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Neue Kronzeugenregelung – was ist die günstigere Regelung? Der BGH nimmt Stellung…..

Es war zu erwarten, dass der BGH alsbald nach Inkrafttreten der „Kronzeugenregelung“ des § 46b StGB und der Neufassung des § 31 BtMG am 01.09.2009 zur Frage würde Stellung nehmen müssen, ob und wie die (Neu)Regelungen über Art. 316d EGStGB hinaus Anwendung finden. Das hat der 3. Strafsenat in seinem Beschl. v. 18.03.2010 – 3 StR 65/10 jetzt getan. Im Beschluss heißt es:

Art. 316 d EGStGB bestimmt, dass § 46 b StGB und § 31 BtMG in der Fassung des 43. StrÄndG nicht auf Verfahren anzuwenden sind, in denen vor dem 1. September 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Diese negativ formulierte Überleitungsvorschrift stellt eine – verfassungsrechtlich unbedenkliche (BVerfGE 81, 132, 136 f.; BGHSt 42, 113, 120; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 2 Rdn. 16) – Derogation des Meistbegünstigungsprinzips (§ 2 Abs. 3 StGB) dar, die die Gerichte in bereits rechtshängigen Verfahren von der gegebenenfalls schwierigen Bewertung entbinden soll, ob die alte oder neue Fassung des § 31 BtMG nach den Umständen des konkreten Einzelfalls das mildere Gesetz sei (BT-Drucks. 16/6268 S. 17: etwa im Hinblick auf die Frage einer Milderung nach § 49 Abs. 1 oder 2 StGB oder eines Absehens von Strafe).

Sie bedeutet jedoch nicht, dass im Umkehrschluss die neuen Vorschriften – und damit auch die Präklusionsvorschrift des § 46 b Abs. 3 StGB – ohne weiteres auf Verfahren anzuwenden sind, in denen die Eröffnung des Hauptverfahrens nach dem 1. September 2009 beschlossen worden ist. Für die Frage des auf diese Verfahren anwendbaren Rechts gelten vielmehr die allgemeinen Regeln, nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB).

Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung, nach der § 46 b Abs. 3 StGB i. V. m. § 31 Satz 2 BtMG nF auch dann Anwendung finden soll, wenn dies zur Versagung einer nach alter Rechtslage gegebenen Milderungsmöglichkeit nach § 31 BtMG führt und damit eine für den Angeklagten nachteilige Änderung des zur Tatzeit geltenden materiellen Rechts darstellt, findet in der Gesetzesbegründung keine Stütze. Diese geht erkennbar nur von der Derogation des Meistbegünstigungsprinzips (§ 2 Abs. 3 StGB) aus. Auch die dortige Formulierung, dass § 46 b StGB in Strafverfahren „anwendbar“ sei, in denen bei Inkrafttreten der Neuregelung am 1. September 2009 noch kein Eröffnungsbeschluss ergangen sei (BTDrucks. aaO), kann keinen Anwendungsautomatismus in Bezug auf die neuen Vorschriften begründen. Zwar wird die mit dem 43. StrÄndG eingeführte Kronzeugenregelung in Kriminalitätsbereichen, in denen es bislang keine entsprechenden bereichspezifischen Vorschriften gab, die mildere Regelung darstellen und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in nach dem 1. September 2009 eröffneten Verfahren regelmäßig Anwendung finden. Dies ist jedoch in Bereichen, in denen schon bisher sog. „kleine Kronzeugenregelungen“ galten (§ 31 BtMG aF, § 261 Abs. 10 StGB aF), nicht der Fall. Hier ist im Einzelfall zu entscheiden, ob die neue oder die alte Regelung der Rechtsfolgen einer Aufklärungs- bzw. Präventionshilfe in ihrer Gesamtheit die für den Angeklagten günstigere Gesetzeslage darstellt.

Einer Auslegung des Art. 316 d EGStGB dahin, dass in den ab dem 1. September 2009 eröffneten Verfahren stets § 31 BtMG nF anzuwenden ist, kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil dies eine Änderung der mit Verfassungsrang (Fischer, StGB 57. Aufl. § 2 Rdn. 2; Eser aaO Rdn. 1) versehe-nen Vorschrift des § 2 Abs. 1 StGB und damit einen Verstoß gegen das im Strafrecht absolut geltende Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) darstellen würde. Zu den vom Rückwirkungsverbot erfassten Normen gehören auch jene Regeln, die über die Art und Weise der Rechtsfolgen der Erfüllung eines Straf-tatbestandes entscheiden und damit auch die Vorschriften über die Strafzu-messung (vgl. BVerfGE 105, 135, 156 f.; Schulze-Fielitz in H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar 2. Aufl. Art. 103 Abs. 2 Rdn. 24). Dass § 31 BtMG tatbestandlich an das Nachtatverhalten und einen etwaigen Aufklärungserfolg anknüpft, mithin an Sachverhalte, die (teilweise) in die Zeit nach Inkrafttreten des 43. StrÄndG fallen, ändert daran nichts. Mit der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit ist der gesamte sachliche Rechtszustand gemeint, von dem die Zulässigkeit und die Modalitäten der Ahndung einer Straftat abhängen (Fischer, aaO § 1 Rdn. 15Eser aaO § 2 Rdn. 20Rudolphi in SK-StGB § 2 Rdn. 8; Schmitz in MünchKomm-StGB § 2 Rdn. 10; Schulze-Fielitz aaO Rdn. 23 ff., 50).“

Eine für die Verteidigung interessante Entscheidung.

BGH: Inhalt der Verständigung/Absprache muss nicht ins Protokoll; aber: Vorsicht – Verfahrensrüge gewünscht

Nach Inkrafttreten der neuen Regelungen zur Verständigung in § 257c StPO und die diese Regelung flankierenden Vorschriften werden jetzt die ersten Entscheidungen des BGH zur Neuregelung veröffentlicht.

Der 3. Strafsenat des BGH hatte sich in einem Beschl. v. 13.01.2010 – 3 StR 528/09 – mit der Frage der Dokumentation der Verständigung in den Urteilsgründen zu befassen. Er hat die vom LG vorgenommene Bezugnahme „wegen der Einzelheiten auf das Verhandlungsprotokoll“ aus revisionsrechtlicher Sicht nicht beanstandet. Der durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.07.2009 (BGBl I 2353) eingefügte § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO erfordere lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung I.S. des § 257c StPO vorausgegangen sei. Die Angabe des Inhalts der Verständigung sei nicht erforderlich. Insoweit finde die notwendige Dokumentation in der Sitzungsniederschrift statt (§ 273 Abs. 1a StPO).

Von Bedeutung ist im Beschl. v. 13.01.2010 über die Frage des notwendigen Protokollinhalts hinaus, dass der BGH in der Entscheidung ausdrücklich darauf hinweist, dass (allein) die Sitzungsniederschrift ggf. die Grundlage für die Prüfung ist, ob das Verfahren nach § 257c StPO eingehalten worden ist. In dem Zusammenhang stellt der BGH ausdrücklich darauf ab, dass vom Revisionsgericht die Einhaltung des Verfahrens nicht von Amts wegen, sondern nur aufgrund einer Verfahrensrüge unter erforderlichem Tatsachenvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO!!) vorzunehmen ist.