26. Aufl., § 411 Rdn. 31 m.w.N. zu § 411 Abs. 2 StPO) – für die Vertretungsvollmacht bezogen auf die Berufungshauptverhandlung nicht ausreichen (so aber OLG Oldenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 1 Ss 178/16 – juris Rdn. 18). Mit der Erteilung einer Vertretungsvollmacht für den Fall einer Abwesenheitsverhandlung überträgt der Angeklagte wichtige Verfahrensrechte wie Anwesenheit und rechtliches Gehört vollständig auf seinen Verteidiger (vgl. BGH a.a.O.). Er muss sich fortan an dessen inhaltlichen Erklärungen festhalten lassen, als wenn es seine eigenen wären. Diese Konsequenzen der Bevollmächtigung wiegen bezogen auf die Berufungshauptverhandlung besonders schwer, da sie den Abschluss der letzten Tatsacheninstanz bildet. Angesichts dieser weitreichenden Folgen ist erforderlich, dass sich die Vollmacht ausdrücklich auch auf die Abwesenheitsverhandlung in der Berufungshauptverhandlung bezieht (vgl. bereits Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2017 – [5] 121 Ss 171/17 [82/17] – und 8. November 2016 – [5] 161 Ss 186/16 [53/16] -; OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2016 – 5 RVs 82/16 – juris Rdn. 28 ff.; so auch Eschelbach in BeckOK StPO, 28. Ed. 1.1.2018, § 329 Rdn. 32; Halbritter in Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht 4. Aufl., § 329 StPO Rdn. 7; ebenso bereits zu der vor dem 25. Juli 2015 geltenden Fassung des § 329 StPO KG, Beschluss vom 16. September 2015 – [2] 121 Ss 141/15 [51/15] – NStZ 2016, 234 mit zustimmender Anmerkung Mosbacher und Beschluss vom 16. Mai 2014 – [4] 161 Ss 71/14 [106/14] – juris Rdn. 16; a.A.: OLG Oldenburg a.a.O; offen gelassen in KG, Beschluss vom 23. November 2017 – [4] 161 Ss 158/17 [213/17] – juris Rdn. 3 f.; OLG München, Beschluss vom 6. Dezember 2016 – 5 OLG 15 Ss 543/16 – juris Rdn. 14).

c) Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Vollmacht nicht. Obgleich sie deutlich nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 329 StPO erteilt wurde, findet die Berufungshauptverhandlung darin keine besondere Erwähnung. Ihr Wortlaut spricht sogar dafür, dass diese gerade nicht von der Vertretungsvollmacht umfasst sein sollte. Im Hinblick auf Abwesenheitsvertretungen bezieht sich die Vollmacht explizit nur auf das Strafbefehlsverfahren (§ 411 Abs. 2 StPO) sowie die Vorschriften der §§ 233 Abs. 1, 234 StPO, wobei sie keinen Hinweis enthält, dass es sich bei den erwähnten Vorschriften nur um beispielhafte Anwendungsfälle halten soll. Vielmehr legt die Aufzählung der Normen das Verständnis nahe, im Hinblick auf Abwesenheitsvertretungen beschränke sich die Vollmacht auf die in den darin genannten Vorschriften geregelten Fälle (anders wohl OLG Hamm, Beschluss vom 6. September 2016 – 4 RVs 96/16 – juris Rdn. 7).

d) Auch der Verweis auf § 234 StPO verhilft der erteilten Vertretungsvollmacht nicht zur Erstreckung auf die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung. Bereits nach der früheren Rechtsprechung, die die vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 329 StPO am 25. Juli 2015 bestehende Rechtslage betraf, reichte ein derartiger Verweis nicht aus, sondern es wurde für erforderlich erachtet, dass die Vertretungsvollmacht sich ausdrücklich auf die – damals nicht gesetzlich vorgesehene, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aber zulässige – Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung erstreckte (vgl. etwa KG, Beschlüsse vom 16. September 2015 und 16. Mai 2014, jeweils a.a.O.). Obgleich die Strafprozessordnung nunmehr die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung ermöglicht, handelt es sich bei § 329 Abs. 2 StPO auch weiterhin um keinen Fall, der dem Anwendungsbereich des § 234 StPO unterfiele. Hierfür sprechen bereits gesetzessystematische Erwägungen: § 234 StPO befindet sich im zweiten Buch der Strafprozessordnung, das das Verfahren im ersten Rechtszug regelt. Inhaltlich knüpft die Vorschrift an die in §§ 231 Abs. 2, 231a Abs. 1, 231b, 232 Abs. 1 und 233 Abs. 1 StPO geregelten Fälle der Abwesenheitsverhandlung an. Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich auf die dort genannten Verfahrenskonstellationen (vgl. Becker in LR-StPO 26. Aufl., § 234 Rdn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 60. Aufl., § 234 Rdn. 1; Gorf in BeckOK StPO, 28. Ed. 1.1.2018, § 234 Rdn. 2; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 234 Rdn. 1; a.A.: Arnoldi in MüKo-StPO 1. Aufl., § 234 Rdn. 2, der auch § 329 Abs. 2 StPO als von dem Anwendungsbereich der Norm umfasst sieht). Soweit das Gesetz spezielle Vorschriften etwa für das Strafbefehlsverfahren (§ 411 Abs. 2 StPO), das Revisionsverfahren (§ 350 Abs. 2 StPO) und nunmehr auch das Berufungsverfahren kennt, bedarf es des Rückgriffs auf § 234 StPO dagegen nicht. So enthält die letztgenannte Vorschrift keinerlei Regelung, die sich für das Berufungsverfahren nicht bereits aus § 329 Abs. 1 und 2 StPO ergäbe. Der in § 332 für die Berufungshauptverhandlung enthaltene Verweis auf die Vorschriften über die erstinstanzliche Hauptverhandlung gilt nur, soweit nicht Spezialregelungen vorgehen. So sind die §§ 230 ff. StPO im Berufungsverfahren nur anwendbar, soweit nicht § 329 und § 330 StPO speziellere Regelungen enthalten (vgl. Gorf in BeckOK StPO, 28. Ed. 1.7.2017, § 332 Rdn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 332 Rdn. 1 m.w.N.), was für die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung in § 329 Abs. 1 und 2 StPO aber der Fall ist.“

Ich kann dann nur das wiederholen,w as ich schon ein paar Mal geschrieben habe: Bitte einen Blick in die eigenen Vollmachtsformulare werden und schauen, ob die Formulierungen stimmen = in dem obigen Sinn ausreichend sind.

Fahrverbot I: Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts beim Überholen, oder: Natürlich Fahrverbot

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Heute ist 1. Maifeiertag. Wenn ich allerdings so aus dem Fenster schaue, wird es mit einer Fahrradtour und/oder einem Maigang hier in Münster nichts werden. Es ist trüb und regnerisch, also: Passen wir uns dem 1. Mai-Motto an: Tag der Arbeit 🙂 . Und an dem gibt es Entscheidungen zum Fahrverbot nach § 25 StVG. Ganz normal, wie immer drei Entscheidungen.

Die erste ist dann der OLG Bamberg, Beschl. v. 12.02.2018 – 2 Ss OWi 63/18. Das AG hatte bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von dem an sich verwirkten Regelfahrverbot abgesehen. Begründung des AG: ein „grober Pflichtenverstoß iSd § 25 I 1 StVG erfordere kumulativ das Vorliegen von zwei Elementen, nämlich objektiv eine besondere Gefährlichkeit des Verstoßes (Erfolgsunwert) und subjektiv eine gesteigert nachlässiges, leichtsinniges oder gleichgültiges Verhalten (Handlungsunwert). Vorliegend könne aus dem nur kurzfristigen Beschleunigen beim Überholen eines Busses bei vollkommen freier Fahrbahn weder auf eine gesteigerte Fahrlässigkeit noch auf eine nicht rechtstreue Gesinnung geschlossen werden kann; vielmehr habe sich der Betr. in dem Wissen, dass sich im weiteren Streckenverlauf eine kilometerlange Passstraße mit durchgehendem Überholverbot befinde, fahrlässig zum Überholen entschlossen, wobei zu seinen Gunsten ferner zu werten sei, dass die Straße am Tatort äußerst übersichtlich und besonders breit ausgebaut und zudem schnurgerade verlaufe und sehr gut einsehbar sei. Im Übrigen weise der Tatort weder Wohnbebauung noch Fußgängerverkehr auf, weshalb nicht von einem Regelfall für ein Fahrverbot auszugehen sei.“

Dass das beim OLG Bamberg nicht halten würde, lag auf der Hand. Das OLG hat im OLG Bamberg, Beschl. v. 12.02.2018 – 2 Ss OWi 63/18 – aufgehoben. Begründung – ohne die üblichen Textbausteine:

„Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben vermögen die bisherigen Feststellungen des AG eine Ausnahme von der gebotenen Verhängung des Regelfahrverbotes auf der tatbestandlichen Ebene nicht zu rechtfertigen.

a) In objektiver Hinsicht beschreiben die Tatbestände, für die § 4 I BKatV […] das Fahrverbot als Regelsanktion vorsieht, Verhaltensweisen, die besonders gravierend und gefahrenträchtig sind. Beim ihrem Vorliegen kommt es auf die weiteren Einzelheiten der Verkehrssituation regelmäßig nicht an (BGHSt 43, 241, 248). Insbesondere kann die Beschaffenheit des Tatortes den Betr. grundsätzlich nicht entlasten. Die vom AG herangezogenen örtlichen Verhältnisse, nämlich dass „die Straße am gerichtsbekannten Tatort äußerst übersichtlich und besonders breit ausgebaut und zudem schnurgerade und sehr gut einsehbar ist“, sowie das Nichtvorliegen von „Wohnbebauung oder Fußgängerverkehr“ am Tatort vermögen den Erfolgsunwert des Regelfalls nicht zu beseitigen (Burhoff/Deutschera.O. Rn. 1581; vgl. OLG Düsseldorf DAR 1997, 409; BayObLGSt 1994, 56). Diese Umstände belegen nicht, dass die von der erheblichen Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausgehende abstrakte Gefahr am Tatort ausgeschlossen war, dies insbesondere bei einem Überholvorgang, bei dem der überholte Bus, je nach Blickwinkel, den überholenden Pkw zeitweise verdeckte.

b) Hinsichtlich des subjektiven Elements (Handlungsunwert) lässt nicht das schlichte Fehlen einer „gesteigerten Fahrlässigkeit“ beim Betr. die Vermutungswirkung des Regelfalles einer groben Pflichtwidrigkeit entfallen, sondern erst das Vorliegen von Ausnahmeumständen, die den objektiv groben Verstoß (hier Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h) in subjektiver Hinsicht nicht besonders verantwortungslos erscheinen lassen. Nur wer aufgrund geringen Verschuldens (etwa weil er infolge einfacher Fahrlässigkeit ein die Geschwindigkeit begrenzendes Verkehrszeichen übersehen hat, und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschränkung aufdrängen musste) einen – wie hier – objektiv schwerwiegenden Verkehrsverstoß begeht, bedarf nicht der Einwirkung des Fahrverbots neben einer Geldbuße, um ihn dazu anzuhalten, die Verkehrsvorschriften zu beachten (Hentschel NZV 1997, 527, 528).

aa) Das kurzfristige Beschleunigen beim innerörtlichen Überholvorgang auf immerhin 82 km/h bei vollkommen freier Fahrbahn vermag die gewichtige Indizwirkung des hier gegebenen Regelfalles nicht auszuräumen. Ein Überholvorgang, bei dem die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht überschritten werden darf (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 44. Aufl., § 5 StVO Rn. 32, § 3 StVO Rn. 45a), wird wissentlich und willentlich durchgeführt. Beim Überholen ist der überholende Kraftfahrer allgemein zu erhöhter Sorgfalt verpflichtet (vgl. OLG Köln DAR 1967, 17). Das verfahrensgegenständliche Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anlässlich eines innerörtlichen Überholvorgangs bei „vollkommen freier Fahrbahn“ führt daher nahezu zwingend zur Annahme einer auch subjektiv groben Pflichtverletzung. Ein Fehler, wie er auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterläuft (etwa in Form eines sog. Augenblickversagens), ist ausgeschlossen.

bb) Schließlich ist es auch verfehlt, eine gleichsam notstandsähnliche Situation deshalb anzunehmen, wie es das AG scheinbar getan hat, weil sich der Betr. zum Überholen „in dem Wissen“ entschloss, dass vor ihm eine kilometerlange Passstraße mit durchgehendem […] Überholverbot […] lag.“