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Mal aus einer ganz anderen Ecke

kommt diese Entscheidung, nämlich aus dem hohen Norden. Das OLG Schleswig hat in seinem Beschl. v. 06.01.2011 – 1 Ss OWi 209/10 (214/10) zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einer Messung mit Provida 2000 Stellung genommen. Ist ja schon seit längerem standardisiert, aber: Die OLG wollen wissen, welche der vier möglichen Einsatzmethoden gewählt worden ist.

Zudem: Einiges, wie der Amtsrichter mit einem vom Verteidiger gestellten Beweisantrag umzugehen hat.

Revisionsbegründung muss lesbar/überschaubar sein

So kan man die Ausführungen des BGH in einer umfangreichen Steuerhinterziehungssache überschreiben. Dort heißt es im Beschl. v. 02.11.2010 – 1 StR 544/09

„I. Bei der Erhebung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig, zutreffend, schriftlich (in die Begründungsschrift eingefügte Kopien, die nicht hinreichend lesbar sind, genügen dem nicht, vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 – 2 StR 166/84, NJW 1985, 443) und insgesamt innerhalb der sich aus § 345 Abs. 1 StPO ergebenden Revisionsbegründungsfrist anzubringen.

Insbesondere dann, wenn sich der Verfahrensgang – wie hier – durch eine kaum zu überblickende Anzahl von Anträgen der Verteidigung auszeichnet, die sich auf umfangreiche Anlagen beziehen, sich teilweise wiederholen und zum Teil auf andere Anträge oder Beschlüsse Bezug nehmen, kann die Revision nicht von ihrer sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Pflicht entbunden werden, die (und nur die) auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 – 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005, NJW 2005, 1999, 2001; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 mwN).“

Muss wohl sehr unübersichtlich gewesen sein.

Täter-Opfer-Ausgleich im Urteil?

Das OLG Nürnberg hat in seinem Beschl. v. 01.12.2010 – 1 St OLG Ss 251/10 darauf hingewiesen, dass der Tatrichter sich bei Schadenswiedergutmachung durch den Angeklagten mit den Regelungen zum Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a StGB) auseinandersetzen muss. Habe der Angeklagte Schadenswiedergutmachung geleistet, müsse sich der Tatrichter vorrangig vor den allgemeinen Strafzumessungserwägungen mit der Regelung zum Täter-Opfer-Ausgleich auseinandersetzen. Andernfalls könne das Revisionsgericht nicht beurteilen, ob der Tatrichter die Voraussetzungen für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht für erfüllt angesehen oder zu hohe Anforderungen an die Milderungsmöglichkeit gestellt hat.

Bei falscher Verdächtigung muss das Urteil schon konkret werden…

Gerade auch im straßenverkehrsrechtlichen Bereich liegt die falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) nicht fern, sei es, dass eine andere Person gefahren haben soll usw. Mit der Problematik befasst sich der Beschl. des OLG Koblenz v. 06.1.2010 – 2 Ss 108/10. Dort hatte das AG den Angeklagten wegen Verstoßes gegen § 164 StGB verurteilt, dann aber (nur) folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte wurde am 07.02.2009 in Detmold von Polizeikommissar D. als Tatverdächtiger hinsichtlich des Anordnens oder Zulassens des Fahrens eines Kfz ohne Fahrerlaubnis vernommen. In diesem Rahmen äußerte sich der Angeklagte wie andere Beteiligte, eine Frau B. sei Führerin des Pkw gewesen, ein Herr M. sei Ihr Beifahrer gewesen. Dies war falsch. In Wirklichkeit war M. der Führer des Kfz gewesen, der mit dem Kfz auch einen Unfall mit Personenschaden herbeigeführt hatte. Der Angeklagte blieb auch im Rahmen seiner Beschuldigtenvemehmung vorn 26.02.2009 dabei, dass M. nicht gefahren sei. Dies tat er, um M. vor Strafe zu schützen in dem Bewusstsein, Frau B. zu belasten.

Das OLG sagt: Das reicht nicht. Festgestellt werden muss schon/auch, welcher Tat der Andere verdächtigt worden ist.

Gewogen und zu leicht befunden…

so könnte man über den Beschl. des BGH v. 11.11.2010 in 4 StR 489/10 schreiben, mit dem ein Urteil des LG Saarbrücken, durch das der Angeklagte wegen Körperverletzung in 5 Fällen jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden ist. Warum? Das erschließt sich m.E, wenn man den BGH-Beschluss liest. Dort heißt es:

„Während der Schuldspruch wegen Körperverletzung in fünf Fällen ge-rade noch durch die Feststellungen getragen wird, hält der Strafausspruch in diesen Fällen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu den Körperverletzungen lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die Nebenklägerin im Jahr 2007 am ganzen Körper schlug (Fall 1 der Anklage), dass er sie am 5. oder 6. August 2008 beschimpfte und schlug (Fall 7 der Anklage), dass er sie am 2. oder 3. September 2008 erneut beschimpfte und ihr Schläge mit der Hand versetzte (Fall 11 der Anklage), und dass er sie ebenso am Abend des 30. November 2008 (Fall 14 der Anklage) und am Morgen des 3. Dezember 2008 (Fall 15 der Anklage) schlug. Für jeden dieser Fälle hat das Landgericht eine Einzelstrafe von sechs Monaten festgesetzt. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Folgen der Taten für die Nebenklägerin nicht gravierend waren und weiter ausgeführt: „Innerhalb der Bandbreite möglicher Begehungs-weisen des Tatbestandes des § 223 Abs. 1 StGB … sind die Taten des Angeklagten durchweg am unteren Rand der denkbaren Tatschwere angesiedelt. Die einzelnen Körperverletzungshandlungen waren jeweils als gleichwertig einzustufen.“ (UA S. 9).

Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken. Aus den Fest-stellungen ergibt sich nicht, wie oft und wie heftig der Angeklagte zugeschlagen hat, ob die Nebenklägerin durch die Schläge über die körperliche Misshandlung hinaus an der Gesundheit geschädigt worden ist und in welchem Ausmaß sie gegebenenfalls solche Beeinträchtigungen erlitten hat. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob die Tathandlungen in allen Fällen gleich schwer wogen, zumal lediglich in einem Fall mitgeteilt ist, wohin der Angeklagte die Nebenklägerin geschlagen hat. Insgesamt ist nicht nachvollziehbar, dass Freiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten für den nicht vorbestraften Angeklagten tat- und schuldangemessen sind.“