Schlagwort-Archive: 3. Strafsenat

Und zum Wochenende etwas zum „Stalking“

In seinem Beschl. v. 12.10.2010 – 3 StR 289/10 hat der 3. Strafsenat zum Tatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) Stellung genommen. Dieses setzt eine „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebengestaltung“ voraus. Der BGH führt aus:

„Im Fall II. 6. der Urteilsgründe führt die Revision des Angeklagten auf die Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt.

Die Feststellungen belegen zwar das Vergehen der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB, nicht hingegen das der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB. Dabei kann offen bleiben, ob der Angeklagte seiner Freundin beharrlich im Sinne dieser Strafvorschrift nachgestellt hat. Jedenfalls führten die entsprechenden Handlungen des Angeklagten bei dem Opfer nicht zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189). Das nachstellende Verhalten des Angeklagten hatte lediglich zur Folge, dass die Geschädigte auf die Telefonanrufe des Angeklagten teilweise zurückrief, um ihn zu beruhigen, ihm nach Aufforderung einmal in den frühen Morgenstunden Zigaretten vorbei brachte und sich anschließend selbst keine neuen Zigaretten besorgte, als sie den Angeklagten, der sie nach Verlassen des Hauses verfolgt hatte, in ihrer Nähe stehen sah. Danach ist insoweit schon der objektive Tatbestand der Nachstellung nicht erfüllt. Da weitergehende Feststellungen unter diesem Gesichtspunkt nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in diesem Fall (allein) der Bedrohung schuldig ist. Dies bedingt die Aufhebung der zugehörigen Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten, da der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung aus dem milderen Strafrahmen des § 241 Abs. 1 StGB eine niedrigere Strafe festgesetzt hätte.“

Bitte „Butter bei die Fische“, oder: Du musst mir schon sagen, warum die Aufnahme pornografisch ist?

Das LG hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB in der bis 31. März 2004 geltenden Fassung verurteilt. Nach den landgerichtlichen Feststellungen zog der Angeklagte an einem nicht mehr zu ermittelnden Tag im Jahre 2002 die 1991 geborene Tochter Annemarie seiner Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung zu seinem Computer und „zeigte ihr pornographische Aufnahmen“. Als sie weggehen wollte, weil sie die Bilder nicht sehen wollte, „versuchte der Angeklagte, sie festzuhalten, ließ sie dann jedoch gehen, als sie sich dagegen wehrte“.

Das hat dem 3. Strafsenat des BGH nicht gereicht. Er führt in seinem Beschl. v. 22.6.2010 – 3 StR 177/10 aus:

Soweit hier von Belang, setzt der Tatbestand des § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF – ebenso wie § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB nF – voraus, dass der Täter durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen auf ein Kind einwirkt. Pornographisch sind Abbildungen oder Darstellungen, die sexualbezogenes Geschehen vergröbernd und ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen zeigen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 184 Rdn. 7). Allein die verallgemeinernde Beschreibung mit „pornographische Aufnahmen“ belegt dies nicht. Zudem verlangt ein Einwirken eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art (vgl. BGHSt 29, 29, 30 f.; BGH NStZ 1991, 485; NJW 1976, 1984); auch hierauf kann ohne nähere Feststellungen zum Inhalt der Aufnahmen nicht geschlossen werden. „

Also: Butter bei die Fische und die „pornografischen Aufnahmen“ beschreiben. Wegen der „Einzelheiten“ kann ja gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen werden. Dann kan sich das Revisionsgericht die Bilder selbst ansehen. Schöne Vorstellung, wie der BGH-Senat dann in der Beratung vor einem Videorekorder oder Notebook sitzt und sich „pornografische Aufnahmen“ ansieht. Alles rein dienstlich 🙂 :-).

Lesenswerter Volltext des BGH zum Bankrott in „Sachen MobilCom“

Ich hatte am 30.04.2010 auf das Urteil des 3. Strafsenats vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09 –, durch das die Verurteilung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der MobilCom AG wegen Bankrotts aufgehoben worden war, berichtet (vgl. hier)., Inzwischen steht der Volltext der Entscheidung auf der HP des BGH. Das Urteil ist immerhin 27 Seiten lang und für die amtliche Sammlung bestimmt. das zeigt also die Bedeutung für die Praxis. Zum Leitsatz:

Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Zugriff auf den weggegebenen Vermögensbestandteil für einen Insolvenzverwalter im Rahmen der Gesamtvollstreckung (Insolvenz) wesentlich erschwert wird.“

Lesenswert!

Verurteilung wegen Mordes das zweite Mal aufgehoben – jetzt macht es ein anderes LG

Der 3. Strafsenat des BGH hat jetzt in seinem Beschl. v. 29.04.2010 – 3 StR 103/10 zum zweiten Mal eine Verurteilung durch das LG Mönchengladbach wegen Mordes aufgehoben, weil Fehler in der Beweiswürdigung vorgelegen haben. Man versteht es nicht. Der BGH war es jetzt leid und hat das Verfahren an ein anderes LG zurückverwiesen. Dort wird man sich freuen.

Auslesen von Zahlungskarten – einverständliche Lösung beim BGH?

Der 4. Strafsenat hatte im Beschl. v 18.03.2010 – 4 StR 555/09 mitgeteilt, dass er beabsichtigt zu entscheiden:

„Das bloße Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion gespeicherten Daten, um mit diesen Daten Kartendubletten herzustellen, erfüllt nicht den Tatbestand des Ausspähens von Daten (§ 202 a Abs. 1 StGB n.F.).“

Deshalb hatte er beim 3. Strafsenat angefragt, ob an dem Urt. v. 10.5.2005 – 3 StR 425/04 (NStZ 2005, 566) festgehalten wird. Ferner hatte er die übrigen Strafsenate gefragt, ob dort Rechtsprechung entgegensteht.

Inzwischen liegen die Antworten des 1. Strafsenats und des 5. Strafsenats vor: Sie treten der Auffassung des 4. Strafsenats bei. Es zeichnet sich also eine ggf. einverständliche Lösung ab.