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Nach 1 Jahr und 6 Monaten noch Fahrverbot; und was ist mit 1 Jahr und 7 Monaten?

© B. Wylezich - Fotolia.com

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In der Fahrverbotsverteidigung spielt die Zeit eine große Rolle, nämlich, wenn es um die Frage geht: Wie viel Zeit ist zwischen der Tat und dem (endgültigen) Urteil verstrichen? Wenn das zwei Jahre sind, geht die überwiegende Meinung der OLG i.d.R. davon aus, dass dann ein Fahrverbot nicht mehr erforderlich ist.

An dieser Grenze wird aber geknabbert. Sie ist also kein Dogma, und zwar weder in der einen wie in der anderen Richtung. Vorreiter hinsichtlich einer Verkürzung dieser Grenze ist für mich das OLG Zweibrücken. Das hat in der letzten Zeit einige Entscheidungen zu der Frage gemacht. Das ist einmal der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.08.2011, 1 SsBs 24/11, VRR 2011, 394 = VA 2011, 209 = DAR 2011, 649  = StRR 2011, 480, der von 1 Jahr 9 Monaten ausgeht. Und dann noch der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.05.2014 – 1 Ss Bs 41/13, der von 1 Jahr und 8 Monaten ausgeht. Wenn man das sieht, stellt sich natürlich die Frage: Wo ist die Grenze?, bzw. wie weit geht das OLG Zweibrücken noch hinunter.

Die Antwort haben wir nun im OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.10.2015 – 1 OWi Ss Bs 47/15. Der Kollege, der ihn mir übersandt hat, hat es ausgetestet. Da fehlten an der Zeitspanne von 1 Jahr und 7 Monaten ein paar Tage. Das hat dann dazu geführt, dass das OLG nicht vom Fahrverbot abgesehen hat. Der Leitsatz der Entscheidung, die sehr kurz 🙂 – nämlich gar nicht – begründet ist:

„Ein Zeitraum von nicht einmal 1 Jahr und 7 Monaten zwischen der Verkehrsordnungswidrigkeit und ihrer Ahndung führt noch nicht zum Absehen von einem Fahrverbot.“

Also: 1 Jahr sechs Monate reichen noch nicht, 1 Jahr sieben Monate ist danach dann aber noch offen.

Übrigens: Der o.a. Leitsatz stammt von mir. Das OLG hat im Beschluss anders formuliert, und zwar mit: „Ein Zeitraum von nicht einmal 1 Jahr und 7 Monaten zwischen der Verkehrsordnungswidrigkeit und ihrer Ahndung nötigt noch nicht zum Absehen von einem Fahrverbot.“ Fand ich nicht so passend: Wieso „nötigt“? Da steckt für mich eine Wertung drin, die m.E. nicht sein muss. Wenn ein ausreichend langer Zeitraum verstrichen ist, dann wird eben vom Fahrverbot abgesehen. Ist eben so. Da wird niemand „genötigt“. Und wer „nötigt“ schon ein OLG? 🙂

Wochenspiegel für die 27. KW., oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten über:

  1. (Traditionsgemäß :-)) über Kachelmann – die Nachlese-, und zwar lesenswert hier, aber auch noch hier.
  2. Über die Falschbeschuldigungsquote bei Vergewaltigungsvorwürfen.
  3. Über eine kreative Radarfalle.
  4. Über Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
  5. Über Hamburger Taxifahrer unter Betrugsverdacht.
  6. die Beschlagnahme von E-Mails.
  7. den Betrug mit EC-Karten.
  8. die Frage, ob die Presse über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens berichten muss,
  9. das Absehen vom Fahrverbot bei einem „Schichtdienstler“,
  10. Und: Über Burhoff und den Oldtimer.

Der Hase und die Geschwindigkeitsüberschreitung

Es ist gar nicht so einfach, zum heutigen Tag thematisch etwas zum Hasen zu bringen und dabei einen verkehrs- bzw. strafrechtlichen Bezug herzustellen. Dazu passt nun mal nicht der Streit um den Goldhasen.

Eingefallen ist mir dann aber AG Lüdinghausen, Urt. v. 19.01.2009 – 19 OWi -89 Js 1880/08-170/08, das ich – aus anderem Grund – immer gern auf Fortbildungen vorstelle. Dort ging es um einen Hasen, denn der Betroffene hatte sich wie folgt eingelassen:

„Ich war auf der oben genannten Straße mit ca. 75-80 km/h unterwegs als ich am rechten Straßenrand einen Hasen bemerkte, der für eine kurze Zeit meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach ein paar Metern raste der Hase nach vorne und überquerte einige Meter vor meinem Fahrzeug die Straße, so dass ich ihn aus den Augen verlor. Dieses Ereignis muss die Messung zu meinem Nachteil beeinflusst haben.“

Das AG setzt sich damit auseinander und verweist zunächst darauf, dass ein Hase auf dem Messfoto nicht zu erkennen sei. Dann heißt es weiter:

Wie bereits oben dargestellt, ist auf dem Messfoto ein Hase nicht zu erkennen, sondern vielmehr das Fahrzeug des Betroffenen. Zudem ist auf der Gegenfahrbahn unmittelbar im Bereich vor der Front des Betroffenen ein entgegenkommendes Fahrzeug erkennbar, so dass eine Überquerung der Fahrbahn durch einen Hasen nach Einschätzung des Gerichtes nicht glaubhaft ist, sondern als bloße Schutzbehauptung des Betroffenen zu werten ist. Ein unmittelbar vor dem Fahrzeug des Betroffenen querender Hase müsste nämlich auch eigentlich aufgrund der zwei sich begegnenden Fahrzeuge „unter die Räder“ gekommen sein. Hiervon hat der Betroffene allerdings nichts berichtet.

Im Übrigen bewegen sich Hasen üblicherweise nicht mit Geschwindigkeiten von nahezu 100 km/h. So heißt es etwa in einem Im Internet unter http://www.vu-wien.ac.at/i128/pub/weidwerk/valencak%20ruf%205-2005.pdf frei abrufbaren Beitrag „Wildtiere: Schnelligkeit entscheidet!“ der renommierten Wissenschaftler Mag. Teresa Valencak und Univ.-Prof. Dr. Thomas Ruf, erschienen in der Zeitschrift Weidwerk 5/2005 zur Geschwindigkeit von Hasen:…

„Bei besonders schnellen Tieren beobachtet man, dass die Muskelmasse eher nach innen Richtung Körperschwerpunkt verlagert wird, sodass die Unterläufe zart erscheinen, Oberschenkel und Hüfte dagegen von großen Muskelpaketen umgeben sind. Diese anatomischen Verhältnisse finden sich zum Beispiel sowohl beim Geparden als auch bei unserem einheimischen Feldhasen. Die „Leichtfüßigkeit“ dieser Tiere maximiert ihre Geschwindigkeit, da der äußere Lauf beim Rennen die größte Beschleunigung erfährt. Hasen sind etwa viermal schneller als Nagetiere der gleichen Körpergröße, wobei die hohe Geschwindigkeit von 72 km/h praktisch ausschließlich mithilfe der körpernahen Muskulatur der Hinterläufe und durch eine enorme Streckphase erreicht wird.“

Wer sich fragt, warum ich die Entscheidung auf Fortbildungen vorstelle. Nicht wegen des Hasen, sondern wegen der Ausführungen des AG zum Absehen vom Fahrverbot. Die sind m.E. falsch, allerdings vom OLG Hamm, das die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil verworfen hat, abgesegnet.

Das Kleine-Einmal-Eins des OWi-Richters, oder: Glück gehabt, weil 800 € und 2 Monate Fahrverbot „gespart“

Da hat der Betroffene aber „Glück gehabt“. Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung wird im Bußgeldbescheid gegen ihn eine Geldbuße von 600 € festgesetzt und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Dagegen Einspruch. Der Amtsrichter setzt eine Geldbuße von 1.8000 € fest und ein Fahrverbot von nur noch einem Monat. Dagegen die Rechtsbeschwerde. Das OLG Köln hebt in seinem Beschl. v. 23. 12. 2009 – 82 ss OWi 113/09 – die amtsgerichtliche Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch auf. 1.800 e gehen nicht. Die Höchstgrenze des § 17 Abs. 2 OWiG gilt auch, wenn von einem Fahrverbot abgesehen wird. Also: Nur 1.000 € zulässig. Aber das Fahrverbot kann nicht wieder erhöht werden. § 331 Stpo/das Verschlechterungsverbot lassen grüßen. Das Ganze ist kein vorweihnachtliches Geschenk des OLG, sondern das „Kleines-Einmal-Eins“ des OWi-Verfahrens. Besonders die Grenze des § 17 Abs. 2 OWiG wird nicht selten von den Amtsrichtern übersehen. Rechtsbeschwerden sind dann Selbstläufer.