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LG Erfurt I – nicht nur vager Verdacht für eine Durchsuchungsanordnung

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Der mir von einem Kollegen zur Verfügung gestellte LG Erfurt, Beschl. v. 23.04.2012 – 7 Qs 101/12 – ist in doppelter Hinsicht interessant. Hier zunächst der erste Aspekt: Mal wieder nicht ausreichende Begründung einer amtsgerichtlichen Durchsuchungsanordnung.

Dazu das LG:

Der angefochtene Beschluss leidet im Lichte dieses Maßstabes unter mehreren Mängeln. So wird zwar ein Betrugsvorwurf erhoben, der dahingehende Verdacht — unberechtigter Bezug von Sozialleistungen — jedoch nicht einmal erwähnt. Weiter werden keinerlei Tatsachen an­geführt, die die vorgeworfenen Taten — immerhin Betrug, Hehlerei, Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz — belegen. Einleitend heißt es lediglich, der Be­schuldigte „soll gewerbsmäßig im Internetauktionshaus „ebay“ unter anderem raubkopierte PC-Programme und CD-Roms für Navigationssysteme vertreiben.“ Weiter habe er „nach eigenen Angaben gegenüber einem Zeugen“ einen PC erworben, der aus einer Diebstahlshandlung in einer Bank stamme. Zudem „soll (er) auch Unterlagen zur Vorlage bei Behörden verfälschen“. Diese allgemein gehaltenen Behauptungen ohne jede Angabe konkreter Be­weismittel sind nicht hinreichend, den schwerwiegenden Grundrechtseingriff der Wohnungsdurchsuchung zu rechtfertigen.

 Letztlich beruht der Durchsuchungsbeschluss einzig und allein auf den pauschalen und im Duktus des „Anschwärzens“ gehaltenen Behauptungen des Herrn X, der in XXXXXX geboren, offenbar aus einer Asylbewerberunterkunft in Deutschland wieder in sein Heimatland zurückgekehrt ist und somit nicht mehr „nachvernommen“ werden konnte. Seine im Beisein eines Dolmetschers getätigte Aussage wurde zudem nicht unmittelbar und als förmliche Zeugenvernehmung, sondern lediglich in einer polizeilichen „Kurzmitteilung“ wiedergegeben. Angesichts dieser Begleitumstände handelt es sich bei den Tatvorwürfen um nicht mehr als bloße Vermutungen, auf die ein Durchsuchungsbeschluss nach allgemeiner Auffassung nicht gestützt werden darf.

Zum anderen Aspekt nachher mehr.

Trunkenheitsfahrt – Vorsatz?

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Es gibt so einige Fragen/Probleme, von denen denkt man, dass sie sich erledigt haben oder haben sollten, und dann auf einmal sind sie wieder da, weil es dazu eine Entscheidung gibt. Zu den Problemen gehört die Frage nach dem erforderlichen Umfang der Feststellungen und oder Ausführungen im Urteil bei der Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB). Da ist/war auch länger Ruhe.

Die Problematik its jetzt wieder im OLG Hamm, Beschl. v. 16. 02. 2012 – III-3 RVs 8/12 – aufgetreten. Die Angeklagte ist mit 2,39‰ gefahren, das LG hat sie wegen eines Vorsätzlichen Verstoßes verurteilt. Die Berufungskammer hat zum Vorsatz zwar einiges geschrieben, nach Auffassung des OLG Hamm aber nicht genug. Das OLG vermisst – daran kranken die Urteile der AG und LG häufig eine Auseinandersetzung mit der

naheliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt, dass die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten aufgrund ihrer fortgeschrittenen Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes so weit herabgesetzt war, dass sie ihre Fahruntüchtigkeit tatsächlich nicht mehr erkannt hat.

Dazu der Beschluss:

aa) Hierfür spricht zunächst der hohe Grad der Alkoholisierung der Angeklagten. Für die Prüfung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes ist bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK) zu ihren Gunsten von einem maximalen BAK-Wert auszugehen. Damit sind im Falle der Entnahme und Untersuchung einer Blutprobe die gleichen Rückrechnungsgrundsätze wie bei der Prüfung der Schuldfähigkeit anzuwenden. Es sind demnach ein stündlicher Abbauwert von 0,2‰ sowie ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2‰ zu berücksichtigen (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl. [2012], § 20 Rdnr. 13). Da die Blutprobe im vorliegenden Falle etwa eineinhalb Stunden nach dem Fahrtbeginn entnommen wurde, ist von einer Tatzeit-BAK von 2,89‰ auszugehen. Dieser Wert liegt schon nahe an dem Wert von 3‰, der nach gefestigter Rechtsprechung in der Regel sogar Anlass für die Prüfung einer Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ist (vgl. die Nachweise bei Fischer, a.a.O., Rdnr. 20).

 Weitere Indizien für eine Herabsetzung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes sind darüber hinaus ihr Verhalten während der Polizeikontrolle, namentlich der wenig durchdacht und wenig erfolgversprechend erscheinende Versuch, der Polizei einen nicht existierenden „Bekannten“ als Fahrer zu präsentieren, sowie ihr sowohl verbal als auch physisch aggressives Verhalten gegenüber den Polizeibeamten, und schließlich auch die Feststellung des sie auf der Polizeiwache untersuchenden Arztes, ihr Denkablauf sei verworren.

 bb) Die vorbezeichneten Umstände hätten eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer der vorsätzlichen Tatbegehung entgegenstehenden Herabsetzung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes erforderlich gemacht. Entsprechende Darlegungen finden sich in dem angefochtenen Urteil indes nicht. Der Hinweis auf die einschlägigen Vorstrafen und die Alkoholtherapien der Angeklagten vermag die erforderlichen Darlegungen zur Erkenntnis- und Kritikfähigkeit nicht entbehrlich zu machen. Warum die Therapiemaßnahmen die Angeklagte in die Lage versetzt haben, auch bei einer derart hohen BAK wie im vorliegenden Falle ihre Fahruntüchtigkeit zweifelsfrei zu erkennen, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Gleiches gilt im Ergebnis für die einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastungen der Angeklagten. Sie ist zwar nach den Urteilsfeststellungen schon zweimal wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und einmal wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu Freiheitsstrafen – jeweils unter Strafaussetzung zur Bewährung – verurteilt worden. Die diesen Verurteilungen zugrundeliegenden und im angefochtenen Urteil mitgeteilten Sachverhalte sind mit der vorliegenden Fallkonstellation indes nicht vergleichbar, weil die BAK bei den früheren Taten jeweils deutlich unter dem hier festgestellten Wert lag.“

Na, wann liest man dazu schon mal was in einem amtsgerichtlichen Urteil – in landgerichtlichen schon eher. Und die Frage kann ja erhebliche Bedeutung für das Strafmaß und die Fahrerlaubnissperre habe.

Das Adhäsionsurteil

Adhäsionsverfahren nehmen in der Praxis an Bedeutung zu. Das zeigt sich m.E. an der zunehmenden Zahl von Entscheidungen auch des BGH, die es zum Adhäsionsverfahren gibt. Deshalb der Hinweis auf den BGH, Beschl. v.23.02.2012 – 4 StR 602/11 – der sich noch einmal mit den Anforderungen an das Adhäsionsurteil bzw. an adhäsionsrechtlichen Teil eines Urteils befasst.

Das LG hatte den Angeklagtenauf der Grundlage von § 823 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung von ihm bereits gezahlter 1.000 €verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von (noch) 5.000 € zu zahlen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, der Angeklagte habe Leben und Gesundheit der Nebenklägerin ganz erheblich verletzt; beim Würgen habe sie Todesangst verspürt. Eine billige Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro sei daher angemessen.

Dazu der BGH (noch einmal):

Diese Begründung trägt den Adhäsionsausspruch schon deshalb nicht, weil die Strafkammer, wie es regelmäßig erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344), die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin nicht erörtert hat. Ob sich im Einzelfall eine ausreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben kann (so BGH, Urteil vom 27. September 1995 – 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4) oder ausdrückliche Feststellungen für eine gerechte Festsetzung des Schmerzensgeldes immer unabdingbar sind (so Senatsbeschluss vom 14. Mai 1996 – 4 StR 174/96, StV 1997, 302), kann hier offen bleiben. Aus dem angefochtenen Urteil ergeben sich weder die Höhe der Einkünfte des freiberuflich tätigen Angeklagten und seine sonstigen Vermögensumstände noch Näheres über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Nebenklägerin. Angesichts der Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes hätte es hierzu entsprechender Feststellungen bedurft. Ohne sie lässt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Verpflichtung zur Zahlung des zuerkannten Betrages für den Angeklagten eine unbillige Härte bedeutet.“

Die Staatsanwaltschaft verschweigt… auch die Staatsanwaltschaft „kann“ keine Verfahrensrüge

„Nette“ Formulierung in BGH, Beschl. v.13.03.2012 – 5 StR 411/11 -, in dem der BGH eine Verfahrensrüge der Staatsanwaltschaft als unzulässig zurückweist.

„1. Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge, mit der sie die Verletzung des § 257c Abs. 3 StPO beanstandet, ist bereits unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Staatsanwaltschaft verschweigt, wie sie sich selbst (und auch die Verteidigung) zu dem von ihr wiedergegebenen Vorschlag des Gerichts verhalten hat.“

Auch die Staatsanwaltschaft hat also Probleme mit § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

BVerfG beanstandet Durchsuchungsanordnung, spät kommt die Entscheidung, aber sie kommt, nach gut 4 1/2 Jahren

Es gab man eine Zeit, da rasselte es nur so von Entscheidungen des BVerfG zu Durchsuchung und Beschlagnahme, insbesondere zu den Anforderungen an die Begründung des Durchsuchungsbeschlusses. Dazu hört man in letzter Zeit aus Karlsruhe weniger, was m.E. dafür spricht, dass die wegen Art. 13 Abs. 2 GG recht strenge Rechtsprechung des BVerfG bei den AG angekommen ist. Aber: Ausreißer (?) gibt es immer wieder. Und einen davon behandelt der BVerfG, Beschl. v. 05.03.2012 – – 2 BvR 1345/08, der einen Durchsuchungsbeschluss zum Gegenstand hat, der in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das SchwArbG ergangen war.
Die vom Betroffenen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG hat zwei Beanstandungen an dem in dem Verfahren ergangenen amtsgerichtlichen Beschluss, und zwar:

1. „...Der Durchsuchungsbeschluss benennt und umschreibt die dem Geschäftsfüh­rer der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat lediglich als „Arbeiten des Dach­decker-Handwerks … unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 4 u. 5 des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängen­der Steuerhinterziehung“. Der Beschluss lässt damit offen, welcher Verstoß dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin angelastet wird, weil § 1 Abs. 2 Nr. 4 SchwarzArbG einerseits und § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwarzArbG andererseits unter­schiedliche Formen von Schwarzarbeit beschreiben und die Angabe eines Bußgeldtatbestandes im Durchsuchungsbeschluss gänzlich fehlt. …“

2. „…Vor allem aber enthält der Durchsuchungsbeschluss keine konkreten Angaben zu dem dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin tatsächlich vorgeworfenen Verhalten sowie zum Tatzeitraum. Aus dem Durchsuchungsbeschluss wird nicht ersichtlich, welches konkrete Verhalten dem Geschäftsführer der Beschwerdefüh­rerin zur Last gelegt wird und inwiefern sich daraus der Verdacht einer Ordnungs­widrigkeit nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz ergeben könnte.

Zwar ist die Angabe von Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird, in einem Durchsuchungsbeschluss nicht stets von Verfassungs wegen zwingend notwendig. Dies gilt allerdings nur, wenn sie nicht zur Begrenzung der richterlichen Durchsuchungsgestattung notwendig sind (vgl. BVerfGK 1, 51 <52>; BVerfG, Be­schluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2007 – 2 BvR 620102 -, a.a.O., Rn. 24), etwa weil sich in der Zusammenschau mit der Um­schreibung der aufzufindenden Beweismittel ergibt, worauf die mit der Durchsu­chung betrauten Beamten ihr Augenmerk zu lenken haben. Daran fehlt es hier. Die Benennung der Beweismittel („Verträge oder Aufträge jeder Art von oder mit Kunden, Rechnungen, Bankbelege sowie Buchführungsunterlagen, Muster- oder Mustermappen, Karteikarten, Terminkalender, Schriftverkehr aus dem hervorgeht, dass der Obengenannte das Handwerk/Gewerbe ausübt, Quittungen, Sparkas­senbücher etc.“) lässt vielmehr die Suche nach nahezu allen denkbaren schriftlichen Geschäftsunterlagen ohne zeitliche Eingrenzung zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. April 2008 – 2 BvR 1910/05 -, juris, Rn. 22). Den Ermittlungspersonen war somit nicht zweifelsfrei aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk bei der Durchsuchung zu richten hatten. Der äußere Rahmen der Durchsuchung war nicht hinreichend abgesteckt.“

War wirklich ein bisschen dünn bzw. ein wenig weit – je nachdem, wie man es sieht.

Was allerdings auffällt an der Entscheidung: Der angefochtene AG bzw. LG-Beschluss stammt aus 11/2007 bzw. 05/2008, also gut 4 1/2 Jahre bzw. 4 Jahre zurück. Da muss man als Betroffener also schon einen langen Atem haben bzw. viel Geduld, bis man was aus Karlsruge hört. Zum Glück handelt es sich ja nicht um eine Haftsache.