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Pflichti II: Pflichtverteidiger im selbständigen Einziehungsverfahren, oder: Nicht beim AG Reutlingen/LG Tübingen

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Im zweiten Posting des Tages geht es um die Bestellung eines Pflichtverteidigers im (selbständigen) Einziehungsverfahren (§ 435 StPO). Der Antrag war gestellt von einem Ausländer, die Höhe des Einziehungsbetrages ergibt sich aus dem AG Reutlingen, Beschl. v. 20.01.2020 – 5 Ds 28 Js 3435/19 – nicht. Das AG hat den Antrag abgelehnt:

„1. Ein Fall der notwendigen Verteidigung (§ 140 Abs. I Strafprozessordnung) liegt nicht vor. Die Mitwirkung eines Verteidigers am Selbständigen Einziehungsverfahren ist auch nicht wegen der „Schwere der Tat“, der Höhe des Einziehungsbetrages oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten. Dass der Einziehungsbeteiligte Ausländer ist oder der Deutschen Behördensprache funktional nicht mächtig, soll eine Beiordnung regelmäßig nicht erfordern (LG Tübingen, Beschluss vom 11.12.2019, m.w.N.). Ebenfalls ist nicht ersichtlich, dass sich der in anderer Sache verurteilte Einziehungsbeteiligte nicht selbst über einen Dolmetscher sachdienlich erklären kann. Die Vorschrift des § 435 Abs. III StPO verweist gerade nicht auf §§ 140 ff. StPO. Der Verurteilte ist „bloßer“ Einziehungsbeteiligter, nicht Beschuldigter oder gar Angeklagter. Die Gewinnabschöpfung soll im Übrigen vorrangig präventiven Zwecken dienen. Sie ist keine Nebenstrafe, sondern Maßnahme eigener Art (§ 11 Abs. I Nr. 8 StGB). Maßnahmen der Vermögensabschöpfung (zumindest nach § 76a Abs. IV StGB) sind nicht mit einem Strafübel verbunden und unterliegen daher grundsätzlich nicht dem Schuldprinzip. Die selbständige Einziehung nach § 76a Abs. I StGB und insbesondere § 76a Abs. IV StGB erfolgt grundsätzlich, selbständig, erweitert und unabhängig von Schwere oder Umfang der oder einer Tat oder einer Verurteilung. Sie korrigiert ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen oder – wie hier wohl beantragt – dient der Einziehung Vermögen unklarer Herkunft und soll zugleich Anreize für gewinnorientierte Delikte reduzieren. Die Unschuldsvermutung gilt für die Einziehung nicht und im Rahmen des § 76a Abs. IV StGB sogar eine Beweislastumkehr.

2. Auf die materielle Begründetheit des Einziehungsantrages kommt es zunächst nicht an, wobei hier noch zu klären sein wird, inwieweit die beantragte Einziehung von § 76a Abs. I oder von § 76a Abs. IV gerechtfertigt sein könnte.

Einerseits ist nach Aktenlage gegen den Einziehungsbeteiligten nicht wegen einer Katalogtat nach § 76a Abs. IV Satz 3 StGB ermittelt worden. Eine solche Katalogtat ergibt sich auch nicht aus den Gesamtumständen oder dem Bundeszentralregister. Andererseits ist hier im Zwischenverfahren entsprechend § 435 Abs. III StPO i.V.m. §§ 201 ff. StPO bislang zur Gänze offen oder nicht entschieden, ob die Voraussetzungen des § 76a Abs. I StGB hinreichend sicher vorliegen. Offenbar ist das Ermittlungsverfahren wegen Betruges (oder Urkundenfälschung, so ein Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 24.07.2019; BI. 177 d.A.) gegen den Einziehungsbeteiligten nicht durch eine Verfügung nach §§ 170, 200, 417 StPO abgeschlossen, jedenfalls findet sich eine solche nicht bei den Akten.

Sofern der Abschluss der Ermittlungen im Antrag vom 18.11.2019 (BI. 203 d.A.) gesehen werden könnte, wird im Weiteren noch zu klären sein, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Um-ständen die Unmöglichkeit eines subjektiven Verfahrens gegen den Einziehungsbeteiligten folgt. Der Einziehungsbeteiligte ist in Strafhaft und grundsätzlich erreichbar.

Sofern ein hinreichender Tatverdacht von der Staatsanwaltschaft nicht gesehen wurde, mag noch zu klären sein, ob das subjektive Verfahren gegen den Einziehungsbeteiligten konkludent nach einer Vorschrift der §§ 153 ff. StPO abgeschlossen wurde oder aus welchen anderen Gründen es nicht zu einer Anklageerhebung wegen der Tat gekommen ist. Dann wiederum wird, noch im Zwischenverfahren, von Amts wegen zu fragen sein, ob unter diesen tatsächlichen Umständen des Einzelfalles ein Einziehungsantrag nach § 76a Abs. 1 StGB dem Grunde nach erfolgreich sein kann, da die selbständige Einziehung die Feststellung einer rechtswidrigen und schuldhaften Tatbestandsverwirklichung voraussetzt. Schwierige Tatfragen sind freilich – angesichts des Verfahrenslaufes und des überschaubaren Vorwurfes – nicht zu erwarten.“

Das LG hat auf die Beschwerde dann mit dem LG Tübingen, Beschl. v. 11.02.2020 – 9 Qs 16/20  – natürlich  verworfen:

„Deren Begründung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet. Die Kammer teilt die Auffassung des Erstgerichts und tritt den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei.

Ergänzend bemerkt die Kammer: § 435 Abs. 3 StPO verweist auf § 428 StPO. § 428 Abs. 2 StPO wiederum verweist nicht – wie schon das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – auf § 140 Abs. 1 StPO, sondern bestimmt nur, dass eine Beiordnung bei hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten erfolgen soll. Auf § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO wird nicht verwiesen.“

Sorry, ok, das AG verweist auf § 140 Abs. 1 StPO, obwohl der in § 435 Abs. 3 StPO i.V.m. § 428 Abs. 1 StPO nicht genannt wird. Das hat das schlaue(re) (?) LG erkannt.Aber immerhin setzt es sich dann mit den Umständen des Einzelfalls auseinander und verweist nicht nur – wie das LG – auf § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO.

Aber: Mir leuchtet nun nicht ein, warum denn in diesem Fall – Ausländer, der deutschen Sprache nicht mächtig, Einziehung (das verstehen ja schon deutsche Einziehungsbeteiligte nicht), in Haft und Probleme bei der materiellen Begründetheit – nicht ein Fall des § 428 Abs. 2 Satz 1 StPO vorliegen soll. In dem heißt es: „Der Vorsitzende bestellt dem Einziehungsbeteiligten auf Antrag oder von Amts wegen einen Rechtsanwalt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage, soweit sie die Einziehung betrifft, die Mitwirkung eines Rechtsanwalts geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann.“

Im Übrigen: Was ist an der Stelle anders geregelt als in § 140 Abs. 2 StPO?

Strafrecht meets Aufenthaltsrecht, oder: Aufenthalt ohne Pass

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Und die dritte AG-Entscheidungen kommt vom AG Reutlingen. Das hat den ausländischen Angeklagten im AG Reutlingen, Urt. v. 01.08.2019 – 5 Cs 28 Js 5557/19 – in einem Verfahren wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass freigesprochen.

In dem Verfahren wurde dem aus Gambia stammenden Angeklagten vorgeworfen, sich des unerlaubten Aufenthaltes ohne Pass nach §§ 3 Abs. 1, 48 Abs. 2, 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG schuldig gemacht zu haben.

Von dem Vorwurf hat das AG den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Urteilsgründe sind länger, daher stelle ich sie hier nicht komplett ein. Das Lesen lohnt sich aber m.E., weil die angesprochenen ausländerrechtlichen Fragen sicherlich kein Einzelfall sind.

Hier nur so viel: Das AG geht von einem unzureichenden Strafbefehlsantrag aus. Dazu:

„Zumindest hieran gemessen erweist sich der Strafbefehlsantrag – zur Zeit der Hauptverhandlung – wegen fehlender tatkonkretisierender Angaben als ungenügend, zumal ein „echtes“ Unterlassen vorgeworfen wird, gar in Ausprägung eines Dauerdeliktes, hier nach §§ 3, 48, 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Eine (strafbare) Unterlassung bedeutet nicht „Nichtstun“, sondern „etwas Bestimmtes nicht tun“. Schon der Umstand, dass eine Unterlassung sanktioniert wird, verlangt eine besondere Konkretisierung, zumal die für sich genommen bereits wenig spezifisch beschriebene Tathandlung (oder richtig: Tatunterlassung), beinhaltend die eigentliche Pflicht und deren (verwaltungsrechtlichen) Ursprung, hier weder durch konkrete Angaben zur Handlungsaufforderung (Welche? Wann? Was? Wie?) noch eine näher bestimmte erfüllbare Handlungsfähigkeit zeitlich individualisiert. Gerade weil es sich im Kern um ein Unterlassungsdelikt handelt, reicht die bloße Benennung eines Zeitraumes nicht (hierzu: Renner, AusländerR, 9. Aufl., § 95 Rn. 13; LG Dresden, NStZ-RR 1996, 208).

Der Antrag beschränkt sich insoweit auf eine formelhafte und weitgehend gehaltlose Mitteilung eines diffusen ausländerrechtlichen Grundsachverhaltes. Auch die gebotene Gesamtschau von Anklagesatz und sonstigem Inhalt des Strafbefehlsantrags (oder sogar der vorgelegten Akten) ermöglicht vorliegend keine genaue Tatkonkretisierung, wobei überdies zu besorgen ist, dass die Anklage allgemeine ausweisrechtliche Pflichten des Ausländers mit (zu konkretisierenden, vollziehbaren oder anfechtbaren) Mitwirkungspflichten oder Verfügungen in einem Verwaltungsverfahren vermengt, wobei der Umstand, dass eine Strafbarkeit streng(!) verwaltungsakzessorisch begründet ist, im Anklagesatz gänzlich ohne Erwähnung geblieben ist. Gegenstand einer möglicherweise strafbaren Unterlassung ist im Kern der Verstoß gegen eine Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG oder § 48 II AufenthG, die im Antrag unerwähnt ist, mithin aber sehr viele denkbare oder in der Verwaltungspraxis üblicherweise geforderte Real- oder Rechtshandlungen, die zur Beschaffung eines fehlenden Identitätsdokumentes oder zur Verlängerung von dessen Gültigkeit erforderlich sind und nur von dem Ausländer persönlich vorgenommen werden können. Pflichten sind dabei als bloße Mitwirkungshandlungen und Vorbereitungshandlungen ausgestaltet oder auch als Verwaltungsakt. Die Verpflichtung des Ausländers, an der Beschaffung eines Identitätsdokumentes mitzuwirken, beinhaltet beispielsweise auch, was aus Gründen der Informations- und Begrenzungsfunktion auszuführen sein dürfte, sich hierzu der Mithilfe Dritter, insbesondere Angehöriger, zu bedienen. Nicht nur die Fertigung von Lichtbildern und das Ausfüllen und eigenhändige Unterzeichnen eines Antragsformulars, sondern auch die persönliche Vorspräche bei der konsularischen Auslandsvertretung des Heimatstaates könnten unterlassen worden sein. Hinzu kommt die denkbare Verpflichtung, dem behördlichen Verlangen nach Abgabe der erforderlichen Erklärungen oder Urkunden nachzukommen, damit die Heimatbehörden unmittelbar an die zuständige Behörde den Pass oder Passersatz übersenden können. Nicht geklärt werden konnte beispielsweise, ob die Anklage auf die – wohl nicht selbstständig anfechtbare und deswegen verwaltungsrechtlich nicht vollziehbare – Aufforderung des Landratsamtes abstellen mochte oder auf die vollziehbare Verfügung des Regierungspräsidiums.“

Und: „Schön“ auch die Passage:

„4. Soweit die Staatsanwaltschaft offenbar auf Grundlage eines „allgemeinen“ Erfahrungssatzes davon ausgeht, der Erhalt eines fremdsprachigen Schreibens bemüßige einen jeden hier lebenden Ausländer, dieses sich zwangsläufig in seine Sprache übersetzen zu lassen, trägt diese Annahme in ihrer Allgemeinheit oder als (unbewiesene) Hilfstatsache einen Schuldspruch oder die innere Tatseite nicht.

Einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt es nicht.

Nicht ohne Grund unterscheidet die Rechtsordnung an vielen Stellen zwischen einer (nachzuweisenden) Kenntnisnahme oder der Möglichkeit der Kenntnisnahme. Auch ist allgemein bekannt, das amtliche und behördliche Schreiben häufig nicht, aus welchen Gründen auch immer, zur Kenntnis genommen werden wollen oder werden.

Dem Angeklagten nicht vorzuhalten ist, er habe im Sinne einer Zugangsverweigerung die Augen vor dem Inhalt, also einer Passpflicht verschlossen, diese aber aus den Umständen der Übergabe der Schreiben erschlossen. Die Kontakte des Angeklagten mit den Deutschen Behörden waren mannigfaltig und häufig, wobei er es, insoweit nicht abschließend, mit Behörden zur Daseinsvorsorge, dem Bundesamt für Migration, dem Landratsamt und dem Regierungspräsidium zu tun hatte. Weder ist im Allgemeinen, noch vorliegend ist sicher, dass ein schrift- und sprachunkundiger Ausländer oder der Angeklagte, der bei seinem Aufenthalt hier, was allgemein bekannt ist, mit einer Vielzahl von Papieren, Merkblättern und Dokumenten versorgt ist, deren Bedeutung, gar deren Inhalt verstand oder überhaupt für wichtig erachtet hat oder wenigstens für wichtig erachten musste.

Es vermag der Richter kein allgemeines Denkgesetz zu erkennen, wonach zu Lasten eines Angeklagten ein (regelmäßig sicher) wahrscheinliches, vernünftiges, anzuratendes oder rechtstreues Verhalten angenommen werden darf. Nicht wie sich der Angeklagte hätte verhalten können ist entscheidend, sondern wie er sich erwiesenermaßen verhalten hat. Im Übrigen ist immer auszugehen von der für den Angeklagten günstigen Möglichkeit, nämlich jener, dass der Angeklagte den Inhalt und die Bedeutung der Aufforderung schlicht nicht verstanden hat.“

So gehts „im wilden Süden“: Durchsuchung/Beschlagnahme im OWi-Verfahren

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Ja, es gibt sie: Durchsuchung und Beschlagnahme auch im Bußgeldverfahren. Allerdings sind da die Verhältnismäßigkeit besonders zu beachten. Dazu gibt es EGMR und BVerfG-Rechtsprechung und auch einiges von den Instanzgerichten. Alles nachzulesen im OWi-HB oder im Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, in der demnächst erscheinenden 6. Auflage bei Rn.896.

Deshalb hat mich der – schon ein wenig ältere –  AG Reutlingen, Beschl. v. 28.10.2011 – 7 OWi 24 Js 19990/11 – schon ein wenig erstaunt. Danach sollen die Zwangsmaßnahmen auch verhältnismäßig sein in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, in dem dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 39 km/h vorgeworfen wird. das erscheint mir angesichts des Umstandes, dass noch nicht einmal ein Fahrverbot droht zweifelhaft. Die Entscheidung ist allerdings bestätigt worden vom LG Tübingen, Beschl. v. 29.12.2011 – 1 Qs 248/11. Also: Nicht der „wilde Westen“, sondern der „wilde Süden“.

Wenn ich die Begründung so lese, klingt es für mich eher nach dem berühmten „Ätsch-Effekt“: Du schweigst, dann wird eben (zur Strafe) durchsucht. Das heißt es:

“ Bei der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts ist die Durchsuchung und darüber hin aus wegen der Notwendigkeit für das gerichtliche Bußgeldverfahren (u.a. Vorbereitung eines anthropologischen Identitätsgutachtens oder eines Augenscheines durch das Gericht) auch die Beschlagnahme erforderlich und verhältnismäßig (vgl. hierzu: Beschluss des BVerfG, Az: 1 BvR 1307/05). Der Betroffene besitzt eine Fahrerlaubnis für Krafträder und ist der Halter des Fahrzeugs. Der Betroffene räumt die Tat nicht ein. Die Bilder der Messung zeigen u.a. einen auffälligen Helm, Schuhe und eine Jacke, die auch zum Alter des Betroffenen passen. Es ist zu erwarten, dass die Gegenstände, so sie ihm gehören, noch bei ihm aufgefunden werden können. Die zu beschlagnahmenden Gegenstände sind zur weiteren Sachaufklärung geeignet. Nachdem der Betroffene keine Angaben machte, bedarf es der Beschlagnahme zum Zwecke eines Augenscheines durch den Bußgeldrichter und einer evt. sachverständigen Auswertung nach von dem Betroffenen verursachten Tragespuren. Persönliche Motorradbekleidung und Schuhe, insbesondere aber Motorradhelme, bei denen es sehr auf die Passform ankommt und die meist längere Zeit in Gebrauch sind, werden – was gerichtsbekannt ist – für gewöhnlich schon aus hygienischen Gründen nicht verliehen. Umgekehrt mag das Nichtauffinden des Helmes und der Jacke den Betroffenen vom Tatverdacht zu entlasten. Dieser Beschluss kann unbefristet mit der Beschwerde beim Amtsgericht Reutlingen oder dem Landgericht Tübingen angefochten werden, die aber keine aufschiebende Wirkung hat.“

Und: Wenn die Verfahren so bedeutend sind, dann frage ich mich, warum die dann nicht auch gebührenrechtlich eine Rolle spielt. Dann wäre doch zumindest in diesen Verfahren die Mittelgebühr angemessen. Aber: In den Verfahren wird dann viel Platz darauf verwendet darzulegen, warum die nicht angemessen ist. Verrückte Welt :-).

Blutentnahme: Ich brauche meinen Schlaf, also stör mich nachts bloß nicht…..ist das keine Willkür?

Na, wenn das keine Willkür ist/war. Es geht mal wieder um die richterliche Anordnung bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO). Dazu stellt das AG Reutlingen in seinem Urteil vom 25.11.2009 – 10 Ds 25 Js 16424/09, das mir heute übermittelt worden ist, fest:

Gegen 01:17 Uhr riefen die Beamten hingegen beim Bereitschaftsstaatsanwalt, Herrn Oberstaatsanwalt X  an. Dieser ordnete umgehend die Entnahme zweier Blut­proben an. Er versuchte dabei erst gar nicht, den Bereitschaftsrichter zu kontaktieren. Denn dieser, Vorsitzender Richter am Landgericht S , hatte ihm am Freitag, 14. August 2009 um 10.40 Uhr dienstlich eine Email mit dem Betreff „Bereitschaftsdienst“ gesandt. Diese lautete in vollem Wortlaut: „Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt ….., zur Vorbereitung und Durchführung des gemeinsamen Bereitschaftsdienstes am kommenden Wochenende (Freitag, 14.8.2009, 14.00 Uhr bis Montag 17.8.2009, 7.30 Uhr) weise ich darauf hin, dass ich – auch in den Zeiten der Nachtbereitschaft und in Eilfällen – nicht lediglich aufgrund fernmündlicher Sachverhaltsdarstellung entscheiden werde, sondern um Zuleitung jeweils schriftlich abgefasster Anträge der Staatsanwalt­schaft bitte. Mit freundlichen Grüßen xxxxx Vors. Richter am Landgericht“. Zu einer schriftlichen Antragstellung sah sich der Bereitschaftsstaatsanwalt auf die Schnelle aber nicht in der Lage, zumal er auch nicht wusste, wie er den Antrag dem Bereitschafts­richter hätte nachts zukommen lassen sollen.

Wie schreibt der Kollege so schön: Die Stimmung wird langsam gereizt. Das AG hat ein BVV verneint, weil nicht willkürlich gehandelt worden sei. Das muss man m.E. anders sehen: Ist es denn nicht willkürlich, wenn von vornherein ein Tätigkwerden aufgrund mündlicher Stellungnahme abgelehnt wird. Was muss denn noch passieren. Man glaubt es nicht.