Den Gebührenfreitag beginne ich heute mit dem LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 12.05.2024 – 2 Qs 12/24. Der Sachverhalt ist wie üblich: Der Rechtsanwalt wird dem Beschuldigten „für den heutigen Termin“ als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der macht dann später alle Gebühren geltend, also Grund-, Verfahrens-, Terminsgebühr und auch die Nr. 4142 VV RVG. Das LG setzt die dann im Beschwerdeverfahren fest:
„Die auf den Vorführtermin am 21.12.2022 beschränkte Beiordnung des Rechtsanwalts Pp. war – nach der seit dem 13.12.2019 geltenden Rechtslage – rechtswidrig, weil §§ 140 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 143 StPO eine Pflichtverteidigerbestellung für das gesamte Verfahren vorsehen, die mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder durch Aufhebung mit gesondertem Beschluss endet. Dabei sieht § 143 Abs. 2 Satz 4 StPO ausdrücklich für die Fälle des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO vor, dass eine Aufhebung erfolgen soll, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird – was hier nicht der Fall war. Auch war Rechtsanwalt Pp. nicht lediglich Terminsvertreter des verhinderten Rechtsanwalts Pp1. , was eine zeitlich befristete Bestellung gerechtfertigt hätte. Denn Rechtsanwalt Pp1. war in der Sache noch nicht tätig und vom Gericht zum Zeitpunkt des Vorführtermins am 21.12.2022 noch nicht beigeordnet worden, sodass der damalige Beschuldigte bei dem Vorführtermin am 21.12.2022 noch keinen (Pflicht-)Verteidiger hatte.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der in Bezug auf die zeitliche Begrenzung der Beiordnung rechtswidrige Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 21.12.2022, weil er nicht mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 142 Abs. 7 StPO angefochten worden ist, mit seinem rechtswidrigen Inhalt Bestand hatte, ändert dies nichts daran, dass Rechtsanwalt Pp. die Gebühren eines Pflichtverteidigers vollumfänglich geltend machen kann. Denn auch der Pflichtverteidiger, der nur für einen Tag bzw. Termin bestellt ist, ist für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut. Daher kommt auch im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als bloße Einzeltätigkeit nach der Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG nicht in Betracht (vgl. LG Magdeburg, Beschluss vom 16. Juli 2021 – 21 Qs 53/21 –, juris, Rn. 45; a.A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.01.2023 – 4 Ws 13/23, juris, Rn 13 f.). Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn – wie vorliegend – dem Beschuldigten zum Zeitpunkt des Vorführtermins noch kein anderer Pflichtverteidiger bestellt worden ist und daher der – nach den obigen Darlegungen wenn auch rechtswidrig – lediglich für den Vorführtermin bestellte Pflichtverteidiger nicht lediglich als Terminsvertreter eines verhinderten anderen Pflichtverteidigers agiert, sondern ihm vielmehr in diesem Verfahrensabschnitt die eigenverantwortliche, umfassende Wahrnehmung der Rechte des Beschuldigten obliegt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.02.2023 – 2 Ws 13/23 -, juris, Rn. 9 ff. selbst für den Fall der Bestellung eines „weiteren“ Pflichtverteidigers „für den Termin zur Haftbefehlseröffnung“ bei Verhinderung eines zu diesem Zeitpunkt bereits bestellten anderen Pflichtverteidigers).
Rechtsanwalt Pp. stehen mithin im Hinblick auf seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des damaligen Beschuldigten Pp. die in seinem Antrag vom 24.02.2023 geltend gemachte Grundgebühr mit Haftzuschlag (Vorbemerkung 4, Ziffer 4 VV RVG) nach der Nr. 4101 VV RVG in Höhe von 216,00 Euro, Verfahrensgebühr mit Haftzuschlag (Vorbemerkung 4 Ziffer 4 VV RVG) nach der Nr. 4105 VV RVG in Höhe von 177,00 Euro sowie Terminsgebühr mit Haftzuschlag (Vor-bemerkung 4 Ziffer 4 VV RVG) nach der Nr. 4103 VV RVG in Höhe von 183,00 Euro zu.
Darüber hinaus kann er auch eine 1,0 Verfahrensgebühr nach der Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 166,00 Euro beanspruchen. Nach dem Inhalt des gegen den damaligen Beschuldigten Pp. erlassenen Haftbefehls des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 16.12.2022 soll der damalige Beschuldigte zusammen mit seiner Frau pp. durch die gegenständliche Betrugstat insgesamt 1.790,00 Euro (600 Euro + 400 Euro + 790 Euro) vereinnahmt haben. Hin-sichtlich jenes Gesamtbetrages kam bereits zum damaligen Zeitpunkt eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB als Tatertrag in Betracht. Rechtsanwalt Pp. hat den damaligen Beschuldigten nach den Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 24.02.2023 bereits vor dem Vorführtermin unter anderem auch hinsichtlich der drohenden Einziehung beraten. Durch jene beratende Tätigkeit im Ermittlungsverfahren hinsichtlich der in Betracht kommenden Einziehung ist die 1,0 Verfahrensgebühr nach der Nr. 4142 VV RVG bereits angefallen (vgl. Knaudt, in: BeckOK zum RVG, Stand: 01.03.2024, RVG VV 4142, Rn. 9 f.). Die Bemessung der Gebührenhöhe richtet sich nach § 13 Abs. 1 RVG. Der Gegenstandswert hinsichtlich der Einziehung beläuft sich auf 1.790,00 Euro, womit nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 RVG eine Gebühr in Höhe von 166,00 Euro (49,00 Euro + 39,00 Euro + 39,00 Euro + 39,00 Euro) entstanden ist.
Schließlich steht Rechtsanwalt Pp. auch das in seinem Antrag geltend gemachte Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise von nicht mehr als vier Stunden nach der Nr. 7005 Ziffer 1.) VV RVG in Höhe von 30,00 Euro zu.Hingegen kann Rechtsanwalt Pp. die ebenfalls geltend gemachte Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach der Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro vorliegend nicht beanspruchen. Voraussetzung für die Festsetzung der Pauschale ist, dass überhaupt entsprechende Entgelte angefallen sind, was bei einer mündlichen Beratung bzw. Besprechung nicht der Fall ist. Dies ist vom Rechtsanwalt im Rahmen der Vergütungsfestsetzung – zum Beispiel durch Vorlage eines entsprechenden Schreibens – nachzuweisen. Soweit die Entgelte lediglich im Rahmen der Geltendmachung der Vergütung entstehen, können sie nicht abgerechnet werden (vgl. LG Frankenthal, Beschluss vom 27. April 2023 – 1 Qs 76/23 –, juris, Rn. 14; K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, in: BeckOK zum RVG, Stand: 01.03.2024, RVG VV 7002, Rn. 2 f.). Da sich weder aus dem Vorbringen von Rechtsanwalt Pp. im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens noch aus der Akte im Übrigen ergibt, dass Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich angefallen sind, war die Pauschale nach der Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro nicht festzusetzen.“
M.E. zutreffend, und zwar auch wegen der Nr. 4142 VV RVG. Bedenken habe ich wegen der Nr. 7002 VV RVG. Die dürfte allein schon durch den Anruf beim Pflichtverteidiger entstanden sein.
Das LG hat die weitere Beschwerde zum OLG zugelassen. Ich bin gespannt, was das OLG Koblenz dazu sagt.