Schlagwort-Archive: Amphetamin

Zweimal BayVGH zur Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Diabeteserkrankung oder Drogenkonsum

Bild von Andreas Breitling auf Pixabay

Im „Kessel Buntes“ am Samstag zwei Postings mit verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis.

Hier zunächst zwei Entscheidungen des BayVGH, und zwar.

Bei medikamentöser Therapie eines Diabetes mellitus mit hohem Hypoglykämierisiko (z.B. Insulin) ist die Fahreignung nach den strengeren Anforderungen an das Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 zu bejahen bei guter Stoffwechselführung ohne schwere Unterzuckerung über drei Monate und ungestörter Hypoglykämiewahrnehmung. Schwere Unterzuckerung (Hypoglykämie) bedeutet dabei nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung die Notwendigkeit von Hilfe durch eine andere Person.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sogenannte harte Drogen (hier: Amphetamin) im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat.

BtM II: Amphetamin BtM von mittlerer Gefährlichkeit, oder: Die Einziehung beim Kurierfahrer

entnommen wikimedia.org
Author Orlan

Die zweite Entscheidung des Tages, der BGH, Beschl. v. 26.07.2022 – 3 StR 193/22 – kommt auch vom BGH. In ihm nimmt der BGH zu zwei Fragen Stellung: Nämlich zu Strafzumessung und zur Einziehung.

Zur Strafzumessung führt er aus:

„1. Die umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf insofern nur das Folgende:

Die Strafkammer hat sowohl bei der Prüfung des Vorliegens minder schwerer Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne schulderhöhend gewertet, dass es sich bei dem tatgegenständlichen Amphetamin um „ein jedenfalls nicht unterdurchschnittlich gefährliches Betäubungsmittel“ handelte. Diese Erwägung stößt auf rechtliche Bedenken. Denn Amphetamin ist ein Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2022 – 1 StR 83/22, juris Rn. 4; vom 18. März 2019 – 5 StR 462/18, juris; vom 14. August 2018 – 1 StR 323/18, StV 2019, 339 Rn. 4; vom 23. Januar 2018 – 3 StR 586/17, juris Rn. 5; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 943, 946). Damit aber darf der Art des Betäubungsmittels bei Amphetamin für sich genommen keine schulderhöhende Wirkung beigemessen werden (BGH, Beschlüsse vom 18. März 2019 – 5 StR 462/18, juris; vom 23. Januar 2018 – 3 StR 586/17, juris Rn. 5; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1801; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 797, 945). Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil aber nicht. Angesichts der übrigen Strafzumessungserwägungen, der festgesetzten Einzelstrafen und der Höhe der Gesamtstrafe ist auszuschließen, dass die Strafkammer geringere Einzelstrafen und eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte, wenn sie den Umstand, dass die Taten Amphetamin betrafen, nicht als schulderhöhend angesehen hätte.

Und zur Einziehungsentscheidung heißt es:

„2. Die Einziehungsentscheidungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

a) Die Einziehung von 1.795,01 Gramm Cannabiskraut, 52,45 Gramm Kokainzubereitung und einer Flasche mit 779,73 Gramm Amphetaminöl hat zu entfallen. Denn nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden diese Betäubungsmittel zwar anlässlich von Durchsuchungen der Wohnung des Angeklagten in dieser aufgefunden und sichergestellt. Sie standen jedoch in keinem Bezug zu den verfahrensgegenständlichen Taten; diese hatten den Transport von anderen Betäubungsmitteln durch den Angeklagten als Kurier für einen Dritten zum Gegenstand. Damit kommt eine Einziehung der vorgenannten Betäubungsmittel gemäß § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 33 Satz 1 BtMG nicht in Betracht, weil sie keine Tatobjekte der abgeurteilten Taten waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Mai 2022 – 3 StR 122/22, juris Rn. 27; vom 2. November 2021 – 3 StR 324/21, juris Rn. 5; vom 27. Januar 2021 – 3 StR 471/20, juris Rn. 4). Eine Einziehung im vorliegenden Verfahren nach § 76a StGB scheidet schon mangels eines hierauf gerichteten Antrags der Staatsanwaltschaft (§ 435 Abs. 1 StPO) aus (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95 Rn. 17 mwN; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 33 Rn. 452).

b) Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist, soweit diese in Höhe von mehr als 21.600 € angeordnet worden ist, nicht tragfähig begründet.

aa) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Kuriertätigkeit Betäubungsmittel an einen Käufer lieferte und im Gegenzug die Kaufpreise in Höhe von insgesamt 21.600 € entgegennahm. Diese kehrte er an seinen Hintermann aus, der ihn jeweils direkt bei der Übergabe entlohnte. Insgesamt bekam der Angeklagte für seine Kurierfahrten von seinem Auftraggeber 3.300 €, wobei ihm ein Anteil in Höhe von 500 € mit der ausdrücklichen Bestimmung übergeben wurde, dieser solle der Erstattung von Auslagen für die Anmietung eines Kurierfahrzeuges dienen. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit dem von ihm vereinnahmten Entgelt für die Betäubungsmittel in Höhe von 21.600 € sowie dem als Tatlohn und Auslagenerstattung erhaltenen Betrag in Höhe von 3.300 € insgesamt 24.900 € durch die urteilsgegenständlichen Taten erlangte. Dementsprechend hat sie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in dieser Höhe angeordnet, davon im Hinblick darauf, dass der Angeklagte das Entgelt für die übergebenen Betäubungsmittel an seinen Hintermann auskehrte, in Höhe von 21.600 € als Gesamtschuldner.

bb) Während die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 21.600 € keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, hält die darüber hinausgehende Einziehung des als Tatlohn und Auslagenerstattung erlangten Betrages in Höhe von insgesamt 3.300 € der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Da der Angeklagte seinen Kurierlohn und die Auslagenerstattung jeweils nach der Ablieferung vereinnahmten Entgelts erhielt, liegt es nicht fern, dass er von seinem Auftraggeber aus dem Taterlös entlohnt wurde, den er diesem zuvor als vereinnahmtes Entgelt aus dem Betäubungsmittelverkauf übergeben hatte. In diesem Fall schiede eine Wertersatzeinziehung in Höhe des Kurierlohns und der Auslagenerstattung aus, weil es ansonsten zu einer nicht statthaften doppelten Abschöpfung vom Angeklagten im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangter Vermögenswerte käme (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 – 5 StR 130/19, juris Rn. 11; Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20 Rn. 15). Da die Urteilsgründe sich zu dieser Frage nicht verhalten, sind sie insofern durchgreifend lückenhaft. Soweit die Strafkammer die Einziehung des Wertes von Taterträgen hinsichtlich des vom Angeklagten erlangten Kurierlohns und der Auslagenerstattung in Höhe von zusammen 3.300 € angeordnet hat, bedarf die Sache daher der neuen Verhandlung und Entscheidung. Die bislang zur Wertersatzeinziehung getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), weil sie lediglich zu ergänzen sind.“

Ergebnis: Auf dem Fehler bei der Strafzumessung beruhte das LG-Urteil nach Ansicht des BGH nicht, also hatte der Fehler – außer dem Rüffel – keine Auswirkungen. Zur Einziehung hat der BGH aufgehoben und zurückverwiesen.

StGB I: Strafzumessung, oder: Ist Amphetamin eine sog. harte Droge?

entnommen wikimedia.org
Author Orlan

Die erste Entscheidung heute kommt dann zum allgemeinen Teil, nämlich zur Strafzumessung (§ 46 StGB). Es geht im BGH, Beschl. v. 14.08.2018 – 1 StR 323/18 – um eine Veurteilung wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln, nämlich Amphetamin. Das LG ist im Rahmen der Strafzumessung davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine sog. „harte Droge“ handelt. Das beanstandet der BGH:

„1. Der Strafausspruch hält in den Fällen B.II. und B.III. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat in den Fällen B.II. und B.III. der Urteilsgründe jeweils minder schwere Fälle angenommen und die verhängten Einzelstrafen jeweils dem Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG entnommen. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer zum Nachteil des Angeklagten in die Abwägung eingestellt, dass es sich bei diesen Taten um die „harte Droge“ Amphetamin gehandelt habe (UA S. 28).

Die Zumessungserwägung, dass es sich bei Amphetamin um eine harte Droge handelt, begegnet durchgreifenden Bedenken. Sie ist auch nicht näher begründet. Der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit kommt im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN; vom 23. Januar 2018 – 3 StR 586/17, juris Rn. 5, NStZ-RR 2018, 185 und vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 13, NStZ-RR 2017, 310). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von so genannten harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu so genannten weichen Drogen wie Cannabis (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN und vom 23. Januar 2018 – 3 StR 586/17, juris Rn. 5, NStZ-RR 2018, 185). Daran gemessen ist es verfehlt, dem Umstand, dass es sich bei Amphetamin um eine harte Droge handelt, strafschärfendes Gewicht beizumessen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 und vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 13, NStZ-RR 2017, 310).“

Für die Verteidigung in entsprechenden Fällen ganz interessant, oder?

Amphetamin drin, Fahrerlaubnis weg

© Alexander Raths – Fotolia.com

Das VG Augsburg, Urt. v. 06.06.2013 – AU 7 K 13.465 – schreibt noch einmal fest, was einhellige Meinung in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist: Bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels – mit Ausnahme von Cannabis – hat im Regelfall den Verlust der Fahreignung zur Folge, und zwar erst Recht dann, wenn unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt wird. Hier ging es um Amphetamin:

„Es entspricht allgemeiner Überzeugung in der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2006 – 11 ZB 05.1406 – m.w.N. zahlreicher anderer Oberverwaltungsgerichte, juris), dass bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels (mit Ausnahme von Cannabis) im Regelfall den Verlust der Fahreignung nach sich zieht. Ein Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen ist dabei nicht erforderlich. Irrelevant ist auch, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne einer Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen festzustellen waren oder ob der Betroffene deshalb strafrechtlich geahndet wurde (BayVGH, B.v. 23.4.2008 – 11 CS 07.2671- juris).

….
Der Kläger hat am 18. November 2012 unter dem Einfluss von Amphetamin ein Kraftfahrzeug geführt. Insoweit ergibt sich aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum … vom 10. Dezember 2012, dass im Blut des Klägers eine Amphetamin-Konzentration von 58,0 ng/ml festgestellt wurde. Der Kläger hat zudem einen Konsum von Amphetamin auch bereits vor diesem Vorfall eingeräumt.
b) Von der Einschätzung als fahrungeeignet war auch nicht gemäß der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV eine Ausnahme zu machen.
….
Die von der Klägerseite hierzu vorgetragenen Umstände (s. Schriftsatz vom 2.April 2013, Punkt 2 a) bis e)) können jedoch einen Ausnahmefall im Sinne der oben genannten Voraussetzungen nicht belegen, sondern zeigen vielmehr, dass beim Kläger von einem Regelfall auszugehen ist. Gerade der Sachverhalt, dass der Kläger bereits mehrfach Amphetamin konsumiert hat und dann auch unter dem Einfluss dieser Droge ein Kraftfahrzeug geführt hat, belegt seine mangelnde Fähigkeit, sein Verhalten verantwortungsbewusst zu steuern. Auch der Vortrag, dass der Kläger bei der Drogenfahrt keine Ausfallerscheinungen zeigte und dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, rechtfertigt nicht die Annahme einer besonderen Steuerungsfähigkeit, mit der der Mangel an Willensstärke und der Kontrollverlust beim Konsum „harter“ Drogen als kompensiert gelten könnte (vgl. Bay VGH, B.v. 21.12.2006 – 11 CS 06.1264 – juris).“