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Täteridentifizierung, oder: Nicht zu knapp darf sie sein

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Urheber Dede2

Bei der zweiten OWi-Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich ebenfalls um einen Beschluss des OLG Düsseldorf. Es ist der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.07.2017 – 3 RBs 137/17, den mit der Kollege Geißler aus Wuppertal vor ein paar Tagen übersandt hat. Nichts Besonderes und auch nichts weltbewegend Neues, aber: Die Entscheidung zeigt noch einmal kurz und knapp auf, worauf bei den Urteilsgründen u.a. zu achten ist, wenn es um die Täteridentifizierung geht.

Das AG Wuppertal hatte die Betroffene im Urt. v. 23.02.2017 – 25 OWi-623 Js 1610/16-159/16 – auch für dessen Übersendung Dank an den Kollegen Geißler – wegen eines Rotlichtverstoßes verurteilt. Es hat zur Fahrereigenschaft der schweigenden Betroffenen ausgeführt:

„Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Betroffene den PKW zum gegenständlichen Zeitpunkt geführt hat.

Der Vergleich der Bilder auf BI. 2, 3 und 53 der Akte mit dem Antlitz der Betroffene in der mündlichen Verhandlung hat zweifelsfrei ergeben, dass diese das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt hat. Dies folgt insbesondere aus dem übereinstimmenden, hageren Gesicht, den leicht eingefallenen Wangen und der auffällig geraden, schmalen Nase der Betroffenen. Schließlich stimmen auch die Form der Augenbrauen sowie die Gesichtsform der Betroffenen generell mit den genannten Fotos in der Akte überein. Das Gericht ist ferner auch deswegen von der Fahrereigenschaft der Betroffenen überzeugt; weil der potentielle Personenkreis, der als Fahrer in Betracht kommt, deutlich kleiner ist als beispielsweise bei einer Straftat in der Öffentlichkeit, für die ein unbestimmt großer Personenkreis möglicher „Täter“ sein könnte.“

Das reicht dem OLG nicht und es hebt auf:

„Die Urteilsgründe bieten keine hinreichende Grundlage für die dem Senat obliegende Prüfung, ob das – vom Amtsgericht nicht i. S. des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommene – Lichtbild der Fahrerin für eine Identifizierung geeignet ist. Die vorliegend erfolgte, bloß abstrakte Aufzahlung von Identifizierungsmerkmalen lässt die Geeignetheit des Fotos zur Identifikation nicht beurteilen. Erforderlich ist hierzu vielmehr eine konkrete und individualisierende Beschreibung dieser Merkmale (vgl. OLG Dresden DAR 2000, 279), die dem Rechtsmittelgericht die Prüfung der Ergie­bigkeit des Fotos in gleicher Weise wie bei seiner Betrachtung ermöglicht (vgl. BGHSt 41, 376, 384). Hieran fehlt es im angefochtenen Urteil.“

Leider hat das OLG eine Frage offen gelassen. Die hätte mich dann auch schon interessiert. Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung einige Beweisanträge gestellt. Die „schmiert“ das AG kurz und zackig ab:

„Wie bereits dargelegt ist der Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts geklärt. Eine weitere Beweiserhebung, wie seitens des Verteidigers durch die Beweisanträge in den Anlagen 1, 2, 3 und 5 beantragt, war im Hinblick auf § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG abzulehnen. Die der beantragten Beweiserhebung zu Grunde liegende Tatsachen waren dem Verteidiger bereits länger bekannt, so dass für ein Vorbringen erst in der Hauptverhandlung kein verständlicher Grund bestand.“

Ich habe Zweifel, ob das so reicht, oder ob das AG da nicht mehr zur Verzögerung hätte schreiben müssen. Und da bin ich wohl nicht allein. Denn auch die GStA hatte Bedenken, denn das OLG schreibt:

„Auf den von der Generalstaatsanwaltschaft daneben zutreffend aufgezeigten (mehrfachen) Verstoß gegen die § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG betreffende Begründungs­pflicht (vgl. dazu auch Göhler-Seitz, OWiG, 16 Aufl. § 77 Rn. 26) kommt es somit nicht mehr an.“

Vielleicht wäre es angebracht gewesen, dem Amtsrichter die Begründungspflicht in einer Segelanweisung näher zu bringen.

Selbständige Verfallsanordnung, so gehts, oder: Aufgepasst, da steckt eine Menge Geld drin

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Im Lasagne-Posting von heute morgen (vgl. den OLG Celle, Beschl. v. 05.04.2017 – 1 Ss (OWi) 5/17 –  und dazu Sonntagsfahrverbot, oder: Ist „Fertiglasagne“ ein „frisches Fleicherzeugnis“?) war zwar auch eine Verfallsanordnung Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung. Das AG hatte insoweit aber alles richtig gemacht, so dass das OLG dazu nichts zu beanstanden hatte. Anders nun der OLG Koblenz, Beschl. v. 04.04.2017 – 2 Ss OWi 4 SsBs 82/16, der noch einmal zu den Anforderungen an eine selbständige Verfallsanordnung nach § 29a OWiG Stellung nimmt.

Getroffen worden war mit Bescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz eine selbständige Verfallanordnung gegen die Betroffene als Drittbegünstigte mit Festsetzung des Verfalls eines Geldbetrages in Höhe von 36.841,- EUR. Grund: Bei der GmbH beschäftigte Kraftfahrer standen im Verdacht, im Zeitraum von September und No­vember 2014 als Fahrzeugführer mit Fahrzeugen, deren Halter die GmbH war, das zulässige Ge­samtgewicht in einer Vielzahl von Fällen überschritten zu haben. Während die zuständige Behör­de von der Verfolgung der Fahrzeugführer absah, wurde gegen die Betroffene die zuvor genannte Verfallanordnung getroffen. Hiergegen hat die Betroffene wirksam Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat den Verfall von insgesamt 11.101,- EUR gegen die Betroffene angeordnet.

Das OLG hat das Urteil aufgehoben und das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernis­ses (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.rn. § 206 a StPO). eingestellt. Mangels eines wirksamen Bußgeldbescheides fehle es an einer notwendigen Verfahrensvoraussetzung. Zur Begründung nimmt das OLG auf die Stellungnahme der GstA Bezug:

„In der Verfallanordnung wird davon ausgegangen, dass kein Verfahrenshindernis für ein selbständiges Verfallverfahren besteht, das nach § 29a Abs. 4 OWiG nur dann durchgeführt werden kann, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht einge­leitet oder eingestellt worden ist. Als Täter i. S. d. § 29a OWiG hat die Bußgeldbehör­de die Fahrer der Verfallbeteiligten, d. h. die Fahrzeugführer bei den überladenen Fahrten, angesehen. Von einem gegen diese gerichteten Verfahren hat die Bußgeld­behörde abgesehen (BI. 102 d. A.). Bereits in der Verfallanordnung ist jedoch auch aufgeführt, die Geschäftsführer hätten im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit Maßnah­men ergreifen müssen, um die Ordnungswidrigkeiten zu verhindern (BI. 101 d. A.), was nur in der Weise zu deuten ist, dass die Bußgeldbehörde bereits erkannt hatte, dass auch die Geschäftsführer gegenüber den von den Fahrzeugführern begange­nen eigenständige Ordnungswidrigkeiten verwirklichten und gegen diese vorgegan­gen werden könnte. In der Anordnung ist jedoch nicht ausgeführt, ob Verfahren gegen die Geschäftsführer oder auch ein Verfahren auf Festsetzung einer Verbands­geldbuße nach § 30 OWiG eingestellt oder erst gar nicht erst eingeleitet wurden. Ei­ne selbständige Verfallsentscheidung bei einer juristischen Person kommt nach § 30 Abs. 5 OWiG immer nur dann in Betracht, wenn eine Geldbuße mangels Ermittlung einer tatbestandsmäßig handelnden Leitungsperson nicht verhängt werden kann (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.09.2010 — 2 Ws 81/10). Zum Nichtvorliegen die­ses Verfahrenshindernisses enthält die Verfallanordnung keine Ausführungen.

Die Verfallanordnung wird zudem den Anforderungen, die sich §§ 87 Abs. 5, Abs. 3 Satz 2, 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG ergeben, nicht gerecht, weil sich aus ihr nicht in hinrei­chendem Maße ergibt, dass ein anderer eine mit Geldbuße bedrohte Handlung be­gangen hat. Eine mit Geldbuße bedrohte Handlung liegt nach der Begriffsbestim­mung des § 1 Abs. 2 OWiG vor, wenn die konkrete Handlung tatbestandsmäßig und rechtswidrig ist. Vorwerfbar braucht sie nicht zu sein. Eine nicht vorwerfbare Hand­lung muss aber den Tatbestand erfüllen. Ist nur vorsätzliches Handeln mit Geldbuße bedroht, so setzt die Tatbestandsverwirklichung voraus, dass der Täter zumindest mit natürlichem Vorsatz gehandelt hat. Ist auch fahrlässiges Handeln erfasst, so muss der Täter zumindest objektiv pflichtwidrig gehandelt haben (Göhler, OWiG, § 1, Rn. 8 m. w. N.). Eine solche mit Geldbuße bedrohte Handlung ist sowohl im Fall des § 29a Abs. 1 OWiG als auch im Fall der hier vorliegenden Anordnung gegen einen Dritten nach § 29a Abs. 2 OWiG Voraussetzung für den Verfall.

Die Bußgeldbehörde hat die mit Geldbuße bedrohte Handlung darin gesehen, dass ­- namentlich nicht benannte — bei der Verfallbeteiligten beschäftigte Personen bei be­trieblich veranlassten Fahrten Fahrzeuge der Verfallbeteiligten führten, die das zuläs­sige Gesamtgewicht überschritten. Zwar ergibt sich aus der Verfallanordnung, dass zwischen September 2014 und November 2014 mit Fahrzeugen, deren Halterin die Verfallbeteiligte ist, 91 Transporte von dem Bauprojekt pp., 53 Transporte vom Projekt pp. und 12 Transporte vom Projekt pp. jeweils zur Deponie pp. unter Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts von 40 Tonnen durchgeführt wurden. Dabei werden u. a. für jede Fahrt die Wiegescheinnummer, das Datum, die Uhrzeit, das Kennzeichen des ver­wendeten Fahrzeugs, das Bruttogewicht, die Überladung in Tonnen sowie in Prozent und das Nettogewicht aufgeführt. Es fehlt jedoch an Angaben, welche konkreten Per­sonen die einzelnen Fahrten vornahmen, und an Angaben, um welche Art von Fahr­zeugen es sich dabei handelte. Eine Überprüfung des zulässigen Gesamtgewichts durch das Rechtsbeschwerdegericht ist so bereits nicht möglich.

Zu den Handlungen der Geschäftsführer wird kursorisch ausgeführt, diese hätten die Einhaltung des zulässigen Gesamtgewichts überwachen und ihren Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß organisieren müssen (BI. 101 d. A.). Zur konkreten Ausgestaltung der Überwachung und Organisation des Geschäftsbetriebs durch die Geschäftsfüh­rer — oder zu deren Fehlen – werden keine Angaben gemacht. Wie die Geschäftsab­läufe der Verfallsbeteiligten zur Tatzeit organisiert waren, welche Funktion im Ge­schäftsbetrieb die beiden Geschäftsführer wahrnahmen, ob es sich um eine kleine Gesellschaft mit wenigen Mitarbeitern handelt, bei der jeder Auftrag, jeder Wiege-schein und jede Rechnung gleichsam „über den Schreibtisch“ der Geschäftsführer ging, oder ob es sich um ein großes Unternehmen mit einer Vielzahl von auf Hilfsper­sonen delegierten Aufgabenbereichen handelte, ob Aufsichtspersonen eingesetzt waren, ob und wie diese überwacht wurden, bleibt offen.

Die Verfallsanordnung grenzt den Tatvorwurf daher in sachlicher Hinsicht nicht aus­reichend von anderen prozessualen Sachverhalten ab. Es steht schon nicht zwei­felsfrei fest, welcher Lebensvorgang — Handlungen der Fahrzeugführer oder der Geschäftsführer – erfasst und geahndet wird. Dieser Mangel hat sich insofern fortge­setzt, dass das Gericht die Anknüpfungstaten, nämlich die Ordnungswidrigkeiten der Fahrzeugführer, im Urteil vom 11. August 2016 gegen die Ordnungswidrigkeiten der Geschäftsführer austauschte, und dies damit begründete, dass diese bereits in der Verfallanordnung enthalten seien und das Gericht daher nicht daran gehindert sei, nach eigenem Ermessen darüber zu bestimmen, ob Taten der Geschäftsführer oder der Fahrzeugführer zugrunde gelegt würden (UA, S. 14). Gerade im Hinblick darauf, dass eine selbständige Anordnung des Verfalls nach § 29a Abs. 4 OWiG nur mög­lich ist, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder eingestellt wurde, kann der Täter aber nicht beliebig austauschbar sein.“

So geht es also richtig. Sollte man als Verteidiger auf dem Schirm haben, denn es kann ja – wie die Entscheidung zeigt – bei der Mandantin um viel Geld gehen.

„ein durch Schlaufe verbundener Auf- und Abstrich“ ist keine Unterschrift, oder: (Daher) Aufhebung

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Manchmal liest man zu bestimmten Fragen und Problemen lange keine Entscheidungen. Und dann häufen sich auf einmal Urteile/Beschlüsse zu diesen Fragestellungen. So geht es mir derzeit mit der Frage der ausreichenden Unterschrift. Dazu hat dann – wenn ich es richtig sehe: zuletzt – der BGH im BGH, Beschl. v. 29.11.2016 – VI ZB 16/16 – Stellung genommen (vgl. dazu Kunstvoll, oder: Halbkreis mit Schnörkeln – ist das (noch) eine Unterschrift?). Da ging es um die Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes im Zivilverfahren durch den Vertreter der Partei. Dem BGH hat der „Halbkreis mit Schnörkeln“ – (noch) gereicht, um ihn als Unterschrift anzusehen. Ich war in dem Zusammenhang gefrgat worden, ob die Gerichte denn auch im Straf-/Bußgeldverfahren mit den richterlichen Unterschriften unter die Urteile ggf. so streng sind. Die Frage hat ja Bedeutung im Hinblick auf die Fertigstellung des Urteils innehalb der Urteilabsetzungsfrist (§ 275 StPO). Denn so lange das Urteil nicht unterschrieben ist, ist es nicht „abgesetzt“ und kommt es dann ggf. zur Aufhebung. Meine Antwort war: Ja.

Und sie wird jetzt bestätigt durch zwei Entscheidungen des OLG Hamm, nämlich den OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2017 – 1 RVs 35/17, den mir der Kollege Tomczak aus Olpe übersandt hat, und den OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2016 – 1 RVs 94/16, auf den ich auf NRWE gestoßen bin. In beiden Entscheidungen werden die tatrichterlichen Urteile wegen Verstoßes gegen § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO aufgehoben. In beiden Beschlüssen beanstandet das OLG das Fehlen einer „handschriftlichen Unterzeichnung“.

Leider teilt das OLG im OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2017 – 1 RVs 35/17 – keine Einzelheiten mit: Da heißt es nur, dass „das angefochtene Urteil keinerlei handschriftliche Unterzeichnung mit einem Namenszug aufweist.“ Das könnte dafür sprechen, dass das Urteil nicht nur „schlecht“, sondern überhaupt nicht unterschrieben war.

Konkreter ist das OLG dann im OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2016 – 1 RVs 94/16 – (gewesen).

„Der erkennende Richter hat das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben (§ 275 Abs. 2 S. 1 StPO), was einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug erfordert, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert (vgl. so und zum Folgenden OLG Köln, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.; allg. Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einl. Rn. 129, jew. m. w. N.). Dazu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes; ausreichend ist vielmehr, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Das setzt allerdings voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt. Diese Grenze individueller Charakteristik ist insbesondere bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader oder nahezu gerader) Linien eindeutig überschritten, die in keinem erkennbaren Bezug zu den Buchstaben des Namens stehen.

Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift weist das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 05.08.2016 nicht auf, welches lediglich mit einem handschriftlich angebrachten Zeichen versehen ist, das keinerlei Ähnlichkeit mit einem einzigen Buchstaben oder mit einer Buchstabenfolge aus dem Namen des zuständigen Richters aufweist. Dieses Zeichen besteht vielmehr lediglich aus einem durch eine Schlaufe verbundenen Auf- und Abstrich, der große Ähnlichkeit mit einem „L“ aufweist. Der Mangel der erforderlichen Unterzeichnung wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass der Name des Richters unter dieses Zeichen gedruckt ist, da dieser Zusatz die vom Gesetz geforderte Unterzeichnung des Urteils nicht zu ersetzen vermag.“

Und für den Revisionsverteidiger: Es genügt die Sachrüge, um solche Fehler geltend zu machen.

Für Opferanwälte von Bedeutung, oder: Adhäsionsantrag, so ist er richtig begründet

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Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – 4 StR 22/17 – die Revision einer Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. verworfen. Die vom LG getroffene Entscheidung über den Adhäsionsantrag der vier Nebenklägerinnen – Töchter der Angeklagten -, mit dem  ein Schmerzensgeld beantragt war, hat er hin gegen aufgehoben und von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerinnen abgesehen. Grund: Der Antrag erfüllte nicht die Voraussetzungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO:

„3. Der Adhäsionsausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld für die vier Nebenklägerinnen kann keinen Bestand haben.

a) Der von den Nebenklägerinnen gestellte Adhäsionsantrag entsprach nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach die-ser Vorschrift muss der Antrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 281/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 7; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Das ist im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht geschehen.

b) Zwar hat die Bevollmächtigte der Nebenklägerinnen durch einen in der Hauptverhandlung rechtzeitig (§ 404 Abs. 1 Satz 1 StPO) übergebenen Schrift-satz für diese jeweils einen unbezifferten Schmerzensgeldanspruch als Adhäsionsantrag geltend gemacht (PB 17). In dem Schriftsatz wird zum Grund der Ansprüche und zur Höhe der verlangten Schmerzensgelder aber lediglich auf das zu erwartende Ergebnis der Hauptverhandlung verwiesen („hinsichtlich des Tathergangs und der psychischen und physischen Verletzungshandlungen“). Eine weitere Konkretisierung ist – soweit ersichtlich – nicht erfolgt, auch nicht in Form einer Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe, was bei einfach gelagerten Sachverhalten ausreichen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2013 – 4 StR 368/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Satz 2 Wirksamkeit 1). Schon mit Blick darauf, dass der Adhäsionsantrag die-selben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144), hätte es im vorliegenden Fall, in dem es um zahlreiche Tatvorwürfe gegen zwei Angeklagte ging, näherer Darlegungen der Nebenklägerinnen bedurft, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihre Adhäsionsanträge stützen wollten.“

Für Opferanwälte von Bedeutung.

BVerfG: Durchsuchungsanordnung ohne Tatzeitraum geht nicht, oder: Gesundbeten des GBA hilft auch nicht

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Bevor ich heute Nachmittag das RVG-Rätsel vom vergangenen Freitag auflöse, möchte ich zum Wochenauftakt zunächst zwei Entscheidungen vorstellen, die sich mit der Durchsuchung befassen.

Den Auftakt macht der BVerfG, Beschl. v. 04.04. 2017 – 2 BvR 2551/12 – folgendem Sachverhalt: Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume der eines im Bereich der Vermögensverwaltung tätigen Unternehmens, nennen wir es U. Das Vermögen der Kunden des Unternehmens war vornehmlich bei einer H. AG angelegt. Wohl im Jahr 2010 hatte das Land NRW eine Daten-CD mit Informationen über deutsche Staatsbürger erworben, die Kunden der H. International waren und Erträge aus den dortigen Vermögensanlagen gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt hatten. Weiterhin beinhaltete die Datensammlung bankinterne Aufzeichnungen über Lebensversicherungspolicen der L. International, in welche deutsche Kapitalanleger investiert hatten. Es wurde festgestellt, dass eine Vielzahl der Betroffenen auch Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmen U unterhielt. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse leitete die Steuerfahndung Strafverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen mehrere Mitarbeiter der U. ein. Das AG Bochum ordnete dann im Oktober 2011 im Rahmen eines gegen sieben Mitarbeiter geführten Verfahrens die Durchsuchung der Geschäftsräume sämtlicher Niederlassungen der U nach § 103 StPO an. Am 14. 11. 2011 wurden die Geschäftsräume aller Niederlassungen der U. durchsucht. Zahlreiche Unterlagen wurden beschlagnahmt und Daten durch Spiegelung von Laufwerken gesichert. Die U hat Beschwerde eingelegt, die vom LG Bochum verworfen worden ist. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Nach Auffassung des BVerfG wurde der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluss den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine Durchsuchungsanordnung nicht gerecht, weil er keine Angaben zum Tatzeitraum enthielt, denn:

  • Eine ausdrückliche Angabe des Tatzeitraums enthielt der Beschluss nicht; es wurde lediglich angegeben, es bestünden Anhaltspunkte für „über Jahre hinweg“ betriebene Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
  • Auch die Sachverhaltsschilderung ließ an keiner Stelle erkennen, ab welchem Zeitpunkt die Beschuldigten mit den Beihilfehandlungen begonnen haben sollen.
  • Auch aus der Angabe, dass einer der Beschuldigte im Jahr 2006 zum Unternehmen U wechselte, ließ sich keine Beschreibung des Tatzeitraums entnehmen. Eine Begrenzung ist diesbezüglich höchstens für die ihm selbst vorgeworfenen Taten vorhanden, nicht jedoch für die der weiteren sechs Beschuldigten.

Und:

„dd) Selbst wenn – wie der Generalbundesanwalt ausführt – einem Durchsuchungsbeschluss stets eine immanente Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten eigen sein sollte, wären in dem Beschluss vom 14. Oktober 2011 jedenfalls nicht die erforderlichen Angaben enthalten, um diesen nichtverjährten Zeitraum zu bestimmen, zumal dieser je nach Tatverdächtigem und Einzeltat unterschiedlich zu bestimmen sein könnte. Gemäß § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung mit Beendigung der Tat. Bei Hinterziehung von Einkommensteuer ist die Tat mit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides, in dem die Steuer zu niedrig festgesetzt wurde, beendet (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14 – m.w.N.), im Fall der Begehung durch Unterlassen dann, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten im Veranlagungsbezirk für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 1 StR 172/16 – m.w.N.). Bei der Teilnahme beginnt die Verjährung mit der Beendigung der Haupttat. Da jedoch im Beschluss nicht angegeben wurde, wann die Einkommensteuerbescheide bekanntgegeben wurden beziehungsweise wann die Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen abgeschlossen waren, lässt sich anhand des Beschlusses nicht feststellen, wann die den Beschuldigten vorgeworfenen Taten verjährt waren. Eine zeitliche Begrenzung ist dem Beschluss daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu entnehmen. Hiervon unabhängig könnte eine dem Beschluss lediglich durch Auslegung zu entnehmende Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten schon deshalb problematisch sein, weil sie praktisch kaum handhabbar wäre. Denn der Beschluss hat die Funktion, in der Situation der Durchsuchung jederzeit eine präzise und – auch im Hinblick auf jeden Beschuldigten – eindeutige Begrenzung des durch ihn legitimierten Grundrechtseingriffs zu ermöglichen.“

War wirklich ein wenig (?) „dünn“. Und das „Gesundbeten“ des GBA hat auch nichts geholfen.