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Frist kürzer als beantragt – deshalb befangen?

Das OLG Frankfurt befasst sich in OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.01.2012 – 2 Ws 166/11 mit einer „Befangenheitsfrage“. Der Verteidiger hatte eine Stellungnahmefrist beantragt, die ihm auch gewährt worden ist, jedoch kürzer bemessen als der Verteidiger beantragt hatte. Darauf hatte der Verteidiger dann ein Ablehnungsgesuch gestützt.

Das OLG hat in der „kurzen Frist“ keinen „Ablehnungsgrund“ gesehen. Die kürzer als beantragt gewährte Fristverlängerung vermöge nicht den Eindruck der Befangenheit zu begründen. Die Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung in einem anhängigen Verfahren rechtfertige eine Ablehnung nur dann, wenn eine solche Entscheidung nicht lediglich auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhe, sondern diese vielmehr völlig abwegig seioder den Anschein der Willkür erwecke (vgl. BGH, Beschl. v. 10.09.2002, Az. 1 StR 169/02, und BVerfG, Beschl v. 26.06.2008, Az. 2 BvR 2067/07, juris).

Das Verhalten der abgelehnten Vorsitzenden Richterin lässt bereits keine unzutreffende Rechtsauffassung erkennen. Dabei sind im vorliegenden Fall insbesondere die Gegebenheiten des Klageerzwingungsverfahrens in Betracht zu ziehen. In diesem Verfahren müssen innerhalb der Monatsfrist des § 172 Abs. 2 S. 1 StPO dem Oberlandesgericht alle Tatsachen, die die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und alle Beweismittel vorgetragen werden. Das Oberlandesgericht muss durch den Vortrag in der Antragsschrift in die Lage versetzt werden, eine Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten vorzunehmen. Deshalb ist die Schilderung einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständliche Darstellung des Sachverhalts zur objektiven und subjektiven Tatseite erforderlich, aus dem sich der dem Beschuldigten jeweils zur Last gelegte Straftatbestand ergibt und der bei Unterstellung hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde (vgl. Meyer-Goßner, aaO., § 172 Rdn. 27a). Die – im vorliegenden Fall bereits abgelaufene – Antragsfrist kann nicht verlängert werden. Mithin ermöglicht dem Antragsteller die ihm eingeräumte Fristverlängerung nicht, seinen Antrag mit weiterem Sachvortrag auszufüllen. Bereits vor diesem Hintergrund vermag die Verfügung der Vorsitzenden Richterin, im Hinblick auf das strafprozessuale Beschleunigungsgebot dem Antragsteller nur eine eingeschränkte Fristverlängerung zu gewähren, keinen Eindruck der Befangenheit zu erwecken.“

Der Verteidiger hatte im Übrigen dann auch keinen Erfolg damit, dass er sein Ablehungsgesuchdarauf gestützt hat, dass ihm die zur Entscheidung über sein Gesuch berufenen Richter nicht namhaft gemacht worden seien. Dazu das OLG:

„Sinn und Zweck einer Namhaftmachung der zur Entscheidung berufenen Richter kann es nur sein, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, etwaige – aus seiner Sicht – bestehende Vorbelastungen der Richter erkennen und entsprechende Anträge stellen zu können. Dem wird ein Blick in die Geschäftsverteilung, aus der sich auch die potentiellen Vertreter ergeben, weitaus mehr gerecht, als die Mitteilung einer konkreten Gerichtsbesetzung, die sich bis zum Tage der Entscheidungsfindung durch unvorhergesehene Umstände – Krankheit, kurzfristige Heranziehung zu Spruchrichtertätigkeit etc. – jederzeit ändern kann.

Reichen „Mumpitz“ und „Unfug“ für die Besorgnis der Befangenheit?

Der BGH, Beschl. v.21.12.2011 – 4 StR 404/11 – lässt mich ein wenig ratlos zurück, und zwar wegen der vom BGH behandelten „Ablehnungsfrage“. Der BGH führt aus:

Zu der Rüge, an dem angefochtenen Urteil habe ein Richter mitgewirkt, gegen den ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit zu Unrecht verworfen worden sei (§§ 338 Nr. 3, 24 Abs. 2 StPO), bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts:

1. Die in der Hauptverhandlung vom 14. Februar 2011 vom Vorsitzenden der Strafkammer während einer Erörterung mit dem Verteidiger verwendete Formulierung, nach seiner Einschätzung solle mit den soeben gestellten Beweisanträgen belegt werden, die Ausführungen der zuvor gehörten medizinischen Sachverständigen seien „Mumpitz“ oder „Unfug“, vermag für sich genommen bei verständiger Würdigung die Besorgnis der Befangenheit noch nicht zu begründen. Dies ergibt sich jedenfalls aus der – insoweit unwidersprochen gebliebenen – dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters, wonach der Verteidiger selbst – ungeachtet fortbestehender Differenzen in der Sache – die Wortwahl des Vorsitzenden lediglich dahin bewertete, sie sei ihm „etwas zu salopp“.

2. Die im Ablehnungsantrag wiedergegebenen weiteren Äußerungen des Vorsitzenden rechtfertigen keine andere Beurteilung. Unter den gegebenen Umständen sind sie als nachvollziehbare, momentane Unmutsaufwallung in Reaktion auf das vorherige Verhalten des Verteidigers anzusehen.

llerdings sind auch Unmutsäußerungen von Mitgliedern des erkennen-den Gerichts als Reaktion auf das Verhalten anderer Verfahrensbeteiligter Grenzen gesetzt, die – je nach den Umständen des Einzelfalles – dann überschritten sein können, wenn sie in der Form überzogen sind oder in der Sache – immer bei der gebotenen verständigen Würdigung aus Sicht des Angeklagten – bei diesem die Befürchtung von Voreingenommenheit aufkommen lassen können (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. März 1993 – 1 StR 895/92, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8; Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14). Dies wäre im vorliegenden Fall unter Umständen dann zu bejahen gewesen, wenn die Äußerungen des Vorsitzenden aus Sicht eines verständigen Angeklagten nur dahin hätten verstanden werden können, er, der Vorsitzende, sei von vornherein nicht gewillt, die vom Verteidiger soeben gestellten Beweisanträge als ernsthaften Beitrag zur Wahrheitsfindung aufzufassen. In einem solchen Fall könnte beim Angeklagten die berechtigte Befürchtung aufkommen, der betreffende Richter nehme sein Verteidigungsvorbringen nicht mit der erforderlichen abwägenden Distanziertheit zur Kenntnis und habe sich in seinem Urteil – und sei es auch nur hin-sichtlich einer einzelnen Beweisfrage – bereits festgelegt. So liegt der Fall hier nicht. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten wurde von Beginn an durch Meinungsverschiedenheiten zwischen Gericht und Verteidigung darüber geprägt, ob die Geschädigte durch eine psychische Erkrankung in ihrer Zeugentüchtigkeit beeinträchtigt war. Die Verteidigung hatte die Stellung entsprechender Beweisanträge angekündigt. Gleichwohl nahm die Verteidigung die daraufhin von Amts wegen anberaumte Einvernahme zweier medizinischer Sachverständiger zu dieser Frage nicht zum Anlass für deren ausführliche Befragung. Statt dessen stellte sie im Fortgang der Beweisaufnahme einen Antrag auf Vernehmung eines (weiteren) medizinischen Sachverständigen, der unter anderem darauf gestützt war, die von Amts wegen gehörten Sachverständigen  verfügten nicht über die erforderliche Sachkunde. Die daraufhin vom Vorsitzenden gemachten Bemerkungen bezogen sich als momentane, verständliche Unmutsäußerung ersichtlich auf dieses Procedere der Verteidigung und konnten auch aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht dahin verstanden werden, der nunmehr gestellte Beweisantrag werde vom Gericht nicht ernstgenommen.“

Na ja, mich überzeugt das nicht so ganz. Der Angeklagte soll nach den Äußerungen tatsächlich noch glauben, das Gericht nehme seinen Beweisantrag ernst. Ich weiß nicht, oder?

Terminsverlegung? Nein, der Betroffene kann sich ja auch selbst verteidigen

Man ist zumindest ich bin dann ja doch immer wieder erstaunt, wie häufig mit Terminsverlegungsanträgen im OWi-Verfahren umgegangen wird. Ein „Paradebeispiel ist da m.E. die dem OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.01.2012 – Ss (OWiZ) 206/11  – zugrunde liegende Fallgestaltung. Das OLG geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Landkreis Helmstedt erließ gegen den Betroffenen am 18. Juli 2011 einen Bußgeldbescheid. Auf dessen Einspruch bestimmte das Gericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 20. Oktober 2011. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2011 beantragte der Betroffene, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Außerdem suchte er um die Verlegung des Verhandlungstermins nach, weil sein Verteidiger wegen einer Fortbildungsveranstaltung verhindert sei.

Das Gericht befreite den Betroffenen mit Verfügung vom 19. Oktober vom persönli¬chen Erscheinen, lehnte jedoch die begehrte Terminsverlegung ab und teilte dies dem Verteidiger des Betroffenen um 9.27 Uhr per Fax mit. Daraufhin legte der Betroffene gegen die Ablehnung der Terminsverlegung am 19. Oktober um 18.05 Uhr Beschwerde ein und lehnte den zuständigen Richter zugleich wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Wegen der Einzelheiten des Schriftsatzes, der im Zulassungsantrag wörtlich wiedergegebene wird, wird auf BI. 67 – 70 d. A. verwiesen.

Das Amtsgericht Helmstedt führte dennoch am 20. Oktober in Abwesenheit des Betroffenen und seines verhinderten Verteidigers die Hauptverhandlung durch. Während der Hauptverhandlung verkündete das Gericht einen Beschluss, in dem die Unzulässigkeit der Beschwerde und des Befangenheitsgesuchs festgestellt wird. Das Befangenheitsgesuch verfolge „erkennbar das Ziel, die verweigerte Terminsverlegung noch auf diesem Wege zu erreichen“. Eine weitere Begründung enthält der Beschluss nicht.

Dazu dann das OLG in der Begründung der Aufhebung der Verwerfungsentscheidung:

„…….

1. Der Zulassungsantrag zeigt auf, dass das Verlegungsgesuch durch die Verfügung vom 19. Oktober 2011 nicht mit einer ermessenfehlerfreien Begründung abgelehnt wurde.

In einem Bußgeldverfahren hat der Betroffene regelmäßig das Recht, sich durch ei¬nen Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Diese Gewährleistung ist Ausdruck seines von Art 2 GG geschützten Anspruchs auf ein faires Verfahren (OLG Köln, Beschluss vom 22.10.2004, 8 Ss-OWi 48/04, juris, Rn. 19, 21; OLG Thüringen, Beschluss vom 13.08.2007, 1 Ss 145/07, juris, Rn. 8; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2006, 1 Ss 165/05, juris, Rn. 6; BayObLG, Beschluss vom 31.10.2001, 1 ObOWi 433/01, ……. Der Vorsitzende ist deshalb unter anderem gehalten, über Terminsverlegungsanträge nach pflichtgemäßem Ermessen unter. Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (OLG Thüringen, a. a. 0.; OLG Karlsruhe, a. a. 0.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10, ……; OLG Bamberg, Beschluss vom 04.03.2011, 2 Ss (OWi) 209/11, ….). Die Entscheidung leidet hier an einem Ermessensfehler, weil sich das Amts¬gericht bei Ablehnung der Terminsverlegung – neben einzelfallbezogenen Umstän¬den (geringes Gewicht, einfacher Sachverhalt) – jedenfalls auch auf die Vielzahl der dort sonst jährlich anhängigen Bußgeldverfahren gestützt hat: Dieser Umstand durfte bei der Ermessensentscheidung keine Berücksichtigung finden, weil die Geschäfts¬lage des erkennenden Gerichts – mag sie auch noch so besorgniserregend sein – eine etwaige Abweichung vom Grundsatz des fairen Verfahrens schon unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen vermag (OLG Braunschweig, Be¬schluss vom 04.05.2004, 1 Ss 5/04, juris, Rn. 10 [Strafverfahren], OLG Braunschweig, Beschluss vom 17.03.2008, Ss 33/08, ……..; OLG Braunschweig, Ss (OWiZ) 140/11; OLG Hamm, Beschluss vom 26.04.2007, 4 Ss (OWi) 303/07, ……). Dass der – dem Betroffenen nicht anzulastenden – allgemeinen Geschäftslage des Gerichts bei der Entscheidung maßgebliche Bedeutung zukam, zeigt sich insbesondere daran, dass Terminsverlegungen nach der Auffassung des Amts¬gerichts „nur in ganz engen Ausnahmefällen“ möglich sein sollen, weil „außerordentlich viele Bußgeldsachen … verhandelt werden müssen“.

Ein weiterer Verfahrensfehler liegt darin, dass das Gericht den Betroffenen am 19. Oktober darauf verwies, sich entweder von einem anderen Mitglied der Kanzlei oder von einem anderen Anwalt verteidigen zu lassen, hilfsweise die Verteidigung selbst zu übernehmen, ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob dies dem Betroffenen angesichts des enormen Zeitdrucks – die Hauptverhandlung war bereits für den nächsten Tag terminiert – noch zuzumuten ist (vgl. hierzu: OLG Koblenz, Beschluss vom 27.07.2009, 1 Ss 102/09, juris,_Rn. 27). Das Gericht hätte-bei der Ermessensentscheidung dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass es dem Betroffenen erhebliche Schwierigkeiten bereiten wird, so kurzfristig einen anderen Anwalt zu be-auftragen oder gar selbst eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

Dass eine Terminsverlegung bei der Verhinderung eines Verteidigers in einfach gelagerten Fällen mit einer rein individuellen Begründung ggf. abgelehnt werden kann (vgl. hierzu: OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.1999, 2 Ss OWi 590/99, …..; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2006, 1 Ss 165/05, …….; OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2009, 2 SsRs 54/09, …….) ändert, weil abstrakt auf die Geschäftslage des Gerichts abgestellt wurde, am Ermessensfehler nichts. Und es ist für die Frage, ob ein Verfahrensfehler in der unterlassenen Berücksichtigung des Ablehnungszeitpunktes liegt, ebenfalls ohne Bedeutung, dass der Verteidiger die späte Entscheidung evt. schuldhaft dadurch verursacht haben könnte, dass er die Verfahrensakten dem Gericht – wie dem Zulassungsantrag zu entnehmen ist – erst am 18. August 2011 übermittelt hat. Denn dieses Verhalten ist dem Betroffenen nicht zuzurechnen.

Eine m.E. deutliche Abfuhr für das AG und eine deutlich Stärkung des Anspruchs auf die Verteidigung durch den Anwalt des Vertrauens auch im Bußgeldverfahren.

„Iranern sitzt das Messer zu locker“…..

Die Äußerung: „Iranern sitzt das Messer zu locker“ oder so ähnlich fällt in einem Strafverfahren wegen versuchten Totschlags während einer Vorbesprechung zwischen Berufsrichtern, Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklagevertretung. Es kommt, was kommen muss: Der die Äußerung tätigende Vorsitzende wird wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Antrag wird – fast ist man geneigt zu schreiben: was kommen musste – zurückgewiesen mit der Begründung , die Äußerung des Vorsitzenden sei als erkennbar scherzhaft in gelockerter Gesprächsatmosphäre zu bewerten (na ja :-(). An dem Zurückweisungsbeschluss ist der Vorsitzende nicht beteiligt. Der Beschluss ist dann aber Anlass für eine Ablehnung der Beisitzer mit der Begründung der Vernachlässigung einer abweichenden Bewertung durch einen beim Vorgespräch anwesenden Verteidiger und einer daraus vom Angeklagten geschlossenen Billigung der zuvor beanstandeten Äußerung des Vorsitzenden. An dem Beschluss ist der Vorsitzende jetzt wieder beteiligt.

Der BGH hat das im BGH, Beschl. v. 27.10.2011 – 5 StR 376/11 beanstandet:

Ungeachtet dessen, dass seitens der Strafkammer wiederholte Richterablehnungen – für den Senat nachvollziehbar – als besonders lästig und auf-hältlich empfunden worden sein mögen, hat das Landgericht auch diesen zweiten Antrag zutreffend nicht als unzulässig bewertet. Daher haben die abgelehnten beisitzenden Richter an der Beschlussfassung nach § 27 Abs. 1 StPO auch nicht mitgewirkt. Der Beschluss über das zweite Ablehnungsgesuch erging nun aber unter dem Vorsitz des in dem zuvor gestellten Gesuch abgelehnten Schwurgerichtsvorsitzenden.

2. Das wird von der Revision mit Recht als unvertretbar erachtet.

Auch der Vorsitzende hätte wegen des engen sachlichen Zusammen-hangs beider Ablehnungsanträge nach zutreffendem Verständnis des § 27 Abs. 1 StPO – und zwar ungeachtet der Erfolglosigkeit des ersten Antrags und ohne Rücksicht auf eine inhaltliche Bewertung der Richterablehnungen – an der Beschlussfassung über den zweiten Antrag offensichtlich nicht mitwir-ken dürfen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 StR 500/05, BGHR StPO § 27 Entscheidung 3). Denn im Zentrum der Entscheidungsfindung stand weiterhin die Bewertung seiner Äußerung in der Vorbesprechung, die Anlass für die erste Ablehnung gewesen war.

Unter Bedacht auf das Gebot, dass ein „Entscheiden in eigener Sache“ zu vermeiden ist (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2005, 3410), liegt hierin ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren. Dies aber begründet – nicht anders als ein entsprechender Besetzungsmangel im Rahmen unvertretbarer Anwendung des § 26a StPO (BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216) – die Revision nach § 338 Nr. 3 StPO (vgl. schon BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 – 1 StR 588/97, BGHSt 44, 26, 28).“

Und dann noch: „Der Senat weist ausdrücklich auf die Bedenken im Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hin, der die bislang gegebene Begründung für den Tötungsvorsatz als unzureichend erachtet.“ Ds Urteil hätte also auch wohl aus anderem Grund keinen Bestand gehabt. Nur so ging es wahrscheinlich schneller.

Der Zeuge als völlig ungeeignetes Beweismittel – nicht immer

Der Beweisantrag auf Zeugenbeweis wird in der Praxis nicht selten mit der Begründung abgelehnt, der Zeuge sei ein völlig ungeeignetes Beweismittel. Das ist häufig dann der Fall, wenn die vom Zeugen zu bekundenden Umstände schon länger zurückliegen. Der Argumentation hat jetzt der BGH im BGH, Beschl. v. 05.10.2011 – 4 StR 465/11 noch einmal etwas entgegen gesetzt. Das LG hatte einen Beweisantrag abgelehnt „da sich mit diesem Beweismittel das im Antrag begehrte Beweisergebnis nicht „nach sicherer Lebenserfahrung erzielen“ lasse.“ Ausführungen zum Grund für die angenommene Ungeeignetheit fehlten.

Der BGH hat das als rechtsfehlerhaft angesehen.

„3. Die Ablehnung des Antrags ist rechtsfehlerhaft und zwingt zur Aufhebung des Urteils.
a) Ein Beweisantrag kann wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden, wenn dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 211 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht bestätigt werden kann (LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244, Rn. 230). Zeugen sind grundsätzlich geeignete Beweismittel zum Nachweis des Inhaltes von ihnen geführter Gespräche. Im vorliegenden Fall käme die Annahme völliger Ungeeignetheit der Zeugin als Beweismittel daher nur dann in Betracht, wenn ausgeschlossen werden könnte, dass diese Zeugin den Gesprächsverlauf zuverlässig in ihrem Gedächtnis behalten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 14. September 2004 – 4 StR 309/04, BGHR StPO, § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 23). Dies hat der Tatrichter anhand allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, die dafür oder dagegen sprechen, dass ein Zeuge die in sein Wissen gestellten Wahrnehmungen gemacht hat und sich an sie erinnern kann (Senatsbeschluss vom 14. September 2004 – 4 StR 309/04, aaO). Eine solche Beurteilung enthält die Begründung des den Antrag ablehnenden Beschlusses nicht. Die völlige Ungeeignetheit der Zeugin als Beweisperson zu Bekundungen über ein Gespräch, das bei Antragstellung weniger als sieben Monate zurücklag und das einen außergewöhnlichen Lebensvorgang zum Gegenstand hatte, lag auch nicht auf der Hand.…“

Was mich am Beschluss stört ist die Formulierung: „… zwingt zur Aufhebung des Urteils…“. Wieso „zwingt“? Wenn das Urteil rechtsfehlerhaft ist, wird aufgehoben, wenn das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Das hat doch nichts mit „zwingen“ zu tun. Aber: Der BGH hat es sicher nicht so gemeint 🙂